Vereint trainieren: Altbekannte Neonazi-Sportgruppe infiltriert Laufveranstaltungen und öffentliche Sportstätten

In der politischen Arbeit vom „III. Weg“ spielt Sport eine hervorgehobene Rolle. Zuletzt wurden in Berlin mehrere Kampfsporttrainings der Neonazi-Kleinpartei auf öffentlichen Sportanlagen bekannt. Das erregte große öffentliche Aufmerksamkeit. Doch die sportlichen Aktivitäten vom „III. Weg“ und seinen Mitgliedern gehen in Berlin über diese einzelnen Angebote hinaus. Neonazis trainieren in öffentlichen Fitnessstudios, nutzen Möglichkeiten des Breitensports oder sind in Vereinen aktiv. Die Ausmaße der neonazistischen Raumnahme im Sport sind bisher nur in Ansätzen bekannt. Zudem beschränken sich die meisten Erkenntnisse auf den Kampfsportbereich. Dieser Text benennt darüber hinaus weitere Orte und Veranstaltungen, die die Neonazis vom „III. Weg“ offen nutzen. In diesem Zusammenhang traten Teile einer Neonazi-Sportgruppe, die bereits vor drei Jahren in Berlin aktiv war, wieder in Erscheinung. Am Ende des Artikels befindet sich eine Übersicht aktuell bekannter Trainingsorte vom „III. Weg“.

Informationen zu Neonaziaktivitäten können jederzeit an dritterwegrecherche@riseup.net gemeldet werden. Inzwischen versuchen die Neonazis vom „III. Weg“ ihre Sportangebote abzusichern. Wie aktuelle Beobachtungen zeigen, traten sie im Rahmen von öffentlichen Trainings bewaffnet (z.B. mit Messern und Pfefferspray) in Erscheinung.

Sport als politisches Kampffeld vom „III. Weg

Der „III. Weg“ steht offensiv für eine völkische und selbsternannte „nationalrevolutionäre“ Politik. Neben der politischen Organisierungsarbeit gehört für sie dazu eine harte Arbeit der AktivistInnen an sich selbst. Im nationalsozialistischen Weltbild ist der individuelle Körper immer schon mit dem kollektiven „Volkskörper“ verbunden. Um in diesem Sinne eingesetzt werden zu können, soll der Körper entsprechend „rein“ gehalten werden und leistungsbereit sein. Pathetisch spricht die Partei in diesem Zusammenhang vom „inneren Befehl der Leibeszucht“. Neben dem geforderten Verzicht auf Alkohol und Drogen beinhaltet das auch körperliche Leistungsfähigkeit. Sie wird ebenfalls als Voraussetzung geistiger Stärke betrachtet. In diesem Sinne gibt es innerhalb der Partei seit mindestens 2017 eine eigene Arbeitsgruppe mit dem Namen „Körper & Geist“. Sie tritt offensiv mit einem eigenen Logo in Erscheinung und ihre Mitglieder richten vor allem lokale Kampf- und Kraftsporttrainings für die Parteimitglieder bundesweit aus. [1] Zudem organisierte die Gruppe bereits eigene Kampfsportturniere, wie das Event „Jugend im Sturm“ 2018 im thüringischen Kirchheim. [2]. Mitglieder vom „III. Weg“ nahmen darüber hinaus als Kämpfende oder zur Unterstützung an Neonazi-Veranstaltungen in ganz Europa teil. [3]

Sportangebote vom „III. Weg“ in Berlin

In Berlin besitzt der „III. Weg“ keine geeigneten eigenen Räumlichkeiten für größere Kampfsporttrainings. Deshalb greift die Partei verstärkt auf öffentliche Sportanlagen in unterschiedlichen Bezirken zurück (eine Übersicht aller bekannten Orte befindet sich am Ende des Artikels). Ziel ist es, vor allem jugendliche SympathisantInnen auf den Straßenkampf, das heißt die Auseinandersetzung mit vermeintlichen „politischen Gegner*innen“ vorzubereiten. Die Auswirkungen dieser Trainings zeigten sich zuletzt am 6. Juli 2024 bei einem organisierten Angriff von Neonazis auf Anreisende einer antifaschistischen Demonstration [4]. In der Regel sind die Neonazitrainings klandestin organisiert und finden an wechselnden Orten und Tagen statt. Auf diese Weise können sie kaum im Vorhinein verhindert werden. Dennoch verstecken sich die Neonazis nicht und trainieren am helllichten Tag im öffentlichen Raum. Doch das Sportangebot der Partei beschränkt sich nicht nur auf Kampfsporttrainings. In Berlin (und Brandenburg) veranstaltet die Neonazipartei in der Regel einmal im Jahr sogenannte „Gemeinschaftstage“ als Angebote an die Mitglieder der Jugendorganisation NRJ („Nationalrevolutionäre Jugend“). Sport und insbesondere Kampfsport ist immer Teil dieser Aktivitäten. Gleiches gilt für die „Neujahrswanderungen“ im Januar. Anfang 2021 wanderten rund 25 Neonazis durch den Grunewald. Ein Jahr später fand ein „Neujahrserwachen“ im Spandauer Forst mit rund 15 Personen statt. Neben dem gemeinsamen Laufen standen bei den Veranstaltungen auch Schattenboxen, Krafttrainings, zum Beispiel mit Liegestützen, sowie Eisbaden auf dem Programm.

10.06.2024: „Gemeinschaftstag“ der NRJ am Butzer See in Kaulsdorf. Links am Transparent: Erik Storch
30.07.2022: Oliver Oeltze beim Anleiten eines Trainings anlässlich des „Sport- und Gemeinschaftstages“ der NRJ am Butzer See in Kaulsdorf

Zudem gibt über das Jahr verteilt immer wieder Fotos von gemeinsamen Wanderungen in unterschiedlichen Teilen der Bundesrepublik. Generell spielen Ausdauertrainings in Form von Leistungsmärschen eine Rolle in der neonazistischen Ideologie. Diese Verbindung zeigt sich besonders beim neonazistischen „Ausbruch“-Marsch in Budapest, an dem in der Vergangenheit regelmäßig Mitglieder vom „III. Weg“ aus Berlin teilnahmen [5]. In Mecklenburg-Vorpommern ist der sogenannte „Tollense-Marsch“ in Neubrandenburg ebenfalls ein regelmäßiges Ereignis der Neonaziszene mit Beteiligung vom „III. Weg“ [6].

Oliver Oeltze (mittig) beim „Ausbruch“-Marsch 2019 in Budapest. Foto: Pixelarchiv

Der „III. Weg“ aus Berlin im Breitensport

Neben der Teilnahme an explizit neonazistischen Events zieht es die Mitglieder vom „III. Weg“ allerdings auch in den Breitensport, um neue sportliche Herausforderungen zu bewältigen. Im Jahr 2023 konnten Gruppen der Neonazipartei bei mindestens zwei öffentlichen Laufveranstaltungen in Berlin und Brandenburg antreten. Beim „Berlin Marsch“ am 3. Oktober 2023 liefen die Neonazis Oliver Oeltze, Sebastian Glaser, Christian Schmidt, Leander Schultze sowie eine unbekannte Person 50km durch Berlin. Währenddessen nahmen sie Propaganda-Fotos mit der Fahne vom „III. Weg“ auf und versuchten den Lauf so mit extrem rechten Inhalten zu besetzen. Den Veranstaltenden des Laufes, dem Verein „Ausdauerfreunde e.V.“, schienen die neonazistischen Teilnehmenden nicht negativ aufgefallen zu sein. Stattdessen erschien sogar ein Bild des militanten Neonazis Sebastian Glaser nach dem Zieleinlauf auf der offiziellen Facebook-Seite des Marsches.

03.10.2023: Sebastian Glaser vom „III. Weg“ beim „Berlin Marsch“

Wenn Neonazis sich privat für Sportveranstaltungen anmelden, ist es für Veranstaltende ohne das entsprechende Szenewissen sehr schwer, diese zu erkennen. Es braucht hier mehr Sensibilität für die Möglichkeit, dass bekannte Neonazis auch bei „normalen“ Sportveranstaltungen außerhalb der Kampfsportszene antreten. Zusammen mit diesem Bewusstsein müssen Veranstaltende eine Haltung zu diesem Problem entwickeln und sich einen konkreten Umgang mit extrem rechten Teilnehmenden überlegen. Das beinhaltet auch die Schaffung von Kriterien in Sportorganisationen und -vereinen, um eine Teilnahme mit allen Mitteln zu unterbinden.

Für den „Berlin Marsch“ ist nicht bekannt, wie sich die Gruppe des „III. Wegs“ angemeldet hat. Beim „Schlossinsellauf“ am 18. Juni 2023 in Lübben haben sie mit ihrer politischen Haltung allerdings nicht sonderlich hinter dem Berg gehalten. Dort traten die Neonazis Leander Schultze, Christian Schmidt und Oliver Oeltze mit dem Teamnamen „Körper und Geist“ beim Halbmarathon an. Im 10km-Lauf startete außerdem Lilith Evler vom „III. Weg“ unter der gleichen Bezeichnung. Sebastian Glaser nahm hingegen unter einem anderen Namen am Halbmarathon teil. Mit der Bezeichnung „Wardon“ stellte er seine Zugehörigkeit zu der gleichnamigen Neonazi-Kampfsportgruppierung „Wardon 21“ aus. [8] Dementsprechend hätte den Veranstaltenden schon bei der Anmeldung die Teilnahme der Neonazis auffallen können. Hier braucht es mehr Informationen und den Willen der Veranstaltenden, sich mit dem Problem rechter Raumnahme auseinanderzusetzen.

18.06.2023: Philipp Zech (links) und Sebastian Glaser (mittig) begrüßen den Neonazi Oliver Oeltze (rechts) an der Ziellinie des „Schlossinsellaufs“ in Lübben

Altbekannte Trainingsgruppe

Während des Zieleinlaufs von Oliver Oeltze beim „Schlossinsellauf“ taucht jedoch noch ein weiterer bekannter Neonazi auf. Philipp Zech ist einer der ersten, die Oeltze gratulieren, nachdem dieser sich beim Halbmarathon ins Ziel schleppte. Zech selbst nahm am 10km-Lauf teil und verzichtete ganz auf einen Teamnamen. Das ganze ist sicherlich Kalkül. Zech ist Sportwissenschaftler und war bis mindestens 2022 an der Universität Potsdam im Bereich „Sozial- und Präventivmedizin“ angestellt. Zu seinem jetzigen Arbeitsverhältnis gibt es keine Informationen. Sicher möchte er jedoch nicht, dass seine wissenschaftliche Karriere durch einen allzu offensichtlichen Verhältnis zu Neonazis gefährdet wird. Dennoch war seine Nähe zu der Gruppe vom „III. Weg“ in Lübben unübersehbar – schließlich kennen sich alle Beteiligten schon seit einigen Jahren.

Von 2019 bis 2020 war Philipp Zech im Vorstand der AfD in Charlottenburg-Wilmersdorf. Ab 2021 nahm er nachweislich an klandestinen Neonazi-Kampfsporttrainings in Weißensee teil. Neben weiteren Mitgliedern der AfD, der „Jungen Alternative“ sowie Aktivisten der „Identitären Bewegung“ (z.B. Mario Müller) waren unter den Trainingspartnern von Zech auch Christian Schmidt (damals noch NPD/JN) und Leander Schultze (im damaligen Artikel „Unbekannt 12“) bei den Trainings in Weißensee anwesend.[9] Vieles spricht dafür, dass die Trainings ein Versuch zum Aufbau einer extrem rechten Kampfsportvernetzung in Berlin waren. So war Zech bis zur Auflösung 2023 im Vorstand vom „Verein für Leibesübungen und Bildung e.V.“. Gegründet wurde dieser 2019 laut Vereinsakten unter anderem von Mario Müller (Identitäre Bewegung, s.o.) und Peter Kurth. Letzterer ist ehemaliger Berliner Finanzsenator der CDU und inzwischen als Finanzier der neofaschistischen Szene bekannt.

2021: Neonazikampfsport-Trainings mit Mitgliedern von NPD (einige damalige NPD-Mitglieder sind mittlerweile zum „III. Weg“ gewechselt), AfD und Identitärer Bewegung im „Sportkomplex Rennbahn“ in Weißensee
2021: Neonazikampfsport-Trainings mit Mitgliedern von NPD (einige damalige NPD-Mitglieder sind mittlerweile zum „III. Weg“ gewechselt), AfD und Identitärer Bewegung im „Sportkomplex Rennbahn“ in Weißensee

Nachdem die geheimen Trainings öffentlich wurden, zog sich die neonazistische Sportgruppe zurück. Die Verbindungen zueinander sind aber noch geblieben. Unter Umständen wurde das gesamte Angebot über die Jahre einfach verlegt. So war der „Schlossinsellauf“ nicht das einzige Event, an dem Teile der Sportgruppe vom damaligen Training in Weißensee erneut zusammentrafen. Am 27. September 2023 fand ein Training vom „III. Weg“ im Calisthenics Park auf dem Kastanienboulevard in Hellersdorf statt. Neben Oliver Oeltze und Leander Schulze nahm auch Philipp Zech daran teil. Es deutet somit vieles auf ein Fortbestehen von einem Kern der alten Neonazi-Trainingsgruppe aus Weißensee unter dem Label vom „III. Weg“ hin. Hier profitiert die Neonazipartei von der Aufbauarbeit der neofaschistischen Bewegung um AfD und Identitäre Bewegung.

27.09.2023: v.l.n.r.: Philipp Zech (ehemalig im Vorstand der AfD Charlottenburg-Wilmersdorf), Oliver Oeltze, Andreas Thomä, Leander Schultze, Erik Storch, Sebastian Glaser und Andi Körner (alle „III. Weg“) nach dem gemeinsamen Kampfsporttraining auf dem Hellersdorfer Kastanienboulevard
2020: Philipp Zech (links) bei der AfD Charlottenburg-Wilmersdorf

Fazit

In Berlin gibt es somit jahrelang gewachsene Strukturen der extremen Rechten, auf die der „III. Weg“ in seiner Parteiarbeit zurückgreifen kann. Auch wenn bestimmte Personen, wie Philipp Zech, aus der Öffentlichkeit verschwinden, bestehen persönliche Netzwerke weiter. Zudem zeigen die beiden Beispiele vom „Berlin Marsch“ und dem „Schlossinsellauf“ in Lübben, dass Neonazis vom „III. Weg“ gezielt öffentliche Sportangebote nutzen, um ihren extrem rechten Körperkult voranzutreiben und Räume zu besetzen. Dieses Phänomen war bisher vor allem aus dem Kampfsportbereich bekannt, betrifft aber auch viele andere Sportfelder, wie eben den Lauf- und Ausdauersport. Hier muss auf Seiten der Veranstaltenden ein Bewusstsein entstehen, dass Neonazis an ihren Events teilnehmen können und sich dort präsentieren. Daran anschließend braucht es eine Haltung, um gegen diese Vereinnahmung Position zu beziehen. Es ist schwer vorauszusagen, wann und wo Neonazis auf Sportveranstaltungen anzutreffen sein werden. Im Jahr 2024 war der „III. Weg“ in Lübben nicht anwesend. Aber sicherlich werden sie sich andere Veranstaltungen suchen. Insgesamt versucht der „III. Weg“ sein Sportangebot breit aufzustellen, verschiedene Bereiche zu besetzen und so über Sport Politik zu machen. Diese Strategie erinnert an das Vorgehen der neonazistischen „Active Clubs“, die sich aus den USA inzwischen auch in Europa ausbreiten.


Weiterführende Informationen


Übersicht der bekannten Trainingsorte vom „III. Weg“ in Berlin

1) Kissingen-Stadion (Pankow)

  • 17.05.2024: gemeinsames Training mit rund 25 zumeist jugendlichen Neonazis
  • 13.10.2023: Training von ungefähr sechs Neonazis
  • 08.09.2023: Kampfsporttraining mit rund 20 Neonazis, darunter Rechte aus Polen und Frankreich

2) Calisthenics Park auf dem Kastanienboulevard (Hellersdorf)

  • 27.09.2023: Kampfsporttraining mit acht Neonazis
  • 10.06.2023: „Gemeinschaftstag“ der NRJ mit rund neun Neonazis
  • 09.11.2022: Veröffentlichung Videodreh am Calisthenics Park mit rund 14 Neonazis für Musikprojekt „Kombaat“ von Manuel Eder

3) Butzer See (Kaulsdorf)

  • 10.06.2023: „Gemeinschaftstag“ der NRJ mit rund neun Neonazis
  • 30.07.2022: „Gemeinschaftstag“ der NRJ mit rund sieben Neonazis

4) Basketballplatz an der Landsberger Allee (gegenüber Hausnummer 214; Lichtenberg)

  • 07.05.2024: (Kampf-)Sporttraining und Graffiti von ca. 16 Neonazis
  • An dem Ort wurde in der Vergangenheit vor allem die öffentliche Graffiti-Hall vom „III. Weg“ genutzt.

5) Schlosspark Pankow

  • 07.07.2023: Kampfsporttraining von rund zehn Neonazis darunter Mitglieder der spanischen Neonazipartei „Devenir Europeo“

6) Bolzplatz Erich-Kästner-Straße (Hellersdorf)

  • 11.07.2022: ungefähr 13 Neonazis nehmen an einem „Combativen Training“ von einem französischen Neonazi teil

7) Parkaue (Lichtenberg)

  • 13.07.2024: Kampfsporttraining von ca. 20 Neonazis
  • Mitte Juni 2024: Kampfsporttraining von ca. 14 Neonazis