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Aktuelle Einschätzung zur Neonazigruppe DJV und Informationen zum Aufmarsch in Oranienburg

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Am 21. September 2024 kam es im brandenburgischen Oranienburg nördlich von Berlin erneut zu einem Neonazi-Aufmarsch gegen eine CSD-Veranstaltung. Organisiert wurde der Protest maßgeblich von der Gruppe „Deutsche Jugend Voran“ (DJV) aus Berlin. Dem Aufruf folgten rund 52 Neonazis. Wir haben aus öffentlichen Fotos eine Übersicht der Teilnehmenden erstellt, da viele aus Berlin und Brandenburg kamen. Zudem wollen wir den neuerlichen Aufmarsch nutzen, um die Aktivitäten von DJV in Berlin insgesamt etwas detaillierter zu bewerten.

Seit der ersten Aktion von DJV in Berlin am 27. Juli 2024 sind fast zwei Monate vergangen. Damals versuchten rund drei Dutzend Neonazis den CSD in Berlin zu stören und wurden dabei von der Polizei eingekesselt. Danach waren Personen aus dem DJV-Spektrum wöchentlich auf Neonazi-Protesten gegen CSD-Demonstrationen in unterschiedlichen Städten in Sachsen und Sachsen-Anhalt anwesend. Außer beim Aufmarsch von „Der III. Weg“ in Zwickau am 31. August 2024 übernahmen DJV-Mitglieder auch stets strukturelle Aufgaben, wie den Ordnungsdienst. Die Neonazi-Proteste am 24. August 2024 in Magdeburg organisierte die Gruppe sogar maßgeblich. Der Aufmarsch in Oranienburg ist somit die dritte eigene öffentliche Aktion der Gruppe und die erste in Berlin und Brandenburg nach dem Störversuch am Potsdamer Platz. Es ist somit davon auszugehen, dass viele Personen, die sich DJV in Berlin und Brandenburg zugehörig fühlen, teilgenommen haben. Eine Übersicht der Teilnehmenden soll eine Identifizierung der zumeist jungen Neonazis aus diesem noch neuen Spektrum erleichtern. Zum anderen erlaubt ein Blick auf den Aufmarsch in Oranienburg eine erneuerte Einschätzung zum Mobilisierungs- und Mitgliederpotenzial von DJV in den beiden Bundesländern.

In Oranienburg fanden sich letztendlich rund 52 Neonazis ein. Das sind zwar mehr als noch im Juli am Potsdamer Platz. Dennoch nahmen auch einzelne Neonazis aus anderen Bundesländern, wie Thüringen, am Aufmarsch teil. Sie können nicht zum engeren Kreis von DJV in Berlin und Brandenburg gezählt werden. In den vergangenen zwei Monaten hat sich das Mobilisierungspotential von DJV trotz wöchentlicher Teilnahme an bundesweiten Aufmärschen, einer aktiven Rekrutierungsarbeit auf Social Media sowie zahlreichen Vernetzungsversuchen somit kaum signifikant erhöht. Bei vergleichbaren Neonazi-Protesten gegen CSD-Veranstaltungen in Sachsen waren teilweise spektrenübergreifende Mobilisierungen mit mehreren hundert Teilnehmenden zu beobachten. Demgegenüber blieb DJV Berlin-Brandenburg in Oranienburg weitestgehend unter sich. Auch die meisten der Neonazis, die am Potsdamer Platz von der Polizei festgehalten wurden, waren bei späteren Aufmärschen kaum noch zu sehen. Dementsprechend scheint DJV auf lokaler Ebene wenig Zulauf zu finden und kann nur einen vergleichsweise kleinen und stetig wechselnden Kreis von Neonazis mobilisieren. Darüber hinaus waren auch viele Personen, die in der Vergangenheit als Mitglieder von DJV auftraten, in Oranienburg nicht anwesend. Das verweist auf Probleme in der Gruppe.

Die größten personellen Konstanten in den letzten Monaten sind Julian Milz, Nick Thomas Christopher Wetzels und „Sven“. Zum engeren Kern scheinen darüber hinaus nur noch weitere fünf bis sieben Personen zu gehören. Sie treffen sich auch außerhalb von Protesten zu gemeinsamen Kneipenabenden. Zudem werden ihnen Übergriffe auf Antifaschist*innen in Berlin–Marzahn zugeordnet. Dennoch sind auch in diesem kleinen Führungszirkel gewisse Austauschprozesse zu beobachten. So distanziert sich „Vivi“, die anfangs bei allen Aktivitäten von DJV anwesend war und nach wie vor der neonazistischen Szene angehört, inzwischen öffentlich von der Gruppe. Stattdessen war in Magdeburg und Zwickau eine „Michelle“ tonangebend, die jedoch in Oranienburg nicht auftauchte.

In diesem Sinne scheint DJV weniger wie eine politische Gruppe und eher wie ein neonazistischer FreundInnenkreis zu funktionieren: Streit inklusive. Der Zusammenhalt scheint vor allem über persönliche Kontakte sowie einen ausgiebigen Alkohol- und Drogenkonsum gestiftet zu werden. Zudem ist zu beobachten, dass sich insbesondere Julian Milz und Christopher Wetzels als Führungspersonen darstellen. So inszeniert sich Milz stets am Kopf von Aufmärschen mit einem Megaphon als Leitfigur. Wetzels gibt sich hingegen im Interview mit dem „Spiegel“ als Kern von DJV aus. Dementsprechend scheint es beiden kaum um eine dauerhafte Organisierungsarbeit zu gehen und mehr darum sich selbst zu profilieren. Insbesondere Wetzels hat über seine Aktivitäten bei DJV wieder stärkeren Anschluss an die Berliner NRJ, die „Nationalrevolutionäre Jugend“ vom „III. Weg“, gefunden. Im „Spiegel“-Bericht prahlt er mit seinen Kontakten zur Partei. So zeigt er auf seinen persönlichen Social-Media-Seiten Bilder von einem Training mit NRJ-Mitgliedern sowie von seiner Beteiligung bei einer Flyer-Tour für den „III. Weg“ in Hohenschönhausen in der vergangenen Woche. Bislang scheint „Der III. Weg“ als neonazistische Kaderpartei die Selbstdarstellung von Wetzels zumindest zu tolerieren.

Zu einer engeren Zusammenarbeit beider Neonazigruppierungen trug dies hingegen nicht bei. Zwar nahmen Personen von DJV Berlin beim Aufmarsch von „Der III. Weg“ am 31. August 2024 in Zwickau teil. Dort übernahmen sie jedoch keine Aufgaben. Zudem wurde eine Person aus dem DJV-Spektrum aufgrund ihrer Hautfarbe an das Ende des Aufmarsches verbannt. Eine Woche später in Freiberg beschwerten sich viele Neonazis außerdem über das geregelte Auftreten beim „III. Weg“ und das Alkoholverbot beim Aufmarsch.

Auch die Vernetzung von DJV mit anderen Neonazi-Gruppe scheint kaum Früchte zu tragen. Anfangs waren gewisse Annäherungen an „Elblandrevolte“ (ELR) aus Dresden, einer Ortsgruppe der „Jungen Nationalisten“ (JN), zu erkennen. Inzwischen scheinen die Kontakte in die Sächsische Landeshauptstand unverbindlicher zu werden. Beim Aufmarsch der JN gegen den CSD in Halle am 14. September 2024 waren keine Personen von DJV Berlin anwesend. Auch eine erhöhte Anbindung von DJV an den Berliner Landeverband der Partei „Die Heimat“ ist nicht zu erkennen. Die engste Zusammenarbeit gab es zwischenzeitlich mit der Berliner Gruppierung von „Jung und Stark“ (JS). Inzwischen distanzieren sich jedoch JS-Mitglieder wie „Unbekannt 40“ von DJV und deren Aktionen. Statt nach Oranienburg fuhr er mit „Tom“ zu den Protesten gegen den CSD ins sächsische Döbeln. Dort trug er ein Shirt der JN. In der Woche zuvor war beide Ordner bei den Neonazi-Protesten gegen den CSD in Wismar. Auch bekannte JS-Mitglieder wie Carsten Grasse waren länger nicht im Kontext von DJV wahrzunehmen. Die ausbleibende politische Vernetzung kann das Ergebnis der fehlenden Organisationsstruktur bei DJV sein. Zudem dürften sich die Egos der selbsternannten Führungsfiguren nur schlecht mit anderen Ansprüchen vertragen.

Insgesamt bleibt abzuwarten, wie sich DJV in Berlin mit dem Abflachen der Neonazi-Mobilisierungen gegen die CSD-Demonstrationen entwickeln wird. Momentan sieht es so aus, als ob die Gruppe zwar konstant viele junge Personen ansprechen kann, aber nicht in der Lage ist, diese dauerhaft zu mobilisieren bzw. an sich zu binden. Auch eine politische Vernetzungsarbeit mit anderen Gruppen ist nicht zu erkennen. Zudem verändert sich der engere Kreis von DJV weiterhin merklich. Nur wenige Personen bleiben konstant dabei. Um sie herum bildet sich jedoch eine durchaus gefährliche Kerngruppe, die sich dem Führungsanspruch der Leitfiguren unterordnet. Diese Kleinstgruppe ist inzwischen in der Lage, eigene Mobilisierungen anzustoßen, auch wenn diese nur eine geringe Resonanz innerhalb der Neonaziszene von Berlin und Brandenburg zu entfalten. Allerdings geht von dieser Kleingruppe selbst eine erhöhte Gefahr aus, da sie auch vor Angriffen (bisher vor allem auf politische Gegner*innen) nicht zurückschreckt.

Informationen zu Neonazigruppen und -aktivitäten können jederzeit an monitorberlin@riseup.net gesendet werden.


Neonaziangriff von DJV aus Kneipe „Zum Zapfhahn“

Seit Ende Juli 2024 sind in Berlin zwei neue Gruppen vorwiegend junger Neonazis besonders aktiv. Die Zusammenschlüsse „Deutsche Jugend Voran“ (DJV) sowie „Jung und Stark“ (JS) sind vor allem durch ihre regelmäßige Beteiligung an den extrem rechten Mobilisierungen gegen CSD-Demonstrationen in Ostdeutschland aufgefallen. Dennoch gab es in der Vergangenheit auch in Berlin schon Bedrohungen durch die Neonazis, die so versuchen, Räume zu vereinnahmen. Am 13. September 2024 kam es nun vermutlich zu einem ersten Angriff von DJV in Berlin-Marzahn. Ausgangspunkt und Rückzugsort war dabei die Kneipe „Zum Zapfhahn“, die sich zu einem regelmäßigen Treffpunkt für Neonazis entwickelt hat.

Für den Abend vom 13. September 2024 ist in der Vorfallschronik vom „Berliner Register“ ein „neonazistisch motivierter Angriff und Raub“ auf der Mehrower Allee in Berlin-Marzahn eingetragen. Gegen 21:40 hätten schätzungsweise sieben Neonazis eine Person beschimpft, bedroht und geschlagen. Im Anschluss sollen sie der betroffenen Person ein Kleidungsstück entwendet haben. Die Angreifer wären zwischen 18 und 40 Jahre alt gewesen und aufgrund der Kleidung, zum Beispiel eines Shirts von „Der III. Weg“, als Neonazis zu erkennen gewesen. Über die weiteren Hintergründe der Tat ist auf der Homepage der Register nichts zu lesen. Allerdings veröffentlichte ein Instagram-Account, der der Gruppe DJV in Berlin zugeschrieben werden kann, ein Foto, das neue Hinweise liefert. Auf diesem Bild sind sieben Neonazis zu sehen, wie sie ein Shirt mit dem Logo der „Antifaschistischen Aktion“ präsentieren. Aufgenommen wurde das Bild in der Kneipe „Zum Zapfhahn“ in der Max-Herrmann-Straße 4 in Berlin-Marzahn, die sich nur wenige Gehminuten von der Mehrower Allee befindet. Aufgrund der zeitlichen und örtlichen Nähe ist davon auszugehen, dass es sich bei den Neonazis auf dem Foto um die Angreifer aus der Register-Meldung handelt. Diese sind keine Unbekannten.

Neben dem Leiter von DJV in Berlin, Julian Milz, ist auch das bekennende DJV-Mitglied Nick Thomas Christopher Wetzels eindeutig auf dem Foto zu erkennen. Letzterer versuchte zuletzt am 4. September erfolglos eine antifaschistische Kundgebung in Prenzlauer Berg zu stören. Auch die meisten der anderen Abgebildeten sind in der Vergangenheit bereits bei Aktionen von DJV aufgefallen. So übernahmen „Unbekannt 41“ und „Unbekannt 42regelmäßig Ordner-Aufgaben bei Neonaziaufmärschen gegen CSD-Demonstrationen. Auch „Unbekannt 46“ war als Ordner mit einer größeren Gruppe von DJV Berlin in Leipzig. Obwohl er regelmäßig ein Shirt von „Der III. Weg“ trägt, ist er nie im Kontext der Berliner Strukturen der Neonazipartei aufgefallen. Eine Mitgliedschaft ist somit eher unwahrscheinlich. Aufgrund der Verlinkungen ist es wahrscheinlich, dass auch „Unbekannt 43“ auf dem Foto zu sehen ist. Eine zweifelsfreie Identifikation ist allerdings genauso wie bei der siebten Person nicht möglich.

Ein körperlicher Angriff auf eine Person, weil sie von DJV als Antifaschist*in wahrgenommen wird, wäre eine neue Qualität der neonazistischen Gewalt der Gruppe. Es ist zu befürchten, dass DJV gezielt versucht, im Kiez rund um die Mehrower Allee präsent zu sein und dabei auch zunehmend gewaltbereit agiert. Einen Dreh- und Angelpunkt der neonazistischen Aktivitäten bildet dabei die Kneipe „Zum Zapfhahn“. Das Bild vom vergangenen Wochenende ist nicht das erste, das DJV aus der Lokalität postete. So kam es dort bereits im August zu einem Vernetzungstreffen zwischen DJV und JS.

Somit spricht zumindest in der Vergangenheit vieles für regelmäßige Treffen von DJV in der Kneipe, die vermutlich auch nach Aufmärschen besucht wurde. So zogen mehrere Neonazis von DJV und JS nach der CSD-Störaktion in Leipzig am 17. August 2024 um den S-Bahnhof Raoul-Wallenberg-Straße umher. Zudem ist zu vermuten, dass mehrere Mitglieder im Umfeld des „Zum Zapfhahn“ wohnen. So veröffentlichte Christopher Wetzels ein Foto von einem Balkon des darüber liegenden Wohnhauses. Da in Berlin keine eigenen Räumlichkeiten von DJV bekannt sind, dürfte „Zum Zapfhahn“ der wichtigste Rückzugsraum der neuen Neonazigruppen gewesen sein. Inzwischen hat sich der vermeintliche Kneipenbetreiber gegenüber dem „Antifaschistischen Monitor Berlin“ von DJV distanziert und gibt an, allen aus der Gruppe Hausverbote erteilt zu haben. Warum dennoch unter den Augen von Barkeeper Florian Schmidt (wohnhaft in der Marzahner Promenade 49, 12679 Berlin) wochenlang Treffen offensichtlicher Neonazis in seinem Lokal stattfanden, konnte er jedoch nicht erklären.

Insgesamt ist eine weitere Verschärfung der politischen Aktivität von DJV und JS in Berlin zu beobachten. Mitglieder beider Gruppen versuchen verstärkt öffentliche Räume in der Stadt zu besetzen und wenden dabei auch zunehmend Gewalt an. Von ihnen geht somit eine nicht zu unterschätzende Gefahr aus. Insbesondere mit dem Abflachen von Neonazi-Mobilisierungen gegen CSD-Demonstrationen könnten sich diese Aktivitäten in der Zukunft weiter verstärken. Rückzugorte, wo sich die Neonazis ungestört versammeln können, spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Sie geben die neuen Gruppierungen organisatorischen Rückhalt. Nachdem DJV den Treffpunkt im „Zum Zapfhahn“ verloren zu haben scheint, werden sie neue Räumlichkeiten im Kiez suchen.

Wer mehr Informationen zu ihnen oder weiteren Mitgliedern von DJV sowie JS hat, kann diese gerne bei monitorberlin@riseup.net melden.


* In einer ersten Version des Artikels wurde geschrieben, dass Florian Schmidt der Betreiber von „Zum Zapfhahn“ wäre. Im Anschluss meldete sich der vermeintliche Betreiber beim „Antifaschistischen Monitor Berlin“ und bekundete, Neonazis abzulehnen und der DJV Hausverbot erteilt zu haben. Ob das Hausverbot bestehen bleibt, wird die Zukunft zeigen. Einige Informationen wurden im Artikel nachträglich ergänzt.

Namen, Gesichter und Aktivitäten der Neonazigruppen DJV und JS in Berlin

Am 27. Juli 2024 versuchten rund drei Dutzend Neonazis den „Christopher Street Day“ (CSD) in Berlin anzugreifen. Hinter dem Übergriff steckte maßgeblich die Gruppierung „Deutsche Jugend Voran“ (DJV), die damit zum ersten Mal öffentlich in Erscheinung trat. Inzwischen kam es an vielen Orten zu Neonazi-Aufmärschen gegen CSD-Demonstrationen. In Bautzen, Leipzig und Magdeburg waren Neonazis von DJV aus Berlin nicht nur anwesend, sondern teilweise maßgeblich in Organisation und Strukturaufgaben tätig. DJV entwickelt sich somit zu einer zunehmend aktionsorientiert auftretenden Struktur. Zugleich zeigen die verstärkten Aktivitäten, wie die Gruppierung agiert und wer zum aktionsbereiten Kern zählt. Aufgrund der zunehmenden Vernetzung mit der Neonazi-Gruppierung von „Jung & Stark“ (JS) soll diese ebenfalls kurz beleuchtet werden.

Die Aktivitäten der Berliner DJV im August

Vor dem Übergriff auf den Berliner CSD war DJV hauptsächlich ein Internet-Phänomen. Seitdem tritt die Gruppe aber offensiv und auch zunehmend gewalttätig in der Öffentlichkeit auf. Mittlerweile versucht sie sich ebenfalls verstärkt mit anderen Gruppierungen zu vernetzen. Dies zeigte sich deutlich beim bundesweit beworbenen Neonaziaufmarsch gegen den CSD in Bautzen am 10. August 2024. Maßgeblich organisiert wurden die Neonazi-Proteste von „Elblandrevolte“ (ELR) ‑ einer Ortsgruppe der „Jungen Nationalisten“ (JN) aus Dresden. Bereits einige Tage vor dem 10. August kam es jedoch in der Sächsischen Landeshauptstadt zu einem Treffen von ELR mit einer Delegation von DJV. Wahrscheinlich wurden dort letzte Absprachen für die gemeinsame Aktion getroffen.

DJV Berlin-Brandenburg am 31.07.2024 in Dresden, rechts: Neonazi „Lucas Seifert“ alias „Chino“

Dementsprechend war eine geschlossene Gruppe von DJV bereits am Vortreffpunkt der JN anwesend. Insgesamt reisten rund 16 Berliner Neonazis aus dem DJV-Spektrum nach Bautzen. Von ihnen war jedoch nur ein kleiner Teil erkennbar in die Aufmarschstruktur eingebunden. Stattdessen übernahm ELR bzw. die JN einen Großteil der Aufgaben, wie den Ordnungsdienst oder das Anheizen per Megaphon. Dennoch trugen mehrere Berliner Neonazis das Fronttransparent von ELR und JN.

10.08.2024 Neonaziaufmarsch gegen den CSD in Bautzen. Mitglieder von DJV Berlin-Brandenburg in Bautzen mit Transparent der „Elblandrevolte“ (JN). Links am Transparent: Nick Thomas Christopher Wetzels. Rechts: „Unbekannt 40“. Foto von Thomas Witzgall

Einige Tage später, am 14. August 2024, wurden rund zehn DJV-Mitgliedern am RAW-Gelände von der Polizei festgesetzt. Zuvor waren sie sichtlich angetrunken im Friedrichshainer Kiez unterwegs. In der gleichen Woche gab es zudem ein internes Vernetzungstreffen von DJV mit den Neonazis von JS aus Berlin. Dieses Treffen fand in der Kneipe „Zum Zapfhahn“ in Berlin-Marzahn statt.

Auch JS ist ein Zusammenschluss jüngerer Neonazis, der vor allem in sozialen Netzwerken aktiv ist. Erstmals auffällig außerhalb von Social Media wurden Mitglieder von JS Berlin bei Aktivitäten gegen den CSD in Rostock (u.a. Nummer 9, hier im Artikel Unbekannt 43, und Nummer 14, Carsten Grasse). In der Vergangenheit gab es zwischen DJV und JS nur sporadische Kontakte. Die Annäherung in der letzten Zeit rührt wahrscheinlich daher, dass ELR nach den Aktivitäten in Bautzen als Bündnispartner für kommende Aufmärsche ausfiel. In einer öffentlichen Stellungnahme hatte sich die Dresdner Gruppe von den Neonazi-Protesten gegen die CSDs in Leipzig und Magdeburg zurückgezogen.

Bei den Neonazi-Protesten gegen die CSD-Veranstaltungen in Leipzig (17. August 2024) und Magdeburg (24. August 2024) konnte eine stärkere Zusammenarbeit von DJV und JS bei der Organisation und Durchführung der rechten Versammlungen beobachtet werden.

In Leipzig reiste gut ein Dutzend Neonazis aus Berlin an. Mindestens sechs von ihnen traten später bei einer improvisierten Kundgebung auf dem Bahnsteig des Hauptbahnhofs als Ordner auf. Darunter waren bekannte JS-Aktivisten, wie Carsten Grasse, aber auch DJV-Mitglieder, wie Nick Thomas Christopher Wetzels. Die neue Verbundenheit der beiden Gruppierungen drückte sich ebenfalls auf einem gemeinsamen Transparent aus. Julian Milz, führendes Mitglied von DJV Berlin, betätigte sich als Einpeitscher am Mini-Megaphon.

17.08.2024 Neonazi-Aktion gegen den CSD in Leipzig. Mitglieder von DJV Berlin-Brandenburg sind an der Organisation beteiligt. Rechts vorn mit Megaphon: Julian Milz. Foto von Pressefuchs

Nach dem gescheiterten Aufmarschversuch in Leipzig kam es auf der Rückreise zu Einschüchterungsversuchen der Berliner Neonazis auf ehemalige Teilnehmende des CSD in der Bahn.

In Magdeburg zeigte sich ein ähnliches Bild. Aus Berlin (und Brandenburg) reisten gut 20 Neonazis an. Sie übernahmen wiederum Ordner-Aufgaben, stellten das Fronttransparent und eigene Megaphone.

24.08.2024 Neonazi-Störaktion gegen den CSD in Magdeburg. Mitglieder von DJV und JS Berlin-Brandenburg am Transparent. Links unten mit Megaphon: Nick Thomas Christoper Wetzels. Rechts unten: „Tom“. Foto von Marco Kemp

Insgesamt ist die Entwicklung von DJV in Berlin im zurückliegenden Monat durchaus alarmierend. Vor allem das Aktionsniveau der Gruppierung hat sich merklich erhöht. Statt der Koordinierung von vereinzelten Saufabenden traut sich DJV inzwischen die Organisation und Durchführung überregional mobilisierter Neonazi-Aufmärsche zu. Die Gruppe ist auch außerhalb von Berlin in der Lage zumindest rudimentär eine Versammlung aufzustellen: mit Ordnungsstruktur, Transparenten und Megaphonen. Dazu reist die DJV geschlossen und mit genügend Personen an. Sicherlich ist sie noch weit von dem Organisationsniveau langjähriger Neonazi-Strukturen entfernt. Doch weitere geplante Kundgebungen und Aufmärsche könnten zu einem Lerneffekte beitragen.

Auch außerhalb von Versammlungen tritt DJV zunehmend in Erscheinung. In Berlin versuchen Gruppen aus deren Umfeld offensiv Sozialräume einzunehmen. Die verstärkte Vernetzung mit anderen Gruppen, wie JS, trägt dabei zu einem größeren Mobilisierungspool bei. In Berlin entwickeln sich somit gerade abseits vom „III. Weg“ und dessen Jugendorganisiation NRJ zunehmend aktionsorientierte und durchaus gewaltbereite Neonazistrukturen. Allerdings scheint es momentan über den gemeinsamen Aktionismus hinaus kaum einen organisatorischen Zusammenhalt zu geben. Bisher wird DJV von Events und einer eher losen Vernetzung auf Instagram und TikTok zusammengehalten. Ideologisch ist das einigende Moment vor allem eine enorme LGBTIQ*-Feindlichkeit, die mögliche inhaltliche Differenzen bislang überdeckt.

Wer sind die Akteure hinter DJV in Berlin?

Die bisherigen Beobachtungen lassen vermuten, dass DJV in Berlin aus einem Kern von 10-15 Personen besteht. Sie nehmen in wechselnden Konstellationen regelmäßig an Aktionen von DJV in der Stadt und überregional teil. Wie viele dieser Neonazis dabei aus dem Berliner Umland oder dem weiter entfernten Brandenburg kommen bzw. in welchen Berliner Bezirken DJV-Mitglieder aktiv sind, kann nicht abschließend geklärt werden. Das maximale Mobilisierungspotential der Gruppierung für einzelne Aktionen dürfte bei ungefähr 40 Personen liegen, wie der Störversuch gegen den CSD am Potsdamer Platz in Berlin gezeigt hat. Im Kontext von DJV treten einige Personen verstärkt als Tonangeber auf.

Eine zentrale Figur und mutmaßlicher Leiter von DJV Berlin ist der 23-jährige Julian Milz (geb. am 22. Februar 2001) aus Wandlitz. Bereits beim ersten öffentlichen DJV-Treffen auf dem Bunkerberg im Berliner Humboldthain trat er als Wortführer auf. Seitdem war er an allen öffentlichen Aktionen in hervorgehobener Position beteiligt. So schien er beim Übergriff auf den CSD am Potsdamer Platz die Neonazis zu koordinieren. In Bautzen lief er an der Spitze der Demonstration neben dem Fronttransparent. In Leipzig und Magdeburg heizte er die Neonazi-Proteste mit einem mitgebrachten Megaphon an. Zudem war er Teil der Gruppe, die am 14. August 2024 am RAW-Gelände festgesetzt wurde.

Vor seinem Engagement für DJV ist Julian Milz bisher politisch nicht erkennbar in Erscheinung getreten. Allerdings half er im zurückliegenden Europawahlkampf 2024 beim Aufhängen von Plakaten der HEIMAT (früher: NPD), was eine Verbindung zu der Neonazipartei nahelegt. Momentan besucht Milz noch das OSZ I Barnim in Bernau. In seiner Freizeit spielte er unregelmäßig Fußball für den FSV Basdorf. Nachdem Bekanntwerden seiner politischen Aktivität distanzierte sich der Verein von Milz und erteilte diesem laut eigenen Angaben ein Hausverbot für alle Liegenschaften. Auch der Basdorfer Trainer Marcel Teske trug diese Maßnahmen mit. In der Vergangenheit zeigte er weniger Distanz zu organisierten Neonazis, da er selbst selbst lange Zeit mit dem NPD’ler Jan Sturm in der Ü40-Mannschaft vom BFC Dynamo kickte.

Julian Milz beim Aufhängen von Plakaten von „Die Heimat“ (früher NPD)
Julian Milz (oben links) beim FSV Basdorf

Ein weiteres aktives Mitglied von DJV ist Nick Thomas Christopher Wetzels aus Berlin-Marzahn. Schon beim versuchten Übergriff auf Teilnehmende des CSD Berlin am Potsdamer Platz war er beteiligt. Zuerst erschien er als klassischer Mitläufer. Inzwischen ist er bei allen Aktivitäten von DJV anzutreffen. So trug er in Bautzen das Fronttransparent. In Leipzig und Magdeburg war er hingegen als Ordner eingesetzt. Auch er war Teil der Gruppe, die am 14. August 2024 durch den Friedrichshainer Kiez zog.

Neben Wetzels und Milz tauchen weitere Personen regelmäßig im Kontext von DJV Berlin auf. So war beispielweise „Vivi“ aus Marzahn bei allen Aufmärschen außerhalb Berlins anwesend. Zudem nutzte DJV den Platz hinter „Vivis“ Wohnhaus in der Allee der Kosmonauten 200/202 zur Vorbereitung der Transparente. Inzwischen gibt sie jedoch an, nicht mehr Teil von DJV zu sein.

Auch „Unbekannt 39“ war bisher bei allen überregionalen Aufmärschen in der Gruppe von DJV aus Berlin unterwegs, ohne jedoch erkennbar eine Aufgabe zu übernehmen.

Darüber hinaus gibt es ebenfalls aus dem Kontext von „Jung & Stark“ (JS) einige besonders aktive Neonazis. Als Wortführer der Gruppierung tritt hierbei Carsten Grasse aus Berlin-Hohenschönhausen auf. Der 26-Jährige Fan von Union Berlin fällt vor allem durch die tätowierte „Schwarze Sonne“ auf seinem Handrücken auf. Wie bereits erwähnt war er auch an einer Stör-Aktion von Neonazis gegen den CSD in Rostock beteiligt. Während er beim Neonaziaufmarsch in Bautzen noch ohne erkennbare Aufgaben am Neonazi-Aufmarsch teilnahm, wurde er in Leipzig und Magdeburg als Ordner eingesetzt. Das spricht für eine stärkere Einbindung von JS in die Planung und Durchführung der Neonazi-Versammlungen. Grasse trägt punktuell ein T-Shirt mit dem „III. Weg“-Logo. Es gibt allerdings keine Hinweise, dass er Mitglied der Neonazi-Partei ist. Generell ist Grasse umtriebig bei der Teilnahme an rechten Versammlungen. So war er ebenfalls Teilnehmer einer AfD-Kundgebung am 29.08.2024 in Berlin-Hohenschönhausen.

Auch „Unbekannt 40“ ist JS in Berlin zuzuordnen. Er nahm an allen drei überregionalen Aufmärschen teil und war jeweils am Fronttransparent eingesetzt – teilweise mit Ordnerbinde. Die Aufgabe an der Spitze der Demonstrationen spricht für eine hervorgehobene Position in der Organisationsstruktur. Während er in Bautzen noch sein Tattoo vom Hertha-Logo mit dem Gründungsjahr 1892 zeigte, vesuchte er es bei folgenden Aufmärschen zu verdecken.

Neben den genannten sind weitere Neonazis im Kontext von DJV und JS in Berlin aufgefallen. In der folgenden Übersicht finden sich vor allem diejenigen, die bei Aufmärschen hervorgehobene Positionen bekleideten und deshalb zum organisatorischen Kern der Gruppierungen gerechnet werden müssen.

Wer mehr Informationen zu ihnen oder weiteren Mitgliedern von DJV sowie JS hat, kann diese gerne an monitorberlin@riseup.net melden.


* In einer ersten Version des Artikels wurde behauptet, dass Mitglieder von DJV am 14. August 2024 vor dem Technoclub „about:blank“ provoziert hätten. Dabei handelte es sich jedoch um eine andere Gruppe Neonazis. Weiterhin wiesen Verantwortliche vom FSV Basdorf darauf hin, dass Milz inzwischen nicht mehr für den Verein aktiv wäre und auf sämtlichen Liegenschaften Hausverbot hätte. Eine letzte Änderung betraf „Vivi“, die laut eigenen Angaben inzwischen nicht mehr in der DJV aktiv sei. Ihre neonazistische Gesinnung scheint dennoch unverändert.