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Neonazis werden gewalttätiger: Eine Chronik über Aktivitäten vom „III. Weg“ im Januar 2024

Die Aktivitäten der Neonazi-Partei „III. Weg“ haben in Berlin in letzter Zeit drastisch zugenommen. Dabei fallen weniger die altbekannten Kader auf. Vielmehr tritt die Parteijugend „NRJ“ (kurz für „Nationalrevolutionäre Jugend“) verstärkt in Erscheinung. Neben identitärer Selbstbestätigung, durch Graffiti oder Verteil-Aktionen, treten die jungen Neonazis immer öfter auch gewalttätig auf. Sie bedrohen beispielsweise linke Orte oder greifen wahllos Menschen an, die nicht ihrem menschenverachtenden Weltbild entsprechen. Das ist eine neue Qualität von Neonazi-Gewalt, die vor allem in bestimmten Teilen Ost-Berlins auftritt. Zur Veranschaulichung dieser Entwicklung haben wir eine Chronik zu den Aktivitäten vom „III. Weg“ im Januar 2024 erstellt. (Chronik am Ende des Artikels) Wir haben dabei sowohl öffentlich verfügbare Informationen verwendet, als auch auf Meldungen per Mail zurückgegriffen. Wir haben unsere Recherchen mit der Meldeplattform 2101pankow@riseup.net zusammengeführt. In der Gesamtheit ergibt sich ein Bild, bei dem sich bestimmte Muster erkennen lassen, nach denen die Partei und ihre Jugendorganisation operiert. Das kann Antifaschist*innen helfen, gezielt aktiv zu werden und den antifaschistischen Selbstschutz zu planen. Wer mithelfen möchte, die Aktivitäten vom „III. Weg“ auch in den folgenden Monaten detailliert nachzuzeichnen, kann Meldungen anonym einreichen an: dritterwegrecherche@riseup.net.


Zusammenfassung Januar 2024

Beim Blick auf die zusammengetragenen Vorfälle ist zuerst die Dichte der Parteiaktivitäten erstaunlich. In jeder Woche gibt es mehrere unterschiedliche Aktionen mit wechselnden Beteiligten. Zudem gehen wir davon aus, dass wir in der Chronik nicht alles erfasst haben und beispielsweise Kampfsporttrainings außerhalb der Wahrnehmung stattfinden. Gerade an den Wochenenden – überwiegend samstags – erhöht sich die Dichte der Aktionen vom „III. Weg“ teilweise nochmal deutlich. Wenn sich die Jugendorganisation des „III. Weg“ einmal getroffen hat, sind die Neonazis bereit, den ganzen Tag über in unterschiedlichen Stadtteilen von Berlin aktiv zu werden. Es folgen regelmäßige Bedrohungen, Beleidigungen und Körperverletzungen durch die Neonazis. Beim Umherziehen am Wochenende scheinen die Neonazis von der NRJ weitestgehend unabhängig von den älteren Kadern vom „III. Weg“ zu agieren. Auf der Erfahrung der Kader greifen sie vor allem zu bestimmten Anlässen, wie Kampfsporttrainings oder Graffiti-Aktionen, zurück.


Personen der NRJ

Ausgehend von den Beobachtungen der letzten Monate kann die Berliner NRJ und ihr Umfeld auf eine personelle Stärke von rund 20-25 Personen geschätzt werden. Von diesen sind jedoch nicht alle im gleichen Maße aktiv. Vielmehr gibt es eine Kerngruppe von ungefähr 10-15 zumeist männlichen Jugendlichen, die in leicht veränderter Zusammensetzung an vielen Aktivitäten beteiligt sind. Zentrum der Jugendarbeit der Partei ist dabei der Jung-Nazi Erik Storch, der bei fast allen Aktivitäten wiedererkannt werden konnte. Weitere bekannte Aktivisten sind Franz-Richard Schrandt und Larsen Aslan. Der letztere ist seit Jahren in der Berliner Neonaziszene aktiv und dürfte deshalb als Bindeglied zwischen der NRJ und den Alt-Kadern des „III. Wegs“ fungieren. Aslan betätigt sich gegenwärtig vor allem als Anti-Antifa-Fotograf am Rande von linken Aktionen. Einige Personen, die in den letzten Monaten kontinuierlich im Rahmen der NRJ-Aktivitäten aufgetreten sind, wurden hier auf einem Foto zusammengestellt. Auf dem Foto befinden sich die Daten, an denen die Neonazis durch Aktionen in Erscheinung getreten sind. (Vergleiche Chronik am Ende des Textes)


Aktionsschwerpunkte

Die NRJ ist in vielen Teilen von Berlin aktiv. Die meisten Aktivitäten sind jedoch in den Ost-Berliner Randbezirken zu beobachten, vor allem in Marzahn-Hellersdorf und Pankow, aber auch in Lichtenberg und Treptow-Köpenick. Zumeist handelt es sich um einen Alltagsaktivismus, wie das Verkleben von Stickern und kleinere Graffiti-Tags. Dazu kommen über das Jahr verteilt koordinierte Aktionen, wie Infostände oder das Verteilen von Flyern. Bei den Aktionen sind klare Schwerpunktregionen der NRJ auszumachen. In Marzahn-Hellersdorf probiert die Parteijugend beispielsweise bevorzugt verschiedene Aktionsformen aktivistischer Politik aus. Am 21. Januar sprühten sie ein großflächiges Graffiti an einer öffentlichen Hall. In den vergangenen Jahren traf sich die NRJ häufig für Graffiti-Aktionen in Hellersdorf. Weiterhin wurden wiederholt Transparente im öffentlichen Raum aufgehangen und Flyer verteilt. Da sie sich oftmals ungestört im Bezirk ausprobieren können, kommen junge Neonazis aus ganz Berlin nach Marzahn-Hellersdorf. Weiterhin haben die älteren Mitglieder des „III. Wegs“ durch jahrelange Aktivitäten in Hellersdorf einen starken Bezug zur Region, weshalb gemeinsame Aktivitäten der NRJ und älterer Kader, wie Oliver Oeltze und Andreas Thomä, im Bezirk stattfinden.

In Pankow haben die Aktionen der NRJ hingegen einen stärkeren lebensweltlichen Bezug. Angelpunkt ist dabei die elterliche Wohnung von Erik Storch in der Thulestraße 8, in der sich die NRJ bevorzugt vor gemeinsamen Aktionen trifft und sammelt (z.B. am 20. und 27. Januar 2024). Ein weiterer Treffpunkt in der Nähe ist der „StarBurger“ (Ostseestraße 3), an dem sich die Neonazis beispielsweise am 21. Januar sammelten, um danach gewalttätige Übergriffe auszuüben. In diesem „Dreiländereck“ zwischen Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee ist ausgehend von der Wohnung Storchs eine ganz konkrete Taktik der neonazistischen Raumaneignung zu beobachten. Dazu zählen regelmäßige kleine Graffitis und kontinuierliche Plakat-Aktionen ebenso wie gewalttätige Übergriffe. Insbesondere nach dem vermeintlichen Angriff auf Eriks Vater, Robert Storch, vor der Thulestraße 8 am 21. Januar 2024 und der anschließenden Straßengewalt der NRJ ist klar, dass die Gruppe einen Anspruch auf die Dominanz im Kiez hegt und diesen mit allen Mitteln aufrecht erhalten will.


Überfälle auf antifaschistische Strukturen

Zu Anfang des Jahres 2023 beschränkte sich die NRJ noch verstärkt auf Formen der symbolischen Raumnahme, wie Sticker oder Graffiti. Allerdings ist in den letzten Monate eine steigende Gewaltbereitschaft der Gruppe zu verzeichnen. Ein Schwerpunkt sind dabei Übergriffe auf alternative Jugendzentren oder explizit linksradikale Strukturen. Allein im Januar 2024 gab es zwei Angriffsversuche auf das JUP in der Florastraße (am 6. und 27. Januar 2024), einen Übergriff auf das Hausprojekt AJZ Kita in Hellersdorf (am 27. Januar 2024) sowie mehrere explizite Drohungen gegen die Jugend-Antifagruppe „La Rage“. So versammelten sich am 6. Januar 2024 rund 10 Personen aus der NRJ vor dem „Bandito Rosso“ in der Lottumstraße im Prenzlauer Berg, wo wenige Tage später ein Tresenabend der Jugend-Antifa stattfinden sollte. Zudem wurde am 20. Januar 2024 eine größere Gruppe der NRJ in der Nähe des Stadtteilladens „Zielona Gora“ beobachtet, in dem zur gleichen Zeit eine Soliparty von „La Rage“ stattfand. Obwohl es an den beiden Tagen nicht zu Neonazi-Übergriffen kam, zeigen sie eine klare Bereitschaft zum gewalttätigen Kampf gegen antifaschistisch engagierte Strukturen. Hierfür sind die Neonazis der NRJ auch bereit ihre Stammkieze zu verlassen und selbst im „linken Szenekiez“ Friedrichshain die Auseinandersetzung zu suchen. Daneben kam es im Januar zweimal zu Bedrohungen antifaschistischer Versammlungen; einmal am Rande einer antirassistischen Kundgebung am 6. Januar in Hellersdorf und einmal im Rahmen der Antifa-Demo von „La Rage“ zum 27. Januar 2024. Einerseits versucht die NRJ am Rande der antifaschistischen Aktionen Präsenz zu zeigen und offensiv Anti-Antifa-Arbeit zu betreiben. Daneben gibt es jedoch immer noch Gruppen, die um die Versammlungen im Kiez unterwegs sind und versuchen, vor und nach den Versammlungen Teilnehmende anzugreifen bzw. einzuschüchtern.


Übergriffe auf Personen

Doch die NRJ greift nicht nur alternative Orten und antifaschistische Strukturen an. Ihre Gewalt richtet sich potentiell gegen alle Menschen, die nicht dem neonazistischen Weltbild entsprechen. Wenn Gruppen der Parteijugend unterwegs sind, kommt es nicht selten zu wahllosen Übergriffen. Diese haben oftmals das Ziel, bestimmte „Trophäen“, wie Aufnäher, Fahnen oder Patches, zu erlangen, die anschließend im Internet präsentiert werden. Allein im Januar 2024 gab es mehrere Pöbeleien und Bedrohungen von Personen, die aufgrund äußerer Merkmale als politische Gegner*innen wahrgenommen wurden (z.B. am 20. und 21. Januar 2024) und einen Angriff aufgrund eines linken Aufnähers am Rucksack (am 21. Januar 2024). Zudem gerieten Personen auch aufgrund der zugeschriebenen sexuellen oder gender-Identität in den Fokus der NRJ (z.B. am 6. Januar 2024). Insbesondere für queere oder trans Personen entsteht so eine erhöhte Bedrohungslage. Insgesamt ist eine besorgniserregende Professionalisierung der Neonazigewalt zu beobachten.

Wenn die NRJ loszieht, handelt es sich zumeist um eine oder mehrere größere Gruppen. Dabei führen sie offensichtlich Waffen, wie Schlagstöcke, Pfefferspray, Protektorenhandschuhe oder Glasflaschen mit sich. Zudem sind die Neonazis in der Regel vermummt – meist mit Schlauchtüchern vom „III. Weg“. Gerade bei Aktionen gegen politische Gegner*innen sind oftmals mehrere Neonazi-Gruppen im gleichen Gebiet unterwegs. Ein solches planvolles Vorgehen zur Begehung von gewalttätigen Übergriffen deutet darauf hin, dass die NRJ momentan versucht, explizite Straßenkampftaktiken auszuprobieren, um so mit Gewalt eine Dominanz in bestimmten Kiezen herzustellen.


Chronik

Die Informationen stammen zum Teil aus öffentlich verfügbaren Quellen, teilweise sind (zusätzlich) Hinweise per Mail eingegangen.


Samstag, 06.01.2024

11:00 (Lichtenberg)

Gegen 11:00 Uhr wurde eine Person in der U5 Richtung Hellersdorf zwischen den Stationen Rathaus Lichtenberg und Tierpark von Neonazis mit körperlicher Gewalt bedroht, weil sie einen Button mit einer Regenbogenflagge trug. Die drei Täter waren zwischen 18- 21 Jahre alt und aufgrund der Kleidung als Sympathisanten des „III. Wegs“ zu erkennen. Unter den Tätern befand sich der Neonazi Erik Storch, der als einer der Wortführer auftrat.

QUELLE


14:10 (Hellersdorf)

Drei Mitglieder vom „III. Weg“ (u.a. Erik Storch und Larsen Aslan) bedrohten eine antifaschistische Kundgebung am Cecilienplatz in Hellersdorf. Sie hielten sich im Nahbereich der Versammlung am Büro der Linkspartei auf und trugen offen Pfefferspray und Protektorenhandschuhe. Aslan versuchte zudem mit einer Kamera Fotos von Antifaschist*innen aufzunehmen.

QUELLE


Darüber hinaus waren mindestens sieben weitere Neonazis im Umfeld der Versammlung unterwegs und versuchten Kundgebungsteilehmende bei der An- und Abreise abzufangen. Die Gruppe war mit Schlagstöcken und Glasflaschen bewaffnet.


Uhrzeit nicht bekannt (Prenzlauer Berg)

An der Lottumstraße 10A in Prenzlauer Berg bemerkten Anwohner*innen gegen Abend eine Gruppe von rund 10 vermummten Personen. Später tauchte aus dem Umfeld vom „III. Weg“ ein Bild von mindestens neun Neonazis in der Nähe der Vereinskneipe „Bandito Rosso“ auf. Es handelte sich augenscheinlich um die gleiche Gruppe, wie in Hellersdorf am Nachmittag. Die Neonazis präsentierten erneut Schlagstöcke und Glasflaschen als Bewaffnung. Dazu drohten sie in einer Bildunterschrift „Wir kriegen euch La Rage“. Drei Tage später sollte im „Bandito Rosso“ ein antifaschistischer Vernetzungsabend der Antifa-Gruppe „La Rage“ stattfinden. Die Veranstaltung verlief ungestört.


21:00 (Pankow)

Am Abend bewegte sich eine Gruppe von rund 20 Personen, die alle vermummt waren, auf der Görschestraße in Pankow. Kurze Zeit später wurden ungefähr acht Personen dabei beobachtet, wie sie Aufkleber vom „III. Weg“ an die Terrassentür vom Jugendzentrum JUP klebten. Anschließend rissen sie mit anderen, die in der Gegend warteten, noch Plakate von der Litfaßsäule vor dem JUP. Danach entfernte sich die Großgruppe geschlossen in Richtung S Pankow. Später wurden auch an der Hintertür des Jugendzentrums mehrere Aufkleber vom „III. Weg“ sowie ein Tag „NRJ“ (für „Nationalrevolutionäre Jugend“; die Jugendorganisation vom „III. Weg“) festgestellt. Unter den Neonazis befand sich mit hoher Wahrscheinlichkeit der Neonazi Franz-Richard Schrandt.


Montag, 08.01.2024

13:15 (Mitte)

Mindestens neun Neonazis vom „III. Weg“ und dem Parteiumfeld (u.a. Erik Storch, Franz Schrandt, Sarah Schrandt, Unbekannt 1 und Unbekannt 2) verteilten Flyer am Rande der „Bauernproteste“ auf der Straße des 17. Juni. Sie waren teilweise mit weißen Schlauchtüchern vermummt. Später wurde die Gruppe von der Versammlung ausgeschlossen.

QUELLE


Freitag, 12.01.2024

19:00 (Wittstock/Dosse)

Mehrere Mitglieder vom „III. Weg“ aus Berlin nahmen an einer Demonstration der Partei in Wittstock/Dosse (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) teil. Dort trugen sie das Frontbanner „Bauernstand Revolutionieren“. Unter den Anwesenden befanden sich u.a. Christian Schmidt, Erik Storch, Oliver Oeltze und Unbekannt 2.

QUELLE


Montag, 15.01.2024

11:00 (Mitte)

Vom „III. Weg“ beteiligten sich Oliver Oeltze und Andreas Thomä an den Bauernprotesten auf der Straße des 17. Juni. Sie waren nicht als Aktivisten der Neonazipartei zu erkennen.


Samstag, 20.01.2024

Uhrzeit unbekannt (Charlottenburg)

Mindestens drei Neonazis vom „III. Weg“ haben am Samstag Flyer vor der Landwirtschaftsmesse „Grüne Woche“ verteilt. Eine der Personen ist Unbekannt 3.

QUELLE


13:00 (Hohenschönhausen)

Eine Gruppe junger Männer, die erkennbar Kleidungsstücke vom III. Weg trugen (z.B. Schlauchtücher), wurde im „Hansa Center“ an der Hansastraße in Neu-Hohenschönhausen beobachtet. Dort näherten sie sich mindestens einer Person bedrohlich, weil sie diese als „links“ ansahen.


13:30 (Hohenschönhausen)

Der III. Weg berichtete auf seiner Internetseite von einem „Neujahrstreffen“ der Jugendorganisation NRJ. Auf Bildern sind um die zwanzig Personen mit offen getragener Parteikleidung und anderen Neonazikleidungsstücken im Bowling Center „Kangaroos Land“ im „Hansa Center“ in Neu-Hohenschönhausen zu erkennen.

QUELLE


17:45 (Weißensee)

Fünf bis sieben Neonazis mit hellen Schlauchtüchern vom „III. Weg“ stiegen an der Haltestelle „Woelckpromenade“ in Weißensee in den Bus 255 Richtung Osloer Straße. Einer von ihnen war Erik Storch. Ein anderer trug eine „Thor Steinar“-Wintermütze. Die Neonazis verließen den Bus an der Haltestelle „Prenzlauer Promenade/Am Steinberg“ in Pankow. Beim Aussteigen verklebten sie Sticker an der Ampel.


21:30 (Friedrichshain)

An der Tram-Station „Holteistraße“ in Friedrichshain wurden am frühen Abend rund acht junge Neonazis gesehen. Sie trugen u.a. Mützen vom „III. Weg“ und „Thor Steinar“. Mindestens zwei waren mit Protektorenhandschuhe bewaffnet. Um die Ecke fand in der Grünberger Straße im Stadtteilladen „Zielona Gora“ an dem Abend eine Informationsveranstaltung zum „III. Weg“ und eine antifaschistische Soliparty statt der Antifa-Gruppe „La Rage“ statt.


22:00 (Friedrichshain)

Gegen 22 Uhr fiel eine Gruppe von acht bis zehn vermummten Personen, die u.a. weiße Schlauchtücher vom „III. Weg“ trugen, an der Krossener Straße Ecke Boxhagener Platz auf. Sie blickten auf den Eingang des „Zielona Gora“. Kurze Zeit später verschwand die Gruppe in Richtung Wühlischstraße. Der weitere Abend verlief ruhig.


Sonntag, 21.01.2024

12:00 (Hellersdorf)

Ein Passant bemerkte an der Graffitiwand im Beerenpfuhlgraben in Hellersdorf ein Graffiti vom „III. Weg“. Ein paar Tage später veröffentlichte die Partei ein Gruppenfoto vor der Graffitiwand. Unter den mindestens elf Neonazis sind u.a. Erik Storch, Andreas Thomä, Unbekannt 1, Unbekannt 2, Unbekannt 3 und Unbekannt 5.


13:30 (Hellersdorf)

Eine Gruppe männlicher Neonazis stieg in Hellersdorf in die U5 Richtung Hauptbahnhof. Es handelte sich um fünf bis sieben Personen in sportlicher Kleidung, die teilweise weiße Schlauchtücher trugen. Einer von ihnen war Erik Storch. Unter Umständen war auch Luca Böttcher Teil der Gruppe. Weitere Beschreibungen passen zu den Neonazis, die sich zuvor an der Graffitiwand aufhielten. Kurz nach dem Einstieg begann Erik Storch Personen als „scheiß Zecken“ zu beschimpfen, weil er sie aufgrund der Kleidung als „links“ ansah. Außerdem drohte er ihnen mit körperlicher Gewalt. Eine Person aus der U-Bahn rief die Polizei. Ein Polizeieinsatz erfolgte dennoch nicht.


14:15 (Friedrichshain/Mitte)

Ab der Haltestelle Samariterstraße berichteten Fahrgäste in der U5 von einer Gruppe Neonazis, die in Richtung Hauptbahnhof fuhren. Zwei Neonazis trugen weiße „III. Weg“-Schlauchtücher über Nase und Mund. Unter den insgesamt vier bis fünf Personen befand sich der Neonazi Erik Storch. Während der Fahrt telefonierte er aufgebracht und forderte mehrere Personen auf, schnellstmöglich zu ihm nach Hause zu kommen. Die Neonazigruppe verließ die U5 am Alexanderplatz.

Grund für das aufgebrachte Telefonat von Storch war wahrscheinlich, dass sein Vater, der Neonazi Robert Storch, gegen 14 Uhr vor seiner Wohnungstür in der Thulestraße 8 in Pankow angegriffen worden sein soll.

QUELLE


15:00 (Pankow/Prenzlauer Berg)

Gegen 15 Uhr fiel eine vermummte Personengruppe in der Paul-Grasse-Straße in Pankow auf. Die Gruppe wirkte aufgebracht und aggressiv als sie in Richtung Osten lief. Am Ende der Straße bogen sie in die Hosemannstraße ein und liefen nach Süden. Sie hielten sich kurze Zeit an der südöstlichen Ecke Hosemannstraße/Ostseestraße auf.


15:30 (Prenzlauer Berg)

Um 15:30 Uhr umzingelte eine Gruppe von vier bis fünf jungen Neonazis eine Person an der Greifswalder Straße Ecke Erich-Weinert-Straße. Wegen eines linken Aufnähers am Rucksack des Betrofffenen schlugen sie auf ihn ein. Sie waren dabei mit mindestens einer Schlagwaffe ausgerüstet, die aber nicht eingesetzt wurde. Zudem beschimpften die Angreifer die betroffene Person immer wieder als „scheiß Zecke“. Die körperliche Gewalt ging ausschließlich von den männlichen Mitglieder der Neonazigruppe aus. Drei bis vier weibliche Neonazis, die zu der Gruppe gehörten, beteiligten sich nicht daran. Nachdem eine Zeugin drohte, die Polizei zu rufen, rannten die Angreifer los. Die Polizei nahm gegen 15:50 Uhr in der näheren Umgebung einen 14- und einen 15-Jährigen fest. Einer von ihnen trug erkennbar Kleidung vom „III. Weg“. Beide waren bereits am Vormittag in Hellersdorf bei einer Graffiti-Aktion des „III. Wegs“ anwesend. Es handelt sich bei den Festgenommenen um die Personen Unbekannt 1 und Unbekannt 3.


19:50 (PrenzlauerBerg/Pankow/Weißensee)

Kurz vor Acht wurden sieben Neonazis beim Essen vor dem StarBurger (Ostseestraße 3) beobachtet. In der Gruppe befand sich u.a. der „III. Weg“-Aktivist Larsen Aslan und ein Neonazi mit „Thor Steinar“-Mütze. Mindestens zwei von ihnen trugen weiße Schlauchtücher vom „III. Weg“. Gegen 20:30 Uhr ging die Gruppe schnellen Schrittes die Prenzlauer Promenade Richtung Brotfabrik entlang. Dabei waren sie mit Flaschen bewaffnet und trugen teilweise offen Knüppel vor sich her. Im Laufe des Abends kam es zu mehreren Großeinsätzen der Polizei im Kiez, unter anderem im Veranstaltungssaal Delphi und in der Ostseestraße, wo ein Krankenwagen eine verletzte Person versorgen musste. Ein Zusammenhang der Einsätze mit der Neonazigruppe ist anzunehmen.

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Samstag, 27.01.2024

16:30 (Pankow)

Drei teilweise vermummte Neonazis beobachteten aus einem Fenster im Erdgeschoss der Thulestraße 8 die antifaschistische Demonstration „Kein Vergessen ‑ Kein Vergeben“. Unter ihnen ist der in der Wohnung wohnhafte Erik Storch sowie Unbekannt 4, der im vergangenen Jahr bereits durch einen Angriff auf Teilnehmende des CSD aufgefallen ist.

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17:30 (Pankow)

In der Talstraße wurde eine Gruppe von acht bis zehn vermummten Neonazis von der Polizei festgehalten und in eine erkennungsdienstliche Maßnahme genommen. Die Neonazis waren teilweise vermummt und trugen Kleidungsstücke vom „III. Weg“. Unter ihnen befand sich Erik Storch.


20:00 (Hellersdorf)

Am Hausprojekt AJZ KiTa/La Casa wurden zwei vermummte Personen gesehen, die hastig aus dem Garten flohen. Etwa eine Stunde später hat eine vermummte Personengruppe mehrere Raketen und Böller direkt auf das Haus geschossen. Im Umfeld des Hauses waren in der Nacht mehrere auffällige Personengruppen unterwegs. Es kam zu keinem weiteren Angriff. Eine unmittelbare Verbindung des Angriffs zum „III. Weg“ ist nicht mit Sicherheit zu bestätigen, kann aber angenommen werden.

QUELLE


22:00 (Pankow)

Gegen zehn Uhr abends liefen ungefähr zehn vermummte Neonazis durch die Görschestraße in Pankow. Sie trugen schwarz-weiß-rote Sturmhauben. Sie waren in zwei Gruppen aufgeteilt und gingen von Haustür zu Haustür, möglicherweise verteilten sie dort Propaganda. Sie wirkten dabei aggressiv und gewaltbereit. Als sie von Passant*innen angesprochen wurden, sagten sie, sie würden „Zecken“ suchen. Als beobachtende Personen die Polizei anriefen, verließ die Neonazigruppe fluchtartig die Straße. In der Nähe fand ein „Konzert gegen rechts“ statt.


23:30 (Pankow)

Eine Gruppe von rund zehn Neonazis, die mit schwarz-weiß-roten Sturmhauben vermummt waren, wurde in der Heynstraße gesehen. Kurze Zeit später wurde die Gruppe erneut gesehen, wie sie die Heynstraße nach Süden lief.

Die Köpfe der Berliner „Schutzzone“

Autor:innen: Recherche030

Erstveröffentlichung unter Recherche030

Ein Jahr ist seit den versuchten Naziangriffen im Neuköllner Schillerkiez vergangen.¹ Viel spricht für eine Beteiligung der Neuköllner Neonazis Robin-Oliver Band und Maurice Pollei. Beide sind Aktivisten der NPD-Kampagne „Schutzzone“. Was ist die „Schutzzonen“-Kampagne, wer sind zentrale Akteure und was sind ihre Aktivitäten?

Die „Schutzzone“ ist eine bundesweite NPD-Kampagne. Erklärtes Ziel sei es, Deutsche mittels einer „Bürgerwehr“ zu „schützen“, da der Staat diese Aufgabe nicht „richtig“ übernehme. Um auch andere Spektren anzusprechen, treten die Nazis bewusst nicht als Partei auf. In Berlin handelt es sich dabei um eine kleinere Gruppe – überwiegend männlicher – NPD-Aktivisten. Inwieweit es tatsächlich zu längeren Patrouillen durch die „Schutzzone“ kommt, ist zweifelhaft, da sie bisher hauptsächlich durch Fotos im Internet in Erscheinung getreten sind. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei der „Schutzzone” vor allem um eine Inszenierung von Straßenpräsenz handelt. Weitere Aktivitäten der „Schutzzone“ sind u.a. das Bereitstellen von Hilfs-Securitys auf Veranstaltungen,² wie beim monatlichen „Dienstagsgespräch“ in Berlin.³ Außerdem posieren sie hin und wieder beim Aufsammeln von Müll.

Oliver Niedrich

Leiter der Berliner Kampagnengruppe ist der NPD-Kader und Energie Cottbus-Fan Oliver Niedrich.

Er ist Anfang 30 und lebte lange Zeit in Sachsen. Vor einigen Jahren zog er nach Berlin und trat in die NPD ein. Niedrich ist u.a. verantwortlich für den NPD-Materialdienst, die Mediengestaltung und die Aufgabe der sogenannte „Medienüberwachung“. Das heißt er „überwacht“ die Landes-Website der Partei sowie zahlreiche Facebookseiten der Kreisverbände. 2014 wurde er Mitglied des Landesvorstands der NPD Berlin, aktuell ist er dort als Beisitzer vertreten. Ferner ist er seit vier Jahren Vorsitzender der NPD Charlottenburg-Wilmersdorf. Niedrich betreut Infostände, wie beim “Eichsfeldtag“ am 18.05.2019 in Leinefelde. Desweiteren fuhr er mit anderen Mitgliedern der Berliner „Schutzzone“ am 17.08.2019 nach Dresden.⁴ In der Berliner „Schutzzone“ besteht seine Aufgabe hauptsächlich darin, die vermeintlichen Patrouillen zu fotografieren und ins Internet zu stellen. Auf vielen Bildern ist er aber auch allein bei der „Schutzzonen“-Patrouille zu sehen, insbesondere im Bereich Berlin-Mitte.

Robin-Oliver Band und Maurice Pollei

Seit Mitte 2018 sind zwei Neonazis bei fast jeder NPD-Aktion dabei:

Robin-Oliver Band, geb. 19.04.1993, Lieselotte-Berger-Straße 59 (2. OG links), 12355 Berlin-Rudow

und

Maurice Pollei, geb. 15.02.1993, Britzer Damm 44 (UG links), 12347 Berlin-Britz

Robin-Oliver Band arbeitet im Familienbetrieb seines Vaters Uwe Band. Der Betrieb „Band Bauelemente“ (Hohenzollerndamm 77a, 14199 Berlin-Wilmersdorf) verkauft und montiert Rollläden, Jalousien und ähnliches. Auch Robin-Olivers Bruder Steven Band arbeitet in der Firma und nimmt an neonazistischen Veranstaltungen teil.

Am 03.11.2018 war neben Maurice Pollei und Robin-Oliver Band auch Steven Band auf einer AfD-Demo mit hohem Neonazi-Anteil in Eberswalde. Dabei trug er eine Jacke der Neonazimarke Thor Steinar. Im Januar 2019 beteiligte er sich am Schutz für das “Dienstagsgespräch“ im Löwenbräu (Leipziger Str. 65, 10117 Berlin).

Robin-Oliver Band ist nach der Arbeit oft mit den Firmenwägen von „Band Bauelemente“ unterwegs, auch um damit zu seinen Neonazi-Aktivitäten zu fahren. Erkennbar sind diese Autos durch die pinken „Band Bauelemente“-Aufkleber an der Rückseite der Fahrzeuge.

Als Team-Mitglied von „Band Bauelemente“ ist ebenfalls der Hund von Robin-Oliver Band aufgeführt. Dieser ist oftmals bei den Aktionen der „Schutzzone“ dabei. Die Freundin von Robin-Oliver bringt häufiger einen weißen Hund bei Aktivitäten der „Schutzzone“ mit. In seiner Nachbarschaft verklebt R. Band gerne Neonaziaufkleber, auch mal mit einer versteckten Klingen.

Erstmals fielen Robin-Oliver Band und Maurice Pollei durch ihre Teilnahme beim Gedenkmarsch für den Hitler-Stellverteter Rudolf Heß am 18.08.2018 auf. Seitdem waren sie – meist zu zweit – auf Demonstrationen sowie bei Infoständen und Partei-Abenden in der NPD-Zentrale zu sehen. Am 01.05.2019 fuhren sie mit anderen Neonazis der „Schutzzone“ zum Aufmarsch der JN in Dresden.

Das “Dienstagsgespräch“

R. Band und Pollei sind für den „Schutz“ beim „Dienstagsgespräch“ verantwortlich, dieses findet monatlich statt. Es handelt sich dabei um einen seit Jahrzehnten bestehenden, internen Stammtisch für Nazis mit Referenten wie dem NPDler Udo Voigt oder dem Holocaust-Leugner Bernhard Schaub. Weil der Organisator Hans-Ullrich Pieper regelmäßig durch antifaschistische Interventionen Probleme bekam, wurde die „Schutzzone“ zur Absicherung vor der Tür abgestellt. Dabei schleusen Robin-Oliver Band und Maurice Pollei an einem Vortreffpunkt die Teilnehmenden zum nahe gelegenen Veranstaltungsort, der regelmäßig wechseln muss.

Die Aufgabe des „Schutzes“ erfüllen R. Band und Pollei nicht gerade zuverlässig. Abgesehen davon, dass sie in der Regel noch vor Veranstaltungsende gehen, verlassen sie meist zwischenzeitlich ihren Posten, um ein sogenanntes „Koks-Taxi“ zu bestellen. Teilweise konsumieren sie bereits nach Abfahrt des „Taxis“ die jeweiligen Drogen direkt am Straßenrand. Die Heimfahrt im Firmenwagen erfolgt selten nüchtern.

Am Inhalt des “Dienstagsgesprächs“ zeigen sich R. Band und Pollei nicht interessiert.

Ruggiero Gleisinger

Ruggiero Gleisinger ist seit Jahren fester Bestandteil der NPD und kandidierte zur Abgeordnetenhauswahl 2016 in Lichtenberg. Bei Veranstaltungen und Demonstrationen übernimmt er Ordner-Dienste, so auch beim Heß-Marsch 2018 oder dem JN-Europakongress in Riesa 2018.

Ruggiero Gleisinger, geb. 07.10.1985, Seehausener Straße 16 (3. OG mitte), 13057 Berlin-Hohenschönhausen

Ein weiterer „Schutzzonen“-Aktivist ist Enrico. Sowohl Gleisinger als auch Enrico wohnen in Hohenschönhausen, sind aber stets mit den Neuköllner Neonazis unterwegs. Generell bilden Robin-Oliver Band, Maurice Pollei, Ruggiero Gleisinger und Enrico den Kern der Berliner „Schutzzone“. Andere beteiligen sich unregelmäßig an den Aktivitäten.

Ruggiero Gleisinger, Enrico und der Neonazi Patrick Bewer „schützten“ in den vergangenen Monaten ebenfalls das „Dienstagsgespräch“. Auch sie verließen ihren Posten vorzeitig, um Drogen zu nehmen, die Gleisinger in Pankow bei seinem Dealer kaufte.

Anschließend zogen sie weiter zum „Zapfhahn88“ (Konrad-Wolf-Straße 88, 13055 Berlin-Hohenschönhausen). Dabei handelt es sich um eine BFC-Fankneipe, in der sich in der Vergangenheit die NPD Lichtenberg getroffen hat.5 Die Kneipe ist nicht regelmäßig geöffnet, Gleisinger hat allerdings einen Schlüssel, um den Treffpunkt nutzen zu können.

Neonazi-Übergriffe in Neukölln

Robin-Oliver Band und Maurice Pollei stehen im Verdacht, im vergangenen Jahr bei zwei Neonazi-Angriffen nahe des U-Bahnhofs Boddinstraße in Neukölln beteiligt gewesen zu sein. Diese Angriffe fanden am 28.09.2018 und am 05.10.2018 statt. Beide Male traten die jeweils 15 bis 20 Neonazis aggressiv auf und verletzten Menschen. Die Angriffe fanden freitags statt.

An den zwei Freitagen vor dem ersten Angriff, dem 14.09.2018 sowie dem 21.09.2018, führten R. Band und Pollei „Schutzzonen“-Streifen in Berlin-Neukölln durch. Daher liegt es nahe, dass sie am 28.09.2018, beim ersten Angriff, ebenfalls versuchten, durch Neukölln zu patrouillieren. Augenzeug*innen berichteten, dass sich einer der Neonazis an der Nase verletzte. Entsprechende Verletzungen trug Pollei fünf Tage später, auf der Neonazidemonstration in Berlin-Mitte.

Beim zweiten Angriff am 05.10.2018 trugen die Neonazis MMA-Handschuhe. Das Mitführen dieser Kampfsport-Utensilien ist ein Zeichen dafür, dass sich die Gruppe auf den Angriff vorbereitet hat. Bei diesem Angriff wurden die Neonazis verjagt. Robin-Oliver Band war zwar im Bereich des sogenannten „Anti Terror Kampf“ (ATK) aktiv, diese sportlichen Vorerfahrungen halfen ihm aber lediglich beim Wegrennen.

Zeug*innen erkannten bei dem Angriff ebenfalls David Linke. Der Lichtenberger BFC-Fan konnte bisher nicht im Umfeld der NPD/“Schutzzone“ festgestellt werden.

 Fazit

 1) Die „Schutzzone“ versucht sich als neonazistische „Bürgerwehr“ zu inszenieren, allerdings ohne nachhaltig präsent zu sein oder Kontrolle im öffentlichen Raum ausüben zu können. Es handelt sich vor allem um ein virtuelles Phänomen, wobei es eine Dunkelziffer möglicher Übergriffe geben kann.

2) Dennoch besitzt die “Schutzzone“ das Potential, Menschen einzuschüchtern, die nicht in ihr menschenfeindliches Weltbild passen. Außerdem gab es mit den beiden Übergriffen in Neukölln bereits gewalttätige Angriffe, die jedoch erfolgreich zurückgeschlagen werden konnten.

 3) Aufgrund der in den “Sozialen Medien“ veröffentlichten Fotos, die sich stark an der Darstellung männlicher Stärke und (soldatischer) Wehrhaftigkeit orientieren, gelingt es der NPD “Schutzzone“ insbesondere bei jungen rechten Männern Anklang zu finden.

 4) Mit dem aktionistischen „Mitmachcharakter“ schafft die Kampagne eine scheinbare Offenheit und Ansprechbarkeit. Damit bietet die NPD auch Anknüpfungspunkte für solche Kräfte, die die aktuelle politische Arbeit der Partei als zu wenig radikal und unansprechend empfunden haben. So sind in der Berliner „Schutzzone“ im letzten Jahr neue AktivistInnen aufgefallen, die ihre Nazi-Tattoos, wie z.B. eine Schwarze Sonne, offen zur Schau stellten, sich vorher allerdings nicht im Umfeld der Berliner NPD bewegt haben. Dementsprechend ist die Partei mit der Kampagne in der Lage in kleinem Rahmen neue Leute zu rekrutieren.

5) Trotz des Fokus auf die mediale Inszenierung der “Streifzüge“ wird mit der „Schutzzone“ das Konzept des „Kampfes um die Straße“ wieder aufgegriffen und aktualisiert. Demonstrationen mit einem hohen Organisationsaufwand stellten sich als immer erfolgloser heraus. Neben der parlamentarischen Bedeutungslosigkeit der NPD wird deshalb eine stärkere (außerparlamentarische) Gewaltorientierung propagiert.

6) Über die öffentliche Zurschaustellung gewalttätiger neonazistischer Männlichkeit ergeben sich zahlreiche Schnittpunkte zum Bereich des terroristisch agierenden Neonazismus. Dies zeigt sich u.a. an Maurice Pollei, der am 03.10.2019 mit einem Shirt der „Combat 18“-Band “Terrormachine“ an einer Neonazidemonstration teilnahm.

7) Mit der „Schutzzonen“-Kampagne hat sich eine gewisse Parallelstruktur zum NPD-Jugendverband Junge Nationalisten (JN) herausgebildet. So beteiligen sich JN-AktivistInnen kaum an der „Schutzzonen“-Kampagne. Während die JN Kaderausbildungen und einen aktionsorientierten Ansatz zusammenbringen will, kann bei der „Schutzzone“ auch ohne ideologische Schulungen mitgemacht werden. Das zieht vor allem zuvor ungebundene, ideologisch wenig gefestigte Neonazis an. Dabei steht der Berliner “Schutzzonen“-Lifestyle aus chemischen Drogen, Alkohol und Gewalt teilweise in direkter Konkurrenz zur Selbstdarstellung der JN.

 In diesem Sinne ist die “Schutzzonen“-Kampagne ein Versuch, mit wenigen Neonazis – in Berlin ist nur eine Handvoll regelmäßig an den Aktionen beteiligt – einen “Kampf um die Straße“ zu führen, eine gewisse eigene Stärke zu simulieren und militante Neonazis einzubinden. Gleichzeitig ist der Aufwand für einige Fotos vergleichsweise gering, sodass ohne große Anstrengung zumindest eine digitale Aufmerksamkeit erzeugt werden kann. Diese reine Ausstellung neonazistischer Tatkraft könnte zu einer dauerhaften Festigung faschistischer Identität führen, während in Wirklichkeit ein Lifestyle aus Drogen gelebt wird.

Quellen