Am 21. September 2024 kam es im brandenburgischen Oranienburg nördlich von Berlin erneut zu einem Neonazi-Aufmarsch gegen eine CSD-Veranstaltung. Organisiert wurde der Protest maßgeblich von der Gruppe „Deutsche Jugend Voran“ (DJV) aus Berlin. Dem Aufruf folgten rund 52 Neonazis. Wir haben aus öffentlichen Fotos eine Übersicht der Teilnehmenden erstellt, da viele aus Berlin und Brandenburg kamen. Zudem wollen wir den neuerlichen Aufmarsch nutzen, um die Aktivitäten von DJV in Berlin insgesamt etwas detaillierter zu bewerten.
Seit der ersten Aktion von DJV in Berlin am 27. Juli 2024 sind fast zwei Monate vergangen. Damals versuchten rund drei Dutzend Neonazis den CSD in Berlin zu stören und wurden dabei von der Polizei eingekesselt. Danach waren Personen aus dem DJV-Spektrum wöchentlich auf Neonazi-Protesten gegen CSD-Demonstrationen in unterschiedlichen Städten in Sachsen und Sachsen-Anhalt anwesend. Außer beim Aufmarsch von „Der III. Weg“ in Zwickau am 31. August 2024 übernahmen DJV-Mitglieder auch stets strukturelle Aufgaben, wie den Ordnungsdienst. Die Neonazi-Proteste am 24. August 2024 in Magdeburg organisierte die Gruppe sogar maßgeblich. Der Aufmarsch in Oranienburg ist somit die dritte eigene öffentliche Aktion der Gruppe und die erste in Berlin und Brandenburg nach dem Störversuch am Potsdamer Platz. Es ist somit davon auszugehen, dass viele Personen, die sich DJV in Berlin und Brandenburg zugehörig fühlen, teilgenommen haben. Eine Übersicht der Teilnehmenden soll eine Identifizierung der zumeist jungen Neonazis aus diesem noch neuen Spektrum erleichtern. Zum anderen erlaubt ein Blick auf den Aufmarsch in Oranienburg eine erneuerte Einschätzung zum Mobilisierungs- und Mitgliederpotenzial von DJV in den beiden Bundesländern.
In Oranienburg fanden sich letztendlich rund 52 Neonazis ein. Das sind zwar mehr als noch im Juli am Potsdamer Platz. Dennoch nahmen auch einzelne Neonazis aus anderen Bundesländern, wie Thüringen, am Aufmarsch teil. Sie können nicht zum engeren Kreis von DJV in Berlin und Brandenburg gezählt werden. In den vergangenen zwei Monaten hat sich das Mobilisierungspotential von DJV trotz wöchentlicher Teilnahme an bundesweiten Aufmärschen, einer aktiven Rekrutierungsarbeit auf Social Media sowie zahlreichen Vernetzungsversuchen somit kaum signifikant erhöht. Bei vergleichbaren Neonazi-Protesten gegen CSD-Veranstaltungen in Sachsen waren teilweise spektrenübergreifende Mobilisierungen mit mehreren hundert Teilnehmenden zu beobachten. Demgegenüber blieb DJV Berlin-Brandenburg in Oranienburg weitestgehend unter sich. Auch die meisten der Neonazis, die am Potsdamer Platz von der Polizei festgehalten wurden, waren bei späteren Aufmärschen kaum noch zu sehen. Dementsprechend scheint DJV auf lokaler Ebene wenig Zulauf zu finden und kann nur einen vergleichsweise kleinen und stetig wechselnden Kreis von Neonazis mobilisieren. Darüber hinaus waren auch viele Personen, die in der Vergangenheit als Mitglieder von DJV auftraten, in Oranienburg nicht anwesend. Das verweist auf Probleme in der Gruppe.
Die größten personellen Konstanten in den letzten Monaten sind Julian Milz, Nick Thomas Christopher Wetzels und „Sven“. Zum engeren Kern scheinen darüber hinaus nur noch weitere fünf bis sieben Personen zu gehören. Sie treffen sich auch außerhalb von Protesten zu gemeinsamen Kneipenabenden. Zudem werden ihnen Übergriffe auf Antifaschist*innen in Berlin–Marzahn zugeordnet. Dennoch sind auch in diesem kleinen Führungszirkel gewisse Austauschprozesse zu beobachten. So distanziert sich „Vivi“, die anfangs bei allen Aktivitäten von DJV anwesend war und nach wie vor der neonazistischen Szene angehört, inzwischen öffentlich von der Gruppe. Stattdessen war in Magdeburg und Zwickau eine „Michelle“ tonangebend, die jedoch in Oranienburg nicht auftauchte.
In diesem Sinne scheint DJV weniger wie eine politische Gruppe und eher wie ein neonazistischer FreundInnenkreis zu funktionieren: Streit inklusive. Der Zusammenhalt scheint vor allem über persönliche Kontakte sowie einen ausgiebigen Alkohol- und Drogenkonsum gestiftet zu werden. Zudem ist zu beobachten, dass sich insbesondere Julian Milz und Christopher Wetzels als Führungspersonen darstellen. So inszeniert sich Milz stets am Kopf von Aufmärschen mit einem Megaphon als Leitfigur. Wetzels gibt sich hingegen im Interview mit dem „Spiegel“ als Kern von DJV aus. Dementsprechend scheint es beiden kaum um eine dauerhafte Organisierungsarbeit zu gehen und mehr darum sich selbst zu profilieren. Insbesondere Wetzels hat über seine Aktivitäten bei DJV wieder stärkeren Anschluss an die Berliner NRJ, die „Nationalrevolutionäre Jugend“ vom „III. Weg“, gefunden. Im „Spiegel“-Bericht prahlt er mit seinen Kontakten zur Partei. So zeigt er auf seinen persönlichen Social-Media-Seiten Bilder von einem Training mit NRJ-Mitgliedern sowie von seiner Beteiligung bei einer Flyer-Tour für den „III. Weg“ in Hohenschönhausen in der vergangenen Woche. Bislang scheint „Der III. Weg“ als neonazistische Kaderpartei die Selbstdarstellung von Wetzels zumindest zu tolerieren.
Zu einer engeren Zusammenarbeit beider Neonazigruppierungen trug dies hingegen nicht bei. Zwar nahmen Personen von DJV Berlin beim Aufmarsch von „Der III. Weg“ am 31. August 2024 in Zwickau teil. Dort übernahmen sie jedoch keine Aufgaben. Zudem wurde eine Person aus dem DJV-Spektrum aufgrund ihrer Hautfarbe an das Ende des Aufmarsches verbannt. Eine Woche später in Freiberg beschwerten sich viele Neonazis außerdem über das geregelte Auftreten beim „III. Weg“ und das Alkoholverbot beim Aufmarsch.
Auch die Vernetzung von DJV mit anderen Neonazi-Gruppe scheint kaum Früchte zu tragen. Anfangs waren gewisse Annäherungen an „Elblandrevolte“ (ELR) aus Dresden, einer Ortsgruppe der „Jungen Nationalisten“ (JN), zu erkennen. Inzwischen scheinen die Kontakte in die Sächsische Landeshauptstand unverbindlicher zu werden. Beim Aufmarsch der JN gegen den CSD in Halle am 14. September 2024 waren keine Personen von DJV Berlin anwesend. Auch eine erhöhte Anbindung von DJV an den Berliner Landeverband der Partei „Die Heimat“ ist nicht zu erkennen. Die engste Zusammenarbeit gab es zwischenzeitlich mit der Berliner Gruppierung von „Jung und Stark“ (JS). Inzwischen distanzieren sich jedoch JS-Mitglieder wie „Unbekannt 40“ von DJV und deren Aktionen. Statt nach Oranienburg fuhr er mit „Tom“ zu den Protesten gegen den CSD ins sächsische Döbeln. Dort trug er ein Shirt der JN. In der Woche zuvor war beide Ordner bei den Neonazi-Protesten gegen den CSD in Wismar. Auch bekannte JS-Mitglieder wie Carsten Grasse waren länger nicht im Kontext von DJV wahrzunehmen. Die ausbleibende politische Vernetzung kann das Ergebnis der fehlenden Organisationsstruktur bei DJV sein. Zudem dürften sich die Egos der selbsternannten Führungsfiguren nur schlecht mit anderen Ansprüchen vertragen.
Insgesamt bleibt abzuwarten, wie sich DJV in Berlin mit dem Abflachen der Neonazi-Mobilisierungen gegen die CSD-Demonstrationen entwickeln wird. Momentan sieht es so aus, als ob die Gruppe zwar konstant viele junge Personen ansprechen kann, aber nicht in der Lage ist, diese dauerhaft zu mobilisieren bzw. an sich zu binden. Auch eine politische Vernetzungsarbeit mit anderen Gruppen ist nicht zu erkennen. Zudem verändert sich der engere Kreis von DJV weiterhin merklich. Nur wenige Personen bleiben konstant dabei. Um sie herum bildet sich jedoch eine durchaus gefährliche Kerngruppe, die sich dem Führungsanspruch der Leitfiguren unterordnet. Diese Kleinstgruppe ist inzwischen in der Lage, eigene Mobilisierungen anzustoßen, auch wenn diese nur eine geringe Resonanz innerhalb der Neonaziszene von Berlin und Brandenburg zu entfalten. Allerdings geht von dieser Kleingruppe selbst eine erhöhte Gefahr aus, da sie auch vor Angriffen (bisher vor allem auf politische Gegner*innen) nicht zurückschreckt.
Informationen zu Neonazigruppen und -aktivitäten können jederzeit an monitorberlin@riseup.net gesendet werden.
Am 27. Juli 2024 sammelte sich eine Gruppe von rund 30 Neonazis am Potsdamer Platz in Berlin. Mit schwarzen Jacken und größtenteils vermummt bewegten sie sich in Richtung der Strecke vom „Christopher Street Day“ bis sie von der Polizei festgesetzt wurden. Organisiert haben sie sich alle unter dem Namen „Deutsche Jugend Voran“ (DJV). Wie der Angriffsversuch zeigt, ist aus den gleichnamigen Kanälen auf Social Media inzwischen ein gefährliches Sammelbecken für gewaltbereite Neonazis geworden. Dennoch ist bisher wenig zu dieser neuen Struktur bekannt, die sich vorwiegend an jugendliche Rechte richtet.
Alles nur Internet-Nazis?
Der Slogan „Deutsche Jugend voran“ ist in der Neonaziszene insgesamt beliebt und weit verbreitet. Er findet sich auf zahlreichen Kleidungsstücken in einschlägigen Neonazi-Versänden oder auf Aufklebern, wie von „aktivde“. Mit ihm wirbt sowohl „Der III. Weg“ als auch die „HEIMAT“ (früher: NPD) um Nachwuchs. Seit einigen Monaten gibt es im Social Media ebenfalls zahlreiche Accounts, die unter dem Namen „Deutsche Jugend voran“ (kurz: DJV) rechte Propaganda verbreiten. Sie weisen alle ein ähnliches Layout auf und verwenden als gemeinsames Symbol in der Regel einen Reichsadler in einem schwarz-weiß-roten Kreis.
Diese Accounts sind der Versuch zum niedrigschwelligen Aufbau eines bundesweiten rechten Netzwerk. Das Angebot richtet sich vor allem an junge Neonazis, um unkompliziert miteinander in Kontakt zu kommen und sich untereinander zu vernetzen. Inzwischen gibt es auch eine zentrale Homepage von DJV. Als Gründungsdatum wird der 21.05.2024 angegeben. Obwohl das gesamte Projekt somit relativ neu ist, wird das virtuelle Netz an Personen, die sich offen zu DJV bekennen und gegenseitig die Inhalte liken und weiterschicken, in der ganzen Bundesrepublik immer dichter. Auf fast allen Bildern vertreten ist das sogenannte „White Power“-Handzeichen als Bekenntnis zu rassistischen Vorstellungen einer vermeintlichen weißen Vorherrschaft. Neuerdings taucht als Geste ebenfalls eine mit mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger geformte „8“ auf. Sie ist eine Anspielung auf das in der Neonaziszene verbreitete Kürzel „88“ für „Heil Hitler“. Somit verweist bereits die Selbstinszenierung von DJV auf die explizit neonazistische Ideologie des Netzwerks.
DJV in Berlin und Brandenburg – Eine Tarngruppe der JN?
Auch für Berlin und Brandenburg gibt es auf den entsprechenden Social-Media-Plattformen Accounts, die sich als offizielle DJV-Vertretungen inszenieren. Anfangs wurde auch ein eigener Telegram-Kanal von DJV für die Region betrieben. Dieser wurde jedoch inzwischen eingestellt. Im Gegensatz zu vielen DJV-Accounts in der Bundesrepublik verwendet das Netzwerk in Berlin und Brandenburg auch alternative Logos. Dabei handelt es sich um einen Lorbeerkranz und wahlweise den Buchstaben „DJV“ oder dem Schriftzug „Deutsche Jugend Voran“ bzw. einem Bundesadler in der Mitte. Inzwischen gibt es von den Motiven bereits Aufkleber und T-Shirts.
Zuerst schien die neue Plattform in Berlin keinerlei Aktivität außerhalb von Social Media zu entfalten. Die erste Aktion von DJV in Berlin fand aber am 15. Juni 2024 statt. Über die Telegram-Gruppe wurde zu einem ersten offenen Treffen eingeladen. Letztendlich versammelten sich rund 30 Neonazis auf dem Flakturm im Humboldthain und posierten gemeinsam mit Bier und Deutschlandflagge. Fotos von DJV-Accounts legen nahe, dass es seitdem mehrere solcher Zusammenkünfte in der Stadt gegeben hat.
Bisher gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, wer hinter DJV in Berlin steht. Beobachtungen legen jedoch eine enge Anbindung an die „Jungen Nationalisten“ (JN), die Jugendstruktur von der „HEIMAT“ nahe. Fotos zeigen einzelne Neonazi-Angreifer vom 27. Juli beim Plakatieren für die Neonazipartei im Brandenburger Wahlkampf. Zudem wird interessierten Jugendlichen auf Social Media empfohlen, einen Aufnahmeantrag für die JN zu stellen und eine Gebühr von 5€ zu entrichten, um bei DJV mitmachen zu können.
Darüber hinaus gibt es wachsende Beziehungen zum Zusammenschluss “Elblandrevolte“ (ELR) aus Dresden. ELR ist eine Ortsgruppe der JN und erlangte öffentliche Aufmerksamkeit als Mitglieder im Europawahlkampf mehrere Plakatierteams demokratischer Parteien angriffen und dabei u.a. den SPD-Politiker Matthias Ecke schwer verletzten. [1] Einerseits finden sich zahlreiche Verweise zur ELR auf den Accounts der DJV-SympathisantInnen aus Berlin und Brandenburg. Andererseits waren mehrere Dresdner Neonazis aus dem Umkreis der ELR, wie u.a. „Paul“ (Nummer 21), beim Angriffsversuch auf den CSD in Berlin beteiligt. Zuletzt fuhr eine Dreiergruppe von DJV aus Berlin am 31. Juli nach Dresden, um sich dort mit dem Neonazi „Lucas Seifert“ zu treffen. Unter dem Namen „Chino“ tritt er auf Social Media als Aushängeschild der ELR auf. In diesem Zusammenhang erscheint es kaum als Zufall, dass der JN-Aktivist Finley Prügner zusammen mit einem weiteren Mitglied von ELR am 27. April in Berlin war, um in der Parteizentrale von der „HEIMAT“ ein Neonazi-Konzert zu besuchen. [2] Unter Umständen wurden bei diesem Treffen die Grundlagen für die DJV in Berlin und Brandenburg gelegt.
Ein anderer Vernetzungsansatz eines kriselnden Jugendverbandes
Auch der Angriffsversuch vom 27. Juli orientiert sich an der ELR, die am 1. Juni 2024 mit mehreren Dutzend Neonazis den CSD in Dresden störte. Für den 10. August 2024 ruft Finley Prügner bereits zur Störung des CSD in Bautzen auf. Auch Berliner Neonazis aus dem Umfeld von DJV verbreiten die entsprechenden Share Pics auf ihren Accounts. Es spricht somit vieles dafür, dass es sich bei DJV um einen Versuch der JN handelt, wieder neue Mitglieder für den seit Jahren kriselnden Jugendverband zu gewinnen. Ob die erlebnisorientierten AnhängerInnen der DJV aber tatsächlich einer Parteijugend beitreten wollen, ist fraglich. Auch die bisherigen Aktivitäten unterscheiden sich deutlich von anderen Neonazi-Jugendorgansiationen, wie der beispielsweise der „Nationalrevolutionären Jugend“ (NRJ) vom „III. Weg“. So glichen die Treffen von DJV eher Saufgelagen, bei denen später noch Gruppenfotos mit Fahnen und Pyrotechnik gemacht wurden. Eine dauerhafte Organisierung der Beteiligten und eine Einbindung in politische Arbeit scheint vorerst nicht angestrebt zu werden. Zudem gibt es keine regelmäßigen Treffen, keine theoretischen Ansätze und kein erkennbares politisches Programm. Dabei sein können zunächst alle, die sich angesprochen fühlen. Auch das Fehlen einer klar erkennbaren politischen Führung ist in der extremen Rechten eher ungewöhnlich. Zusammengehalten wird DJV von einem diffusen Bekenntnis zu Deutschland, dem geteilten Rassismus und gemeinsamen Feindbildern, wie „der Antifa“ oder queeren Lebensweisen. Insgesamt handelt sich bei DJV vorrangig um eine virtuelle Plattform als Möglichkeit zur informellen und lockeren Vernetzung aktionsorientierter Jugendlicher. Auf dieser Basis können die Beteiligten anlassbezogen zusammenkommen. Doch der 27. Juli hat gezeigt, dass von einer solchen Vernetzung eine deutliche Gefahr ausgehen kann, da sie leicht zur Verabredung für gemeinsame Angriffe oder Einschüchterungsversuche genutzt werden kann.
Wer waren die AngreiferInnen vom 27. Juli 2024?
Mit der voll und ganz auf Social Media fokussierten Strategie richtet sich DJV gezielt an jugendliche Neonazis. Der Plan zur Mobilisierung scheint vorerst aufzugehen. Laut Polizeiangaben war mehr als die Hälfte der AngreiferInnen in der Umgebung des Berliner CSD unter 18 Jahre alt. Zwei waren sogar noch unter vierzehn und damit strafunmündig. Dementsprechend sind die meisten von ihnen bisher auch noch nicht in politischen Kontexten aufgefallen. Eine Ausnahme ist „Flo“ aus Berlin-Mahlsdorf (Nummer 10) sowie ein weiterer Neonazi (Nummer 5), die bereits am 6. Juli 2024 am Rand einer antifaschistischen Demonstration in Hellersdorf zusammen mit weiteren Personen die Teilnehmenden anpöbelten. [3]
Doch wer sind die anderen unbekannten Neonazis? Zwei von ihnen sind Christopher Wetzels (Nummer 4) und Andrew-Justin Lischke (Nummer 16). Beide leben in Ost-Berlin und spielen Vereinsfußball. Christopher Wetzels (vollständiger Name: Nick Thomas Christopher Wetzels) spielte bis 2023 noch für die U16-Mannschaft beim FC Strausberg. Inzwischen ist er laut eigenen Angaben Jugend-Torwart beim FC Nordost Berlin in Marzahn, nicht unweit von seinem Wohnhaus. Am 19.06.2024 konnte Wetzels beim Verteilen von Flugblättern für den „III. Weg“ beobachtet werden. Lautstark prahlte er damit zur Partei zu gehören. Allerdings scheint er – wenn überhaupt – im erweiterten Unterstützungsumfeld des „III. Wegs“ aktiv zu sein und fand stattdessen über die Neonazis von „Jung & Stark“ (JS) zur DJV.
Während Christopher Wetzels Fan vom 1.FC Union ist, geht Andrew-Justin Lischke regelmäßig zum BFC. Dabei scheint er eine gewisse Nähe zur rechtsoffenen Jugendgruppe „Piefkes“ der sogenannten „Fraktion H“ zu haben. Er selbst ist hingegen Spieler in der Jugend beim BSV Oranke aus Hohenschönhausen, wo Lischke auch lebt. Insgesamt scheinen mehrere Spieler aus der Jugendmannschaft BSV Oranke am Potsdamer Platz dabei gewesen zu sein.
Sowohl Christopher Wetzels als auch Andrew-Justin Lischke stehen exemplarisch für eine bestimmte Jugendkultur, die sich in unter dem Dach von DJV trifft und vernetzt. Es sind größtenteils Freundeskreise von jungen Männer, die sich aus dem Umfeld unterschiedlicher Fußballfanszenen aus Berlin rekrutieren. Teilweise spielen sie selbst Fußball. Aber in der Regel besuchen sie vor allem gemeinsam Spiele, verkleben Sticker ihrer Vereine oder sprühen Graffiti. Teilweise inszenieren sich diese Zusammenschlüsse auch als eigenständige Gruppen, wie acht Jugendliche aus Biesdorf, die im Social Media als „Die richtige Generation“ (DRG) auftreten (unter anderem Nummer 30). Doch insgesamt scheinen die wenigsten bei DJV Erfahrung mit politischen Aktionen außerhalb von Social Media zu haben.
Was ist von DJV in Zukunft zu erwarten?
Momentan ist DJV vor allem ein Sammelbecken, um ein über Berlin verstreutes Potential an Personen und menschenverachtenden Einstellungen auch außerhalb von Social Media politisch nutzbar zu machen. Aus der Vernetzung heraus können die einzelnen Gruppen gemeinsame Aktionen planen und durchführen, für die sie sonst nicht genügend Kapazitäten hätten. Dabei agierten zumindest bei dem Angriffsversuch am Potsdamer Platz auch ansonsten verfeindete Fanszenen miteinander. Obwohl sich ein Großteil der Neonazis offensiv zu Hertha BSC oder dem BFC Dynamo bekennt, waren auch AnhängerInnen vom 1. FC Union unter den AngreiferInnen. Diese auffällige Häufung von Fußballbezügen zeigt, inwieweit es in Fußballfanszenen weiterhin zahlreiche rechtsoffene Lebenswelten gibt, in denen Jugendliche politisch sozialisiert werden. An toxische Männlichkeitskulte, Formen des Überlegenheitsdenken und eine gewisse Gang-Mentalität mit deutlicher Gewaltaffinität kann das Angebot von DJV politisch anschließen. Dementsprechend scheint sich die politische Logik der Gruppe auch eher an Mustern wie sogenannten Ackerkämpfen im Hooligan-Milieu zu orientieren. Auch dort kommen unterschiedliche Fanszene zusammen, um sich mit einem ausgemachten „Gegner“ zu prügeln. Bei DJV verabreden sich rechte Jugend-Gangs, um gemeinsam politische Gegner*innen zu überfallen und danach wieder auseinanderzugehen. Außerhalb von Straßengewalt zur Einschüchterung von Andersdenkenden scheint es bislang kein politisches Ziel zu geben. Das macht diesen Zusammenschluss sehr gefährlich.
Es ist abzuwarten, ob sich aus dieser losen Vernetzung, die vor allem von Fußball, Alkohol und Gewalt zusammengehalten wird, eine dauerhafte Gruppe entwickeln kann. In der Vergangenheit sind Zusammenschlüsse von rechten Fußball-Fans oft an Vereinsdifferenzen zerbrochen. Auch der unmittelbare Einfluss der JN auf DJV scheint gegenwärtig eher zu schwach, um dauerhaft ordnend eingreifen zu können. Der Zusammenschluss scheint eher als letzte Möglichkeit, um die Parteijugend der „HEIMAT“ mit allen Mitteln zu konsolidieren. Demgegenüber scheinen andere organisierte Neonazi-Strukturen, wie die NRJ, kein Interesse an einer Anwerbung oder Zusammenarbeit zeigen. Dementsprechend fungiert DJV gegenwärtig eher als Sammelbecken für rechte Jugendliche und Neonazis, die beispielsweise aufgrund ihres Konsumverhaltens keinen Platz in organisierten Parteijugenden finden können bzw. dies auch nicht wollen. Allerdings versammelt DJV eine große Menge an gewaltbereiten Jugendlichen aus Berlin und Brandenburg. Somit besteht durchaus die Möglichkeit, dass organisierte Neonazis die Gruppe als Pool für politische Gewalt entdecken und versuchen, einige Personen dauerhaft zu organisieren. Aus solchen Vernetzungseffekten kann sich eine bleibende Gefahr entwickeln.
Wer mehr Informationen zu den AngreiferInnen vom 27. Juli 2024 hat, kann diese gerne an monitorberlin@riseup.net melden.
In den vergangenen Wochen hat sich gezeigt, dass der „III. Weg“ in Berlin an zahlreichen Orten öffentliche Kampfsporttrainings anbietet. Mal handelt es sich um klandestin organisierte Treffen mit mehreren dutzend Neonazis aus verschiedenen Bundesländern, wie in der Lichtenberger Parkaue.[1] Ein anderes Mal um regelmäßige Sportangebote für eine vergleichsweise feste Trainingsgruppe, wie im Sportkomplex Rennbahnstraße in Weißensee.[2] Doch auch über Kampfsport hinaus spielt sportliche Betätigung in der neonazistischen Ideologie der Partei eine wichtige Rolle.[3] Zuletzt haben wir darüber berichtet, wie Mitglieder vom „III. Weg“ an öffentlichen Sportangeboten, wie Laufveranstaltungen, teilnehmen, um ihre Fitness zu testen. Im nächsten Teil unserer Artikel-Serie geht es um die Duldung von gewaltbereiten Neonazis in Vereinen des Breitensports. Momentan spielen mindestens zwei Mitglieder der Jugendorganisation vom „III. Weg“ (der „Nationalrevolutionären Jugend“, kurz: NRJ) in Brandenburger Vereinen regelmäßig Liga-Fußball. Hierbei handelt es sich um die Neonazis Luca Böttcher und Enrico Rehling.
* Update: Nach der Veröffentlichung der Recherchen vom „Antifaschistischen Monitor Berlin“ trennten sich sowohl der SVM Gosen als auch der SV Hertha 1923 Neutrebbin von ihren Spielern Enrico Rehling bzw. Luca Böttcher.
Der Neonazi Luca Böttcher bei Hertha Neutrebbin
Seit Jahren ist der 21-jährige Luca Böttcher (geb. am 26. Juni 2003) aus Neutrebbin (Landkreis Märkisch-Oderland) ein fester Bestandteil der gewaltbereiten Neonazigruppe NRJ. Zum ersten Mal trat Böttcher am 9. Dezember 2022 als Teilnehmer an einer Demonstration vom „III. Weg“ in Wittstock öffentlich in Erscheinung.[4] Inzwischen ist er in Berlin und Brandenburg regelmäßig bei den Aktivitäten der Jugendgruppe anzutreffen. Zuletzt nahm er am Kampfsporttraining in Berlin-Lichtenberg teil und unterstützte den Wahlkampf der Partei in Brandenburg.[5] Neben diesen offenen Parteiaktivitäten ist Luca Böttcher in der Vergangenheit mehrfach als Beteiligter bei Angriffen auf politische Gegner*innen wiedererkannt worden. Am 27. Juli 2023 war er Teil der Neonazi-Gruppe, die versuchte Teilnehmende des Berliner „Christopher Street Day“ anzugreifen.[6]
Knapp drei Monate später, am 14. Oktober 2023, bedrohte Böttcher mit rund einem Dutzend weiterer Neonazis eine antifaschistische Demonstration in Pankow.[7] Laut Augenzeug*innen war er ebenfalls dabei als eine Gruppe der NRJ am 21. Januar 2024 Menschen in der U-Bahn in Hellersdorf bedrohte.[8] Später am gleichen Tag griffen Teile der Gruppe, die bereits in Hellersdorf auffällig wurde, eine Person in Prenzlauer Berg wegen ihrer antifaschistischen Aufnäher am Rucksack an. Aufgrund dieses Angriffs sowie dem Neonazi-Überfall auf den Anreisetreffpunkt zu einer antifaschistischen Demonstration in Berlin-Hellersdorf am 6. Juli 2024 kam es am 18. Juli 2024 zu einer Großrazzia der Polizei gegen vermeintlich beteiligte Neonazis in Berlin (Pankow, Weißensee, Marzahn und Spandau) sowie in Brandenburg und Sachsen. Auch Luca Böttcher wurde dabei in Neutrebbin durchsucht.
Nach zahlreichen antifaschistischen Veröffentlichungen zu Luca Böttchers Aktivitäten sollte seine Gesinnung spätestens mit der Hausdurchsuchung in Neutrebbin bekannt sein. Dennoch steht Böttcher auch in der kommenden Saison im Kader der ersten und zweiten Herren vom lokalen Fußballverein „SV Hertha 1923 Neutrebbin“. Dort tritt er als Abwehrspieler in der „Ostbrandenburgliga“ (Kreisoberliga) an. Im Verein ist Böttcher kein Bankdrücker. In der zurückliegenden Saison kam er auf neun Einsätze in der ersten und vier Einsätze in der zweiten Mannschaft. Er kann somit als fester Teil des Vereins angesehen werden. Der Verein gibt somit einem bekannten und enorm gewaltbereiten Neonazi einen Raum. Durch die unhinterfragte Akzeptanz des Neonazis wird seine Ideologie normalisiert. Zugleich stellt er auf und neben dem Platz eine Gefahr für Gegenspieler und Fans dar. Aufgrund der weiterhin fehlenden Distanzierung des Vereins von Böttcher kann davon ausgegangen werden, dass es für Hertha Neutrebbin kein Problem ist, wenn Neonazis für das Team antreten. Mit dieser Einstellung ist der Verein leider nicht alleine.
Enrico Rehling beim SVM Gosen
Kurz hinter der Berliner Stadtgrenze spielt Enrico Rehling als Stammtorwart der A-Jugend des SVM Gosen (Landkreis Oder-Spree). Wie Luca Böttcher ist auch Rehling ein bekanntes Mitglied der NRJ. Das erste Mal trat er am 1. Mai 2023 als Teil der Delegation aus Berliner und Brandenburg Neonazis bei einer Veranstaltung im Parteibüro vom „III. Weg“ im thüringischen Ohrdruf öffentlich in Erscheinung.[9] Seitdem ist er regelmäßig bei NRJ-Aktivitäten anwesend. Stets vermummt posierte er beispielsweise am 17. Oktober 2023 und am 21. Januar 2024 vor frischen Neonazi-Graffiti in Hellersdorf. Auch beim Kampfsporttraining am 13. Juli 2024 in Lichtenberg war er anwesend.[10]
Daneben war Enrico Rehling mehrfach an Neonazi-Angriffen in Berlin und Brandenburg beteiligt. Zusammen mit Böttcher war er unter den Neonazis, die 2023 versuchten Teilnehmenden auf dem CSD 2023 in Berlin anzugreifen (damals aufgeführt als „Unbekannt 3“) sowie die antifaschistische Demonstration im Oktober des gleichen Jahres in Pankow bedrohten (in der Veröffentlichung 2. Reihe, 3. Person von links). Am 27. Januar 2024 hielt sich Rehling erneut im Umfeld einer antifaschistischen Demonstration auf. Nachdem er erst aus der Wohnung von Erik Storch heraus die Versammlung beobachtete, wurde er später als Teil einer Neonazigruppe von der Polizei festgesetzt.[11] Doch nicht nur in Berlin fällt Enrico Rehling durch seine Neonazi-Aktivitäten auf. Auch in seinem Heimatort Gosen ist Rehling bereits polizeibekannt. Hier kam es zu rechtsmotivierten Angriffen und Bedrohungen durch ihn.
Obwohl Rehling in Gosen als Neonazi bekannt ist, versucht er seine Aktivitäten zu verschleiern. Er leugnet die Beteiligung an Neonazi-Veranstaltungen und versucht auf Fotos stets vermummt aufzutreten. Für den SVM Gosen scheint diese notdürftigen Maskerade auszureichen. Auch in der kommenden Saison wird Rehling wieder für die A-Junioren des Vereins in der Kreisliga im Tor stehen. Auf Bildern von Vereinsfeierlichkeiten ist er freudig unter vielen anderen Mitgliedern und Spielern zu sehen. Seine Neonazi-Ideologie trifft hier nicht auf Widerspruch.
Neonazis in (Fußball-)Vereinen
Die Beispiele Luca Böttcher und Enrico Rehling zeigen, dass die Gefahr von Neonazis im Fußball nicht nur von rechten Hooligan- oder Ultra-Gruppen ausgeht. Auch außerhalb von expliziten Neonazivereinen und Fankurven können junge Rechte in Breitensportvereinen aktiv werden. Teilweise wissen die Vereine nichts von den Aktivitäten ihrer Spieler*innen. Bei Enrico Rehling und Luca Böttcher handelt es sich jedoch um exponierte Mitglieder der NRJ. Es ist nahezu unmöglich, dass ihren Stammvereinen die jeweilige Gesinnung der beiden entgangen ist. Beide sind gewaltbereite Neonazis, die in der Vergangenheit mehrfach an Angriffen beteiligt waren. Ihre neonazistische Aktivität ist das Gegenteil von sportlicher Fairness. Daher ist zu vermuten, dass Hertha Neutrebbin und der SVM Gosen bewusst wegschauen. Leider ist eine solche Ignoranz weit verbreitet, da gerade kleine Vereine Angst haben, Spieler*innen zu verlieren bzw. den „Vereinsfrieden“ zu gefährden. Durch das Wegschauen öffnen sich aber Räume für extrem rechte Akteur*innen, um trotz ihrer Ansichten in neue gesellschaftliche Bereiche vorzudringen. Durch ihre sportliche Aktivität können sie über Jahre das Klima in den Vereinen in ihrem Sinne beeinflussen. Gleihzeitig schließen sie mit ihrer Präsenz in den Vereinen die Sportangebote für diejenigen, die von rechter Gewalt betroffen sind.
Es ist zu vermuten, dass es sich bei Luca Böttcher und Enrico Rehling nicht um die einzigen beiden Mitglieder der NRJ und vom „III. Weg“ in Breitensportvereinen handelt. Wer Informationen zu weiteren Neonazis im Fußball und anderen Sportarten hat, kann eine E-Mail an dritterwegrecherche@riseup.net senden.
Die Aktivitäten der Neonazi-Partei „III. Weg“ haben in Berlin in letzter Zeit drastisch zugenommen. Dabei fallen weniger die altbekannten Kader auf. Vielmehr tritt die Parteijugend „NRJ“ (kurz für „Nationalrevolutionäre Jugend“) verstärkt in Erscheinung. Neben identitärer Selbstbestätigung, durch Graffiti oder Verteil-Aktionen, treten die jungen Neonazis immer öfter auch gewalttätig auf. Sie bedrohen beispielsweise linke Orte oder greifen wahllos Menschen an, die nicht ihrem menschenverachtenden Weltbild entsprechen. Das ist eine neue Qualität von Neonazi-Gewalt, die vor allem in bestimmten Teilen Ost-Berlins auftritt. Zur Veranschaulichung dieser Entwicklung haben wir eine Chronik zu den Aktivitäten vom „III. Weg“ im Januar 2024 erstellt. (Chronik am Ende des Artikels) Wir haben dabei sowohl öffentlich verfügbare Informationen verwendet, als auch auf Meldungen per Mail zurückgegriffen. Wir haben unsere Recherchen mit der Meldeplattform 2101pankow@riseup.net zusammengeführt. In der Gesamtheit ergibt sich ein Bild, bei dem sich bestimmte Muster erkennen lassen, nach denen die Partei und ihre Jugendorganisation operiert. Das kann Antifaschist*innen helfen, gezielt aktiv zu werden und den antifaschistischen Selbstschutz zu planen. Wer mithelfen möchte, die Aktivitäten vom „III. Weg“ auch in den folgenden Monaten detailliert nachzuzeichnen, kann Meldungen anonym einreichen an: dritterwegrecherche@riseup.net.
Zusammenfassung Januar 2024
Beim Blick auf die zusammengetragenen Vorfälle ist zuerst die Dichte der Parteiaktivitäten erstaunlich. In jeder Woche gibt es mehrere unterschiedliche Aktionen mit wechselnden Beteiligten. Zudem gehen wir davon aus, dass wir in der Chronik nicht alles erfasst haben und beispielsweise Kampfsporttrainings außerhalb der Wahrnehmung stattfinden. Gerade an den Wochenenden – überwiegend samstags – erhöht sich die Dichte der Aktionen vom „III. Weg“ teilweise nochmal deutlich. Wenn sich die Jugendorganisation des „III. Weg“ einmal getroffen hat, sind die Neonazis bereit, den ganzen Tag über in unterschiedlichen Stadtteilen von Berlin aktiv zu werden. Es folgen regelmäßige Bedrohungen, Beleidigungen und Körperverletzungen durch die Neonazis. Beim Umherziehen am Wochenende scheinen die Neonazis von der NRJ weitestgehend unabhängig von den älteren Kadern vom „III. Weg“ zu agieren. Auf der Erfahrung der Kader greifen sie vor allem zu bestimmten Anlässen, wie Kampfsporttrainings oder Graffiti-Aktionen, zurück.
Personen der NRJ
Ausgehend von den Beobachtungen der letzten Monate kann die Berliner NRJ und ihr Umfeld auf eine personelle Stärke von rund 20-25 Personen geschätzt werden. Von diesen sind jedoch nicht alle im gleichen Maße aktiv. Vielmehr gibt es eine Kerngruppe von ungefähr 10-15 zumeist männlichen Jugendlichen, die in leicht veränderter Zusammensetzung an vielen Aktivitäten beteiligt sind. Zentrum der Jugendarbeit der Partei ist dabei der Jung-Nazi Erik Storch, der bei fast allen Aktivitäten wiedererkannt werden konnte. Weitere bekannte Aktivisten sind Franz-Richard Schrandt und Larsen Aslan. Der letztere ist seit Jahren in der Berliner Neonaziszene aktiv und dürfte deshalb als Bindeglied zwischen der NRJ und den Alt-Kadern des „III. Wegs“ fungieren. Aslan betätigt sich gegenwärtig vor allem als Anti-Antifa-Fotograf am Rande von linken Aktionen. Einige Personen, die in den letzten Monaten kontinuierlich im Rahmen der NRJ-Aktivitäten aufgetreten sind, wurden hier auf einem Foto zusammengestellt. Auf dem Foto befinden sich die Daten, an denen die Neonazis durch Aktionen in Erscheinung getreten sind. (Vergleiche Chronik am Ende des Textes)
Aktionsschwerpunkte
Die NRJ ist in vielen Teilen von Berlin aktiv. Die meisten Aktivitäten sind jedoch in den Ost-Berliner Randbezirken zu beobachten, vor allem in Marzahn-Hellersdorf und Pankow, aber auch in Lichtenberg und Treptow-Köpenick. Zumeist handelt es sich um einen Alltagsaktivismus, wie das Verkleben von Stickern und kleinere Graffiti-Tags. Dazu kommen über das Jahr verteilt koordinierte Aktionen, wie Infostände oder das Verteilen von Flyern. Bei den Aktionen sind klare Schwerpunktregionen der NRJ auszumachen. In Marzahn-Hellersdorf probiert die Parteijugend beispielsweise bevorzugt verschiedene Aktionsformen aktivistischer Politik aus. Am 21. Januar sprühten sie ein großflächiges Graffiti an einer öffentlichen Hall. In den vergangenen Jahren traf sich die NRJ häufig für Graffiti-Aktionen in Hellersdorf. Weiterhin wurden wiederholt Transparente im öffentlichen Raum aufgehangen und Flyer verteilt. Da sie sich oftmals ungestört im Bezirk ausprobieren können, kommen junge Neonazis aus ganz Berlin nach Marzahn-Hellersdorf. Weiterhin haben die älteren Mitglieder des „III. Wegs“ durch jahrelange Aktivitäten in Hellersdorf einen starken Bezug zur Region, weshalb gemeinsame Aktivitäten der NRJ und älterer Kader, wie Oliver Oeltze und Andreas Thomä, im Bezirk stattfinden.
In Pankow haben die Aktionen der NRJ hingegen einen stärkeren lebensweltlichen Bezug. Angelpunkt ist dabei die elterliche Wohnung von Erik Storch in der Thulestraße 8, in der sich die NRJ bevorzugt vor gemeinsamen Aktionen trifft und sammelt (z.B. am 20. und 27. Januar 2024). Ein weiterer Treffpunkt in der Nähe ist der „StarBurger“ (Ostseestraße 3), an dem sich die Neonazis beispielsweise am 21. Januar sammelten, um danach gewalttätige Übergriffe auszuüben. In diesem „Dreiländereck“ zwischen Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee ist ausgehend von der Wohnung Storchs eine ganz konkrete Taktik der neonazistischen Raumaneignung zu beobachten. Dazu zählen regelmäßige kleine Graffitis und kontinuierliche Plakat-Aktionen ebenso wie gewalttätige Übergriffe. Insbesondere nach dem vermeintlichen Angriff auf Eriks Vater, Robert Storch, vor der Thulestraße 8 am 21. Januar 2024 und der anschließenden Straßengewalt der NRJ ist klar, dass die Gruppe einen Anspruch auf die Dominanz im Kiez hegt und diesen mit allen Mitteln aufrecht erhalten will.
Überfälle auf antifaschistische Strukturen
Zu Anfang des Jahres 2023 beschränkte sich die NRJ noch verstärkt auf Formen der symbolischen Raumnahme, wie Sticker oder Graffiti. Allerdings ist in den letzten Monate eine steigende Gewaltbereitschaft der Gruppe zu verzeichnen. Ein Schwerpunkt sind dabei Übergriffe auf alternative Jugendzentren oder explizit linksradikale Strukturen. Allein im Januar 2024 gab es zwei Angriffsversuche auf das JUP in der Florastraße (am 6. und 27. Januar 2024), einen Übergriff auf das Hausprojekt AJZ Kita in Hellersdorf (am 27. Januar 2024) sowie mehrere explizite Drohungen gegen die Jugend-Antifagruppe „La Rage“. So versammelten sich am 6. Januar 2024 rund 10 Personen aus der NRJ vor dem „Bandito Rosso“ in der Lottumstraße im Prenzlauer Berg, wo wenige Tage später ein Tresenabend der Jugend-Antifa stattfinden sollte. Zudem wurde am 20. Januar 2024 eine größere Gruppe der NRJ in der Nähe des Stadtteilladens „Zielona Gora“ beobachtet, in dem zur gleichen Zeit eine Soliparty von „La Rage“ stattfand. Obwohl es an den beiden Tagen nicht zu Neonazi-Übergriffen kam, zeigen sie eine klare Bereitschaft zum gewalttätigen Kampf gegen antifaschistisch engagierte Strukturen. Hierfür sind die Neonazis der NRJ auch bereit ihre Stammkieze zu verlassen und selbst im „linken Szenekiez“ Friedrichshain die Auseinandersetzung zu suchen. Daneben kam es im Januar zweimal zu Bedrohungen antifaschistischer Versammlungen; einmal am Rande einer antirassistischen Kundgebung am 6. Januar in Hellersdorf und einmal im Rahmen der Antifa-Demo von „La Rage“ zum 27. Januar 2024. Einerseits versucht die NRJ am Rande der antifaschistischen Aktionen Präsenz zu zeigen und offensiv Anti-Antifa-Arbeit zu betreiben. Daneben gibt es jedoch immer noch Gruppen, die um die Versammlungen im Kiez unterwegs sind und versuchen, vor und nach den Versammlungen Teilnehmende anzugreifen bzw. einzuschüchtern.
Übergriffe auf Personen
Doch die NRJ greift nicht nur alternative Orten und antifaschistische Strukturen an. Ihre Gewalt richtet sich potentiell gegen alle Menschen, die nicht dem neonazistischen Weltbild entsprechen. Wenn Gruppen der Parteijugend unterwegs sind, kommt es nicht selten zu wahllosen Übergriffen. Diese haben oftmals das Ziel, bestimmte „Trophäen“, wie Aufnäher, Fahnen oder Patches, zu erlangen, die anschließend im Internet präsentiert werden. Allein im Januar 2024 gab es mehrere Pöbeleien und Bedrohungen von Personen, die aufgrund äußerer Merkmale als politische Gegner*innen wahrgenommen wurden (z.B. am 20. und 21. Januar 2024) und einen Angriff aufgrund eines linken Aufnähers am Rucksack (am 21. Januar 2024). Zudem gerieten Personen auch aufgrund der zugeschriebenen sexuellen oder gender-Identität in den Fokus der NRJ (z.B. am 6. Januar 2024). Insbesondere für queere oder trans Personen entsteht so eine erhöhte Bedrohungslage. Insgesamt ist eine besorgniserregende Professionalisierung der Neonazigewalt zu beobachten.
Wenn die NRJ loszieht, handelt es sich zumeist um eine oder mehrere größere Gruppen. Dabei führen sie offensichtlich Waffen, wie Schlagstöcke, Pfefferspray, Protektorenhandschuhe oder Glasflaschen mit sich. Zudem sind die Neonazis in der Regel vermummt – meist mit Schlauchtüchern vom „III. Weg“. Gerade bei Aktionen gegen politische Gegner*innen sind oftmals mehrere Neonazi-Gruppen im gleichen Gebiet unterwegs. Ein solches planvolles Vorgehen zur Begehung von gewalttätigen Übergriffen deutet darauf hin, dass die NRJ momentan versucht, explizite Straßenkampftaktiken auszuprobieren, um so mit Gewalt eine Dominanz in bestimmten Kiezen herzustellen.
Chronik
Die Informationen stammen zum Teil aus öffentlich verfügbaren Quellen, teilweise sind (zusätzlich) Hinweise per Mail eingegangen.
Samstag, 06.01.2024
11:00 (Lichtenberg)
Gegen 11:00 Uhr wurde eine Person in der U5 Richtung Hellersdorf zwischen den Stationen Rathaus Lichtenberg und Tierpark von Neonazis mit körperlicher Gewalt bedroht, weil sie einen Button mit einer Regenbogenflagge trug. Die drei Täter waren zwischen 18- 21 Jahre alt und aufgrund der Kleidung als Sympathisanten des „III. Wegs“ zu erkennen. Unter den Tätern befand sich der Neonazi Erik Storch, der als einer der Wortführer auftrat.
Drei Mitglieder vom „III. Weg“ (u.a. Erik Storch und Larsen Aslan) bedrohten eine antifaschistische Kundgebung am Cecilienplatz in Hellersdorf. Sie hielten sich im Nahbereich der Versammlung am Büro der Linkspartei auf und trugen offen Pfefferspray und Protektorenhandschuhe. Aslan versuchte zudem mit einer Kamera Fotos von Antifaschist*innen aufzunehmen.
Darüber hinaus waren mindestens sieben weitere Neonazis im Umfeld der Versammlung unterwegs und versuchten Kundgebungsteilehmende bei der An- und Abreise abzufangen. Die Gruppe war mit Schlagstöcken und Glasflaschen bewaffnet.
Neonazis der NRJ nach einer antifaschistischen Kundgebung in Hellersdorf. Unten mittig mit olivgrüner Hose: Erik Storch
Uhrzeit nicht bekannt (Prenzlauer Berg)
An der Lottumstraße 10A in Prenzlauer Berg bemerkten Anwohner*innen gegen Abend eine Gruppe von rund 10 vermummten Personen. Später tauchte aus dem Umfeld vom „III. Weg“ ein Bild von mindestens neun Neonazis in der Nähe der Vereinskneipe „Bandito Rosso“ auf. Es handelte sich augenscheinlich um die gleiche Gruppe, wie in Hellersdorf am Nachmittag. Die Neonazis präsentierten erneut Schlagstöcke und Glasflaschen als Bewaffnung. Dazu drohten sie in einer Bildunterschrift „Wir kriegen euch La Rage“. Drei Tage später sollte im „Bandito Rosso“ ein antifaschistischer Vernetzungsabend der Antifa-Gruppe „La Rage“ stattfinden. Die Veranstaltung verlief ungestört.
Neonazis der NRJ vor dem „Bandito Rosso“ im Prenzlauer Berg
21:00 (Pankow)
Am Abend bewegte sich eine Gruppe von rund 20 Personen, die alle vermummt waren, auf der Görschestraße in Pankow. Kurze Zeit später wurden ungefähr acht Personen dabei beobachtet, wie sie Aufkleber vom „III. Weg“ an die Terrassentür vom Jugendzentrum JUP klebten. Anschließend rissen sie mit anderen, die in der Gegend warteten, noch Plakate von der Litfaßsäule vor dem JUP. Danach entfernte sich die Großgruppe geschlossen in Richtung S Pankow. Später wurden auch an der Hintertür des Jugendzentrums mehrere Aufkleber vom „III. Weg“ sowie ein Tag „NRJ“ (für „Nationalrevolutionäre Jugend“; die Jugendorganisation vom „III. Weg“) festgestellt. Unter den Neonazis befand sich mit hoher Wahrscheinlichkeit der Neonazi Franz-Richard Schrandt.
Montag, 08.01.2024
13:15 (Mitte)
Mindestens neun Neonazis vom „III. Weg“ und dem Parteiumfeld (u.a. Erik Storch, Franz Schrandt, Sarah Schrandt, Unbekannt 1 und Unbekannt 2) verteilten Flyer am Rande der „Bauernproteste“ auf der Straße des 17. Juni. Sie waren teilweise mit weißen Schlauchtüchern vermummt. Später wurde die Gruppe von der Versammlung ausgeschlossen.
Mehrere Mitglieder vom „III. Weg“ aus Berlin nahmen an einer Demonstration der Partei in Wittstock/Dosse (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) teil. Dort trugen sie das Frontbanner „Bauernstand Revolutionieren“. Unter den Anwesenden befanden sich u.a. Christian Schmidt, Erik Storch, Oliver Oeltze und Unbekannt 2.
Vom „III. Weg“ beteiligten sich Oliver Oeltze und Andreas Thomä an den Bauernprotesten auf der Straße des 17. Juni. Sie waren nicht als Aktivisten der Neonazipartei zu erkennen.
Samstag, 20.01.2024
Uhrzeit unbekannt (Charlottenburg)
Mindestens drei Neonazis vom „III. Weg“ haben am Samstag Flyer vor der Landwirtschaftsmesse „Grüne Woche“ verteilt. Eine der Personen ist Unbekannt 3.
Eine Gruppe junger Männer, die erkennbar Kleidungsstücke vom III. Weg trugen (z.B. Schlauchtücher), wurde im „Hansa Center“ an der Hansastraße in Neu-Hohenschönhausen beobachtet. Dort näherten sie sich mindestens einer Person bedrohlich, weil sie diese als „links“ ansahen.
13:30 (Hohenschönhausen)
Der III. Weg berichtete auf seiner Internetseite von einem „Neujahrstreffen“ der Jugendorganisation NRJ. Auf Bildern sind um die zwanzig Personen mit offen getragener Parteikleidung und anderen Neonazikleidungsstücken im Bowling Center „Kangaroos Land“ im „Hansa Center“ in Neu-Hohenschönhausen zu erkennen.
Fünf bis sieben Neonazis mit hellen Schlauchtüchern vom „III. Weg“ stiegen an der Haltestelle „Woelckpromenade“ in Weißensee in den Bus 255 Richtung Osloer Straße. Einer von ihnen war Erik Storch. Ein anderer trug eine „Thor Steinar“-Wintermütze. Die Neonazis verließen den Bus an der Haltestelle „Prenzlauer Promenade/Am Steinberg“ in Pankow. Beim Aussteigen verklebten sie Sticker an der Ampel.
21:30 (Friedrichshain)
An der Tram-Station „Holteistraße“ in Friedrichshain wurden am frühen Abend rund acht junge Neonazis gesehen. Sie trugen u.a. Mützen vom „III. Weg“ und „Thor Steinar“. Mindestens zwei waren mit Protektorenhandschuhe bewaffnet. Um die Ecke fand in der Grünberger Straße im Stadtteilladen „Zielona Gora“ an dem Abend eine Informationsveranstaltung zum „III. Weg“ und eine antifaschistische Soliparty statt der Antifa-Gruppe „La Rage“ statt.
22:00 (Friedrichshain)
Gegen 22 Uhr fiel eine Gruppe von acht bis zehn vermummten Personen, die u.a. weiße Schlauchtücher vom „III. Weg“ trugen, an der Krossener Straße Ecke Boxhagener Platz auf. Sie blickten auf den Eingang des „Zielona Gora“. Kurze Zeit später verschwand die Gruppe in Richtung Wühlischstraße. Der weitere Abend verlief ruhig.
Sonntag, 21.01.2024
12:00 (Hellersdorf)
Ein Passant bemerkte an der Graffitiwand im Beerenpfuhlgraben in Hellersdorf ein Graffiti vom „III. Weg“. Ein paar Tage später veröffentlichte die Partei ein Gruppenfoto vor der Graffitiwand. Unter den mindestens elf Neonazis sind u.a. Erik Storch, Andreas Thomä, Unbekannt 1, Unbekannt 2, Unbekannt 3 und Unbekannt 5.
Neonazis vom „III. Weg“ am Beerenpfuhlgraben in Hellersdorf. Links mit „North Face“-Jacke Erik Storch, darunter knieend mit „Lyle&Scott“ Jacke Unbekannt 1, hinten mittig mit schwarzer Kleidung und „NRJ“-Shirt Unbekannt 2, darunter links am Schild Unbekannt 3, rechts am Schild Unbekannt 5
13:30 (Hellersdorf)
Eine Gruppe männlicher Neonazis stieg in Hellersdorf in die U5 Richtung Hauptbahnhof. Es handelte sich um fünf bis sieben Personen in sportlicher Kleidung, die teilweise weiße Schlauchtücher trugen. Einer von ihnen war Erik Storch. Unter Umständen war auch Luca Böttcher Teil der Gruppe. Weitere Beschreibungen passen zu den Neonazis, die sich zuvor an der Graffitiwand aufhielten. Kurz nach dem Einstieg begann Erik Storch Personen als „scheiß Zecken“ zu beschimpfen, weil er sie aufgrund der Kleidung als „links“ ansah. Außerdem drohte er ihnen mit körperlicher Gewalt. Eine Person aus der U-Bahn rief die Polizei. Ein Polizeieinsatz erfolgte dennoch nicht.
14:15 (Friedrichshain/Mitte)
Ab der Haltestelle Samariterstraße berichteten Fahrgäste in der U5 von einer Gruppe Neonazis, die in Richtung Hauptbahnhof fuhren. Zwei Neonazis trugen weiße „III. Weg“-Schlauchtücher über Nase und Mund. Unter den insgesamt vier bis fünf Personen befand sich der Neonazi Erik Storch. Während der Fahrt telefonierte er aufgebracht und forderte mehrere Personen auf, schnellstmöglich zu ihm nach Hause zu kommen. Die Neonazigruppe verließ die U5 am Alexanderplatz.
Grund für das aufgebrachte Telefonat von Storch war wahrscheinlich, dass sein Vater, der Neonazi Robert Storch, gegen 14 Uhr vor seiner Wohnungstür in der Thulestraße 8 in Pankow angegriffen worden sein soll.
Gegen 15 Uhr fiel eine vermummte Personengruppe in der Paul-Grasse-Straße in Pankow auf. Die Gruppe wirkte aufgebracht und aggressiv als sie in Richtung Osten lief. Am Ende der Straße bogen sie in die Hosemannstraße ein und liefen nach Süden. Sie hielten sich kurze Zeit an der südöstlichen Ecke Hosemannstraße/Ostseestraße auf.
15:30 (Prenzlauer Berg)
Um 15:30 Uhr umzingelte eine Gruppe von vier bis fünf jungen Neonazis eine Person an der Greifswalder Straße Ecke Erich-Weinert-Straße. Wegen eines linken Aufnähers am Rucksack des Betrofffenen schlugen sie auf ihn ein. Sie waren dabei mit mindestens einer Schlagwaffe ausgerüstet, die aber nicht eingesetzt wurde. Zudem beschimpften die Angreifer die betroffene Person immer wieder als „scheiß Zecke“. Die körperliche Gewalt ging ausschließlich von den männlichen Mitglieder der Neonazigruppe aus. Drei bis vier weibliche Neonazis, die zu der Gruppe gehörten, beteiligten sich nicht daran. Nachdem eine Zeugin drohte, die Polizei zu rufen, rannten die Angreifer los. Die Polizei nahm gegen 15:50 Uhr in der näheren Umgebung einen 14- und einen 15-Jährigen fest. Einer von ihnen trug erkennbar Kleidung vom „III. Weg“. Beide waren bereits am Vormittag in Hellersdorf bei einer Graffiti-Aktion des „III. Wegs“ anwesend. Es handelt sich bei den Festgenommenen um die Personen Unbekannt 1 und Unbekannt 3.
19:50 (PrenzlauerBerg/Pankow/Weißensee)
Kurz vor Acht wurden sieben Neonazis beim Essen vor dem StarBurger (Ostseestraße 3) beobachtet. In der Gruppe befand sich u.a. der „III. Weg“-Aktivist Larsen Aslan und ein Neonazi mit „Thor Steinar“-Mütze. Mindestens zwei von ihnen trugen weiße Schlauchtücher vom „III. Weg“. Gegen 20:30 Uhr ging die Gruppe schnellen Schrittes die Prenzlauer Promenade Richtung Brotfabrik entlang. Dabei waren sie mit Flaschen bewaffnet und trugen teilweise offen Knüppel vor sich her. Im Laufe des Abends kam es zu mehreren Großeinsätzen der Polizei im Kiez, unter anderem im Veranstaltungssaal Delphi und in der Ostseestraße, wo ein Krankenwagen eine verletzte Person versorgen musste. Ein Zusammenhang der Einsätze mit der Neonazigruppe ist anzunehmen.
Drei teilweise vermummte Neonazis beobachteten aus einem Fenster im Erdgeschoss der Thulestraße 8 die antifaschistische Demonstration „Kein Vergessen ‑ Kein Vergeben“. Unter ihnen ist der in der Wohnung wohnhafte Erik Storch sowie Unbekannt 4, der im vergangenen Jahr bereits durch einen Angriff auf Teilnehmende des CSD aufgefallen ist.
In der Talstraße wurde eine Gruppe von acht bis zehn vermummten Neonazis von der Polizei festgehalten und in eine erkennungsdienstliche Maßnahme genommen. Die Neonazis waren teilweise vermummt und trugen Kleidungsstücke vom „III. Weg“. Unter ihnen befand sich Erik Storch.
20:00 (Hellersdorf)
Am Hausprojekt AJZ KiTa/La Casa wurden zwei vermummte Personen gesehen, die hastig aus dem Garten flohen. Etwa eine Stunde später hat eine vermummte Personengruppe mehrere Raketen und Böller direkt auf das Haus geschossen. Im Umfeld des Hauses waren in der Nacht mehrere auffällige Personengruppen unterwegs. Es kam zu keinem weiteren Angriff. Eine unmittelbare Verbindung des Angriffs zum „III. Weg“ ist nicht mit Sicherheit zu bestätigen, kann aber angenommen werden.
Gegen zehn Uhr abends liefen ungefähr zehn vermummte Neonazis durch die Görschestraße in Pankow. Sie trugen schwarz-weiß-rote Sturmhauben. Sie waren in zwei Gruppen aufgeteilt und gingen von Haustür zu Haustür, möglicherweise verteilten sie dort Propaganda. Sie wirkten dabei aggressiv und gewaltbereit. Als sie von Passant*innen angesprochen wurden, sagten sie, sie würden „Zecken“ suchen. Als beobachtende Personen die Polizei anriefen, verließ die Neonazigruppe fluchtartig die Straße. In der Nähe fand ein „Konzert gegen rechts“ statt.
23:30 (Pankow)
Eine Gruppe von rund zehn Neonazis, die mit schwarz-weiß-roten Sturmhauben vermummt waren, wurde in der Heynstraße gesehen. Kurze Zeit später wurde die Gruppe erneut gesehen, wie sie die Heynstraße nach Süden lief.