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Timo Groenke – DJV-Neonazi als Jugend-Schiedsrichter

Wenn es um Neonazis im Sport geht, stehen in der Regel jene Akteure im Vordergrund, die als aktive Athlet*innen oder Trainer*innen auftreten. Daneben gibt es jedoch weitere Möglichkeiten, um sich im Vereinsleben von Sportclubs oder im regelmäßigen Spielbetrieb einzubringen. Das Schiedsrichterwesen ist eines dieser Felder für eine potenzielle rechte Einflussnahme. In Berlin betätigt sich beispielsweise der gewaltbereite Neonazi Timo André Groenke aus dem Umfeld der extrem rechten Netzwerke um „Deutsche Jugend Voran“ (DJV) und „Jung & Stark“ (JS) seit anderthalb Jahren als Schiedsrichter und Sportfotograf für Sparta Lichtenberg. Doch auch darüber hinaus ist der Jugendliche politisch enorm umtriebig. Momentan inszeniert er sich mit einem neuen News-Portal als mediales Sprachrohr für die extrem rechten Demonstrationen von Ferhat Sentürk in Berlin.

Timo Groenke als Teil jugendlicher Neonazinetzwerke…

Erstmalig trat Timo Groenke, der sich selbst auch „Pumba“ nennt, am 29. Spetember 2024 politisch in Erscheinung [Bild 1]. An diesem Tag fuhr er mit einer Gruppe von Neonazis aus dem Spektrum von DJV und JS zu einem Aufmarsch nach Görlitz fuhr. Unter ihnen waren beispielsweise Carsten Grasse oder Christopher Wetzels. Während letzterer in Görlitz Ordner war, nahm Groenke nur an der Versammlung teil. Drei Wochen später, am 19. Oktober 2024, war er jedoch schon selbst Ordner beim Neonazi-Aufmarsch von DJV und JS gegen eine feministische Antifa-Demonstration in Berlin-Marzahn [Bild 1]. Seine Beteiligung an strukturellen Aufgaben zeigt, dass er innerhalb kürzester Zeit das Vertrauen der Organisierenden gewinnen konnte. Seitdem fällt er regelmäßig im Kontext dieser neuen Netzwerke junger Neonazis auf und ist bundesweit aktiv. Zusammen in einer größeren Gruppe, zu der unter anderem Philippe Benecke, Vincent Gutjahr und Erik Franke gehörten, besuchte Groenke am 18. Januar eine extrem rechte Demonstration der „Freien Sachsen“ in Chemnitz sowie am 14. Februar 2025 den geschichtsrevisionistischen Neonazi-Aufmarsch in Dresden [Bild 1].

In einer ähnlichen Konstellation nahm er am 22. Februar am Wahlkampfabschluss der AfD in Berlin-Hohenschönhausen teil [Bild 2]. Obwohl Groenke noch nicht so lange wie die anderen Akteure erkennbar aktiv ist, bewegt er sich inzwischen im organisatorischen Kern dieser Vernetzungen jugendlicher Neonazis. Er ist damit eine Ausnahme, da die Zusammensetzung der extrem rechten Cliquen um DJV und JS ansonsten sehr wechselhaft ist. Abseits eines Kerns von kontinuierlich aktiven Akteuren konnten nur wenige andere Personen dauerhaft gebunden werden. Dabei scheint Groenke auch kein Problem mit Gewalt zu haben. Er hält engen Kontakt mit Neonazis wie Benecke oder Gutjahr, die Ende Oktober 2024 beide wegen gewalttätiger Angriffe von der Polizei durchsucht wurden. Zudem fiel Groenke selbst bereits im Kontext von Übergriffen auf. Am 19. Oktober 2024 war er mit Christopher Wetzels Teil einer Neonazi-Gruppe, die nach einem Angriff am Rande des Aufmarschs von der Polizei kontrolliert wurde [Bild 1]. Im Nachgang postete er spöttische Fotos von anwesenden Journalist*innen und outete diese in Anti-Antifa-Manier auf seinem Instagram-Account [Bild 3]. Ohnehin sind Groenkes Auftritte auf Social-Media-Plattformen eine Ansammlung hetzerischer Statements sowie von völkischen bis offen nationalsozialistischen Sympathiebekundungen. Neuerdings ist beispielsweise in der Profilbeschreibung auf dem Instagram-Account „bxn_pumba“ ein doppelter Blitz als Anspielung auf das Symbol der SS zu finden. Zuvor nutzte „Pumba“ unter anderem den Zahlencode „88“ als Chiffre für „Heil Hitler“ in seinem Profilnamen [Bild 3].

und Scharnier zur AfD

Dennoch sucht Timo Groenke, wie viele Mitglieder der jugendlichen Neonazi-Netzwerke, auch Anbindungen an gemäßigtere Kreise der extremen Rechten. So nahm Groenke allein im Jahr 2025 mindestens zweimal an Wahlkampfveranstaltungen der AfD in Berlin teil [Bild 2]. Am 22. Februar trug er währenddessen sogar eine Jacke mit dem Logo des Lichtenberger Bezirksverbandes. Diese blauen Jacken waren in der Vergangenheit nur selten zu sehen und wurden ausschließlich von Parteimitgliedern getragen. Es ist somit davon auszugehen, dass Groenke Mitglied in der AfD ist und somit eine Scharnierfunktion zwischen der Partei und außerparlamentarischen Neonazi-Strukturen ausübt. Dazu passt ebenfalls, dass Timo Groenke am 8. Januar eine Versammlung des Marzahn-Hellersdorfer Bezirksverbandes der AfD gemeinsam mit Jannik D. Giese besuchte. Dieser tauchte Ende 2024 zum ersten Mal als Leiter einer extrem rechten Demonstration in Berlin-Friedrichshain auf, die er zusammen mit dem ehemaligen AfD-Politiker Ferhat Sentürk aus Aachen organisiert hatte. Inzwischen hat es sich Sentürk zur Aufgabe gemacht, regelmäßig Versammlungen gegen „Linksextremismus“ in Berlin zu organisieren. Dabei gibt er sich nach außen teilweise politisch gemäßigt, richtet sich allerdings dennoch vorwiegend an die neuen Neonazi-Netzwerke, die solche Geschenke zur politischen Selbstdarstellung nur schwer ausschlagen können. Allerdings bestehen auch Spannungen, da Sentürk innerhalb der Rechten politisch höchst umstritten ist. So empfahl Timo Groenke seinen Kameraden auf seinem instagram-Profil im Vorfeld von Sentürks Demonstration am 22. Februar in Berlin-Mitte noch: „Scheißt auf die Türkendemo!“ [Bild 3].

Mittlerweile hat er sich halbherzig von diesem Post distanziert. Stattdessen macht er nun offensiv Werbung für Sentürks Demonstration am 22. März durch Friedrichshain. Hierfür hat Groenke sogar eigens einen neuen Blog aufgesetzt. Auf „DEaktuell“ möchte er laut eigener Aussage „Demonstrationen und deren gesellschaftliche Bedeutung“ darlegen [Bild 4].

Die behauptete politische Neutralität ist dabei vor allem ein Ablenkungsmanöver. Sie fungiert als Deckmantel, um extrem rechte Inhalte und Personen, wie Julian Milz, den ehemaligen Anführer von DJV, unkritisch als normalen Teil der politischen Auseinandersetzung zu präsentieren. Mit diesem Vorgehen steht Timo Groenke für eine andere strategische Ausrichtung extrem rechter Politik. So zeichnen sich DJV und JS in ihrer Außenkommunikation dadurch aus, vorwiegend ihre eigene Klientel anzusprechen und mit ausgeprägten Feindbildern zu mobilisieren. Demgegenüber verfolgt Groenke eher eine Einspeisung neonazistischer Vorstellungen in gesellschaftliche Bereiche außerhalb der Szene.

Der extrem rechte Jugendschiedsrichter

Zu einer solchen (unbewussten) Strategie der niedrigschwelligen rechten Raumnahmen passt auch das sportliche Engagement Groenkes als Schiedsrichter [Bild 5].

Bereits im Juli 2022 legte er, damals noch bei Rot-Weiß 90 Hellersdorf angebunden, die Prüfung beim „Berliner Fußball-Verband“ (BfV) ab. Sein erstes Spiel leitete er am 1. Juli 2023. Zwei Wochen später wechselte er zu Sparta Lichtenberg [Bild 6].

Seitdem pfeift Groenke regelmäßig Fußballspiele in Berlin. Bislang hat er 26 Begegnungen betreut. Die meisten davon fanden in den Altersklassen der C- und D-Jugend statt. Dementsprechend waren die Spieler*innen größtenteils unter 15 und teilweise auch unter zwölf Jahre alt. Erst in jüngster Zeit begann Groenke ebenfalls Spiele in den höheren Altersbereichen der A- und B-Jugend zu pfeifen. Es ist schwer vorzustellen, dass ein gewaltbereiter Neonazi, der zuvor noch zu Aufmärschen durch die Bundesrepublik gefahren ist, am nächsten Wochenende ein Fußballspiel fair und unvoreingenommen allen Beteiligten gegenüber leiten kann. Am Beispiel Timo Groenke zeigt sich, warum der Schiedsrichter*innenposten insgesamt für die extreme Rechte als politischer Türöffner genutzt werden kann. Da Vereine zunehmend Schwierigkeiten haben, Personen für diese Aufgabe zu finden, machen sich aktive Schiedsrichter*innen schnell unverzichtbar und können so auch als Neonazis unwidersprochen in das Vereinsleben hereinwachsen. Es ist kaum vorzustellen, dass niemandem die politischen Einstellungen von Timo Groenke aufgefallen sind. Zum einen geht er beispielsweise in den sozialen Medien sehr offen damit um. Zum anderen zeigt die Qualität seiner Äußerungen, zum Beispiel in Bezug auf Ferhat Sentürk, wie tief verwurzelt rassistische Vorurteile bei ihm sind. In diesem Sinne verstößt die Schiedsrichter-Tätigkeit von Timo Groenke klar gegen die Vorgaben der „Schiedsrichterordnung“ des BfV. Dort heißt es unter Punkt zwei der Präambel: „SR [Schiedsrichter] lehnen jegliche Form von Diskriminierung, Gewalt und Rassismus ab […]“. Auch die Satzung von Sparta Lichtenberg verbietet rassistische Diskriminierung im Rahmen des Vereins. Dennoch war Groenke dort nicht nur als Schiedsrichter tätig, sondern durfte sich auch als Sportfotograf versuchen. Seine Bilder wurden sogar auf offizielle Kanälen von Sparta Lichtenberg geteilt und damit sein Business promotet [Bild 7].

Das Schiedsrichter*innen-Wesen neu denken

Dass Timo Groenke als bekennender und gewalttätiger Neonazi überhaupt Fußballspiele im Jugendbereich leiten durfte, ist ein klarer Verstoß der Fürsorgepflicht des Verbandes und des Stammvereins gegenüber den minderjährigen Spieler*innen. Hier zeigt sich, dass die bestehenden Mechanismen zur Durchsetzung der auf dem Papier geltenden Regularien in der Praxis zu wenig Anwendung finden. Es reicht nicht, blind darauf zu vertrauen, dass verantwortungsvolle Positionen auch von verantwortungsbewussten Personen besetzt werden. Stattdessen müssen Vereine und Verbände sowie Trainer*innen und Schiedsrichter-Kolleg*innen genau hinschauen, mit wem sie an diesen neuralgischen Punkten zusammenarbeiten und welche Vorstellungen diese Personen vertreten. Zudem müssen bei Verstößen wirkungsvolle Maßnahmen zur Durchsetzung der bestehenden Vorgaben existieren. Ansonsten bietet gerade das Schiedsrichter*innen-Wesen ein Einfallstor für die extreme Rechte auf der Suche nach einem gesellschaftlichen Resonanzboden. Akteure wie Timo Groenke stehen für eine breit aufgestellte politische Strategie, die neonazistische Straßengewalt, eine sich nahbar gebende Parteipolitik und gesellschaftliches Engagement zu verbinden versucht, um in unterschiedlichen Bereichen den eigenen Wirkradius als bekennender Neonazi zu erweitern und neue Räume zu eröffnen. Dies ist nicht weniger gefährlich als ein offen gewalttätiger Neonazismus, für den DJV und JS stehen. Vielmehr zeigt gerade eine Person wie Timo Groenke, dass beide Aspekte extrem rechter Politik nicht voneinander getrennt werden können.

Der harte Kern der Neonazigruppen DJV & JS (Outingplakat, aktuelle Einschätzung, Razzien und nächste Neonazidemo)

Stand Dezember 2024. Einige Informationen wurden aktualisiert.

Für die neuen Neonazivernetzungen „Deutsche Jugend Voran“ (DJV) und „Jung & Stark“ (JS) war der vergangene Monat ziemlich turbulent. Zuerst hatten beide Zusammenschlüsse am 19. Oktober 2024 den ersten Neonaziaufmarsch in Berlin seit 2020 organisiert. Auf diese Weise versuchten sie, eine parallel stattfindende feministische Antifa-Demonstration zu stören. Trotz bundesweiter Mobilisierung kamen jedoch nur circa 150 Neonazis nach Berlin-Marzahn. Wenige Tage später folgte dann am 23. Oktober eine Reihe an Razzien gegen DJV, JS und ihre Umfelder. Hintergrund waren vornehmlich polizeiliche Ermittlungen zu mehreren Übergriffen in der Vergangenheit. In Rahmen der Geschehnisse sind einige neue Informationen ans Tageslicht gekommen, die wir im folgenden Übersichtsartikel zusammengefasst haben. Mittlerweile hat sich ein konstanter personeller Kern beider Gruppen herauskristallisiert. Mit einem Outingplakat sollen die gewalttätigen Neonazis bekannt gemacht werden und Personen für die von ihnen ausgehenden Gefahren sensibilisiert werden. Weiterhin soll der Übersichtsartikel eine kurze Einschätzung über aktuelle Verbindungen von DJV zu anderen Gruppierungen geben und eine Einschätzung zu deren Beteiligung bei der angekündigten rechten Demonstration am 14.12.2024 in Berlin-Friedrichshain.

 Die Köpfe der Demonstration am 19. Oktober 2024

Nachdem für den 19. Oktober 2024 eine feministische Antifa-Demo in Berlin-Marzahn angekündigt wurde, begannen die Kreise um DJV und JS mit einer Gegenmobilisierung. Ihre Strategie erinnerte dabei an die neonazistischen Proteste gegen CSD-Veranstaltungen in den letzten Monaten. Mit einem eigenen Aufmarsch wollten die Neonazis Dominanz auf den Straße ausstellen und so andere Meinungen und Lebensentwürfe unsichtbar machen. Zu diesem Zweck mobilisierten beide Gruppen bundesweit und konnten unter anderem eine kleinere Delegation von „Revolte Chemnitz“ nach Berlin locken. Insgesamt blieb der Neonazi-Aufmarsch mit rund 150 Teilnehmenden deutlich hinter den Erwartungen der Organisierenden zurück. Auch die gewählte Taktik, mehrere hundert Meter hinter der antifaschistischen Demonstration zu laufen, hat nicht zur Attraktivität der Neonaziversammlung beigetragen. Dennoch kam es im Vorfeld und im Umfeld des Aufmarsches zu verstärkten Neonazi-Aktivitäten, was sich auch in körperlichen Übergriffen äußerte.

Als organisatorischer Kern des Neonaziaufmarsches traten größtenteils die aus den letzten Monaten bekannten Gesichter auf. Geleitet wurde die Versammlung erwartungsgemäß von Julian Milz, dem Kopf von DJV in Berlin. Als Anmelder trat jedoch Erik Franke auf, wohnhaft in Berlin-Hellersdorf, gemeldet in Berlin-Lichtenrade (bei seiner Mutter Yvonne Franke). Eine weitere Person aus dem Kreis der Mitorganisatoren war Leon. Der Fan von Hertha BSC in der Vergangenheit schon bei vielen Neonaziversammlungen gegen CSD-Veranstaltungen aufgefallen. Zuletzt versuchte er unter dem Namen „Hauptstadtrevolte“ eine Ortsgruppe der „Jungen Nationalisten“ (JN) in Berlin zu gründen. Allerdings kam dieser Ansatz bisher nicht über den virtuellen Raum hinaus.

Insgesamt zeigte sich beim Aufmarsch am 19. Oktober, dass DJV und JS nicht mit etablierten Neonazistrukturen verbunden sind. So nahmen zwar bekannte Akteure aus dem Spektrum von „Die Heimat“ (u.a. Andreas Storr, Andreas Käfer), aus dem Spektrum des „III. Wegs“ (u.a. Andi Körner) sowie lokale Neonazis (René Uttke, Kai Milde und Katrin Körner) zu Beginn an der Demonstration teil. Doch blieben sie insgesamt im Hintergrund. Auf der Versammlung waren ebenfalls Kleidungsstücke der Neonazi-Organisationen „Die Heimat“ und „III. Weg“ bzw. ihrer jeweiligen Jugendgruppen anzutreffen. Diese wirkten jedoch eher wie modische Accessoires und weniger als explizite Zugehörigkeitsbekenntnisse.

Neonazi-Razzien am 23. Oktober 2024

Am 23. Oktober 2024 folgte dann ein polizeilicher Großeinsatz gegen Akteure aus dem Spektrum von DJV und JS. Hintergrund waren jedoch nicht die Aktivitäten rund um die Demonstration vom 19. Oktober. Stattdessen erfolgten die Durchsuchungen aufgrund mehrerer Übergriffe auf Antifaschist*innen in den vergangenen Monaten, mit denen sich die beteiligten Neonazis breit im Internet brüsteten. Insgesamt wurden am 23. Oktober neun männliche Personen im Alter zwischen 16 und 23 Jahren durchsucht. Die Durchsuchungen fanden in Hellersdorf, Köpenick, Marzahn und Neu-Hohenschönhausen sowie im brandenburgischen Letschin und Wandlitz statt. Bestätigt sind dabei Razzien bei den folgenden Neonazis:

Nick Thomas Christopher Wetzels aus Marzahn

Hendrik Boutry (bisher „Unbekannt 42“) aus Marzahn

Aron (bisher „Unbekannt 39“) aus Köpenick

Philippe Beneke (Spitzname: „Calle“) aus Marzahn

Julian Milz, bei dem gewaltbereiten Polizistensohn wurde sein elterliches Wohnhaus in Wandlitz durchsucht

Vincent Gutjahr (Spitzname: „Svenny“) aus Marzahn

„Felix“, der in der Vergangenheit vor allem als regelmäßiger Teilnehmer von Aufmärschen und Aktivitäten aus dem Spektrum von DJV und JS aufgefallen ist

– sowie Anthony (bisher „Unbekannt 46“), der öffentlich bisher vor allem als Ordner bei der Neonaziversammlung im Leipziger Hauptbahnhof sowie bei Aktivitäten außerhalb von Demonstrationen auftrat

Zudem wurde der Maler Janeck Wolfgang G. aus Marzahn-Hellersdorf durchsucht. Bei ihm sind keine engen Verbindungen zum politischen Spektrum um DJV oder JS zu erkennen. Laut Medienberichten geriet er vor allem wegen Fotos in den sozialen Medien ins Visier der Ermittlungsbehörden. Dort posierte er mit Polizeiweste und Schusswaffen. Aufgrund seiner offenen rechten Weltanschauung dürften die Razzien gegen die Neonazigruppen eher ein Anlass gewesen sein, um G. mit zu durchsuchen.

Zur Identität der neunten durchsuchten Person konnten wir keine öffentlich verfügbaren Belege finden.

Neben der genannten Adresse in Wandlitz wurden von Julian Milz noch mindestens eine weitere Anschrift durchsucht. Zuletzt hielt er sich regelmäßig in Marzahn-Hellersdorf auf. Die unklaren Wohnverhältnisse dienten den Ermittlungsbehörden als ein Grund, um eine Untersuchungshaft anzuordnen. Obwohl Julian Milz seit den Razzien inhaftiert ist, hält sich die öffentlich wahrnehmbare Solidarität mit den durchsuchten Neonazis in Grenzen. Eher sind aus den Umfeldern von DJV und JS in den sozialen Medien Distanzierungen von Gewalt zu lesen, die aufgrund der Gewaltbereitschaft vieler Mitglieder allerdings vor allem mit dem Repressionsdruck zusammenhängen. Zugleich haben die Durchsuchungen den Kern der Gruppen näher zusammengebracht. Insgesamt sind JS und DJV nach dem Versammlungsmarathon im Sommer und Herbst inzwischen in die Phase der Konsolidierung eingetreten. Neben den Durchsuchten tauchen nur wenige weitere Personen regelmäßig im Kontext der Gruppen auf. Eine Konstante ist u.a. „Unbekannt 39“ (Rufname „Aaron“) aus Köpenick, zu dem bisher keine weiteren Informationen vorliegen.

Auch abseits der Razzien steigt der Repressionsdruck gegenüber DJV und JS gerade merklich. So musste kürzlich Kevin Taylor Hennig (Spitzname: „Nesto“) für zwei Wochen in den Jugendarrest. Der 18-Jährige Neonazi ist der kleinere Bruder vom Steve Mike Hennig, der um 2010 in der Kameradschaft „FN Mitte“ aktiv war und inzwischen fleißig die AfD unterstützt. Taylor Hennig war in den zurückliegenden Monaten an zahlreichen Störversuchen gegen CSD-Demonstrationen beteiligt und nahm ebenfalls an einer Versammlung der AfD in Berlin-Hohenschönhausen teil.

Einschätzung DJV – III. Weg

Im Zuge der Razzien wurde bei mindestens zwei Neonazis Material vom „III. Weg“ sichergestellt. So sind auf den Fotos der Dursuchungen ein T-Shirt und Flyer der Neonazipartei zu sehen. Zudem waren unter anderem Carsten Grasse, „Unbekannt 46“ sowie Christopher Wetzels in der Vergangenheit mit Bekleidung vom „III. Weg“ ausgestattet. Diese wenigen Anhaltspunkte wurden in der Presseberichterstattung genutzt, um Verbindungen zwischen DJV, JS und dem „III. Weg“ herzustellen. Dieser distanzierte sich umgehend von den durchsuchten Neonazis und stellte klar, dass sie niemals in der Partei oder deren Jugendorganisation aktiv gewesen wären. Hierbei dürfte es sich nicht nur um einen strategischen Schachzug handeln. So gab es zwar in der Vergangenheit durchaus Kontakte zwischen Personen aus dem Spektrum von DJV und JS und dem „III. Weg“. Es ist bekannt, dass Christopher Wetzels an Propagandaaktionen in Berlin-Hohenschönhausen sowie in Erkner beteiligt war. Zudem verteilte er eigenständig Parteiflyer in seiner Nachbarschaft und nahm an mindestens einem Kampfsporttraining vom „III. Weg“ teil. Auch Carsten Grasse stellt sich gerne in die Nähe der Partei, indem er beispielsweise regelmäßig deren offizielle Kleidung trägt und ebenfalls an einem Training teilnahm. Zudem war er mit seinem kleinen Bruder beim Wahlkampfabschlusses in Cottbus und verteilte dort Flyer mit dem „III. Weg“.

Bei all diesen Verbindungen handelte es sich jedoch vornehmlich um punktuelle Kontakte. Es ist davon auszugehen, dass der „III. Weg“ mit solchen niedrigschwelligen Aktivitäten versuchte, die Eignung der Neonazis für eine weitergehende Parteiarbeit zu testen. Darüber hinaus gibt es keine Belege für eine engere Zusammenarbeit mit den durchsuchten Neonazis. Das zeigte sich auch auf Versammlungen, die von beiden Spektren besucht wurden. Während Carsten Grasse und sein Bruder beim Aufmarsch vom „III. Weg“ gegen den CSD in Zwickau zwar kurz zwischen den Berliner Parteimitgliedern zu sehen sind, übernahmen sie keine besondere Aufgabe auf der Versammlung. Grasses Bruder trug lediglich gegen Ende ein Plakat. Demgegenüber besuchten einige Mitglieder vom Berliner Stützpunkt des „III. Wegs“ den von DJV mitgestalteten Aufmarsch gegen den CSD in Görlitz. Auch dort sind keine Kontakte zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen belegt. Einzig Grasse bewegte sich kurzzeitig in der Nähe der Berliner „III. Weg“-Mitglieder. Die jeweiligen Akteur*innen blieben allerdings bei der An- und Abreise in ihren eigenen Kreisen; so reiste Grasse mit mindestens 12 weiteren Neonazis aus dem Spektrum DJV und JS mit der Bahn vom Berliner Ostkreuz nach Görlitz.

Alles in allem haben Einzelmitglieder von DJV und JS also durchaus eine Nähe zum „III. Weg“ gesucht. Doch die Kontakte waren eher oberflächlich. Zu einer Aufnahme in die Partei oder ihre Jugendorganisation dürfte es nie gekommen sein. Ob Wetzels oder Grasse überhaupt Anwärter auf eine Mitgliedschaft waren, muss spekulativ bleiben. Zudem dürfte der von massivem Drogen- und Alkoholkonsum geprägte Lebenswandel der Neonazis Grasse und Wetzels kaum dem Selbstverständnis vom „III. Weg“ als neonazistischer Kaderpartei entsprechen. In diesem Sinne waren auch die festgestellten Flyer oder Kleidungsstücke, die die DJV-Neonazis bei sich trugen, größtenteils über den offiziellen Onlineshop („Materialvertrieb“) vom „III. Weg“ erhältlich und damit ohne Mitgliedschaft in der Partei zu erwerben. Trotz der Nähe von einigen Personen zum „III. Weg“ sind DJV und JS kaum auf eine Organissation festgelegt. In der Vergangenheit warben die einzelnen Mitglieder für die Junge Alternative, die Jungen Nationalisten und für den „III. Weg“ im regelmäßigen Wechsel. Auch Wetzels fertigte ein Foto an, auf dem er alle Parteilogos vom „III. Weg“ mit den Buchstaben JN (Junge Nationalisten) übermalte. In den Führungsebenen der entsprechenden Organisationen dürfte diese Beliebigkeit auf keine Gegenliebe treffen.

Die nächste Neonazidemo am 14. Dezember

Am 14. Dezember 2024 ruft ein sogenanntes „Aktionsbündnis Berlin“ zu einer Demonstration auf, die sehr anschlussfähig für neonazistische Mobilisierungen zu sein scheint. Unter dem Motto „Für Recht und Ordnung: gegen Linksextremismus und politisch motivierte Gewalt“ soll der rechte Aufmarsch durch Berlin-Friedrichshain laufen. Wer sich genau hinter diesem „Aktionsbündnis“ verbirgt, ist bisher noch nicht vollständig bekannt. In der Öffentlichkeit positioniert sich vor allem Ferhat Sentürk für die Versammlung. Gegen das AfD-Mitglied aus Aachen ist momentan ein Parteiausschlussverfahren anhängig, sodass er verstärkt den Kontakt zu anderen Gruppierungen der extremen Rechten sucht. Weitere Personen, die neben Sentürk bisher als Organisatoren bzw. Redner auf dem Aufmarsch angeführt werden, sind der rechte Social Media-Kanal „Der Fürst“, der junge AfD-Politiker Maximilian Fritsche aus Eberswalde sowie Jannik D. Giese. Letzterer soll auch Leiter der Versammlung sein. Zudem ist Giese eine personelle Verbindung zum jugendlichen Neonazi-Spektrum um DJV und JS. Jannik D. Giese nahm beispielsweise am 19. Oktober am Neonaziaufmarsch in Berlin-Marzahn teil (Fotos auf dem Plakat). Zudem scheinen Giese und Fritsche mit Luka Zechel befreundet zu sein. Der Neonazi aus Bad Freienwalde wurde bereits beim ersten Störversuch von DJV auf den Berliner CSD von der Polizei festgesetzt. Auch Zechel nahm zuletzt am Marzahner Neonaziaufmarsch teil. Er kann somit weiterhin im Umfeld von DJV verortet werden. Trotz mehrerer öffentlicher Kontaktversuche wurde Zechel jedoch nie als Mitglied der Neonazigruppe aufgenommen. Stattdessen scheint er mittlerweile verstärkt Kontakte im Spektrum der AfD zu suchen, während er online seine Zustimmung zum Nationalsozialismus bekundet.

Durch die benannten direkten Verbindung zum Umfeld von DJV und JS kann der Aufmarsch vom „Aktionsbündnis Berlin“ klar als extrem rechtes Szeneevent eingeschätzt werden und richtet sich auch explizit an dieses Klientel. Dennoch sind die Reaktionen aus den beiden Neonazizusammenschlüssen bezüglich des 14. Dezembers bisher eher gemischt. Während beispielsweise Luka Zechel fleißig die Werbetrommel für seinen Kumpel Jannick rührt, distanzieren sich andere Neonazis von dem vermeintlichen „Selbstmordkommando“.

Fazit

Momentan hat das politische Spektrum um die Gruppen DJV und JS in Berlin mit vielen Problemen zu kämpfen. Dennoch haben sich aus den losen Netzwerken in den vergangenen Monaten kleine aber gefestigte Neonazistrukturen gebildet, die gerade auch durch Straßengewalt auffallen. Mit ihren Aktivitäten und der öffentlichen Präsenz öffnen sie anderen Akteuren der extremen Rechten die Tür, die sich so auch in Berlin einen erhöhten Resonanzraum für eigene Aktionen versprechen. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, zentrale Akteure aus diesem politischen Mischspektrum auf einem Plakat zu sammeln. Dabei handelt es sich um jene Personen, die in den vergangenen Monaten durch eine verstärkte Aktivität oder Gewaltbereitschaft aufgefallen sind bzw. im Kontext vom Aufmarsch am 14. Dezember sowie zukünftigen Terminen aktiver werden könnten.

Aktuelle Einschätzung zur Neonazigruppe DJV und Informationen zum Aufmarsch in Oranienburg

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Am 21. September 2024 kam es im brandenburgischen Oranienburg nördlich von Berlin erneut zu einem Neonazi-Aufmarsch gegen eine CSD-Veranstaltung. Organisiert wurde der Protest maßgeblich von der Gruppe „Deutsche Jugend Voran“ (DJV) aus Berlin. Dem Aufruf folgten rund 52 Neonazis. Wir haben aus öffentlichen Fotos eine Übersicht der Teilnehmenden erstellt, da viele aus Berlin und Brandenburg kamen. Zudem wollen wir den neuerlichen Aufmarsch nutzen, um die Aktivitäten von DJV in Berlin insgesamt etwas detaillierter zu bewerten.

Seit der ersten Aktion von DJV in Berlin am 27. Juli 2024 sind fast zwei Monate vergangen. Damals versuchten rund drei Dutzend Neonazis den CSD in Berlin zu stören und wurden dabei von der Polizei eingekesselt. Danach waren Personen aus dem DJV-Spektrum wöchentlich auf Neonazi-Protesten gegen CSD-Demonstrationen in unterschiedlichen Städten in Sachsen und Sachsen-Anhalt anwesend. Außer beim Aufmarsch von „Der III. Weg“ in Zwickau am 31. August 2024 übernahmen DJV-Mitglieder auch stets strukturelle Aufgaben, wie den Ordnungsdienst. Die Neonazi-Proteste am 24. August 2024 in Magdeburg organisierte die Gruppe sogar maßgeblich. Der Aufmarsch in Oranienburg ist somit die dritte eigene öffentliche Aktion der Gruppe und die erste in Berlin und Brandenburg nach dem Störversuch am Potsdamer Platz. Es ist somit davon auszugehen, dass viele Personen, die sich DJV in Berlin und Brandenburg zugehörig fühlen, teilgenommen haben. Eine Übersicht der Teilnehmenden soll eine Identifizierung der zumeist jungen Neonazis aus diesem noch neuen Spektrum erleichtern. Zum anderen erlaubt ein Blick auf den Aufmarsch in Oranienburg eine erneuerte Einschätzung zum Mobilisierungs- und Mitgliederpotenzial von DJV in den beiden Bundesländern.

In Oranienburg fanden sich letztendlich rund 52 Neonazis ein. Das sind zwar mehr als noch im Juli am Potsdamer Platz. Dennoch nahmen auch einzelne Neonazis aus anderen Bundesländern, wie Thüringen, am Aufmarsch teil. Sie können nicht zum engeren Kreis von DJV in Berlin und Brandenburg gezählt werden. In den vergangenen zwei Monaten hat sich das Mobilisierungspotential von DJV trotz wöchentlicher Teilnahme an bundesweiten Aufmärschen, einer aktiven Rekrutierungsarbeit auf Social Media sowie zahlreichen Vernetzungsversuchen somit kaum signifikant erhöht. Bei vergleichbaren Neonazi-Protesten gegen CSD-Veranstaltungen in Sachsen waren teilweise spektrenübergreifende Mobilisierungen mit mehreren hundert Teilnehmenden zu beobachten. Demgegenüber blieb DJV Berlin-Brandenburg in Oranienburg weitestgehend unter sich. Auch die meisten der Neonazis, die am Potsdamer Platz von der Polizei festgehalten wurden, waren bei späteren Aufmärschen kaum noch zu sehen. Dementsprechend scheint DJV auf lokaler Ebene wenig Zulauf zu finden und kann nur einen vergleichsweise kleinen und stetig wechselnden Kreis von Neonazis mobilisieren. Darüber hinaus waren auch viele Personen, die in der Vergangenheit als Mitglieder von DJV auftraten, in Oranienburg nicht anwesend. Das verweist auf Probleme in der Gruppe.

Die größten personellen Konstanten in den letzten Monaten sind Julian Milz, Nick Thomas Christopher Wetzels und „Sven“. Zum engeren Kern scheinen darüber hinaus nur noch weitere fünf bis sieben Personen zu gehören. Sie treffen sich auch außerhalb von Protesten zu gemeinsamen Kneipenabenden. Zudem werden ihnen Übergriffe auf Antifaschist*innen in Berlin–Marzahn zugeordnet. Dennoch sind auch in diesem kleinen Führungszirkel gewisse Austauschprozesse zu beobachten. So distanziert sich „Vivi“, die anfangs bei allen Aktivitäten von DJV anwesend war und nach wie vor der neonazistischen Szene angehört, inzwischen öffentlich von der Gruppe. Stattdessen war in Magdeburg und Zwickau eine „Michelle“ tonangebend, die jedoch in Oranienburg nicht auftauchte.

In diesem Sinne scheint DJV weniger wie eine politische Gruppe und eher wie ein neonazistischer FreundInnenkreis zu funktionieren: Streit inklusive. Der Zusammenhalt scheint vor allem über persönliche Kontakte sowie einen ausgiebigen Alkohol- und Drogenkonsum gestiftet zu werden. Zudem ist zu beobachten, dass sich insbesondere Julian Milz und Christopher Wetzels als Führungspersonen darstellen. So inszeniert sich Milz stets am Kopf von Aufmärschen mit einem Megaphon als Leitfigur. Wetzels gibt sich hingegen im Interview mit dem „Spiegel“ als Kern von DJV aus. Dementsprechend scheint es beiden kaum um eine dauerhafte Organisierungsarbeit zu gehen und mehr darum sich selbst zu profilieren. Insbesondere Wetzels hat über seine Aktivitäten bei DJV wieder stärkeren Anschluss an die Berliner NRJ, die „Nationalrevolutionäre Jugend“ vom „III. Weg“, gefunden. Im „Spiegel“-Bericht prahlt er mit seinen Kontakten zur Partei. So zeigt er auf seinen persönlichen Social-Media-Seiten Bilder von einem Training mit NRJ-Mitgliedern sowie von seiner Beteiligung bei einer Flyer-Tour für den „III. Weg“ in Hohenschönhausen in der vergangenen Woche. Bislang scheint „Der III. Weg“ als neonazistische Kaderpartei die Selbstdarstellung von Wetzels zumindest zu tolerieren.

Zu einer engeren Zusammenarbeit beider Neonazigruppierungen trug dies hingegen nicht bei. Zwar nahmen Personen von DJV Berlin beim Aufmarsch von „Der III. Weg“ am 31. August 2024 in Zwickau teil. Dort übernahmen sie jedoch keine Aufgaben. Zudem wurde eine Person aus dem DJV-Spektrum aufgrund ihrer Hautfarbe an das Ende des Aufmarsches verbannt. Eine Woche später in Freiberg beschwerten sich viele Neonazis außerdem über das geregelte Auftreten beim „III. Weg“ und das Alkoholverbot beim Aufmarsch.

Auch die Vernetzung von DJV mit anderen Neonazi-Gruppe scheint kaum Früchte zu tragen. Anfangs waren gewisse Annäherungen an „Elblandrevolte“ (ELR) aus Dresden, einer Ortsgruppe der „Jungen Nationalisten“ (JN), zu erkennen. Inzwischen scheinen die Kontakte in die Sächsische Landeshauptstand unverbindlicher zu werden. Beim Aufmarsch der JN gegen den CSD in Halle am 14. September 2024 waren keine Personen von DJV Berlin anwesend. Auch eine erhöhte Anbindung von DJV an den Berliner Landeverband der Partei „Die Heimat“ ist nicht zu erkennen. Die engste Zusammenarbeit gab es zwischenzeitlich mit der Berliner Gruppierung von „Jung und Stark“ (JS). Inzwischen distanzieren sich jedoch JS-Mitglieder wie „Unbekannt 40“ von DJV und deren Aktionen. Statt nach Oranienburg fuhr er mit „Tom“ zu den Protesten gegen den CSD ins sächsische Döbeln. Dort trug er ein Shirt der JN. In der Woche zuvor war beide Ordner bei den Neonazi-Protesten gegen den CSD in Wismar. Auch bekannte JS-Mitglieder wie Carsten Grasse waren länger nicht im Kontext von DJV wahrzunehmen. Die ausbleibende politische Vernetzung kann das Ergebnis der fehlenden Organisationsstruktur bei DJV sein. Zudem dürften sich die Egos der selbsternannten Führungsfiguren nur schlecht mit anderen Ansprüchen vertragen.

Insgesamt bleibt abzuwarten, wie sich DJV in Berlin mit dem Abflachen der Neonazi-Mobilisierungen gegen die CSD-Demonstrationen entwickeln wird. Momentan sieht es so aus, als ob die Gruppe zwar konstant viele junge Personen ansprechen kann, aber nicht in der Lage ist, diese dauerhaft zu mobilisieren bzw. an sich zu binden. Auch eine politische Vernetzungsarbeit mit anderen Gruppen ist nicht zu erkennen. Zudem verändert sich der engere Kreis von DJV weiterhin merklich. Nur wenige Personen bleiben konstant dabei. Um sie herum bildet sich jedoch eine durchaus gefährliche Kerngruppe, die sich dem Führungsanspruch der Leitfiguren unterordnet. Diese Kleinstgruppe ist inzwischen in der Lage, eigene Mobilisierungen anzustoßen, auch wenn diese nur eine geringe Resonanz innerhalb der Neonaziszene von Berlin und Brandenburg zu entfalten. Allerdings geht von dieser Kleingruppe selbst eine erhöhte Gefahr aus, da sie auch vor Angriffen (bisher vor allem auf politische Gegner*innen) nicht zurückschreckt.

Informationen zu Neonazigruppen und -aktivitäten können jederzeit an monitorberlin@riseup.net gesendet werden.


Namen, Gesichter und Aktivitäten der Neonazigruppen DJV und JS in Berlin

Am 27. Juli 2024 versuchten rund drei Dutzend Neonazis den „Christopher Street Day“ (CSD) in Berlin anzugreifen. Hinter dem Übergriff steckte maßgeblich die Gruppierung „Deutsche Jugend Voran“ (DJV), die damit zum ersten Mal öffentlich in Erscheinung trat. Inzwischen kam es an vielen Orten zu Neonazi-Aufmärschen gegen CSD-Demonstrationen. In Bautzen, Leipzig und Magdeburg waren Neonazis von DJV aus Berlin nicht nur anwesend, sondern teilweise maßgeblich in Organisation und Strukturaufgaben tätig. DJV entwickelt sich somit zu einer zunehmend aktionsorientiert auftretenden Struktur. Zugleich zeigen die verstärkten Aktivitäten, wie die Gruppierung agiert und wer zum aktionsbereiten Kern zählt. Aufgrund der zunehmenden Vernetzung mit der Neonazi-Gruppierung von „Jung & Stark“ (JS) soll diese ebenfalls kurz beleuchtet werden.

Die Aktivitäten der Berliner DJV im August

Vor dem Übergriff auf den Berliner CSD war DJV hauptsächlich ein Internet-Phänomen. Seitdem tritt die Gruppe aber offensiv und auch zunehmend gewalttätig in der Öffentlichkeit auf. Mittlerweile versucht sie sich ebenfalls verstärkt mit anderen Gruppierungen zu vernetzen. Dies zeigte sich deutlich beim bundesweit beworbenen Neonaziaufmarsch gegen den CSD in Bautzen am 10. August 2024. Maßgeblich organisiert wurden die Neonazi-Proteste von „Elblandrevolte“ (ELR) ‑ einer Ortsgruppe der „Jungen Nationalisten“ (JN) aus Dresden. Bereits einige Tage vor dem 10. August kam es jedoch in der Sächsischen Landeshauptstadt zu einem Treffen von ELR mit einer Delegation von DJV. Wahrscheinlich wurden dort letzte Absprachen für die gemeinsame Aktion getroffen.

DJV Berlin-Brandenburg am 31.07.2024 in Dresden, rechts: Neonazi „Lucas Seifert“ alias „Chino“

Dementsprechend war eine geschlossene Gruppe von DJV bereits am Vortreffpunkt der JN anwesend. Insgesamt reisten rund 16 Berliner Neonazis aus dem DJV-Spektrum nach Bautzen. Von ihnen war jedoch nur ein kleiner Teil erkennbar in die Aufmarschstruktur eingebunden. Stattdessen übernahm ELR bzw. die JN einen Großteil der Aufgaben, wie den Ordnungsdienst oder das Anheizen per Megaphon. Dennoch trugen mehrere Berliner Neonazis das Fronttransparent von ELR und JN.

10.08.2024 Neonaziaufmarsch gegen den CSD in Bautzen. Mitglieder von DJV Berlin-Brandenburg in Bautzen mit Transparent der „Elblandrevolte“ (JN). Links am Transparent: Nick Thomas Christopher Wetzels. Rechts: „Unbekannt 40“. Foto von Thomas Witzgall

Einige Tage später, am 14. August 2024, wurden rund zehn DJV-Mitgliedern am RAW-Gelände von der Polizei festgesetzt. Zuvor waren sie sichtlich angetrunken im Friedrichshainer Kiez unterwegs. In der gleichen Woche gab es zudem ein internes Vernetzungstreffen von DJV mit den Neonazis von JS aus Berlin. Dieses Treffen fand in der Kneipe „Zum Zapfhahn“ in Berlin-Marzahn statt.

Auch JS ist ein Zusammenschluss jüngerer Neonazis, der vor allem in sozialen Netzwerken aktiv ist. Erstmals auffällig außerhalb von Social Media wurden Mitglieder von JS Berlin bei Aktivitäten gegen den CSD in Rostock (u.a. Nummer 9, hier im Artikel Unbekannt 43, und Nummer 14, Carsten Grasse). In der Vergangenheit gab es zwischen DJV und JS nur sporadische Kontakte. Die Annäherung in der letzten Zeit rührt wahrscheinlich daher, dass ELR nach den Aktivitäten in Bautzen als Bündnispartner für kommende Aufmärsche ausfiel. In einer öffentlichen Stellungnahme hatte sich die Dresdner Gruppe von den Neonazi-Protesten gegen die CSDs in Leipzig und Magdeburg zurückgezogen.

Bei den Neonazi-Protesten gegen die CSD-Veranstaltungen in Leipzig (17. August 2024) und Magdeburg (24. August 2024) konnte eine stärkere Zusammenarbeit von DJV und JS bei der Organisation und Durchführung der rechten Versammlungen beobachtet werden.

In Leipzig reiste gut ein Dutzend Neonazis aus Berlin an. Mindestens sechs von ihnen traten später bei einer improvisierten Kundgebung auf dem Bahnsteig des Hauptbahnhofs als Ordner auf. Darunter waren bekannte JS-Aktivisten, wie Carsten Grasse, aber auch DJV-Mitglieder, wie Nick Thomas Christopher Wetzels. Die neue Verbundenheit der beiden Gruppierungen drückte sich ebenfalls auf einem gemeinsamen Transparent aus. Julian Milz, führendes Mitglied von DJV Berlin, betätigte sich als Einpeitscher am Mini-Megaphon.

17.08.2024 Neonazi-Aktion gegen den CSD in Leipzig. Mitglieder von DJV Berlin-Brandenburg sind an der Organisation beteiligt. Rechts vorn mit Megaphon: Julian Milz. Foto von Pressefuchs

Nach dem gescheiterten Aufmarschversuch in Leipzig kam es auf der Rückreise zu Einschüchterungsversuchen der Berliner Neonazis auf ehemalige Teilnehmende des CSD in der Bahn.

In Magdeburg zeigte sich ein ähnliches Bild. Aus Berlin (und Brandenburg) reisten gut 20 Neonazis an. Sie übernahmen wiederum Ordner-Aufgaben, stellten das Fronttransparent und eigene Megaphone.

24.08.2024 Neonazi-Störaktion gegen den CSD in Magdeburg. Mitglieder von DJV und JS Berlin-Brandenburg am Transparent. Links unten mit Megaphon: Nick Thomas Christoper Wetzels. Rechts unten: „Tom“. Foto von Marco Kemp

Insgesamt ist die Entwicklung von DJV in Berlin im zurückliegenden Monat durchaus alarmierend. Vor allem das Aktionsniveau der Gruppierung hat sich merklich erhöht. Statt der Koordinierung von vereinzelten Saufabenden traut sich DJV inzwischen die Organisation und Durchführung überregional mobilisierter Neonazi-Aufmärsche zu. Die Gruppe ist auch außerhalb von Berlin in der Lage zumindest rudimentär eine Versammlung aufzustellen: mit Ordnungsstruktur, Transparenten und Megaphonen. Dazu reist die DJV geschlossen und mit genügend Personen an. Sicherlich ist sie noch weit von dem Organisationsniveau langjähriger Neonazi-Strukturen entfernt. Doch weitere geplante Kundgebungen und Aufmärsche könnten zu einem Lerneffekte beitragen.

Auch außerhalb von Versammlungen tritt DJV zunehmend in Erscheinung. In Berlin versuchen Gruppen aus deren Umfeld offensiv Sozialräume einzunehmen. Die verstärkte Vernetzung mit anderen Gruppen, wie JS, trägt dabei zu einem größeren Mobilisierungspool bei. In Berlin entwickeln sich somit gerade abseits vom „III. Weg“ und dessen Jugendorganisiation NRJ zunehmend aktionsorientierte und durchaus gewaltbereite Neonazistrukturen. Allerdings scheint es momentan über den gemeinsamen Aktionismus hinaus kaum einen organisatorischen Zusammenhalt zu geben. Bisher wird DJV von Events und einer eher losen Vernetzung auf Instagram und TikTok zusammengehalten. Ideologisch ist das einigende Moment vor allem eine enorme LGBTIQ*-Feindlichkeit, die mögliche inhaltliche Differenzen bislang überdeckt.

Wer sind die Akteure hinter DJV in Berlin?

Die bisherigen Beobachtungen lassen vermuten, dass DJV in Berlin aus einem Kern von 10-15 Personen besteht. Sie nehmen in wechselnden Konstellationen regelmäßig an Aktionen von DJV in der Stadt und überregional teil. Wie viele dieser Neonazis dabei aus dem Berliner Umland oder dem weiter entfernten Brandenburg kommen bzw. in welchen Berliner Bezirken DJV-Mitglieder aktiv sind, kann nicht abschließend geklärt werden. Das maximale Mobilisierungspotential der Gruppierung für einzelne Aktionen dürfte bei ungefähr 40 Personen liegen, wie der Störversuch gegen den CSD am Potsdamer Platz in Berlin gezeigt hat. Im Kontext von DJV treten einige Personen verstärkt als Tonangeber auf.

Eine zentrale Figur und mutmaßlicher Leiter von DJV Berlin ist der 23-jährige Julian Milz (geb. am 22. Februar 2001) aus Wandlitz. Bereits beim ersten öffentlichen DJV-Treffen auf dem Bunkerberg im Berliner Humboldthain trat er als Wortführer auf. Seitdem war er an allen öffentlichen Aktionen in hervorgehobener Position beteiligt. So schien er beim Übergriff auf den CSD am Potsdamer Platz die Neonazis zu koordinieren. In Bautzen lief er an der Spitze der Demonstration neben dem Fronttransparent. In Leipzig und Magdeburg heizte er die Neonazi-Proteste mit einem mitgebrachten Megaphon an. Zudem war er Teil der Gruppe, die am 14. August 2024 am RAW-Gelände festgesetzt wurde.

Vor seinem Engagement für DJV ist Julian Milz bisher politisch nicht erkennbar in Erscheinung getreten. Allerdings half er im zurückliegenden Europawahlkampf 2024 beim Aufhängen von Plakaten der HEIMAT (früher: NPD), was eine Verbindung zu der Neonazipartei nahelegt. Momentan besucht Milz noch das OSZ I Barnim in Bernau. In seiner Freizeit spielte er unregelmäßig Fußball für den FSV Basdorf. Nachdem Bekanntwerden seiner politischen Aktivität distanzierte sich der Verein von Milz und erteilte diesem laut eigenen Angaben ein Hausverbot für alle Liegenschaften. Auch der Basdorfer Trainer Marcel Teske trug diese Maßnahmen mit. In der Vergangenheit zeigte er weniger Distanz zu organisierten Neonazis, da er selbst selbst lange Zeit mit dem NPD’ler Jan Sturm in der Ü40-Mannschaft vom BFC Dynamo kickte.

Julian Milz beim Aufhängen von Plakaten von „Die Heimat“ (früher NPD)
Julian Milz (oben links) beim FSV Basdorf

Ein weiteres aktives Mitglied von DJV ist Nick Thomas Christopher Wetzels aus Berlin-Marzahn. Schon beim versuchten Übergriff auf Teilnehmende des CSD Berlin am Potsdamer Platz war er beteiligt. Zuerst erschien er als klassischer Mitläufer. Inzwischen ist er bei allen Aktivitäten von DJV anzutreffen. So trug er in Bautzen das Fronttransparent. In Leipzig und Magdeburg war er hingegen als Ordner eingesetzt. Auch er war Teil der Gruppe, die am 14. August 2024 durch den Friedrichshainer Kiez zog.

Neben Wetzels und Milz tauchen weitere Personen regelmäßig im Kontext von DJV Berlin auf. So war beispielweise „Vivi“ aus Marzahn bei allen Aufmärschen außerhalb Berlins anwesend. Zudem nutzte DJV den Platz hinter „Vivis“ Wohnhaus in der Allee der Kosmonauten 200/202 zur Vorbereitung der Transparente. Inzwischen gibt sie jedoch an, nicht mehr Teil von DJV zu sein.

Auch „Unbekannt 39“ war bisher bei allen überregionalen Aufmärschen in der Gruppe von DJV aus Berlin unterwegs, ohne jedoch erkennbar eine Aufgabe zu übernehmen.

Darüber hinaus gibt es ebenfalls aus dem Kontext von „Jung & Stark“ (JS) einige besonders aktive Neonazis. Als Wortführer der Gruppierung tritt hierbei Carsten Grasse aus Berlin-Hohenschönhausen auf. Der 26-Jährige Fan von Union Berlin fällt vor allem durch die tätowierte „Schwarze Sonne“ auf seinem Handrücken auf. Wie bereits erwähnt war er auch an einer Stör-Aktion von Neonazis gegen den CSD in Rostock beteiligt. Während er beim Neonaziaufmarsch in Bautzen noch ohne erkennbare Aufgaben am Neonazi-Aufmarsch teilnahm, wurde er in Leipzig und Magdeburg als Ordner eingesetzt. Das spricht für eine stärkere Einbindung von JS in die Planung und Durchführung der Neonazi-Versammlungen. Grasse trägt punktuell ein T-Shirt mit dem „III. Weg“-Logo. Es gibt allerdings keine Hinweise, dass er Mitglied der Neonazi-Partei ist. Generell ist Grasse umtriebig bei der Teilnahme an rechten Versammlungen. So war er ebenfalls Teilnehmer einer AfD-Kundgebung am 29.08.2024 in Berlin-Hohenschönhausen.

Auch „Unbekannt 40“ ist JS in Berlin zuzuordnen. Er nahm an allen drei überregionalen Aufmärschen teil und war jeweils am Fronttransparent eingesetzt – teilweise mit Ordnerbinde. Die Aufgabe an der Spitze der Demonstrationen spricht für eine hervorgehobene Position in der Organisationsstruktur. Während er in Bautzen noch sein Tattoo vom Hertha-Logo mit dem Gründungsjahr 1892 zeigte, vesuchte er es bei folgenden Aufmärschen zu verdecken.

Neben den genannten sind weitere Neonazis im Kontext von DJV und JS in Berlin aufgefallen. In der folgenden Übersicht finden sich vor allem diejenigen, die bei Aufmärschen hervorgehobene Positionen bekleideten und deshalb zum organisatorischen Kern der Gruppierungen gerechnet werden müssen.

Wer mehr Informationen zu ihnen oder weiteren Mitgliedern von DJV sowie JS hat, kann diese gerne an monitorberlin@riseup.net melden.


* In einer ersten Version des Artikels wurde behauptet, dass Mitglieder von DJV am 14. August 2024 vor dem Technoclub „about:blank“ provoziert hätten. Dabei handelte es sich jedoch um eine andere Gruppe Neonazis. Weiterhin wiesen Verantwortliche vom FSV Basdorf darauf hin, dass Milz inzwischen nicht mehr für den Verein aktiv wäre und auf sämtlichen Liegenschaften Hausverbot hätte. Eine letzte Änderung betraf „Vivi“, die laut eigenen Angaben inzwischen nicht mehr in der DJV aktiv sei. Ihre neonazistische Gesinnung scheint dennoch unverändert.

Deutsche Jugend Voran – Vernetzung junger Neonazis in Berlin

Am 27. Juli 2024 sammelte sich eine Gruppe von rund 30 Neonazis am Potsdamer Platz in Berlin. Mit schwarzen Jacken und größtenteils vermummt bewegten sie sich in Richtung der Strecke vom „Christopher Street Day“ bis sie von der Polizei festgesetzt wurden. Organisiert haben sie sich alle unter dem Namen „Deutsche Jugend Voran“ (DJV). Wie der Angriffsversuch zeigt, ist aus den gleichnamigen Kanälen auf Social Media inzwischen ein gefährliches Sammelbecken für gewaltbereite Neonazis geworden. Dennoch ist bisher wenig zu dieser neuen Struktur bekannt, die sich vorwiegend an jugendliche Rechte richtet.

Alles nur Internet-Nazis?

Der Slogan „Deutsche Jugend voran“ ist in der Neonaziszene insgesamt beliebt und weit verbreitet. Er findet sich auf zahlreichen Kleidungsstücken in einschlägigen Neonazi-Versänden oder auf Aufklebern, wie von „aktivde“. Mit ihm wirbt sowohl „Der III. Weg“ als auch die „HEIMAT“ (früher: NPD) um Nachwuchs. Seit einigen Monaten gibt es im Social Media ebenfalls zahlreiche Accounts, die unter dem Namen „Deutsche Jugend voran“ (kurz: DJV) rechte Propaganda verbreiten. Sie weisen alle ein ähnliches Layout auf und verwenden als gemeinsames Symbol in der Regel einen Reichsadler in einem schwarz-weiß-roten Kreis. 

Diese Accounts sind der Versuch zum niedrigschwelligen Aufbau eines bundesweiten rechten Netzwerk. Das Angebot richtet sich vor allem an junge Neonazis, um unkompliziert miteinander in Kontakt zu kommen und sich untereinander zu vernetzen. Inzwischen gibt es auch eine zentrale Homepage von DJV. Als Gründungsdatum wird der 21.05.2024 angegeben. Obwohl das gesamte Projekt somit relativ neu ist, wird das virtuelle Netz an Personen, die sich offen zu DJV bekennen und gegenseitig die Inhalte liken und weiterschicken, in der ganzen Bundesrepublik immer dichter. Auf fast allen Bildern vertreten ist das sogenannte „White Power“-Handzeichen als Bekenntnis zu rassistischen Vorstellungen einer vermeintlichen weißen Vorherrschaft. Neuerdings taucht als Geste ebenfalls eine mit mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger geformte „8“ auf. Sie ist eine Anspielung auf das in der Neonaziszene verbreitete Kürzel „88“ für „Heil Hitler“. Somit verweist bereits die Selbstinszenierung von DJV auf die explizit neonazistische Ideologie des Netzwerks.

DJV in Berlin und Brandenburg – Eine Tarngruppe der JN?

Auch für Berlin und Brandenburg gibt es auf den entsprechenden Social-Media-Plattformen Accounts, die sich als offizielle DJV-Vertretungen inszenieren. Anfangs wurde auch ein eigener Telegram-Kanal von DJV für die Region betrieben. Dieser wurde jedoch inzwischen eingestellt. Im Gegensatz zu vielen DJV-Accounts in der Bundesrepublik verwendet das Netzwerk in Berlin und Brandenburg auch alternative Logos. Dabei handelt es sich um einen Lorbeerkranz und wahlweise den Buchstaben „DJV“ oder dem Schriftzug „Deutsche Jugend Voran“ bzw. einem Bundesadler in der Mitte. Inzwischen gibt es von den Motiven bereits Aufkleber und T-Shirts.

Zuerst schien die neue Plattform in Berlin keinerlei Aktivität außerhalb von Social Media zu entfalten. Die erste Aktion von DJV in Berlin fand aber am 15. Juni 2024 statt. Über die Telegram-Gruppe wurde zu einem ersten offenen Treffen eingeladen. Letztendlich versammelten sich rund 30 Neonazis auf dem Flakturm im Humboldthain und posierten gemeinsam mit Bier und Deutschlandflagge. Fotos von DJV-Accounts legen nahe, dass es seitdem mehrere solcher Zusammenkünfte in der Stadt gegeben hat.

Bisher gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, wer hinter DJV in Berlin steht. Beobachtungen legen jedoch eine enge Anbindung an die „Jungen Nationalisten“ (JN), die Jugendstruktur von der „HEIMAT“ nahe. Fotos zeigen einzelne Neonazi-Angreifer vom 27. Juli beim Plakatieren für die Neonazipartei im Brandenburger Wahlkampf. Zudem wird interessierten Jugendlichen auf Social Media empfohlen, einen Aufnahmeantrag für die JN zu stellen und eine Gebühr von 5€ zu entrichten, um bei DJV mitmachen zu können.

Darüber hinaus gibt es wachsende Beziehungen zum Zusammenschluss “Elblandrevolte“ (ELR) aus Dresden. ELR ist eine Ortsgruppe der JN und erlangte öffentliche Aufmerksamkeit als Mitglieder im Europawahlkampf mehrere Plakatierteams demokratischer Parteien angriffen und dabei u.a. den SPD-Politiker Matthias Ecke schwer verletzten. [1] Einerseits finden sich zahlreiche Verweise zur ELR auf den Accounts der DJV-SympathisantInnen aus Berlin und Brandenburg. Andererseits waren mehrere Dresdner Neonazis aus dem Umkreis der ELR, wie u.a. „Paul“ (Nummer 21), beim Angriffsversuch auf den CSD in Berlin beteiligt. Zuletzt fuhr eine Dreiergruppe von DJV aus Berlin am 31. Juli nach Dresden, um sich dort mit dem Neonazi „Lucas Seifert“ zu treffen. Unter dem Namen „Chino“ tritt er auf Social Media als Aushängeschild der ELR auf. In diesem Zusammenhang erscheint es kaum als Zufall, dass der JN-Aktivist Finley Prügner zusammen mit einem weiteren Mitglied von ELR am 27. April in Berlin war, um in der Parteizentrale von der „HEIMAT“ ein Neonazi-Konzert zu besuchen. [2] Unter Umständen wurden bei diesem Treffen die Grundlagen für die DJV in Berlin und Brandenburg gelegt.

DJV Berlin-Brandenburg am 31.07.2024 in Dresden, rechts: Neonazi „Lucas Seifert“ alias „Chino“

Ein anderer Vernetzungsansatz eines kriselnden Jugendverbandes

Auch der Angriffsversuch vom 27. Juli orientiert sich an der ELR, die am 1. Juni 2024 mit mehreren Dutzend Neonazis den CSD in Dresden störte. Für den 10. August 2024 ruft Finley Prügner bereits zur Störung des CSD in Bautzen auf. Auch Berliner Neonazis aus dem Umfeld von DJV verbreiten die entsprechenden Share Pics auf ihren Accounts. Es spricht somit vieles dafür, dass es sich bei DJV um einen Versuch der JN handelt, wieder neue Mitglieder für den seit Jahren kriselnden Jugendverband zu gewinnen. Ob die erlebnisorientierten AnhängerInnen der DJV aber tatsächlich einer Parteijugend beitreten wollen, ist fraglich. Auch die bisherigen Aktivitäten unterscheiden sich deutlich von anderen Neonazi-Jugendorgansiationen, wie der beispielsweise der „Nationalrevolutionären Jugend“ (NRJ) vom „III. Weg“. So glichen die Treffen von DJV eher Saufgelagen, bei denen später noch Gruppenfotos mit Fahnen und Pyrotechnik gemacht wurden. Eine dauerhafte Organisierung der Beteiligten und eine Einbindung in politische Arbeit scheint vorerst nicht angestrebt zu werden. Zudem gibt es keine regelmäßigen Treffen, keine theoretischen Ansätze und kein erkennbares politisches Programm. Dabei sein können zunächst alle, die sich angesprochen fühlen. Auch das Fehlen einer klar erkennbaren politischen Führung ist in der extremen Rechten eher ungewöhnlich. Zusammengehalten wird DJV von einem diffusen Bekenntnis zu Deutschland, dem geteilten Rassismus und gemeinsamen Feindbildern, wie „der Antifa“ oder queeren Lebensweisen. Insgesamt handelt sich bei DJV vorrangig um eine virtuelle Plattform als Möglichkeit zur informellen und lockeren Vernetzung aktionsorientierter Jugendlicher. Auf dieser Basis können die Beteiligten anlassbezogen zusammenkommen. Doch der 27. Juli hat gezeigt, dass von einer solchen Vernetzung eine deutliche Gefahr ausgehen kann, da sie leicht zur Verabredung für gemeinsame Angriffe oder Einschüchterungsversuche genutzt werden kann.

Wer waren die AngreiferInnen vom 27. Juli 2024?

Mit der voll und ganz auf Social Media fokussierten Strategie richtet sich DJV gezielt an jugendliche Neonazis. Der Plan zur Mobilisierung scheint vorerst aufzugehen. Laut Polizeiangaben war mehr als die Hälfte der AngreiferInnen in der Umgebung des Berliner CSD unter 18 Jahre alt. Zwei waren sogar noch unter vierzehn und damit strafunmündig. Dementsprechend sind die meisten von ihnen bisher auch noch nicht in politischen Kontexten aufgefallen. Eine Ausnahme ist „Flo“ aus Berlin-Mahlsdorf (Nummer 10) sowie ein weiterer Neonazi (Nummer 5), die bereits am 6. Juli 2024 am Rand einer antifaschistischen Demonstration in Hellersdorf zusammen mit weiteren Personen die Teilnehmenden anpöbelten. [3]

Mittig: Nummer 5 und 2.v.r. „Flo“ (Nummer 10) beim Anpöbeln einer antifaschistischen Demonstration am 06. Juli 2024 in Berlin-Hellersdorf; Foto: Presseservice Rathenow

Doch wer sind die anderen unbekannten Neonazis? Zwei von ihnen sind Christopher Wetzels (Nummer 4) und Andrew-Justin Lischke (Nummer 16). Beide leben in Ost-Berlin und spielen Vereinsfußball. Christopher Wetzels (vollständiger Name: Nick Thomas Christopher Wetzels) spielte bis 2023 noch für die U16-Mannschaft beim FC Strausberg. Inzwischen ist er laut eigenen Angaben Jugend-Torwart beim FC Nordost Berlin in Marzahn, nicht unweit von seinem Wohnhaus. Am 19.06.2024 konnte Wetzels beim Verteilen von Flugblättern für den „III. Weg“ beobachtet werden. Lautstark prahlte er damit zur Partei zu gehören. Allerdings scheint er – wenn überhaupt – im erweiterten Unterstützungsumfeld des „III. Wegs“ aktiv zu sein und fand stattdessen über die Neonazis von „Jung & Stark“ (JS) zur DJV.

Während Christopher Wetzels Fan vom 1.FC Union ist, geht Andrew-Justin Lischke regelmäßig zum BFC. Dabei scheint er eine gewisse Nähe zur rechtsoffenen Jugendgruppe „Piefkes“ der sogenannten „Fraktion H“ zu haben. Er selbst ist hingegen Spieler in der Jugend beim BSV Oranke aus Hohenschönhausen, wo Lischke auch lebt. Insgesamt scheinen mehrere Spieler aus der Jugendmannschaft BSV Oranke am Potsdamer Platz dabei gewesen zu sein.

Sowohl Christopher Wetzels als auch Andrew-Justin Lischke stehen exemplarisch für eine bestimmte Jugendkultur, die sich in unter dem Dach von DJV trifft und vernetzt. Es sind größtenteils Freundeskreise von jungen Männer, die sich aus dem Umfeld unterschiedlicher Fußballfanszenen aus Berlin rekrutieren. Teilweise spielen sie selbst Fußball. Aber in der Regel besuchen sie vor allem gemeinsam Spiele, verkleben Sticker ihrer Vereine oder sprühen Graffiti. Teilweise inszenieren sich diese Zusammenschlüsse auch als eigenständige Gruppen, wie acht Jugendliche aus Biesdorf, die im Social Media als „Die richtige Generation“ (DRG) auftreten (unter anderem Nummer 30). Doch insgesamt scheinen die wenigsten bei DJV Erfahrung mit politischen Aktionen außerhalb von Social Media zu haben.

Was ist von DJV in Zukunft zu erwarten?

Momentan ist DJV vor allem ein Sammelbecken, um ein über Berlin verstreutes Potential an Personen und menschenverachtenden Einstellungen auch außerhalb von Social Media politisch nutzbar zu machen. Aus der Vernetzung heraus können die einzelnen Gruppen gemeinsame Aktionen planen und durchführen, für die sie sonst nicht genügend Kapazitäten hätten. Dabei agierten zumindest bei dem Angriffsversuch am Potsdamer Platz auch ansonsten verfeindete Fanszenen miteinander. Obwohl sich ein Großteil der Neonazis offensiv zu Hertha BSC oder dem BFC Dynamo bekennt, waren auch AnhängerInnen vom 1. FC Union unter den AngreiferInnen. Diese auffällige Häufung von Fußballbezügen zeigt, inwieweit es in Fußballfanszenen weiterhin zahlreiche rechtsoffene Lebenswelten gibt, in denen Jugendliche politisch sozialisiert werden. An toxische Männlichkeitskulte, Formen des Überlegenheitsdenken und eine gewisse Gang-Mentalität mit deutlicher Gewaltaffinität kann das Angebot von DJV politisch anschließen. Dementsprechend scheint sich die politische Logik der Gruppe auch eher an Mustern wie sogenannten Ackerkämpfen im Hooligan-Milieu zu orientieren. Auch dort kommen unterschiedliche Fanszene zusammen, um sich mit einem ausgemachten „Gegner“ zu prügeln. Bei DJV verabreden sich rechte Jugend-Gangs, um gemeinsam politische Gegner*innen zu überfallen und danach wieder auseinanderzugehen. Außerhalb von Straßengewalt zur Einschüchterung von Andersdenkenden scheint es bislang kein politisches Ziel zu geben. Das macht diesen Zusammenschluss sehr gefährlich.

Es ist abzuwarten, ob sich aus dieser losen Vernetzung, die vor allem von Fußball, Alkohol und Gewalt zusammengehalten wird, eine dauerhafte Gruppe entwickeln kann. In der Vergangenheit sind Zusammenschlüsse von rechten Fußball-Fans oft an Vereinsdifferenzen zerbrochen. Auch der unmittelbare Einfluss der JN auf DJV scheint gegenwärtig eher zu schwach, um dauerhaft ordnend eingreifen zu können. Der Zusammenschluss scheint eher als letzte Möglichkeit, um die Parteijugend der „HEIMAT“ mit allen Mitteln zu konsolidieren. Demgegenüber scheinen andere organisierte Neonazi-Strukturen, wie die NRJ, kein Interesse an einer Anwerbung oder Zusammenarbeit zeigen. Dementsprechend fungiert DJV gegenwärtig eher als Sammelbecken für rechte Jugendliche und Neonazis, die beispielsweise aufgrund ihres Konsumverhaltens keinen Platz in organisierten Parteijugenden finden können bzw. dies auch nicht wollen. Allerdings versammelt DJV eine große Menge an gewaltbereiten Jugendlichen aus Berlin und Brandenburg. Somit besteht durchaus die Möglichkeit, dass organisierte Neonazis die Gruppe als Pool für politische Gewalt entdecken und versuchen, einige Personen dauerhaft zu organisieren. Aus solchen Vernetzungseffekten kann sich eine bleibende Gefahr entwickeln. 

Wer mehr Informationen zu den AngreiferInnen vom 27. Juli 2024 hat, kann diese gerne an monitorberlin@riseup.net melden.