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Neonazi-Aktivist bei AfD Marzahn-Hellersdorf

Autor:innen: Kein Raum der AfD

Erstveröffentlichung unter Indymedia

Am 3. Februar 2024 hat die AfD Marzahn-Hellersdorf einen neuen Vorstand gewählt. Insgesamt konnten die extrem rechten Kräfte ihre Vormachtstellung im Bezirksverband weiter ausbauen. Neben den altbekannten Vertreter:innen völkischer Politik, wie Gunnar Lindemann oder Vadim Derksen, fällt jedoch ein neuer Name auf. Allerdings ist der frisch gewählte Beisitzer Otto-Martin Reblé bei Weitem kein politisch Unbekannter. Bis Ende 2005 war der heute 36-Jährige als organisierter Neonazi im Kameradschaftsbund „Märkischer Heimatschutz“ (MHS) aktiv. Zudem engagierte er sich noch vor wenigen Monaten als Organisator rechtsoffener „Montagsdemos“ in der Uckermark.

Martin Reblé und der MHS

Der „Märkische Heimatschutz“ wurde 2001 als Kameradschaftsnetzwerk im Nordosten Brandenburgs gegründet. Er entwickelte sich schnell zur größten und aktivsten Neonazistruktur im Bundesland.[1] Um einem Verbot zuvorzukommen löste sich der MHS im Jahr 2006 selbst auf. Während seines Bestehens unterhielt das Netzwerk angelehnt an den „Thüringer Heimatschutz“ mehrere „Sektionen“ in unterschiedlichen Städten der Region. Neben Schwedt, Prenzlau, Oranienburg oder Strausberg war Angermünde ein wichtiges organisatorisches Zentrum. Die MHS-Sektion in der Heimatstadt von Martin Reblé wurde geleitet vom bekannten Neonazi-Aktivisten Christian Banaskiewicz[2] und war zeitweise die stärkste Gruppierung des gesamten Netzwerks.

Reblé tauchte zum ersten Mal öffentlich am 6. September 2004 auf, als er hinter Gorden Reinholz, dem Chef des MHS,[3] durch Bernau marschierte. Im gleichen Jahr nahm er am 20. November beim Naziprotest gegen die „Silvio-Meier-Demo“ in Berlin-Lichtenberg teil und trug dort eine Brandenburg-Fahne. Am 27. April 2005 fand wiederum in Bernau ein Aufmarsch von 110 Neonazis mit dem Motto „Ausweisung krimineller Ausländer“statt – unter ihnen Martin Reblé.[4] Obwohl sich Reblé später vor allem als Mitläufer und Demogänger inszenieren wollte, war er auch an gewalttätigen Übergriffen beteiligt. So vermerkte der antirassistische Verein „Pfeffer & Salz“ für den 23. Oktober 2004 in seiner Chronik, wie Mitglieder des MHS auf einem Dorffest in Neuhof bei Angermünde massiv auftraten und dort nicht-rechte Jugendliche bedrohten. Unter den Angreifern wurde Otto-Martin Reblé erkannt, der in der Meldung gar als „Nachwuchskader des MHS“ bezeichnet wurde.[5] Die „Antifaschistische Initiative Reinickendorf“ spricht sogar von mehreren Bedrohungen Reblés gegenüber Jugendlichen.[6] Insgesamt war die Anti-Antifa-Arbeit sowie die Bedrohung von Andersdenkenden ein Schwerpunkt des MHS. Ein zentraler Angriffspunkt war dabei immer der Verein „Pfeffer & Salz“ aus Angermünde. Fast alle deren Veranstaltungen, egal ob Konzerte, Ausstellungen oder Infostände, wurden versucht zu stören und es kam auch zu gewaltsamen Übergriffe gegen das Büro und die Mitglieder des Vereins. Die bekannten Aktivitäten von Otto-Martin Reblé reihen sich in diese Politik der neonazistischen Raumnahme als „Kampf um die Straße“ ein.

Vom Stiefel-Nazi zum Anzug-Faschisten

Ab Ende 2005 taucht Reblé nicht mehr im Kontext des MHS auf. Er selbst gibt an, sich in der Zeit von der Neonazikameradschaft entfremdet zu haben. Ihre Politik war ihm nicht nachhaltig genug.[7] Stattdessen trat Reblé 2008 auf der Liste der „Bürger für Gerechtigkeit“ bei der Stadtverordnetenwahl in Angermünde an – ohne Erfolg.[8] Schon zu dieser Zeit versucht er sich als Aussteiger zu inszenieren, der offen mit seiner Vergangenheit umgeht. Allerdings hat nie eine umfassende Aufarbeitung seiner Zeit beim MHS oder eine tiefe Auseinandersetzung mit der neonazistischen Ideologie stattgefunden. Obwohl er mit führenden Köpfen der Brandenburger Neonaziszene bekannt war, hat er nie Informationen über seine Kameraden geteilt und so zur Verhinderung weiterer neonazistischer Gewalt beigetragen. Martin Reblé hat sich einfach irgendwann entschieden, nicht mehr mitspielen zu wollen. Ein glaubhafter Ausstieg ist das nicht. Zudem nahm Reblé noch am 28. Juli 2007 ‑ also zwei Jahre nach seiner vermeintlichen Abkehr von der Szene – an einem NPD-Aufmarsch in Cottbus teil.

So kann es auch nicht verwundern, dass Otto-Martin Reblé einige Jahre später in der AfD auftauchte. 2018 trat er in den Bezirksverband in Marzahn-Hellersdorf ein. Ein Jahr später leistete er mit weiteren AfD-Mitgliedern aus dem Bezirk Wahlkampfhilfe in unterschiedlichen Brandenburger Städten. Ansonsten ist er unregelmäßig bei Veranstaltungen der AfD Marzahn-Hellersdorf anzutreffen. So nahm er im Mai 2023 an einer Infoveranstaltung mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré im Neonazi-Restaurant „Mittelpunkt der Erde“ teil.

Daneben unterhält Martin Reblé weiterhin Verbindungen zur AfD in Angermünde und dem dortigen Kreisverband Uckermark. So besuchte er am 12. November 2022 eine interne Schulung des Verbands, die von Peter Feist geleitet wurde. Der Berliner COMPACT-Autor sprach für sein Ein-Mann-Projekt „Christian Wolff Bildungswerk“ über die „Konter-Rhetorik – Wie argumentiere ich streitbar für die Positionen der AfD“.

Die Nähe der AfD Uckermark zur extremen Rechten, wie dem COMPACT Magazin, ist nicht verwunderlich, da Hannes Gnauck im Verband eine führende Rolle einnimmt. Gnauck sitzt für die Brandenburger AfD im Bundestag, ist Bundesvorsitzender der Parteijugend „Junge Alternative“ und bekennender Vertreter des völkischen Parteiflügels.[9]

Neben seinem Engagement in der AfD war Reblé seit September 2022 war ein führender Kopf und regelmäßiger Redner der Neuauflage der rechtsoffenen „Montagsdemos“ in Angermünde.

Eingebettet in das Netzwerk „Uckermark steht auf“ drehten sich diese inhaltlich um die bekannten Themen zwischen Corona-Verschwörungserzählungen, einer autoritären Russland-Treue sowie rassistischer Stimmungsmache. Unter den zumeist 25 Demonstrierenden waren auch regelmäßig lokale AfD-Politiker:innen, wie Sigrid Splisteser. Sie engagiert sich in Angermünde maßgeblich beim AfD-Bürgerbegeheren gegen den Bau einer Unterkunft für Geflüchtete in Prenzlau. Somit haben sich für Reblé vielleicht die politischen Mitstreiter*innen verändert. Die Themen sind aber weitestgehend dieselben geblieben, auch wenn er sich inzwischen aus dem Organisationskreis der „Monatgsdemos“ zurückgezogen hat.

Neue „Heimat“ Marzahn-Hellersdorf

Nun ist Otto-Martin Reblé in den Vorstand der Marzahn-Hellersdorfer AfD gewählt worden. Dort hat er sicherlich ein wohlwollendes Umfeld für seine politische Haltung gefunden. Schließlich war in der Vergangenheit auch schon die inzwischen inhaftierte Neonazi-Terroristin Birgit Malsack-Winckemann im Bezirksverband gern gesehen.[10] Der amtierende Vorsitzende Gunnar Lindemann ist bekennender Unterstützer des völkischen Flügels der Partei sowie Mitinitiator von dessen Nachfolgestruktur „Idearium“. Zudem ist Lindemann Mitglied der russlandtreuen „Ostwind“-Vernetzung um Hans-Thomas Tillschneider und er referierte selber schon im „Castell Aurora“, dem Vorzeigeobjekt der „Identitären Bewegung“ im oberösterrichischen Steyeregg.[11] Einer seiner Stellvertreter ist Vadim Derksen. Der ehemalige Vorsitzende der „Jungen Alternative“ in Berlin ist momentan Leiter der Social-Media-Abteilung der „Jungen Freiheit“. Vor einigen Jahren nahm Derksen auch schon an Aufmärschen der „Identitären Bewegung“ teil.[12] Auch mit seiner Neonazi-Vergangenheit ist Martin Reblé in der AfD Marzahn-Hellersdorf nicht alleine. So bewegte sich das Parteimitglied Daniel Birkefeld Anfang der 1990er Jahre im Umfeld des Neonazi-Mörders Mike Lillge. Er war sogar mutmaßlich mit diesem unterwegs, als Lillge am 24. April 1992 Nguyễn Văn Tú aus rassistischen Motiven erstach.

Insgesamt zeigt die Personalie Otto-Martin Reblé erneut, wie gewalttätige Neonazis nach einigen Jahren Schonzeit eine zweite politische Karriere in der AfD anfangen können. Der Partei ist es einfach egal, was ihre Mitglieder und Funktionäre früher gemacht haben, solange sie heute treu zum extrem rechten Kurs stehen. Neonazi-Kader in Parteifunktionen sind keine Ausrutscher, sondern nur die logische Konsequenz der menschenverachtenden Politik der AfD.


[1] Das „Antifaschistische AutorInnen-Kollektiv Brandenburg“ hat 2005 eine detaillierte Broschüre zum MHS veröffentlicht: https://inforiot.de/wp-content/uploads/sites/30/2019/01/2005_maerkitscher_heimatschutz.pdf

[2] Mehr Infos zu Christian Banaskiewicz : https://antifainfoblatt.de/aib87/brandenburger-mischung

[3] Gordon Reinholz und der MHS: https://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/MHS.htm

[4] Zu den bekannten Demonstrationsteilnahmen Reblés: http://www.gegenrede.info/news/2008/lesen.php?datei=080923_01

[5] Übergriff in der Chronik von „Pfeffer & Salz“: https://web.archive.org/web/20050412171642/http://lola.d-a-s-h.org/~ps/tests/inhalt/aktuell/chronik2004.html

[6] Siehe Bildbeschreibung „Foto 10“: https://web.archive.org/web/20080331055614/http://www.rantifa.de/Beitrag_NaziBB.html

[7] Statment von Reblé zu seiner Zeit beim MHS: http://www.gegenrede.info/news/2008/lesen.php?datei=080923_01

[8] Zum Wahlantritt von Reblé in Angermünde (Seite 5): https://www.apabiz.de/wp-content/uploads/Monitor_Nr37.pdf

[9] Zu Hannes Gnauck: https://taz.de/Junge-Alternative-waehlt-Gnauck-zum-Chef/!5885685/

[10] Antifa-Recherchen zum „Fall Birgit Malsack-Winckemann“ https://keinraumderafd.info/2022/12/08/die-afd-marzahn-hellersdorf-und-der-rechtsterrorismus-der-fall-birgit-malsack-winkemann/

[11] Über die Finanzierung des „Castell Autora“ durch den ehemaligen Berliner CDU-Finanzsenator Peter Kurth: https://exif-recherche.org/?p=11991

[12] Vadim Derksen bei einer Demonstration der „Identitären Bewegung“ 2016 in Freilassing: https://www.regensburg-digital.de/afd-regensburg-rechte-aufmaersche-sind-privatangelegenheit/01042016/