Am 21. September 2024 kam es im brandenburgischen Oranienburg nördlich von Berlin erneut zu einem Neonazi-Aufmarsch gegen eine CSD-Veranstaltung. Organisiert wurde der Protest maßgeblich von der Gruppe „Deutsche Jugend Voran“ (DJV) aus Berlin. Dem Aufruf folgten rund 52 Neonazis. Wir haben aus öffentlichen Fotos eine Übersicht der Teilnehmenden erstellt, da viele aus Berlin und Brandenburg kamen. Zudem wollen wir den neuerlichen Aufmarsch nutzen, um die Aktivitäten von DJV in Berlin insgesamt etwas detaillierter zu bewerten.
Seit der ersten Aktion von DJV in Berlin am 27. Juli 2024 sind fast zwei Monate vergangen. Damals versuchten rund drei Dutzend Neonazis den CSD in Berlin zu stören und wurden dabei von der Polizei eingekesselt. Danach waren Personen aus dem DJV-Spektrum wöchentlich auf Neonazi-Protesten gegen CSD-Demonstrationen in unterschiedlichen Städten in Sachsen und Sachsen-Anhalt anwesend. Außer beim Aufmarsch von „Der III. Weg“ in Zwickau am 31. August 2024 übernahmen DJV-Mitglieder auch stets strukturelle Aufgaben, wie den Ordnungsdienst. Die Neonazi-Proteste am 24. August 2024 in Magdeburg organisierte die Gruppe sogar maßgeblich. Der Aufmarsch in Oranienburg ist somit die dritte eigene öffentliche Aktion der Gruppe und die erste in Berlin und Brandenburg nach dem Störversuch am Potsdamer Platz. Es ist somit davon auszugehen, dass viele Personen, die sich DJV in Berlin und Brandenburg zugehörig fühlen, teilgenommen haben. Eine Übersicht der Teilnehmenden soll eine Identifizierung der zumeist jungen Neonazis aus diesem noch neuen Spektrum erleichtern. Zum anderen erlaubt ein Blick auf den Aufmarsch in Oranienburg eine erneuerte Einschätzung zum Mobilisierungs- und Mitgliederpotenzial von DJV in den beiden Bundesländern.
In Oranienburg fanden sich letztendlich rund 52 Neonazis ein. Das sind zwar mehr als noch im Juli am Potsdamer Platz. Dennoch nahmen auch einzelne Neonazis aus anderen Bundesländern, wie Thüringen, am Aufmarsch teil. Sie können nicht zum engeren Kreis von DJV in Berlin und Brandenburg gezählt werden. In den vergangenen zwei Monaten hat sich das Mobilisierungspotential von DJV trotz wöchentlicher Teilnahme an bundesweiten Aufmärschen, einer aktiven Rekrutierungsarbeit auf Social Media sowie zahlreichen Vernetzungsversuchen somit kaum signifikant erhöht. Bei vergleichbaren Neonazi-Protesten gegen CSD-Veranstaltungen in Sachsen waren teilweise spektrenübergreifende Mobilisierungen mit mehreren hundert Teilnehmenden zu beobachten. Demgegenüber blieb DJV Berlin-Brandenburg in Oranienburg weitestgehend unter sich. Auch die meisten der Neonazis, die am Potsdamer Platz von der Polizei festgehalten wurden, waren bei späteren Aufmärschen kaum noch zu sehen. Dementsprechend scheint DJV auf lokaler Ebene wenig Zulauf zu finden und kann nur einen vergleichsweise kleinen und stetig wechselnden Kreis von Neonazis mobilisieren. Darüber hinaus waren auch viele Personen, die in der Vergangenheit als Mitglieder von DJV auftraten, in Oranienburg nicht anwesend. Das verweist auf Probleme in der Gruppe.
Die größten personellen Konstanten in den letzten Monaten sind Julian Milz, Nick Thomas Christopher Wetzels und „Sven“. Zum engeren Kern scheinen darüber hinaus nur noch weitere fünf bis sieben Personen zu gehören. Sie treffen sich auch außerhalb von Protesten zu gemeinsamen Kneipenabenden. Zudem werden ihnen Übergriffe auf Antifaschist*innen in Berlin–Marzahn zugeordnet. Dennoch sind auch in diesem kleinen Führungszirkel gewisse Austauschprozesse zu beobachten. So distanziert sich „Vivi“, die anfangs bei allen Aktivitäten von DJV anwesend war und nach wie vor der neonazistischen Szene angehört, inzwischen öffentlich von der Gruppe. Stattdessen war in Magdeburg und Zwickau eine „Michelle“ tonangebend, die jedoch in Oranienburg nicht auftauchte.
In diesem Sinne scheint DJV weniger wie eine politische Gruppe und eher wie ein neonazistischer FreundInnenkreis zu funktionieren: Streit inklusive. Der Zusammenhalt scheint vor allem über persönliche Kontakte sowie einen ausgiebigen Alkohol- und Drogenkonsum gestiftet zu werden. Zudem ist zu beobachten, dass sich insbesondere Julian Milz und Christopher Wetzels als Führungspersonen darstellen. So inszeniert sich Milz stets am Kopf von Aufmärschen mit einem Megaphon als Leitfigur. Wetzels gibt sich hingegen im Interview mit dem „Spiegel“ als Kern von DJV aus. Dementsprechend scheint es beiden kaum um eine dauerhafte Organisierungsarbeit zu gehen und mehr darum sich selbst zu profilieren. Insbesondere Wetzels hat über seine Aktivitäten bei DJV wieder stärkeren Anschluss an die Berliner NRJ, die „Nationalrevolutionäre Jugend“ vom „III. Weg“, gefunden. Im „Spiegel“-Bericht prahlt er mit seinen Kontakten zur Partei. So zeigt er auf seinen persönlichen Social-Media-Seiten Bilder von einem Training mit NRJ-Mitgliedern sowie von seiner Beteiligung bei einer Flyer-Tour für den „III. Weg“ in Hohenschönhausen in der vergangenen Woche. Bislang scheint „Der III. Weg“ als neonazistische Kaderpartei die Selbstdarstellung von Wetzels zumindest zu tolerieren.
Zu einer engeren Zusammenarbeit beider Neonazigruppierungen trug dies hingegen nicht bei. Zwar nahmen Personen von DJV Berlin beim Aufmarsch von „Der III. Weg“ am 31. August 2024 in Zwickau teil. Dort übernahmen sie jedoch keine Aufgaben. Zudem wurde eine Person aus dem DJV-Spektrum aufgrund ihrer Hautfarbe an das Ende des Aufmarsches verbannt. Eine Woche später in Freiberg beschwerten sich viele Neonazis außerdem über das geregelte Auftreten beim „III. Weg“ und das Alkoholverbot beim Aufmarsch.
Auch die Vernetzung von DJV mit anderen Neonazi-Gruppe scheint kaum Früchte zu tragen. Anfangs waren gewisse Annäherungen an „Elblandrevolte“ (ELR) aus Dresden, einer Ortsgruppe der „Jungen Nationalisten“ (JN), zu erkennen. Inzwischen scheinen die Kontakte in die Sächsische Landeshauptstand unverbindlicher zu werden. Beim Aufmarsch der JN gegen den CSD in Halle am 14. September 2024 waren keine Personen von DJV Berlin anwesend. Auch eine erhöhte Anbindung von DJV an den Berliner Landeverband der Partei „Die Heimat“ ist nicht zu erkennen. Die engste Zusammenarbeit gab es zwischenzeitlich mit der Berliner Gruppierung von „Jung und Stark“ (JS). Inzwischen distanzieren sich jedoch JS-Mitglieder wie „Unbekannt 40“ von DJV und deren Aktionen. Statt nach Oranienburg fuhr er mit „Tom“ zu den Protesten gegen den CSD ins sächsische Döbeln. Dort trug er ein Shirt der JN. In der Woche zuvor war beide Ordner bei den Neonazi-Protesten gegen den CSD in Wismar. Auch bekannte JS-Mitglieder wie Carsten Grasse waren länger nicht im Kontext von DJV wahrzunehmen. Die ausbleibende politische Vernetzung kann das Ergebnis der fehlenden Organisationsstruktur bei DJV sein. Zudem dürften sich die Egos der selbsternannten Führungsfiguren nur schlecht mit anderen Ansprüchen vertragen.
Insgesamt bleibt abzuwarten, wie sich DJV in Berlin mit dem Abflachen der Neonazi-Mobilisierungen gegen die CSD-Demonstrationen entwickeln wird. Momentan sieht es so aus, als ob die Gruppe zwar konstant viele junge Personen ansprechen kann, aber nicht in der Lage ist, diese dauerhaft zu mobilisieren bzw. an sich zu binden. Auch eine politische Vernetzungsarbeit mit anderen Gruppen ist nicht zu erkennen. Zudem verändert sich der engere Kreis von DJV weiterhin merklich. Nur wenige Personen bleiben konstant dabei. Um sie herum bildet sich jedoch eine durchaus gefährliche Kerngruppe, die sich dem Führungsanspruch der Leitfiguren unterordnet. Diese Kleinstgruppe ist inzwischen in der Lage, eigene Mobilisierungen anzustoßen, auch wenn diese nur eine geringe Resonanz innerhalb der Neonaziszene von Berlin und Brandenburg zu entfalten. Allerdings geht von dieser Kleingruppe selbst eine erhöhte Gefahr aus, da sie auch vor Angriffen (bisher vor allem auf politische Gegner*innen) nicht zurückschreckt.
Informationen zu Neonazigruppen und -aktivitäten können jederzeit an monitorberlin@riseup.net gesendet werden.
Seit Ende Juli 2024 sind in Berlin zwei neue Gruppen vorwiegend junger Neonazis besonders aktiv. Die Zusammenschlüsse „Deutsche Jugend Voran“ (DJV) sowie „Jung und Stark“ (JS) sind vor allem durch ihre regelmäßige Beteiligung an den extrem rechten Mobilisierungen gegen CSD-Demonstrationen in Ostdeutschland aufgefallen. Dennoch gab es in der Vergangenheit auch in Berlin schon Bedrohungen durch die Neonazis, die so versuchen, Räume zu vereinnahmen. Am 13. September 2024 kam es nun vermutlich zu einem ersten Angriff von DJV in Berlin-Marzahn. Ausgangspunkt und Rückzugsort war dabei die Kneipe „Zum Zapfhahn“, die sich zu einem regelmäßigen Treffpunkt für Neonazis entwickelt hat.
Für den Abend vom 13. September 2024 ist in der Vorfallschronik vom „Berliner Register“ ein „neonazistisch motivierter Angriff und Raub“ auf der Mehrower Allee in Berlin-Marzahn eingetragen. Gegen 21:40 hätten schätzungsweise sieben Neonazis eine Person beschimpft, bedroht und geschlagen. Im Anschluss sollen sie der betroffenen Person ein Kleidungsstück entwendet haben. Die Angreifer wären zwischen 18 und 40 Jahre alt gewesen und aufgrund der Kleidung, zum Beispiel eines Shirts von „Der III. Weg“, als Neonazis zu erkennen gewesen. Über die weiteren Hintergründe der Tat ist auf der Homepage der Register nichts zu lesen. Allerdings veröffentlichte ein Instagram-Account, der der Gruppe DJV in Berlin zugeschrieben werden kann, ein Foto, das neue Hinweise liefert. Auf diesem Bild sind sieben Neonazis zu sehen, wie sie ein Shirt mit dem Logo der „Antifaschistischen Aktion“ präsentieren. Aufgenommen wurde das Bild in der Kneipe „Zum Zapfhahn“ in der Max-Herrmann-Straße 4 in Berlin-Marzahn, die sich nur wenige Gehminuten von der Mehrower Allee befindet. Aufgrund der zeitlichen und örtlichen Nähe ist davon auszugehen, dass es sich bei den Neonazis auf dem Foto um die Angreifer aus der Register-Meldung handelt. Diese sind keine Unbekannten.
Neben dem Leiter von DJV in Berlin, Julian Milz, ist auch das bekennende DJV-Mitglied Nick Thomas Christopher Wetzels eindeutig auf dem Foto zu erkennen. Letzterer versuchte zuletzt am 4. September erfolglos eine antifaschistische Kundgebung in Prenzlauer Berg zu stören. Auch die meisten der anderen Abgebildeten sind in der Vergangenheit bereits bei Aktionen von DJV aufgefallen. So übernahmen „Unbekannt 41“ und „Unbekannt 42“ regelmäßig Ordner-Aufgaben bei Neonaziaufmärschen gegen CSD-Demonstrationen. Auch „Unbekannt 46“ war als Ordner mit einer größeren Gruppe von DJV Berlin in Leipzig. Obwohl er regelmäßig ein Shirt von „Der III. Weg“ trägt, ist er nie im Kontext der Berliner Strukturen der Neonazipartei aufgefallen. Eine Mitgliedschaft ist somit eher unwahrscheinlich. Aufgrund der Verlinkungen ist es wahrscheinlich, dass auch „Unbekannt 43“ auf dem Foto zu sehen ist. Eine zweifelsfreie Identifikation ist allerdings genauso wie bei der siebten Person nicht möglich.
Ein körperlicher Angriff auf eine Person, weil sie von DJV als Antifaschist*in wahrgenommen wird, wäre eine neue Qualität der neonazistischen Gewalt der Gruppe. Es ist zu befürchten, dass DJV gezielt versucht, im Kiez rund um die Mehrower Allee präsent zu sein und dabei auch zunehmend gewaltbereit agiert. Einen Dreh- und Angelpunkt der neonazistischen Aktivitäten bildet dabei die Kneipe „Zum Zapfhahn“. Das Bild vom vergangenen Wochenende ist nicht das erste, das DJV aus der Lokalität postete. So kam es dort bereits im August zu einem Vernetzungstreffen zwischen DJV und JS.
Somit spricht zumindest in der Vergangenheit vieles für regelmäßige Treffen von DJV in der Kneipe, die vermutlich auch nach Aufmärschen besucht wurde. So zogen mehrere Neonazis von DJV und JS nach der CSD-Störaktion in Leipzig am 17. August 2024 um den S-Bahnhof Raoul-Wallenberg-Straße umher. Zudem ist zu vermuten, dass mehrere Mitglieder im Umfeld des „Zum Zapfhahn“ wohnen. So veröffentlichte Christopher Wetzels ein Foto von einem Balkon des darüber liegenden Wohnhauses. Da in Berlin keine eigenen Räumlichkeiten von DJV bekannt sind, dürfte „Zum Zapfhahn“ der wichtigste Rückzugsraum der neuen Neonazigruppen gewesen sein. Inzwischen hat sich der vermeintliche Kneipenbetreiber gegenüber dem „Antifaschistischen Monitor Berlin“ von DJV distanziert und gibt an, allen aus der Gruppe Hausverbote erteilt zu haben. Warum dennoch unter den Augen von Barkeeper Florian Schmidt (wohnhaft in der Marzahner Promenade 49, 12679 Berlin) wochenlang Treffen offensichtlicher Neonazis in seinem Lokal stattfanden, konnte er jedoch nicht erklären.
Insgesamt ist eine weitere Verschärfung der politischen Aktivität von DJV und JS in Berlin zu beobachten. Mitglieder beider Gruppen versuchen verstärkt öffentliche Räume in der Stadt zu besetzen und wenden dabei auch zunehmend Gewalt an. Von ihnen geht somit eine nicht zu unterschätzende Gefahr aus. Insbesondere mit dem Abflachen von Neonazi-Mobilisierungen gegen CSD-Demonstrationen könnten sich diese Aktivitäten in der Zukunft weiter verstärken. Rückzugorte, wo sich die Neonazis ungestört versammeln können, spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Sie geben die neuen Gruppierungen organisatorischen Rückhalt. Nachdem DJV den Treffpunkt im „Zum Zapfhahn“ verloren zu haben scheint, werden sie neue Räumlichkeiten im Kiez suchen.
Wer mehr Informationen zu ihnen oder weiteren Mitgliedern von DJV sowie JS hat, kann diese gerne bei monitorberlin@riseup.net melden.
* In einer ersten Version des Artikels wurde geschrieben, dass Florian Schmidt der Betreiber von „Zum Zapfhahn“ wäre. Im Anschluss meldete sich der vermeintliche Betreiber beim „Antifaschistischen Monitor Berlin“ und bekundete, Neonazis abzulehnen und der DJV Hausverbot erteilt zu haben. Ob das Hausverbot bestehen bleibt, wird die Zukunft zeigen. Einige Informationen wurden im Artikel nachträglich ergänzt.
Am 27. Juli 2024 versuchten rund drei Dutzend Neonazis den „Christopher Street Day“ (CSD) in Berlin anzugreifen. Hinter dem Übergriff steckte maßgeblich die Gruppierung „Deutsche Jugend Voran“ (DJV), die damit zum ersten Mal öffentlich in Erscheinung trat. Inzwischen kam es an vielen Orten zu Neonazi-Aufmärschen gegen CSD-Demonstrationen. In Bautzen, Leipzig und Magdeburg waren Neonazis von DJV aus Berlin nicht nur anwesend, sondern teilweise maßgeblich in Organisation und Strukturaufgaben tätig. DJV entwickelt sich somit zu einer zunehmend aktionsorientiert auftretenden Struktur. Zugleich zeigen die verstärkten Aktivitäten, wie die Gruppierung agiert und wer zum aktionsbereiten Kern zählt. Aufgrund der zunehmenden Vernetzung mit der Neonazi-Gruppierung von „Jung & Stark“ (JS) soll diese ebenfalls kurz beleuchtet werden.
Die Aktivitäten der Berliner DJV im August
Vor dem Übergriff auf den Berliner CSD war DJV hauptsächlich ein Internet-Phänomen. Seitdem tritt die Gruppe aber offensiv und auch zunehmend gewalttätig in der Öffentlichkeit auf. Mittlerweile versucht sie sich ebenfalls verstärkt mit anderen Gruppierungen zu vernetzen. Dies zeigte sich deutlich beim bundesweit beworbenen Neonaziaufmarsch gegen den CSD in Bautzen am 10. August 2024. Maßgeblich organisiert wurden die Neonazi-Proteste von „Elblandrevolte“ (ELR) ‑ einer Ortsgruppe der „Jungen Nationalisten“ (JN) aus Dresden. Bereits einige Tage vor dem 10. August kam es jedoch in der Sächsischen Landeshauptstadt zu einem Treffen von ELR mit einer Delegation von DJV. Wahrscheinlich wurden dort letzte Absprachen für die gemeinsame Aktion getroffen.
Dementsprechend war eine geschlossene Gruppe von DJV bereits am Vortreffpunkt der JN anwesend. Insgesamt reisten rund 16 Berliner Neonazis aus dem DJV-Spektrum nach Bautzen. Von ihnen war jedoch nur ein kleiner Teil erkennbar in die Aufmarschstruktur eingebunden. Stattdessen übernahm ELR bzw. die JN einen Großteil der Aufgaben, wie den Ordnungsdienst oder das Anheizen per Megaphon. Dennoch trugen mehrere Berliner Neonazis das Fronttransparent von ELR und JN.
Einige Tage später, am 14. August 2024, wurden rund zehn DJV-Mitgliedern am RAW-Gelände von der Polizei festgesetzt. Zuvor waren sie sichtlich angetrunken im Friedrichshainer Kiez unterwegs. In der gleichen Woche gab es zudem ein internes Vernetzungstreffen von DJV mit den Neonazis von JS aus Berlin. Dieses Treffen fand in der Kneipe „Zum Zapfhahn“ in Berlin-Marzahn statt.
Auch JS ist ein Zusammenschluss jüngerer Neonazis, der vor allem in sozialen Netzwerken aktiv ist. Erstmals auffällig außerhalb von Social Media wurden Mitglieder von JS Berlin bei Aktivitäten gegen den CSD in Rostock (u.a. Nummer 9, hier im Artikel Unbekannt 43, und Nummer 14, Carsten Grasse). In der Vergangenheit gab es zwischen DJV und JS nur sporadische Kontakte. Die Annäherung in der letzten Zeit rührt wahrscheinlich daher, dass ELR nach den Aktivitäten in Bautzen als Bündnispartner für kommende Aufmärsche ausfiel. In einer öffentlichen Stellungnahme hatte sich die Dresdner Gruppe von den Neonazi-Protesten gegen die CSDs in Leipzig und Magdeburg zurückgezogen.
Bei den Neonazi-Protesten gegen die CSD-Veranstaltungen in Leipzig (17. August 2024) und Magdeburg (24. August 2024) konnte eine stärkere Zusammenarbeit von DJV und JS bei der Organisation und Durchführung der rechten Versammlungen beobachtet werden.
In Leipzig reiste gut ein Dutzend Neonazis aus Berlin an. Mindestens sechs von ihnen traten später bei einer improvisierten Kundgebung auf dem Bahnsteig des Hauptbahnhofs als Ordner auf. Darunter waren bekannte JS-Aktivisten, wie Carsten Grasse, aber auch DJV-Mitglieder, wie Nick Thomas Christopher Wetzels. Die neue Verbundenheit der beiden Gruppierungen drückte sich ebenfalls auf einem gemeinsamen Transparent aus. Julian Milz, führendes Mitglied von DJV Berlin, betätigte sich als Einpeitscher am Mini-Megaphon.
Nach dem gescheiterten Aufmarschversuch in Leipzig kam es auf der Rückreise zu Einschüchterungsversuchen der Berliner Neonazis auf ehemalige Teilnehmende des CSD in der Bahn.
In Magdeburg zeigte sich ein ähnliches Bild. Aus Berlin (und Brandenburg) reisten gut 20 Neonazis an. Sie übernahmen wiederum Ordner-Aufgaben, stellten das Fronttransparent und eigene Megaphone.
Insgesamt ist die Entwicklung von DJV in Berlin im zurückliegenden Monat durchaus alarmierend. Vor allem das Aktionsniveau der Gruppierung hat sich merklich erhöht. Statt der Koordinierung von vereinzelten Saufabenden traut sich DJV inzwischen die Organisation und Durchführung überregional mobilisierter Neonazi-Aufmärsche zu. Die Gruppe ist auch außerhalb von Berlin in der Lage zumindest rudimentär eine Versammlung aufzustellen: mit Ordnungsstruktur, Transparenten und Megaphonen. Dazu reist die DJV geschlossen und mit genügend Personen an. Sicherlich ist sie noch weit von dem Organisationsniveau langjähriger Neonazi-Strukturen entfernt. Doch weitere geplante Kundgebungen und Aufmärsche könnten zu einem Lerneffekte beitragen.
Auch außerhalb von Versammlungen tritt DJV zunehmend in Erscheinung. In Berlin versuchen Gruppen aus deren Umfeld offensiv Sozialräume einzunehmen. Die verstärkte Vernetzung mit anderen Gruppen, wie JS, trägt dabei zu einem größeren Mobilisierungspool bei. In Berlin entwickeln sich somit gerade abseits vom „III. Weg“ und dessen Jugendorganisiation NRJ zunehmend aktionsorientierte und durchaus gewaltbereite Neonazistrukturen. Allerdings scheint es momentan über den gemeinsamen Aktionismus hinaus kaum einen organisatorischen Zusammenhalt zu geben. Bisher wird DJV von Events und einer eher losen Vernetzung auf Instagram und TikTok zusammengehalten. Ideologisch ist das einigende Moment vor allem eine enorme LGBTIQ*-Feindlichkeit, die mögliche inhaltliche Differenzen bislang überdeckt.
Wer sind die Akteure hinter DJV in Berlin?
Die bisherigen Beobachtungen lassen vermuten, dass DJV in Berlin aus einem Kern von 10-15 Personen besteht. Sie nehmen in wechselnden Konstellationen regelmäßig an Aktionen von DJV in der Stadt und überregional teil. Wie viele dieser Neonazis dabei aus dem Berliner Umland oder dem weiter entfernten Brandenburg kommen bzw. in welchen Berliner Bezirken DJV-Mitglieder aktiv sind, kann nicht abschließend geklärt werden. Das maximale Mobilisierungspotential der Gruppierung für einzelne Aktionen dürfte bei ungefähr 40 Personen liegen, wie der Störversuch gegen den CSD am Potsdamer Platz in Berlin gezeigt hat. Im Kontext von DJV treten einige Personen verstärkt als Tonangeber auf.
Eine zentrale Figur und mutmaßlicher Leiter von DJV Berlin ist der 23-jährige Julian Milz (geb. am 22. Februar 2001) aus Wandlitz. Bereits beim ersten öffentlichen DJV-Treffen auf dem Bunkerberg im Berliner Humboldthain trat er als Wortführer auf. Seitdem war er an allen öffentlichen Aktionen in hervorgehobener Position beteiligt. So schien er beim Übergriff auf den CSD am Potsdamer Platz die Neonazis zu koordinieren. In Bautzen lief er an der Spitze der Demonstration neben dem Fronttransparent. In Leipzig und Magdeburg heizte er die Neonazi-Proteste mit einem mitgebrachten Megaphon an. Zudem war er Teil der Gruppe, die am 14. August 2024 am RAW-Gelände festgesetzt wurde.
Vor seinem Engagement für DJV ist Julian Milz bisher politisch nicht erkennbar in Erscheinung getreten. Allerdings half er im zurückliegenden Europawahlkampf 2024 beim Aufhängen von Plakaten der HEIMAT (früher: NPD), was eine Verbindung zu der Neonazipartei nahelegt. Momentan besucht Milz noch das OSZ I Barnim in Bernau. In seiner Freizeit spielte er unregelmäßig Fußball für den FSV Basdorf. Nachdem Bekanntwerden seiner politischen Aktivität distanzierte sich der Verein von Milz und erteilte diesem laut eigenen Angaben ein Hausverbot für alle Liegenschaften. Auch der Basdorfer Trainer Marcel Teske trug diese Maßnahmen mit. In der Vergangenheit zeigte er weniger Distanz zu organisierten Neonazis, da er selbst selbst lange Zeit mit dem NPD’ler Jan Sturm in der Ü40-Mannschaft vom BFC Dynamo kickte.
Ein weiteres aktives Mitglied von DJV ist Nick Thomas Christopher Wetzels aus Berlin-Marzahn. Schon beim versuchten Übergriff auf Teilnehmende des CSD Berlin am Potsdamer Platz war er beteiligt. Zuerst erschien er als klassischer Mitläufer. Inzwischen ist er bei allen Aktivitäten von DJV anzutreffen. So trug er in Bautzen das Fronttransparent. In Leipzig und Magdeburg war er hingegen als Ordner eingesetzt. Auch er war Teil der Gruppe, die am 14. August 2024 durch den Friedrichshainer Kiez zog.
Neben Wetzels und Milz tauchen weitere Personen regelmäßig im Kontext von DJV Berlin auf. So war beispielweise „Vivi“ aus Marzahn bei allen Aufmärschen außerhalb Berlins anwesend. Zudem nutzte DJV den Platz hinter „Vivis“ Wohnhaus in der Allee der Kosmonauten 200/202 zur Vorbereitung der Transparente. Inzwischen gibt sie jedoch an, nicht mehr Teil von DJV zu sein.
Auch „Unbekannt 39“ war bisher bei allen überregionalen Aufmärschen in der Gruppe von DJV aus Berlin unterwegs, ohne jedoch erkennbar eine Aufgabe zu übernehmen.
Darüber hinaus gibt es ebenfalls aus dem Kontext von „Jung & Stark“ (JS) einige besonders aktive Neonazis. Als Wortführer der Gruppierung tritt hierbei Carsten Grasse aus Berlin-Hohenschönhausen auf. Der 26-Jährige Fan von Union Berlin fällt vor allem durch die tätowierte „Schwarze Sonne“ auf seinem Handrücken auf. Wie bereits erwähnt war er auch an einer Stör-Aktion von Neonazis gegen den CSD in Rostock beteiligt. Während er beim Neonaziaufmarsch in Bautzen noch ohne erkennbare Aufgaben am Neonazi-Aufmarsch teilnahm, wurde er in Leipzig und Magdeburg als Ordner eingesetzt. Das spricht für eine stärkere Einbindung von JS in die Planung und Durchführung der Neonazi-Versammlungen. Grasse trägt punktuell ein T-Shirt mit dem „III. Weg“-Logo. Es gibt allerdings keine Hinweise, dass er Mitglied der Neonazi-Partei ist. Generell ist Grasse umtriebig bei der Teilnahme an rechten Versammlungen. So war er ebenfalls Teilnehmer einer AfD-Kundgebung am 29.08.2024 in Berlin-Hohenschönhausen.
Auch „Unbekannt 40“ ist JS in Berlin zuzuordnen. Er nahm an allen drei überregionalen Aufmärschen teil und war jeweils am Fronttransparent eingesetzt – teilweise mit Ordnerbinde. Die Aufgabe an der Spitze der Demonstrationen spricht für eine hervorgehobene Position in der Organisationsstruktur. Während er in Bautzen noch sein Tattoo vom Hertha-Logo mit dem Gründungsjahr 1892 zeigte, vesuchte er es bei folgenden Aufmärschen zu verdecken.
Neben den genannten sind weitere Neonazis im Kontext von DJV und JS in Berlin aufgefallen. In der folgenden Übersicht finden sich vor allem diejenigen, die bei Aufmärschen hervorgehobene Positionen bekleideten und deshalb zum organisatorischen Kern der Gruppierungen gerechnet werden müssen.
Wer mehr Informationen zu ihnen oder weiteren Mitgliedern von DJV sowie JS hat, kann diese gerne an monitorberlin@riseup.net melden.
* In einer ersten Version des Artikels wurde behauptet, dass Mitglieder von DJV am 14. August 2024 vor dem Technoclub „about:blank“ provoziert hätten. Dabei handelte es sich jedoch um eine andere Gruppe Neonazis. Weiterhin wiesen Verantwortliche vom FSV Basdorf darauf hin, dass Milz inzwischen nicht mehr für den Verein aktiv wäre und auf sämtlichen Liegenschaften Hausverbot hätte. Eine letzte Änderung betraf „Vivi“, die laut eigenen Angaben inzwischen nicht mehr in der DJV aktiv sei. Ihre neonazistische Gesinnung scheint dennoch unverändert.
Am 27. Juli 2024 sammelte sich eine Gruppe von rund 30 Neonazis am Potsdamer Platz in Berlin. Mit schwarzen Jacken und größtenteils vermummt bewegten sie sich in Richtung der Strecke vom „Christopher Street Day“ bis sie von der Polizei festgesetzt wurden. Organisiert haben sie sich alle unter dem Namen „Deutsche Jugend Voran“ (DJV). Wie der Angriffsversuch zeigt, ist aus den gleichnamigen Kanälen auf Social Media inzwischen ein gefährliches Sammelbecken für gewaltbereite Neonazis geworden. Dennoch ist bisher wenig zu dieser neuen Struktur bekannt, die sich vorwiegend an jugendliche Rechte richtet.
Alles nur Internet-Nazis?
Der Slogan „Deutsche Jugend voran“ ist in der Neonaziszene insgesamt beliebt und weit verbreitet. Er findet sich auf zahlreichen Kleidungsstücken in einschlägigen Neonazi-Versänden oder auf Aufklebern, wie von „aktivde“. Mit ihm wirbt sowohl „Der III. Weg“ als auch die „HEIMAT“ (früher: NPD) um Nachwuchs. Seit einigen Monaten gibt es im Social Media ebenfalls zahlreiche Accounts, die unter dem Namen „Deutsche Jugend voran“ (kurz: DJV) rechte Propaganda verbreiten. Sie weisen alle ein ähnliches Layout auf und verwenden als gemeinsames Symbol in der Regel einen Reichsadler in einem schwarz-weiß-roten Kreis.
Diese Accounts sind der Versuch zum niedrigschwelligen Aufbau eines bundesweiten rechten Netzwerk. Das Angebot richtet sich vor allem an junge Neonazis, um unkompliziert miteinander in Kontakt zu kommen und sich untereinander zu vernetzen. Inzwischen gibt es auch eine zentrale Homepage von DJV. Als Gründungsdatum wird der 21.05.2024 angegeben. Obwohl das gesamte Projekt somit relativ neu ist, wird das virtuelle Netz an Personen, die sich offen zu DJV bekennen und gegenseitig die Inhalte liken und weiterschicken, in der ganzen Bundesrepublik immer dichter. Auf fast allen Bildern vertreten ist das sogenannte „White Power“-Handzeichen als Bekenntnis zu rassistischen Vorstellungen einer vermeintlichen weißen Vorherrschaft. Neuerdings taucht als Geste ebenfalls eine mit mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger geformte „8“ auf. Sie ist eine Anspielung auf das in der Neonaziszene verbreitete Kürzel „88“ für „Heil Hitler“. Somit verweist bereits die Selbstinszenierung von DJV auf die explizit neonazistische Ideologie des Netzwerks.
DJV in Berlin und Brandenburg – Eine Tarngruppe der JN?
Auch für Berlin und Brandenburg gibt es auf den entsprechenden Social-Media-Plattformen Accounts, die sich als offizielle DJV-Vertretungen inszenieren. Anfangs wurde auch ein eigener Telegram-Kanal von DJV für die Region betrieben. Dieser wurde jedoch inzwischen eingestellt. Im Gegensatz zu vielen DJV-Accounts in der Bundesrepublik verwendet das Netzwerk in Berlin und Brandenburg auch alternative Logos. Dabei handelt es sich um einen Lorbeerkranz und wahlweise den Buchstaben „DJV“ oder dem Schriftzug „Deutsche Jugend Voran“ bzw. einem Bundesadler in der Mitte. Inzwischen gibt es von den Motiven bereits Aufkleber und T-Shirts.
Zuerst schien die neue Plattform in Berlin keinerlei Aktivität außerhalb von Social Media zu entfalten. Die erste Aktion von DJV in Berlin fand aber am 15. Juni 2024 statt. Über die Telegram-Gruppe wurde zu einem ersten offenen Treffen eingeladen. Letztendlich versammelten sich rund 30 Neonazis auf dem Flakturm im Humboldthain und posierten gemeinsam mit Bier und Deutschlandflagge. Fotos von DJV-Accounts legen nahe, dass es seitdem mehrere solcher Zusammenkünfte in der Stadt gegeben hat.
Bisher gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, wer hinter DJV in Berlin steht. Beobachtungen legen jedoch eine enge Anbindung an die „Jungen Nationalisten“ (JN), die Jugendstruktur von der „HEIMAT“ nahe. Fotos zeigen einzelne Neonazi-Angreifer vom 27. Juli beim Plakatieren für die Neonazipartei im Brandenburger Wahlkampf. Zudem wird interessierten Jugendlichen auf Social Media empfohlen, einen Aufnahmeantrag für die JN zu stellen und eine Gebühr von 5€ zu entrichten, um bei DJV mitmachen zu können.
Darüber hinaus gibt es wachsende Beziehungen zum Zusammenschluss “Elblandrevolte“ (ELR) aus Dresden. ELR ist eine Ortsgruppe der JN und erlangte öffentliche Aufmerksamkeit als Mitglieder im Europawahlkampf mehrere Plakatierteams demokratischer Parteien angriffen und dabei u.a. den SPD-Politiker Matthias Ecke schwer verletzten. [1] Einerseits finden sich zahlreiche Verweise zur ELR auf den Accounts der DJV-SympathisantInnen aus Berlin und Brandenburg. Andererseits waren mehrere Dresdner Neonazis aus dem Umkreis der ELR, wie u.a. „Paul“ (Nummer 21), beim Angriffsversuch auf den CSD in Berlin beteiligt. Zuletzt fuhr eine Dreiergruppe von DJV aus Berlin am 31. Juli nach Dresden, um sich dort mit dem Neonazi „Lucas Seifert“ zu treffen. Unter dem Namen „Chino“ tritt er auf Social Media als Aushängeschild der ELR auf. In diesem Zusammenhang erscheint es kaum als Zufall, dass der JN-Aktivist Finley Prügner zusammen mit einem weiteren Mitglied von ELR am 27. April in Berlin war, um in der Parteizentrale von der „HEIMAT“ ein Neonazi-Konzert zu besuchen. [2] Unter Umständen wurden bei diesem Treffen die Grundlagen für die DJV in Berlin und Brandenburg gelegt.
Ein anderer Vernetzungsansatz eines kriselnden Jugendverbandes
Auch der Angriffsversuch vom 27. Juli orientiert sich an der ELR, die am 1. Juni 2024 mit mehreren Dutzend Neonazis den CSD in Dresden störte. Für den 10. August 2024 ruft Finley Prügner bereits zur Störung des CSD in Bautzen auf. Auch Berliner Neonazis aus dem Umfeld von DJV verbreiten die entsprechenden Share Pics auf ihren Accounts. Es spricht somit vieles dafür, dass es sich bei DJV um einen Versuch der JN handelt, wieder neue Mitglieder für den seit Jahren kriselnden Jugendverband zu gewinnen. Ob die erlebnisorientierten AnhängerInnen der DJV aber tatsächlich einer Parteijugend beitreten wollen, ist fraglich. Auch die bisherigen Aktivitäten unterscheiden sich deutlich von anderen Neonazi-Jugendorgansiationen, wie der beispielsweise der „Nationalrevolutionären Jugend“ (NRJ) vom „III. Weg“. So glichen die Treffen von DJV eher Saufgelagen, bei denen später noch Gruppenfotos mit Fahnen und Pyrotechnik gemacht wurden. Eine dauerhafte Organisierung der Beteiligten und eine Einbindung in politische Arbeit scheint vorerst nicht angestrebt zu werden. Zudem gibt es keine regelmäßigen Treffen, keine theoretischen Ansätze und kein erkennbares politisches Programm. Dabei sein können zunächst alle, die sich angesprochen fühlen. Auch das Fehlen einer klar erkennbaren politischen Führung ist in der extremen Rechten eher ungewöhnlich. Zusammengehalten wird DJV von einem diffusen Bekenntnis zu Deutschland, dem geteilten Rassismus und gemeinsamen Feindbildern, wie „der Antifa“ oder queeren Lebensweisen. Insgesamt handelt sich bei DJV vorrangig um eine virtuelle Plattform als Möglichkeit zur informellen und lockeren Vernetzung aktionsorientierter Jugendlicher. Auf dieser Basis können die Beteiligten anlassbezogen zusammenkommen. Doch der 27. Juli hat gezeigt, dass von einer solchen Vernetzung eine deutliche Gefahr ausgehen kann, da sie leicht zur Verabredung für gemeinsame Angriffe oder Einschüchterungsversuche genutzt werden kann.
Wer waren die AngreiferInnen vom 27. Juli 2024?
Mit der voll und ganz auf Social Media fokussierten Strategie richtet sich DJV gezielt an jugendliche Neonazis. Der Plan zur Mobilisierung scheint vorerst aufzugehen. Laut Polizeiangaben war mehr als die Hälfte der AngreiferInnen in der Umgebung des Berliner CSD unter 18 Jahre alt. Zwei waren sogar noch unter vierzehn und damit strafunmündig. Dementsprechend sind die meisten von ihnen bisher auch noch nicht in politischen Kontexten aufgefallen. Eine Ausnahme ist „Flo“ aus Berlin-Mahlsdorf (Nummer 10) sowie ein weiterer Neonazi (Nummer 5), die bereits am 6. Juli 2024 am Rand einer antifaschistischen Demonstration in Hellersdorf zusammen mit weiteren Personen die Teilnehmenden anpöbelten. [3]
Doch wer sind die anderen unbekannten Neonazis? Zwei von ihnen sind Christopher Wetzels (Nummer 4) und Andrew-Justin Lischke (Nummer 16). Beide leben in Ost-Berlin und spielen Vereinsfußball. Christopher Wetzels (vollständiger Name: Nick Thomas Christopher Wetzels) spielte bis 2023 noch für die U16-Mannschaft beim FC Strausberg. Inzwischen ist er laut eigenen Angaben Jugend-Torwart beim FC Nordost Berlin in Marzahn, nicht unweit von seinem Wohnhaus. Am 19.06.2024 konnte Wetzels beim Verteilen von Flugblättern für den „III. Weg“ beobachtet werden. Lautstark prahlte er damit zur Partei zu gehören. Allerdings scheint er – wenn überhaupt – im erweiterten Unterstützungsumfeld des „III. Wegs“ aktiv zu sein und fand stattdessen über die Neonazis von „Jung & Stark“ (JS) zur DJV.
Während Christopher Wetzels Fan vom 1.FC Union ist, geht Andrew-Justin Lischke regelmäßig zum BFC. Dabei scheint er eine gewisse Nähe zur rechtsoffenen Jugendgruppe „Piefkes“ der sogenannten „Fraktion H“ zu haben. Er selbst ist hingegen Spieler in der Jugend beim BSV Oranke aus Hohenschönhausen, wo Lischke auch lebt. Insgesamt scheinen mehrere Spieler aus der Jugendmannschaft BSV Oranke am Potsdamer Platz dabei gewesen zu sein.
Sowohl Christopher Wetzels als auch Andrew-Justin Lischke stehen exemplarisch für eine bestimmte Jugendkultur, die sich in unter dem Dach von DJV trifft und vernetzt. Es sind größtenteils Freundeskreise von jungen Männer, die sich aus dem Umfeld unterschiedlicher Fußballfanszenen aus Berlin rekrutieren. Teilweise spielen sie selbst Fußball. Aber in der Regel besuchen sie vor allem gemeinsam Spiele, verkleben Sticker ihrer Vereine oder sprühen Graffiti. Teilweise inszenieren sich diese Zusammenschlüsse auch als eigenständige Gruppen, wie acht Jugendliche aus Biesdorf, die im Social Media als „Die richtige Generation“ (DRG) auftreten (unter anderem Nummer 30). Doch insgesamt scheinen die wenigsten bei DJV Erfahrung mit politischen Aktionen außerhalb von Social Media zu haben.
Was ist von DJV in Zukunft zu erwarten?
Momentan ist DJV vor allem ein Sammelbecken, um ein über Berlin verstreutes Potential an Personen und menschenverachtenden Einstellungen auch außerhalb von Social Media politisch nutzbar zu machen. Aus der Vernetzung heraus können die einzelnen Gruppen gemeinsame Aktionen planen und durchführen, für die sie sonst nicht genügend Kapazitäten hätten. Dabei agierten zumindest bei dem Angriffsversuch am Potsdamer Platz auch ansonsten verfeindete Fanszenen miteinander. Obwohl sich ein Großteil der Neonazis offensiv zu Hertha BSC oder dem BFC Dynamo bekennt, waren auch AnhängerInnen vom 1. FC Union unter den AngreiferInnen. Diese auffällige Häufung von Fußballbezügen zeigt, inwieweit es in Fußballfanszenen weiterhin zahlreiche rechtsoffene Lebenswelten gibt, in denen Jugendliche politisch sozialisiert werden. An toxische Männlichkeitskulte, Formen des Überlegenheitsdenken und eine gewisse Gang-Mentalität mit deutlicher Gewaltaffinität kann das Angebot von DJV politisch anschließen. Dementsprechend scheint sich die politische Logik der Gruppe auch eher an Mustern wie sogenannten Ackerkämpfen im Hooligan-Milieu zu orientieren. Auch dort kommen unterschiedliche Fanszene zusammen, um sich mit einem ausgemachten „Gegner“ zu prügeln. Bei DJV verabreden sich rechte Jugend-Gangs, um gemeinsam politische Gegner*innen zu überfallen und danach wieder auseinanderzugehen. Außerhalb von Straßengewalt zur Einschüchterung von Andersdenkenden scheint es bislang kein politisches Ziel zu geben. Das macht diesen Zusammenschluss sehr gefährlich.
Es ist abzuwarten, ob sich aus dieser losen Vernetzung, die vor allem von Fußball, Alkohol und Gewalt zusammengehalten wird, eine dauerhafte Gruppe entwickeln kann. In der Vergangenheit sind Zusammenschlüsse von rechten Fußball-Fans oft an Vereinsdifferenzen zerbrochen. Auch der unmittelbare Einfluss der JN auf DJV scheint gegenwärtig eher zu schwach, um dauerhaft ordnend eingreifen zu können. Der Zusammenschluss scheint eher als letzte Möglichkeit, um die Parteijugend der „HEIMAT“ mit allen Mitteln zu konsolidieren. Demgegenüber scheinen andere organisierte Neonazi-Strukturen, wie die NRJ, kein Interesse an einer Anwerbung oder Zusammenarbeit zeigen. Dementsprechend fungiert DJV gegenwärtig eher als Sammelbecken für rechte Jugendliche und Neonazis, die beispielsweise aufgrund ihres Konsumverhaltens keinen Platz in organisierten Parteijugenden finden können bzw. dies auch nicht wollen. Allerdings versammelt DJV eine große Menge an gewaltbereiten Jugendlichen aus Berlin und Brandenburg. Somit besteht durchaus die Möglichkeit, dass organisierte Neonazis die Gruppe als Pool für politische Gewalt entdecken und versuchen, einige Personen dauerhaft zu organisieren. Aus solchen Vernetzungseffekten kann sich eine bleibende Gefahr entwickeln.
Wer mehr Informationen zu den AngreiferInnen vom 27. Juli 2024 hat, kann diese gerne an monitorberlin@riseup.net melden.
In den vergangenen Wochen hat sich gezeigt, dass der „III. Weg“ in Berlin an zahlreichen Orten öffentliche Kampfsporttrainings anbietet. Mal handelt es sich um klandestin organisierte Treffen mit mehreren dutzend Neonazis aus verschiedenen Bundesländern, wie in der Lichtenberger Parkaue.[1] Ein anderes Mal um regelmäßige Sportangebote für eine vergleichsweise feste Trainingsgruppe, wie im Sportkomplex Rennbahnstraße in Weißensee.[2] Doch auch über Kampfsport hinaus spielt sportliche Betätigung in der neonazistischen Ideologie der Partei eine wichtige Rolle.[3] Zuletzt haben wir darüber berichtet, wie Mitglieder vom „III. Weg“ an öffentlichen Sportangeboten, wie Laufveranstaltungen, teilnehmen, um ihre Fitness zu testen. Im nächsten Teil unserer Artikel-Serie geht es um die Duldung von gewaltbereiten Neonazis in Vereinen des Breitensports. Momentan spielen mindestens zwei Mitglieder der Jugendorganisation vom „III. Weg“ (der „Nationalrevolutionären Jugend“, kurz: NRJ) in Brandenburger Vereinen regelmäßig Liga-Fußball. Hierbei handelt es sich um die Neonazis Luca Böttcher und Enrico Rehling.
* Update: Nach der Veröffentlichung der Recherchen vom „Antifaschistischen Monitor Berlin“ trennten sich sowohl der SVM Gosen als auch der SV Hertha 1923 Neutrebbin von ihren Spielern Enrico Rehling bzw. Luca Böttcher.
Der Neonazi Luca Böttcher bei Hertha Neutrebbin
Seit Jahren ist der 21-jährige Luca Böttcher (geb. am 26. Juni 2003) aus Neutrebbin (Landkreis Märkisch-Oderland) ein fester Bestandteil der gewaltbereiten Neonazigruppe NRJ. Zum ersten Mal trat Böttcher am 9. Dezember 2022 als Teilnehmer an einer Demonstration vom „III. Weg“ in Wittstock öffentlich in Erscheinung.[4] Inzwischen ist er in Berlin und Brandenburg regelmäßig bei den Aktivitäten der Jugendgruppe anzutreffen. Zuletzt nahm er am Kampfsporttraining in Berlin-Lichtenberg teil und unterstützte den Wahlkampf der Partei in Brandenburg.[5] Neben diesen offenen Parteiaktivitäten ist Luca Böttcher in der Vergangenheit mehrfach als Beteiligter bei Angriffen auf politische Gegner*innen wiedererkannt worden. Am 27. Juli 2023 war er Teil der Neonazi-Gruppe, die versuchte Teilnehmende des Berliner „Christopher Street Day“ anzugreifen.[6]
Knapp drei Monate später, am 14. Oktober 2023, bedrohte Böttcher mit rund einem Dutzend weiterer Neonazis eine antifaschistische Demonstration in Pankow.[7] Laut Augenzeug*innen war er ebenfalls dabei als eine Gruppe der NRJ am 21. Januar 2024 Menschen in der U-Bahn in Hellersdorf bedrohte.[8] Später am gleichen Tag griffen Teile der Gruppe, die bereits in Hellersdorf auffällig wurde, eine Person in Prenzlauer Berg wegen ihrer antifaschistischen Aufnäher am Rucksack an. Aufgrund dieses Angriffs sowie dem Neonazi-Überfall auf den Anreisetreffpunkt zu einer antifaschistischen Demonstration in Berlin-Hellersdorf am 6. Juli 2024 kam es am 18. Juli 2024 zu einer Großrazzia der Polizei gegen vermeintlich beteiligte Neonazis in Berlin (Pankow, Weißensee, Marzahn und Spandau) sowie in Brandenburg und Sachsen. Auch Luca Böttcher wurde dabei in Neutrebbin durchsucht.
Nach zahlreichen antifaschistischen Veröffentlichungen zu Luca Böttchers Aktivitäten sollte seine Gesinnung spätestens mit der Hausdurchsuchung in Neutrebbin bekannt sein. Dennoch steht Böttcher auch in der kommenden Saison im Kader der ersten und zweiten Herren vom lokalen Fußballverein „SV Hertha 1923 Neutrebbin“. Dort tritt er als Abwehrspieler in der „Ostbrandenburgliga“ (Kreisoberliga) an. Im Verein ist Böttcher kein Bankdrücker. In der zurückliegenden Saison kam er auf neun Einsätze in der ersten und vier Einsätze in der zweiten Mannschaft. Er kann somit als fester Teil des Vereins angesehen werden. Der Verein gibt somit einem bekannten und enorm gewaltbereiten Neonazi einen Raum. Durch die unhinterfragte Akzeptanz des Neonazis wird seine Ideologie normalisiert. Zugleich stellt er auf und neben dem Platz eine Gefahr für Gegenspieler und Fans dar. Aufgrund der weiterhin fehlenden Distanzierung des Vereins von Böttcher kann davon ausgegangen werden, dass es für Hertha Neutrebbin kein Problem ist, wenn Neonazis für das Team antreten. Mit dieser Einstellung ist der Verein leider nicht alleine.
Enrico Rehling beim SVM Gosen
Kurz hinter der Berliner Stadtgrenze spielt Enrico Rehling als Stammtorwart der A-Jugend des SVM Gosen (Landkreis Oder-Spree). Wie Luca Böttcher ist auch Rehling ein bekanntes Mitglied der NRJ. Das erste Mal trat er am 1. Mai 2023 als Teil der Delegation aus Berliner und Brandenburg Neonazis bei einer Veranstaltung im Parteibüro vom „III. Weg“ im thüringischen Ohrdruf öffentlich in Erscheinung.[9] Seitdem ist er regelmäßig bei NRJ-Aktivitäten anwesend. Stets vermummt posierte er beispielsweise am 17. Oktober 2023 und am 21. Januar 2024 vor frischen Neonazi-Graffiti in Hellersdorf. Auch beim Kampfsporttraining am 13. Juli 2024 in Lichtenberg war er anwesend.[10]
Daneben war Enrico Rehling mehrfach an Neonazi-Angriffen in Berlin und Brandenburg beteiligt. Zusammen mit Böttcher war er unter den Neonazis, die 2023 versuchten Teilnehmenden auf dem CSD 2023 in Berlin anzugreifen (damals aufgeführt als „Unbekannt 3“) sowie die antifaschistische Demonstration im Oktober des gleichen Jahres in Pankow bedrohten (in der Veröffentlichung 2. Reihe, 3. Person von links). Am 27. Januar 2024 hielt sich Rehling erneut im Umfeld einer antifaschistischen Demonstration auf. Nachdem er erst aus der Wohnung von Erik Storch heraus die Versammlung beobachtete, wurde er später als Teil einer Neonazigruppe von der Polizei festgesetzt.[11] Doch nicht nur in Berlin fällt Enrico Rehling durch seine Neonazi-Aktivitäten auf. Auch in seinem Heimatort Gosen ist Rehling bereits polizeibekannt. Hier kam es zu rechtsmotivierten Angriffen und Bedrohungen durch ihn.
Obwohl Rehling in Gosen als Neonazi bekannt ist, versucht er seine Aktivitäten zu verschleiern. Er leugnet die Beteiligung an Neonazi-Veranstaltungen und versucht auf Fotos stets vermummt aufzutreten. Für den SVM Gosen scheint diese notdürftigen Maskerade auszureichen. Auch in der kommenden Saison wird Rehling wieder für die A-Junioren des Vereins in der Kreisliga im Tor stehen. Auf Bildern von Vereinsfeierlichkeiten ist er freudig unter vielen anderen Mitgliedern und Spielern zu sehen. Seine Neonazi-Ideologie trifft hier nicht auf Widerspruch.
Neonazis in (Fußball-)Vereinen
Die Beispiele Luca Böttcher und Enrico Rehling zeigen, dass die Gefahr von Neonazis im Fußball nicht nur von rechten Hooligan- oder Ultra-Gruppen ausgeht. Auch außerhalb von expliziten Neonazivereinen und Fankurven können junge Rechte in Breitensportvereinen aktiv werden. Teilweise wissen die Vereine nichts von den Aktivitäten ihrer Spieler*innen. Bei Enrico Rehling und Luca Böttcher handelt es sich jedoch um exponierte Mitglieder der NRJ. Es ist nahezu unmöglich, dass ihren Stammvereinen die jeweilige Gesinnung der beiden entgangen ist. Beide sind gewaltbereite Neonazis, die in der Vergangenheit mehrfach an Angriffen beteiligt waren. Ihre neonazistische Aktivität ist das Gegenteil von sportlicher Fairness. Daher ist zu vermuten, dass Hertha Neutrebbin und der SVM Gosen bewusst wegschauen. Leider ist eine solche Ignoranz weit verbreitet, da gerade kleine Vereine Angst haben, Spieler*innen zu verlieren bzw. den „Vereinsfrieden“ zu gefährden. Durch das Wegschauen öffnen sich aber Räume für extrem rechte Akteur*innen, um trotz ihrer Ansichten in neue gesellschaftliche Bereiche vorzudringen. Durch ihre sportliche Aktivität können sie über Jahre das Klima in den Vereinen in ihrem Sinne beeinflussen. Gleihzeitig schließen sie mit ihrer Präsenz in den Vereinen die Sportangebote für diejenigen, die von rechter Gewalt betroffen sind.
Es ist zu vermuten, dass es sich bei Luca Böttcher und Enrico Rehling nicht um die einzigen beiden Mitglieder der NRJ und vom „III. Weg“ in Breitensportvereinen handelt. Wer Informationen zu weiteren Neonazis im Fußball und anderen Sportarten hat, kann eine E-Mail an dritterwegrecherche@riseup.net senden.
In der politischen Arbeit vom „III. Weg“ spielt Sport eine hervorgehobene Rolle. Zuletzt wurden in Berlin mehrere Kampfsporttrainings der Neonazi-Kleinpartei auf öffentlichen Sportanlagen bekannt. Das erregte große öffentliche Aufmerksamkeit. Doch die sportlichen Aktivitäten vom „III. Weg“ und seinen Mitgliedern gehen in Berlin über diese einzelnen Angebote hinaus. Neonazis trainieren in öffentlichen Fitnessstudios, nutzen Möglichkeiten des Breitensports oder sind in Vereinen aktiv. Die Ausmaße der neonazistischen Raumnahme im Sport sind bisher nur in Ansätzen bekannt. Zudem beschränken sich die meisten Erkenntnisse auf den Kampfsportbereich. Dieser Text benennt darüber hinaus weitere Orte und Veranstaltungen, die die Neonazis vom „III. Weg“ offen nutzen. In diesem Zusammenhang traten Teile einer Neonazi-Sportgruppe, die bereits vor drei Jahren in Berlin aktiv war, wieder in Erscheinung. Am Ende des Artikels befindet sich eine Übersicht aktuell bekannter Trainingsorte vom „III. Weg“.
Informationen zu Neonaziaktivitäten können jederzeit an dritterwegrecherche@riseup.net gemeldet werden. Inzwischen versuchen die Neonazis vom „III. Weg“ ihre Sportangebote abzusichern. Wie aktuelle Beobachtungen zeigen, traten sie im Rahmen von öffentlichen Trainings bewaffnet (z.B. mit Messern und Pfefferspray) in Erscheinung.
Sport als politisches Kampffeld vom „III. Weg“
Der „III. Weg“ steht offensiv für eine völkische und selbsternannte „nationalrevolutionäre“ Politik. Neben der politischen Organisierungsarbeit gehört für sie dazu eine harte Arbeit der AktivistInnen an sich selbst. Im nationalsozialistischen Weltbild ist der individuelle Körper immer schon mit dem kollektiven „Volkskörper“ verbunden. Um in diesem Sinne eingesetzt werden zu können, soll der Körper entsprechend „rein“ gehalten werden und leistungsbereit sein. Pathetisch spricht die Partei in diesem Zusammenhang vom „inneren Befehl der Leibeszucht“. Neben dem geforderten Verzicht auf Alkohol und Drogen beinhaltet das auch körperliche Leistungsfähigkeit. Sie wird ebenfalls als Voraussetzung geistiger Stärke betrachtet. In diesem Sinne gibt es innerhalb der Partei seit mindestens 2017 eine eigene Arbeitsgruppe mit dem Namen „Körper & Geist“. Sie tritt offensiv mit einem eigenen Logo in Erscheinung und ihre Mitglieder richten vor allem lokale Kampf- und Kraftsporttrainings für die Parteimitglieder bundesweit aus. [1] Zudem organisierte die Gruppe bereits eigene Kampfsportturniere, wie das Event „Jugend im Sturm“ 2018 im thüringischen Kirchheim. [2]. Mitglieder vom „III. Weg“ nahmen darüber hinaus als Kämpfende oder zur Unterstützung an Neonazi-Veranstaltungen in ganz Europa teil. [3]
Sportangebote vom „III. Weg“ in Berlin
In Berlin besitzt der „III. Weg“ keine geeigneten eigenen Räumlichkeiten für größere Kampfsporttrainings. Deshalb greift die Partei verstärkt auf öffentliche Sportanlagen in unterschiedlichen Bezirken zurück (eine Übersicht aller bekannten Orte befindet sich am Ende des Artikels). Ziel ist es, vor allem jugendliche SympathisantInnen auf den Straßenkampf, das heißt die Auseinandersetzung mit vermeintlichen „politischen Gegner*innen“ vorzubereiten. Die Auswirkungen dieser Trainings zeigten sich zuletzt am 6. Juli 2024 bei einem organisierten Angriff von Neonazis auf Anreisende einer antifaschistischen Demonstration [4]. In der Regel sind die Neonazitrainings klandestin organisiert und finden an wechselnden Orten und Tagen statt. Auf diese Weise können sie kaum im Vorhinein verhindert werden. Dennoch verstecken sich die Neonazis nicht und trainieren am helllichten Tag im öffentlichen Raum. Doch das Sportangebot der Partei beschränkt sich nicht nur auf Kampfsporttrainings. In Berlin (und Brandenburg) veranstaltet die Neonazipartei in der Regel einmal im Jahr sogenannte „Gemeinschaftstage“ als Angebote an die Mitglieder der Jugendorganisation NRJ („Nationalrevolutionäre Jugend“). Sport und insbesondere Kampfsport ist immer Teil dieser Aktivitäten. Gleiches gilt für die „Neujahrswanderungen“ im Januar. Anfang 2021 wanderten rund 25 Neonazis durch den Grunewald. Ein Jahr später fand ein „Neujahrserwachen“ im Spandauer Forst mit rund 15 Personen statt. Neben dem gemeinsamen Laufen standen bei den Veranstaltungen auch Schattenboxen, Krafttrainings, zum Beispiel mit Liegestützen, sowie Eisbaden auf dem Programm.
Zudem gibt über das Jahr verteilt immer wieder Fotos von gemeinsamen Wanderungen in unterschiedlichen Teilen der Bundesrepublik. Generell spielen Ausdauertrainings in Form von Leistungsmärschen eine Rolle in der neonazistischen Ideologie. Diese Verbindung zeigt sich besonders beim neonazistischen „Ausbruch“-Marsch in Budapest, an dem in der Vergangenheit regelmäßig Mitglieder vom „III. Weg“ aus Berlin teilnahmen [5]. In Mecklenburg-Vorpommern ist der sogenannte „Tollense-Marsch“ in Neubrandenburg ebenfalls ein regelmäßiges Ereignis der Neonaziszene mit Beteiligung vom „III. Weg“ [6].
Der „III. Weg“ aus Berlin im Breitensport
Neben der Teilnahme an explizit neonazistischen Events zieht es die Mitglieder vom „III. Weg“ allerdings auch in den Breitensport, um neue sportliche Herausforderungen zu bewältigen. Im Jahr 2023 konnten Gruppen der Neonazipartei bei mindestens zwei öffentlichen Laufveranstaltungen in Berlin und Brandenburg antreten. Beim „Berlin Marsch“ am 3. Oktober 2023 liefen die Neonazis Oliver Oeltze, Sebastian Glaser, Christian Schmidt, Leander Schultze sowie eine unbekannte Person 50km durch Berlin. Währenddessen nahmen sie Propaganda-Fotos mit der Fahne vom „III. Weg“ auf und versuchten den Lauf so mit extrem rechten Inhalten zu besetzen. Den Veranstaltenden des Laufes, dem Verein „Ausdauerfreunde e.V.“, schienen die neonazistischen Teilnehmenden nicht negativ aufgefallen zu sein. Stattdessen erschien sogar ein Bild des militanten Neonazis Sebastian Glaser nach dem Zieleinlauf auf der offiziellen Facebook-Seite des Marsches.
Wenn Neonazis sich privat für Sportveranstaltungen anmelden, ist es für Veranstaltende ohne das entsprechende Szenewissen sehr schwer, diese zu erkennen. Es braucht hier mehr Sensibilität für die Möglichkeit, dass bekannte Neonazis auch bei „normalen“ Sportveranstaltungen außerhalb der Kampfsportszene antreten. Zusammen mit diesem Bewusstsein müssen Veranstaltende eine Haltung zu diesem Problem entwickeln und sich einen konkreten Umgang mit extrem rechten Teilnehmenden überlegen. Das beinhaltet auch die Schaffung von Kriterien in Sportorganisationen und -vereinen, um eine Teilnahme mit allen Mitteln zu unterbinden.
Für den „Berlin Marsch“ ist nicht bekannt, wie sich die Gruppe des „III. Wegs“ angemeldet hat. Beim „Schlossinsellauf“ am 18. Juni 2023 in Lübben haben sie mit ihrer politischen Haltung allerdings nicht sonderlich hinter dem Berg gehalten. Dort traten die Neonazis Leander Schultze, Christian Schmidt und Oliver Oeltze mit dem Teamnamen „Körper und Geist“ beim Halbmarathon an. Im 10km-Lauf startete außerdem Lilith Evler vom „III. Weg“ unter der gleichen Bezeichnung. Sebastian Glaser nahm hingegen unter einem anderen Namen am Halbmarathon teil. Mit der Bezeichnung „Wardon“ stellte er seine Zugehörigkeit zu der gleichnamigen Neonazi-Kampfsportgruppierung „Wardon 21“ aus. [8] Dementsprechend hätte den Veranstaltenden schon bei der Anmeldung die Teilnahme der Neonazis auffallen können. Hier braucht es mehr Informationen und den Willen der Veranstaltenden, sich mit dem Problem rechter Raumnahme auseinanderzusetzen.
Altbekannte Trainingsgruppe
Während des Zieleinlaufs von Oliver Oeltze beim „Schlossinsellauf“ taucht jedoch noch ein weiterer bekannter Neonazi auf. Philipp Zech ist einer der ersten, die Oeltze gratulieren, nachdem dieser sich beim Halbmarathon ins Ziel schleppte. Zech selbst nahm am 10km-Lauf teil und verzichtete ganz auf einen Teamnamen. Das ganze ist sicherlich Kalkül. Zech ist Sportwissenschaftler und war bis mindestens 2022 an der Universität Potsdam im Bereich „Sozial- und Präventivmedizin“ angestellt. Zu seinem jetzigen Arbeitsverhältnis gibt es keine Informationen. Sicher möchte er jedoch nicht, dass seine wissenschaftliche Karriere durch einen allzu offensichtlichen Verhältnis zu Neonazis gefährdet wird. Dennoch war seine Nähe zu der Gruppe vom „III. Weg“ in Lübben unübersehbar – schließlich kennen sich alle Beteiligten schon seit einigen Jahren.
Von 2019 bis 2020 war Philipp Zech im Vorstand der AfD in Charlottenburg-Wilmersdorf. Ab 2021 nahm er nachweislich an klandestinen Neonazi-Kampfsporttrainings in Weißensee teil. Neben weiteren Mitgliedern der AfD, der „Jungen Alternative“ sowie Aktivisten der „Identitären Bewegung“ (z.B. Mario Müller) waren unter den Trainingspartnern von Zech auch Christian Schmidt (damals noch NPD/JN) und Leander Schultze (im damaligen Artikel „Unbekannt 12“) bei den Trainings in Weißensee anwesend.[9] Vieles spricht dafür, dass die Trainings ein Versuch zum Aufbau einer extrem rechten Kampfsportvernetzung in Berlin waren. So war Zech bis zur Auflösung 2023 im Vorstand vom „Verein für Leibesübungen und Bildung e.V.“. Gegründet wurde dieser 2019 laut Vereinsakten unter anderem von Mario Müller (Identitäre Bewegung, s.o.) und Peter Kurth. Letzterer ist ehemaliger Berliner Finanzsenator der CDU und inzwischen als Finanzier der neofaschistischen Szene bekannt.
Nachdem die geheimen Trainings öffentlich wurden, zog sich die neonazistische Sportgruppe zurück. Die Verbindungen zueinander sind aber noch geblieben. Unter Umständen wurde das gesamte Angebot über die Jahre einfach verlegt. So war der „Schlossinsellauf“ nicht das einzige Event, an dem Teile der Sportgruppe vom damaligen Training in Weißensee erneut zusammentrafen. Am 27. September 2023 fand ein Training vom „III. Weg“ im Calisthenics Park auf dem Kastanienboulevard in Hellersdorf statt. Neben Oliver Oeltze und Leander Schulze nahm auch Philipp Zech daran teil. Es deutet somit vieles auf ein Fortbestehen von einem Kern der alten Neonazi-Trainingsgruppe aus Weißensee unter dem Label vom „III. Weg“ hin. Hier profitiert die Neonazipartei von der Aufbauarbeit der neofaschistischen Bewegung um AfD und Identitäre Bewegung.
Fazit
In Berlin gibt es somit jahrelang gewachsene Strukturen der extremen Rechten, auf die der „III. Weg“ in seiner Parteiarbeit zurückgreifen kann. Auch wenn bestimmte Personen, wie Philipp Zech, aus der Öffentlichkeit verschwinden, bestehen persönliche Netzwerke weiter. Zudem zeigen die beiden Beispiele vom „Berlin Marsch“ und dem „Schlossinsellauf“ in Lübben, dass Neonazis vom „III. Weg“ gezielt öffentliche Sportangebote nutzen, um ihren extrem rechten Körperkult voranzutreiben und Räume zu besetzen. Dieses Phänomen war bisher vor allem aus dem Kampfsportbereich bekannt, betrifft aber auch viele andere Sportfelder, wie eben den Lauf- und Ausdauersport. Hier muss auf Seiten der Veranstaltenden ein Bewusstsein entstehen, dass Neonazis an ihren Events teilnehmen können und sich dort präsentieren. Daran anschließend braucht es eine Haltung, um gegen diese Vereinnahmung Position zu beziehen. Es ist schwer vorauszusagen, wann und wo Neonazis auf Sportveranstaltungen anzutreffen sein werden. Im Jahr 2024 war der „III. Weg“ in Lübben nicht anwesend. Aber sicherlich werden sie sich andere Veranstaltungen suchen. Insgesamt versucht der „III. Weg“ sein Sportangebot breit aufzustellen, verschiedene Bereiche zu besetzen und so über Sport Politik zu machen. Diese Strategie erinnert an das Vorgehen der neonazistischen „Active Clubs“, die sich aus den USA inzwischen auch in Europa ausbreiten.
[5] Oliver Oeltze nahm beispielsweise in den Jahren 2020, 2019 und 2017 am „Ausbruch Marsch“-Teil. Lilith Evler in den Jahren 2024 und 2020. Sebastian Glaser 2022, 2020 und 2019.
Das Restaurant „Mittelpunkt der Erde“ im brandenburgischen Hönow ist vor allem als regelmäßiger Treffpunkt der AfD bekannt. An zahlreichen AfD-Parteiveranstaltungen nahmen wiederholt bekannte Neonazis teil. Doch eine unmittelbare Unterstützung für Neonazigruppen aus der Region konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Nun zeigen Recherchen vom „Antifaschistischen Monitor Berlin“, dass die Gründung des Berliner Ablegers der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ im AfD-Restaurant in Hönow stattfand.
Der „III. Weg“ im „Mittelpunkt der Erde“
Laut eigenen Aussagen gründete sich der Berliner Stützpunkt vom „III. Weg“ am 29.03.2015. Die Bilder der Veranstaltung wirken sehr offensiv. Fahnen und Banner mit dem Parteilogo werden offen zur Schau gestellt. Probleme scheinen die Neonazis nicht zu befürchten. Nach Recherchen vom „Antifaschistischen Monitor Berlin“ fand die Gründung in den Räumen vom „Mittelpunkt der Erde“ statt.
Das Hönower Restaurant liegt nur wenige Dutzend Meter hinter der Berliner Stadtgrenze und war im Jahr 2015 noch nicht als Treffpunkt der extremen Rechten bekannt. Ab 2017 wurde es ein wichtiger Ort für die Berliner AfD und dessen völkischen Parteiflügel bundesweit. Anscheinend gibt es im „Mittelpunkt der Erde“ eine lange Tradition der Unterstützung für extrem rechte Organisationen, die auch offen neonazistische Kräfte einschließt.
Der „III. Weg“ in Berlin
Die Gründung des Stützpunkts vom „III. Weg“ in Berlin erfolgte rund zwei Jahre nach der Gründung der Neonazipartei. Die Wahl eines Restaurants in Hönow für diesen Anlass ist wenig verwunderlich. So traten bereits damals einige Neonaziaktivist:innen aus dem nah gelegenen Marzahn-Hellersdorf offen für den „III. Weg“ in Berlin auf. Es kann angenommen werden, dass sie auch bei der Parteigründung den Kern der neuen Struktur bildeten. [1] Neonazis, wie Franziska Grunhold und Kai Schuster, waren Jahre zuvor aktiver Teil der rassistischen Mobilisierungen gegen den Bau von Geflüchteten-Unterkünften im Ostberliner Randbezirk. Sie füllten mit der Gründung des „III. Weg“ in der Region das organisatorische Vakuum, das der Zusammenbruch des NPD-Kreisverbandes Marzahn-Hellersdorf nach der „Porno-Affäre“ [2] und das Verbot der Kameradschaft „Frontbann 24“ [3] hinterlassen hatten. Im Gegensatz zu den zuvor bestehenden informellen Neonazi-Strukturen, wie der „Bürgerbewegung Hellersdorf“, [4] bot der „III. Weg“ als Partei mehr politische Möglichkeiten für eine dauerhafte extrem rechte Mobilisierung im Osten Berlins. In diesem Rahmen entfaltete der „III. Weg“-Stützpunkt in Berlin im Gründungsjahr zahlreiche Aktivitäten. Darunter zählen einige Informationsveranstaltungen, Flyerverteilaktionen, Hilfsaktionen für „deutsche Obdachlose“ und ein eigenes Rechtsrockkonzert (u. a. mit Michael „Lunikoff“ Regener). [5] Allerdings ist nicht bekannt, ob von diesen Aktivitäten noch weitere im „Mittelpunkt der Erde“ stattgefunden haben. Zum damaligen Zeitpunkt blieb die Partei in ihrer Strahlkraft auf die Berliner Neonaziszene noch vergleichsweise „bedeutungslos“, [6] was sich erst in den vergangenen dreieinhalb Jahren massiv änderte.
Der „Mittelpunkt der Erde“ als Treffpunkt der extremen Rechten
Während die Gründung vom „III. Weg“ im „Mittelpunkt der Erde“ im März 2015 noch weitestgehend unbeachtet blieb, etablierte sich das Restaurant ab 2017 als dauerhafter Treffpunkt der extremen Rechten. Neben zahlreichen Informationsabenden und Parteiversammlungen der AfD fand am 09.09.2017 ein öffentlicher „Wahlkampftag“ der AfD Marzahn-Hellersdorf mit Björn Höcke in der Lokalität statt. [7] Neben Vertreter:innen des bezirklichen AfD-Parteiverbandes nahmen Akteur:innen unterschiedlicher Strömungen der extremen Rechten aus dem gesamten Bundesgebiet daran teil. Unter den Gästen waren der damalige AfD-Rechtsaußen Andreas Kalbitz, Siegfried Däbritz von PEGIDA, Manfred Rouhs von „Pro Deutschland“ sowie die Neonazis Lars Niendorf und René Uttke aus Marzahn-Hellersdorf und Tilo Paulenz auf Neukölln. Letzterer gilt neben Sebastian Thom als einer der Hauptverantwortlichen für die neonazistischen Anschläge vom „Neukölln Komplex“.
09.09.2017: Neonazi Lars Niendorf begrüßt Gunnar Lindemann (AfD) mit einem Handschlag. Quelle: https://www.flickr.com/photos/oskarschwartz/37001721671/in/album-72157686053227950/
Seitdem haben unzählige weitere rechte Veranstaltungen im „Mittelpunkt der Erde“ stattgefunden. Allein Björn Höcke war bisher mindestens zwei weitere Male in Hönow, am 11.09.2020 sowie am 10.10.2022 zur Gründung des „Idearium“-Netzwerks, der Nachfolgestruktur vom aufgelösten völkischen „Flügel“ der AfD. [8] Es gab Veranstaltungen mit Götz Kubitschek und Erik Lehnert vom neofaschistischen „Institut für Staatspolitik“ [9] und mehrere Abende, die vom rechten COMPACT-Magazin um Jürgen Elsässer ausgerichtet wurden. [10] Auch zwei Rechtsrockkonzerte haben unter dem Deckmantel der AfD bereits im „Mittelpunkt der Erde“ stattgefunden. [11] Zuletzt veranstaltete die „Junge Alternative Brandenburg“ am 29.12.2023 zusammen mit dem Neonazi-Label „Sub:version Productions“ aus Südbrandenburg eine Jahresabschlussparty. [12] An dem Rechtsrockkonzert mit „Sacha Korn“, „Andy Habermann“ und „Julia Juls“ nahmen auch mehrere Personen aus dem Umfeld vom „III. Weg“ teil, u.a. Kai Milde, René Uttke und „Unbekannt 12“. [13]
29.12.2023: Kai Milde (3.v.l.) und René Uttke (rechts) beim AfD-Rechtsrockkonzert. Quelle: https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/53431309140/in/album-72177720313714799/
29.12.2023: „Unbekannt 12″ beim AfD-Rechtsrockkonzert. Quelle: https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/53429707206/in/album-72177720313714799/
AfD und „III. Weg“ vereint im „Mittelpunkt der Erde“
Laut der offiziellen Verlautbarungen der Parteien distanzieren sich der „III. Weg“ und die AfD voneinander. Doch Orte wie der „Mittelpunkt der Erde“ in Hönow zeigen, dass es lokal durchaus vielfältige Schnittpunkte der beiden Parteien geben kann. Sie nutzen dieselben Lokalitäten und besuchen sich sogar teilweise bei Veranstaltungen. In Marzahn-Hellersdorf nahmen Vertreter:innen beider Parteien an den gleichen Demonstrationen teil, um für sich zu werben. So besuchten AfD und „III. Weg“ 2022 die verschwörungsideologischen Montagsspaziergänge im Bezirk. Aus diesen punktuellen Überschneidungen kann jedoch keine unmittelbare Zusammenarbeit abgeleitet werden. Vielmehr bespielen beide Parteien teilweise ähnliche Themenfelder, sodass es im engen lokalen Kontext zwangsläufig zu Kontakten kommt. Hier zeigt sich vor allem die fehlende Abgrenzung der Marzahn-Hellersdorfer AfD gegenüber militanten neonazistischen Kräften. So wird sich der AfD-Bezirksverband in Zukunft wohl auch weiter am Gründungsort vom „III. Weg“ in Berlin treffen. Zugleich belegen die Recherchen die lange Kontinuität extrem rechter Veranstaltungen im „Mittelpunkt der Erde“. Das Restaurant hat eben nicht nur rechtsoffene Betreiber:innen, sondern muss im Lichte der neuen Erkenntnisse als astreine Neonazi-Lokalität benannt werden.
Die Aktivitäten der Neonazi-Partei „III. Weg“ haben in Berlin in letzter Zeit drastisch zugenommen. Dabei fallen weniger die altbekannten Kader auf. Vielmehr tritt die Parteijugend „NRJ“ (kurz für „Nationalrevolutionäre Jugend“) verstärkt in Erscheinung. Neben identitärer Selbstbestätigung, durch Graffiti oder Verteil-Aktionen, treten die jungen Neonazis immer öfter auch gewalttätig auf. Sie bedrohen beispielsweise linke Orte oder greifen wahllos Menschen an, die nicht ihrem menschenverachtenden Weltbild entsprechen. Das ist eine neue Qualität von Neonazi-Gewalt, die vor allem in bestimmten Teilen Ost-Berlins auftritt. Zur Veranschaulichung dieser Entwicklung haben wir eine Chronik zu den Aktivitäten vom „III. Weg“ im Januar 2024 erstellt. (Chronik am Ende des Artikels) Wir haben dabei sowohl öffentlich verfügbare Informationen verwendet, als auch auf Meldungen per Mail zurückgegriffen. Wir haben unsere Recherchen mit der Meldeplattform 2101pankow@riseup.net zusammengeführt. In der Gesamtheit ergibt sich ein Bild, bei dem sich bestimmte Muster erkennen lassen, nach denen die Partei und ihre Jugendorganisation operiert. Das kann Antifaschist*innen helfen, gezielt aktiv zu werden und den antifaschistischen Selbstschutz zu planen. Wer mithelfen möchte, die Aktivitäten vom „III. Weg“ auch in den folgenden Monaten detailliert nachzuzeichnen, kann Meldungen anonym einreichen an: dritterwegrecherche@riseup.net.
Zusammenfassung Januar 2024
Beim Blick auf die zusammengetragenen Vorfälle ist zuerst die Dichte der Parteiaktivitäten erstaunlich. In jeder Woche gibt es mehrere unterschiedliche Aktionen mit wechselnden Beteiligten. Zudem gehen wir davon aus, dass wir in der Chronik nicht alles erfasst haben und beispielsweise Kampfsporttrainings außerhalb der Wahrnehmung stattfinden. Gerade an den Wochenenden – überwiegend samstags – erhöht sich die Dichte der Aktionen vom „III. Weg“ teilweise nochmal deutlich. Wenn sich die Jugendorganisation des „III. Weg“ einmal getroffen hat, sind die Neonazis bereit, den ganzen Tag über in unterschiedlichen Stadtteilen von Berlin aktiv zu werden. Es folgen regelmäßige Bedrohungen, Beleidigungen und Körperverletzungen durch die Neonazis. Beim Umherziehen am Wochenende scheinen die Neonazis von der NRJ weitestgehend unabhängig von den älteren Kadern vom „III. Weg“ zu agieren. Auf der Erfahrung der Kader greifen sie vor allem zu bestimmten Anlässen, wie Kampfsporttrainings oder Graffiti-Aktionen, zurück.
Personen der NRJ
Ausgehend von den Beobachtungen der letzten Monate kann die Berliner NRJ und ihr Umfeld auf eine personelle Stärke von rund 20-25 Personen geschätzt werden. Von diesen sind jedoch nicht alle im gleichen Maße aktiv. Vielmehr gibt es eine Kerngruppe von ungefähr 10-15 zumeist männlichen Jugendlichen, die in leicht veränderter Zusammensetzung an vielen Aktivitäten beteiligt sind. Zentrum der Jugendarbeit der Partei ist dabei der Jung-Nazi Erik Storch, der bei fast allen Aktivitäten wiedererkannt werden konnte. Weitere bekannte Aktivisten sind Franz-Richard Schrandt und Larsen Aslan. Der letztere ist seit Jahren in der Berliner Neonaziszene aktiv und dürfte deshalb als Bindeglied zwischen der NRJ und den Alt-Kadern des „III. Wegs“ fungieren. Aslan betätigt sich gegenwärtig vor allem als Anti-Antifa-Fotograf am Rande von linken Aktionen. Einige Personen, die in den letzten Monaten kontinuierlich im Rahmen der NRJ-Aktivitäten aufgetreten sind, wurden hier auf einem Foto zusammengestellt. Auf dem Foto befinden sich die Daten, an denen die Neonazis durch Aktionen in Erscheinung getreten sind. (Vergleiche Chronik am Ende des Textes)
Aktionsschwerpunkte
Die NRJ ist in vielen Teilen von Berlin aktiv. Die meisten Aktivitäten sind jedoch in den Ost-Berliner Randbezirken zu beobachten, vor allem in Marzahn-Hellersdorf und Pankow, aber auch in Lichtenberg und Treptow-Köpenick. Zumeist handelt es sich um einen Alltagsaktivismus, wie das Verkleben von Stickern und kleinere Graffiti-Tags. Dazu kommen über das Jahr verteilt koordinierte Aktionen, wie Infostände oder das Verteilen von Flyern. Bei den Aktionen sind klare Schwerpunktregionen der NRJ auszumachen. In Marzahn-Hellersdorf probiert die Parteijugend beispielsweise bevorzugt verschiedene Aktionsformen aktivistischer Politik aus. Am 21. Januar sprühten sie ein großflächiges Graffiti an einer öffentlichen Hall. In den vergangenen Jahren traf sich die NRJ häufig für Graffiti-Aktionen in Hellersdorf. Weiterhin wurden wiederholt Transparente im öffentlichen Raum aufgehangen und Flyer verteilt. Da sie sich oftmals ungestört im Bezirk ausprobieren können, kommen junge Neonazis aus ganz Berlin nach Marzahn-Hellersdorf. Weiterhin haben die älteren Mitglieder des „III. Wegs“ durch jahrelange Aktivitäten in Hellersdorf einen starken Bezug zur Region, weshalb gemeinsame Aktivitäten der NRJ und älterer Kader, wie Oliver Oeltze und Andreas Thomä, im Bezirk stattfinden.
In Pankow haben die Aktionen der NRJ hingegen einen stärkeren lebensweltlichen Bezug. Angelpunkt ist dabei die elterliche Wohnung von Erik Storch in der Thulestraße 8, in der sich die NRJ bevorzugt vor gemeinsamen Aktionen trifft und sammelt (z.B. am 20. und 27. Januar 2024). Ein weiterer Treffpunkt in der Nähe ist der „StarBurger“ (Ostseestraße 3), an dem sich die Neonazis beispielsweise am 21. Januar sammelten, um danach gewalttätige Übergriffe auszuüben. In diesem „Dreiländereck“ zwischen Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee ist ausgehend von der Wohnung Storchs eine ganz konkrete Taktik der neonazistischen Raumaneignung zu beobachten. Dazu zählen regelmäßige kleine Graffitis und kontinuierliche Plakat-Aktionen ebenso wie gewalttätige Übergriffe. Insbesondere nach dem vermeintlichen Angriff auf Eriks Vater, Robert Storch, vor der Thulestraße 8 am 21. Januar 2024 und der anschließenden Straßengewalt der NRJ ist klar, dass die Gruppe einen Anspruch auf die Dominanz im Kiez hegt und diesen mit allen Mitteln aufrecht erhalten will.
Überfälle auf antifaschistische Strukturen
Zu Anfang des Jahres 2023 beschränkte sich die NRJ noch verstärkt auf Formen der symbolischen Raumnahme, wie Sticker oder Graffiti. Allerdings ist in den letzten Monate eine steigende Gewaltbereitschaft der Gruppe zu verzeichnen. Ein Schwerpunkt sind dabei Übergriffe auf alternative Jugendzentren oder explizit linksradikale Strukturen. Allein im Januar 2024 gab es zwei Angriffsversuche auf das JUP in der Florastraße (am 6. und 27. Januar 2024), einen Übergriff auf das Hausprojekt AJZ Kita in Hellersdorf (am 27. Januar 2024) sowie mehrere explizite Drohungen gegen die Jugend-Antifagruppe „La Rage“. So versammelten sich am 6. Januar 2024 rund 10 Personen aus der NRJ vor dem „Bandito Rosso“ in der Lottumstraße im Prenzlauer Berg, wo wenige Tage später ein Tresenabend der Jugend-Antifa stattfinden sollte. Zudem wurde am 20. Januar 2024 eine größere Gruppe der NRJ in der Nähe des Stadtteilladens „Zielona Gora“ beobachtet, in dem zur gleichen Zeit eine Soliparty von „La Rage“ stattfand. Obwohl es an den beiden Tagen nicht zu Neonazi-Übergriffen kam, zeigen sie eine klare Bereitschaft zum gewalttätigen Kampf gegen antifaschistisch engagierte Strukturen. Hierfür sind die Neonazis der NRJ auch bereit ihre Stammkieze zu verlassen und selbst im „linken Szenekiez“ Friedrichshain die Auseinandersetzung zu suchen. Daneben kam es im Januar zweimal zu Bedrohungen antifaschistischer Versammlungen; einmal am Rande einer antirassistischen Kundgebung am 6. Januar in Hellersdorf und einmal im Rahmen der Antifa-Demo von „La Rage“ zum 27. Januar 2024. Einerseits versucht die NRJ am Rande der antifaschistischen Aktionen Präsenz zu zeigen und offensiv Anti-Antifa-Arbeit zu betreiben. Daneben gibt es jedoch immer noch Gruppen, die um die Versammlungen im Kiez unterwegs sind und versuchen, vor und nach den Versammlungen Teilnehmende anzugreifen bzw. einzuschüchtern.
Übergriffe auf Personen
Doch die NRJ greift nicht nur alternative Orten und antifaschistische Strukturen an. Ihre Gewalt richtet sich potentiell gegen alle Menschen, die nicht dem neonazistischen Weltbild entsprechen. Wenn Gruppen der Parteijugend unterwegs sind, kommt es nicht selten zu wahllosen Übergriffen. Diese haben oftmals das Ziel, bestimmte „Trophäen“, wie Aufnäher, Fahnen oder Patches, zu erlangen, die anschließend im Internet präsentiert werden. Allein im Januar 2024 gab es mehrere Pöbeleien und Bedrohungen von Personen, die aufgrund äußerer Merkmale als politische Gegner*innen wahrgenommen wurden (z.B. am 20. und 21. Januar 2024) und einen Angriff aufgrund eines linken Aufnähers am Rucksack (am 21. Januar 2024). Zudem gerieten Personen auch aufgrund der zugeschriebenen sexuellen oder gender-Identität in den Fokus der NRJ (z.B. am 6. Januar 2024). Insbesondere für queere oder trans Personen entsteht so eine erhöhte Bedrohungslage. Insgesamt ist eine besorgniserregende Professionalisierung der Neonazigewalt zu beobachten.
Wenn die NRJ loszieht, handelt es sich zumeist um eine oder mehrere größere Gruppen. Dabei führen sie offensichtlich Waffen, wie Schlagstöcke, Pfefferspray, Protektorenhandschuhe oder Glasflaschen mit sich. Zudem sind die Neonazis in der Regel vermummt – meist mit Schlauchtüchern vom „III. Weg“. Gerade bei Aktionen gegen politische Gegner*innen sind oftmals mehrere Neonazi-Gruppen im gleichen Gebiet unterwegs. Ein solches planvolles Vorgehen zur Begehung von gewalttätigen Übergriffen deutet darauf hin, dass die NRJ momentan versucht, explizite Straßenkampftaktiken auszuprobieren, um so mit Gewalt eine Dominanz in bestimmten Kiezen herzustellen.
Chronik
Die Informationen stammen zum Teil aus öffentlich verfügbaren Quellen, teilweise sind (zusätzlich) Hinweise per Mail eingegangen.
Samstag, 06.01.2024
11:00 (Lichtenberg)
Gegen 11:00 Uhr wurde eine Person in der U5 Richtung Hellersdorf zwischen den Stationen Rathaus Lichtenberg und Tierpark von Neonazis mit körperlicher Gewalt bedroht, weil sie einen Button mit einer Regenbogenflagge trug. Die drei Täter waren zwischen 18- 21 Jahre alt und aufgrund der Kleidung als Sympathisanten des „III. Wegs“ zu erkennen. Unter den Tätern befand sich der Neonazi Erik Storch, der als einer der Wortführer auftrat.
Drei Mitglieder vom „III. Weg“ (u.a. Erik Storch und Larsen Aslan) bedrohten eine antifaschistische Kundgebung am Cecilienplatz in Hellersdorf. Sie hielten sich im Nahbereich der Versammlung am Büro der Linkspartei auf und trugen offen Pfefferspray und Protektorenhandschuhe. Aslan versuchte zudem mit einer Kamera Fotos von Antifaschist*innen aufzunehmen.
Darüber hinaus waren mindestens sieben weitere Neonazis im Umfeld der Versammlung unterwegs und versuchten Kundgebungsteilehmende bei der An- und Abreise abzufangen. Die Gruppe war mit Schlagstöcken und Glasflaschen bewaffnet.
Neonazis der NRJ nach einer antifaschistischen Kundgebung in Hellersdorf. Unten mittig mit olivgrüner Hose: Erik Storch
Uhrzeit nicht bekannt (Prenzlauer Berg)
An der Lottumstraße 10A in Prenzlauer Berg bemerkten Anwohner*innen gegen Abend eine Gruppe von rund 10 vermummten Personen. Später tauchte aus dem Umfeld vom „III. Weg“ ein Bild von mindestens neun Neonazis in der Nähe der Vereinskneipe „Bandito Rosso“ auf. Es handelte sich augenscheinlich um die gleiche Gruppe, wie in Hellersdorf am Nachmittag. Die Neonazis präsentierten erneut Schlagstöcke und Glasflaschen als Bewaffnung. Dazu drohten sie in einer Bildunterschrift „Wir kriegen euch La Rage“. Drei Tage später sollte im „Bandito Rosso“ ein antifaschistischer Vernetzungsabend der Antifa-Gruppe „La Rage“ stattfinden. Die Veranstaltung verlief ungestört.
Neonazis der NRJ vor dem „Bandito Rosso“ im Prenzlauer Berg
21:00 (Pankow)
Am Abend bewegte sich eine Gruppe von rund 20 Personen, die alle vermummt waren, auf der Görschestraße in Pankow. Kurze Zeit später wurden ungefähr acht Personen dabei beobachtet, wie sie Aufkleber vom „III. Weg“ an die Terrassentür vom Jugendzentrum JUP klebten. Anschließend rissen sie mit anderen, die in der Gegend warteten, noch Plakate von der Litfaßsäule vor dem JUP. Danach entfernte sich die Großgruppe geschlossen in Richtung S Pankow. Später wurden auch an der Hintertür des Jugendzentrums mehrere Aufkleber vom „III. Weg“ sowie ein Tag „NRJ“ (für „Nationalrevolutionäre Jugend“; die Jugendorganisation vom „III. Weg“) festgestellt. Unter den Neonazis befand sich mit hoher Wahrscheinlichkeit der Neonazi Franz-Richard Schrandt.
Montag, 08.01.2024
13:15 (Mitte)
Mindestens neun Neonazis vom „III. Weg“ und dem Parteiumfeld (u.a. Erik Storch, Franz Schrandt, Sarah Schrandt, Unbekannt 1 und Unbekannt 2) verteilten Flyer am Rande der „Bauernproteste“ auf der Straße des 17. Juni. Sie waren teilweise mit weißen Schlauchtüchern vermummt. Später wurde die Gruppe von der Versammlung ausgeschlossen.
Mehrere Mitglieder vom „III. Weg“ aus Berlin nahmen an einer Demonstration der Partei in Wittstock/Dosse (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) teil. Dort trugen sie das Frontbanner „Bauernstand Revolutionieren“. Unter den Anwesenden befanden sich u.a. Christian Schmidt, Erik Storch, Oliver Oeltze und Unbekannt 2.
Vom „III. Weg“ beteiligten sich Oliver Oeltze und Andreas Thomä an den Bauernprotesten auf der Straße des 17. Juni. Sie waren nicht als Aktivisten der Neonazipartei zu erkennen.
Samstag, 20.01.2024
Uhrzeit unbekannt (Charlottenburg)
Mindestens drei Neonazis vom „III. Weg“ haben am Samstag Flyer vor der Landwirtschaftsmesse „Grüne Woche“ verteilt. Eine der Personen ist Unbekannt 3.
Eine Gruppe junger Männer, die erkennbar Kleidungsstücke vom III. Weg trugen (z.B. Schlauchtücher), wurde im „Hansa Center“ an der Hansastraße in Neu-Hohenschönhausen beobachtet. Dort näherten sie sich mindestens einer Person bedrohlich, weil sie diese als „links“ ansahen.
13:30 (Hohenschönhausen)
Der III. Weg berichtete auf seiner Internetseite von einem „Neujahrstreffen“ der Jugendorganisation NRJ. Auf Bildern sind um die zwanzig Personen mit offen getragener Parteikleidung und anderen Neonazikleidungsstücken im Bowling Center „Kangaroos Land“ im „Hansa Center“ in Neu-Hohenschönhausen zu erkennen.
Fünf bis sieben Neonazis mit hellen Schlauchtüchern vom „III. Weg“ stiegen an der Haltestelle „Woelckpromenade“ in Weißensee in den Bus 255 Richtung Osloer Straße. Einer von ihnen war Erik Storch. Ein anderer trug eine „Thor Steinar“-Wintermütze. Die Neonazis verließen den Bus an der Haltestelle „Prenzlauer Promenade/Am Steinberg“ in Pankow. Beim Aussteigen verklebten sie Sticker an der Ampel.
21:30 (Friedrichshain)
An der Tram-Station „Holteistraße“ in Friedrichshain wurden am frühen Abend rund acht junge Neonazis gesehen. Sie trugen u.a. Mützen vom „III. Weg“ und „Thor Steinar“. Mindestens zwei waren mit Protektorenhandschuhe bewaffnet. Um die Ecke fand in der Grünberger Straße im Stadtteilladen „Zielona Gora“ an dem Abend eine Informationsveranstaltung zum „III. Weg“ und eine antifaschistische Soliparty statt der Antifa-Gruppe „La Rage“ statt.
22:00 (Friedrichshain)
Gegen 22 Uhr fiel eine Gruppe von acht bis zehn vermummten Personen, die u.a. weiße Schlauchtücher vom „III. Weg“ trugen, an der Krossener Straße Ecke Boxhagener Platz auf. Sie blickten auf den Eingang des „Zielona Gora“. Kurze Zeit später verschwand die Gruppe in Richtung Wühlischstraße. Der weitere Abend verlief ruhig.
Sonntag, 21.01.2024
12:00 (Hellersdorf)
Ein Passant bemerkte an der Graffitiwand im Beerenpfuhlgraben in Hellersdorf ein Graffiti vom „III. Weg“. Ein paar Tage später veröffentlichte die Partei ein Gruppenfoto vor der Graffitiwand. Unter den mindestens elf Neonazis sind u.a. Erik Storch, Andreas Thomä, Unbekannt 1, Unbekannt 2, Unbekannt 3 und Unbekannt 5.
Neonazis vom „III. Weg“ am Beerenpfuhlgraben in Hellersdorf. Links mit „North Face“-Jacke Erik Storch, darunter knieend mit „Lyle&Scott“ Jacke Unbekannt 1, hinten mittig mit schwarzer Kleidung und „NRJ“-Shirt Unbekannt 2, darunter links am Schild Unbekannt 3, rechts am Schild Unbekannt 5
13:30 (Hellersdorf)
Eine Gruppe männlicher Neonazis stieg in Hellersdorf in die U5 Richtung Hauptbahnhof. Es handelte sich um fünf bis sieben Personen in sportlicher Kleidung, die teilweise weiße Schlauchtücher trugen. Einer von ihnen war Erik Storch. Unter Umständen war auch Luca Böttcher Teil der Gruppe. Weitere Beschreibungen passen zu den Neonazis, die sich zuvor an der Graffitiwand aufhielten. Kurz nach dem Einstieg begann Erik Storch Personen als „scheiß Zecken“ zu beschimpfen, weil er sie aufgrund der Kleidung als „links“ ansah. Außerdem drohte er ihnen mit körperlicher Gewalt. Eine Person aus der U-Bahn rief die Polizei. Ein Polizeieinsatz erfolgte dennoch nicht.
14:15 (Friedrichshain/Mitte)
Ab der Haltestelle Samariterstraße berichteten Fahrgäste in der U5 von einer Gruppe Neonazis, die in Richtung Hauptbahnhof fuhren. Zwei Neonazis trugen weiße „III. Weg“-Schlauchtücher über Nase und Mund. Unter den insgesamt vier bis fünf Personen befand sich der Neonazi Erik Storch. Während der Fahrt telefonierte er aufgebracht und forderte mehrere Personen auf, schnellstmöglich zu ihm nach Hause zu kommen. Die Neonazigruppe verließ die U5 am Alexanderplatz.
Grund für das aufgebrachte Telefonat von Storch war wahrscheinlich, dass sein Vater, der Neonazi Robert Storch, gegen 14 Uhr vor seiner Wohnungstür in der Thulestraße 8 in Pankow angegriffen worden sein soll.
Gegen 15 Uhr fiel eine vermummte Personengruppe in der Paul-Grasse-Straße in Pankow auf. Die Gruppe wirkte aufgebracht und aggressiv als sie in Richtung Osten lief. Am Ende der Straße bogen sie in die Hosemannstraße ein und liefen nach Süden. Sie hielten sich kurze Zeit an der südöstlichen Ecke Hosemannstraße/Ostseestraße auf.
15:30 (Prenzlauer Berg)
Um 15:30 Uhr umzingelte eine Gruppe von vier bis fünf jungen Neonazis eine Person an der Greifswalder Straße Ecke Erich-Weinert-Straße. Wegen eines linken Aufnähers am Rucksack des Betrofffenen schlugen sie auf ihn ein. Sie waren dabei mit mindestens einer Schlagwaffe ausgerüstet, die aber nicht eingesetzt wurde. Zudem beschimpften die Angreifer die betroffene Person immer wieder als „scheiß Zecke“. Die körperliche Gewalt ging ausschließlich von den männlichen Mitglieder der Neonazigruppe aus. Drei bis vier weibliche Neonazis, die zu der Gruppe gehörten, beteiligten sich nicht daran. Nachdem eine Zeugin drohte, die Polizei zu rufen, rannten die Angreifer los. Die Polizei nahm gegen 15:50 Uhr in der näheren Umgebung einen 14- und einen 15-Jährigen fest. Einer von ihnen trug erkennbar Kleidung vom „III. Weg“. Beide waren bereits am Vormittag in Hellersdorf bei einer Graffiti-Aktion des „III. Wegs“ anwesend. Es handelt sich bei den Festgenommenen um die Personen Unbekannt 1 und Unbekannt 3.
19:50 (PrenzlauerBerg/Pankow/Weißensee)
Kurz vor Acht wurden sieben Neonazis beim Essen vor dem StarBurger (Ostseestraße 3) beobachtet. In der Gruppe befand sich u.a. der „III. Weg“-Aktivist Larsen Aslan und ein Neonazi mit „Thor Steinar“-Mütze. Mindestens zwei von ihnen trugen weiße Schlauchtücher vom „III. Weg“. Gegen 20:30 Uhr ging die Gruppe schnellen Schrittes die Prenzlauer Promenade Richtung Brotfabrik entlang. Dabei waren sie mit Flaschen bewaffnet und trugen teilweise offen Knüppel vor sich her. Im Laufe des Abends kam es zu mehreren Großeinsätzen der Polizei im Kiez, unter anderem im Veranstaltungssaal Delphi und in der Ostseestraße, wo ein Krankenwagen eine verletzte Person versorgen musste. Ein Zusammenhang der Einsätze mit der Neonazigruppe ist anzunehmen.
Drei teilweise vermummte Neonazis beobachteten aus einem Fenster im Erdgeschoss der Thulestraße 8 die antifaschistische Demonstration „Kein Vergessen ‑ Kein Vergeben“. Unter ihnen ist der in der Wohnung wohnhafte Erik Storch sowie Unbekannt 4, der im vergangenen Jahr bereits durch einen Angriff auf Teilnehmende des CSD aufgefallen ist.
In der Talstraße wurde eine Gruppe von acht bis zehn vermummten Neonazis von der Polizei festgehalten und in eine erkennungsdienstliche Maßnahme genommen. Die Neonazis waren teilweise vermummt und trugen Kleidungsstücke vom „III. Weg“. Unter ihnen befand sich Erik Storch.
20:00 (Hellersdorf)
Am Hausprojekt AJZ KiTa/La Casa wurden zwei vermummte Personen gesehen, die hastig aus dem Garten flohen. Etwa eine Stunde später hat eine vermummte Personengruppe mehrere Raketen und Böller direkt auf das Haus geschossen. Im Umfeld des Hauses waren in der Nacht mehrere auffällige Personengruppen unterwegs. Es kam zu keinem weiteren Angriff. Eine unmittelbare Verbindung des Angriffs zum „III. Weg“ ist nicht mit Sicherheit zu bestätigen, kann aber angenommen werden.
Gegen zehn Uhr abends liefen ungefähr zehn vermummte Neonazis durch die Görschestraße in Pankow. Sie trugen schwarz-weiß-rote Sturmhauben. Sie waren in zwei Gruppen aufgeteilt und gingen von Haustür zu Haustür, möglicherweise verteilten sie dort Propaganda. Sie wirkten dabei aggressiv und gewaltbereit. Als sie von Passant*innen angesprochen wurden, sagten sie, sie würden „Zecken“ suchen. Als beobachtende Personen die Polizei anriefen, verließ die Neonazigruppe fluchtartig die Straße. In der Nähe fand ein „Konzert gegen rechts“ statt.
23:30 (Pankow)
Eine Gruppe von rund zehn Neonazis, die mit schwarz-weiß-roten Sturmhauben vermummt waren, wurde in der Heynstraße gesehen. Kurze Zeit später wurde die Gruppe erneut gesehen, wie sie die Heynstraße nach Süden lief.
Am 3. Februar 2024 hat die AfD Marzahn-Hellersdorf einen neuen Vorstand gewählt. Insgesamt konnten die extrem rechten Kräfte ihre Vormachtstellung im Bezirksverband weiter ausbauen. Neben den altbekannten Vertreter:innen völkischer Politik, wie Gunnar Lindemann oder Vadim Derksen, fällt jedoch ein neuer Name auf. Allerdings ist der frisch gewählte Beisitzer Otto-Martin Reblé bei Weitem kein politisch Unbekannter. Bis Ende 2005 war der heute 36-Jährige als organisierter Neonazi im Kameradschaftsbund „Märkischer Heimatschutz“ (MHS) aktiv. Zudem engagierte er sich noch vor wenigen Monaten als Organisator rechtsoffener „Montagsdemos“ in der Uckermark.
Martin Reblé und der MHS
Der „Märkische Heimatschutz“ wurde 2001 als Kameradschaftsnetzwerk im Nordosten Brandenburgs gegründet. Er entwickelte sich schnell zur größten und aktivsten Neonazistruktur im Bundesland.[1] Um einem Verbot zuvorzukommen löste sich der MHS im Jahr 2006 selbst auf. Während seines Bestehens unterhielt das Netzwerk angelehnt an den „Thüringer Heimatschutz“ mehrere „Sektionen“ in unterschiedlichen Städten der Region. Neben Schwedt, Prenzlau, Oranienburg oder Strausberg war Angermünde ein wichtiges organisatorisches Zentrum. Die MHS-Sektion in der Heimatstadt von Martin Reblé wurde geleitet vom bekannten Neonazi-Aktivisten Christian Banaskiewicz[2] und war zeitweise die stärkste Gruppierung des gesamten Netzwerks.
Reblé tauchte zum ersten Mal öffentlich am 6. September 2004 auf, als er hinter Gorden Reinholz, dem Chef des MHS,[3] durch Bernau marschierte. Im gleichen Jahr nahm er am 20. November beim Naziprotest gegen die „Silvio-Meier-Demo“ in Berlin-Lichtenberg teil und trug dort eine Brandenburg-Fahne. Am 27. April 2005 fand wiederum in Bernau ein Aufmarsch von 110 Neonazis mit dem Motto „Ausweisung krimineller Ausländer“statt – unter ihnen Martin Reblé.[4] Obwohl sich Reblé später vor allem als Mitläufer und Demogänger inszenieren wollte, war er auch an gewalttätigen Übergriffen beteiligt. So vermerkte der antirassistische Verein „Pfeffer & Salz“ für den 23. Oktober 2004 in seiner Chronik, wie Mitglieder des MHS auf einem Dorffest in Neuhof bei Angermünde massiv auftraten und dort nicht-rechte Jugendliche bedrohten. Unter den Angreifern wurde Otto-Martin Reblé erkannt, der in der Meldung gar als „Nachwuchskader des MHS“ bezeichnet wurde.[5] Die „Antifaschistische Initiative Reinickendorf“ spricht sogar von mehreren Bedrohungen Reblés gegenüber Jugendlichen.[6] Insgesamt war die Anti-Antifa-Arbeit sowie die Bedrohung von Andersdenkenden ein Schwerpunkt des MHS. Ein zentraler Angriffspunkt war dabei immer der Verein „Pfeffer & Salz“ aus Angermünde. Fast alle deren Veranstaltungen, egal ob Konzerte, Ausstellungen oder Infostände, wurden versucht zu stören und es kam auch zu gewaltsamen Übergriffe gegen das Büro und die Mitglieder des Vereins. Die bekannten Aktivitäten von Otto-Martin Reblé reihen sich in diese Politik der neonazistischen Raumnahme als „Kampf um die Straße“ ein.
Vom Stiefel-Nazi zum Anzug-Faschisten
Ab Ende 2005 taucht Reblé nicht mehr im Kontext des MHS auf. Er selbst gibt an, sich in der Zeit von der Neonazikameradschaft entfremdet zu haben. Ihre Politik war ihm nicht nachhaltig genug.[7] Stattdessen trat Reblé 2008 auf der Liste der „Bürger für Gerechtigkeit“ bei der Stadtverordnetenwahl in Angermünde an – ohne Erfolg.[8] Schon zu dieser Zeit versucht er sich als Aussteiger zu inszenieren, der offen mit seiner Vergangenheit umgeht. Allerdings hat nie eine umfassende Aufarbeitung seiner Zeit beim MHS oder eine tiefe Auseinandersetzung mit der neonazistischen Ideologie stattgefunden. Obwohl er mit führenden Köpfen der Brandenburger Neonaziszene bekannt war, hat er nie Informationen über seine Kameraden geteilt und so zur Verhinderung weiterer neonazistischer Gewalt beigetragen. Martin Reblé hat sich einfach irgendwann entschieden, nicht mehr mitspielen zu wollen. Ein glaubhafter Ausstieg ist das nicht. Zudem nahm Reblé noch am 28. Juli 2007 ‑ also zwei Jahre nach seiner vermeintlichen Abkehr von der Szene – an einem NPD-Aufmarsch in Cottbus teil.
So kann es auch nicht verwundern, dass Otto-Martin Reblé einige Jahre später in der AfD auftauchte. 2018 trat er in den Bezirksverband in Marzahn-Hellersdorf ein. Ein Jahr später leistete er mit weiteren AfD-Mitgliedern aus dem Bezirk Wahlkampfhilfe in unterschiedlichen Brandenburger Städten. Ansonsten ist er unregelmäßig bei Veranstaltungen der AfD Marzahn-Hellersdorf anzutreffen. So nahm er im Mai 2023 an einer Infoveranstaltung mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré im Neonazi-Restaurant „Mittelpunkt der Erde“ teil.
Daneben unterhält Martin Reblé weiterhin Verbindungen zur AfD in Angermünde und dem dortigen Kreisverband Uckermark. So besuchte er am 12. November 2022 eine interne Schulung des Verbands, die von Peter Feist geleitet wurde. Der Berliner COMPACT-Autor sprach für sein Ein-Mann-Projekt „Christian Wolff Bildungswerk“ über die „Konter-Rhetorik – Wie argumentiere ich streitbar für die Positionen der AfD“.
Die Nähe der AfD Uckermark zur extremen Rechten, wie dem COMPACT Magazin, ist nicht verwunderlich, da Hannes Gnauck im Verband eine führende Rolle einnimmt. Gnauck sitzt für die Brandenburger AfD im Bundestag, ist Bundesvorsitzender der Parteijugend „Junge Alternative“ und bekennender Vertreter des völkischen Parteiflügels.[9]
Neben seinem Engagement in der AfD war Reblé seit September 2022 war ein führender Kopf und regelmäßiger Redner der Neuauflage der rechtsoffenen „Montagsdemos“ in Angermünde.
Eingebettet in das Netzwerk „Uckermark steht auf“ drehten sich diese inhaltlich um die bekannten Themen zwischen Corona-Verschwörungserzählungen, einer autoritären Russland-Treue sowie rassistischer Stimmungsmache. Unter den zumeist 25 Demonstrierenden waren auch regelmäßig lokale AfD-Politiker:innen, wie Sigrid Splisteser. Sie engagiert sich in Angermünde maßgeblich beim AfD-Bürgerbegeheren gegen den Bau einer Unterkunft für Geflüchtete in Prenzlau. Somit haben sich für Reblé vielleicht die politischen Mitstreiter*innen verändert. Die Themen sind aber weitestgehend dieselben geblieben, auch wenn er sich inzwischen aus dem Organisationskreis der „Monatgsdemos“ zurückgezogen hat.
Neue „Heimat“ Marzahn-Hellersdorf
Nun ist Otto-Martin Reblé in den Vorstand der Marzahn-Hellersdorfer AfD gewählt worden. Dort hat er sicherlich ein wohlwollendes Umfeld für seine politische Haltung gefunden. Schließlich war in der Vergangenheit auch schon die inzwischen inhaftierte Neonazi-Terroristin Birgit Malsack-Winckemann im Bezirksverband gern gesehen.[10] Der amtierende Vorsitzende Gunnar Lindemann ist bekennender Unterstützer des völkischen Flügels der Partei sowie Mitinitiator von dessen Nachfolgestruktur „Idearium“. Zudem ist Lindemann Mitglied der russlandtreuen „Ostwind“-Vernetzung um Hans-Thomas Tillschneider und er referierte selber schon im „Castell Aurora“, dem Vorzeigeobjekt der „Identitären Bewegung“ im oberösterrichischen Steyeregg.[11] Einer seiner Stellvertreter ist Vadim Derksen. Der ehemalige Vorsitzende der „Jungen Alternative“ in Berlin ist momentan Leiter der Social-Media-Abteilung der „Jungen Freiheit“. Vor einigen Jahren nahm Derksen auch schon an Aufmärschen der „Identitären Bewegung“ teil.[12] Auch mit seiner Neonazi-Vergangenheit ist Martin Reblé in der AfD Marzahn-Hellersdorf nicht alleine. So bewegte sich das Parteimitglied Daniel Birkefeld Anfang der 1990er Jahre im Umfeld des Neonazi-Mörders Mike Lillge. Er war sogar mutmaßlich mit diesem unterwegs, als Lillge am 24. April 1992 Nguyễn Văn Tú aus rassistischen Motiven erstach.
Insgesamt zeigt die Personalie Otto-Martin Reblé erneut, wie gewalttätige Neonazis nach einigen Jahren Schonzeit eine zweite politische Karriere in der AfD anfangen können. Der Partei ist es einfach egal, was ihre Mitglieder und Funktionäre früher gemacht haben, solange sie heute treu zum extrem rechten Kurs stehen. Neonazi-Kader in Parteifunktionen sind keine Ausrutscher, sondern nur die logische Konsequenz der menschenverachtenden Politik der AfD.
Am 6. Januar 2024 fand auf dem Hellersdorfer Cecilienplatz die antifaschistische Kundgebung „Solidarität mit den Betroffenen rechter Gewalt“ statt, um rassistische Übergriffe in der Region zu thematisieren. Während der Versammlung bewegten sich ca. 6-7 Neonazis vom „III. Weg“ sowie weitere Rechte im Nahfeld der Versammlung, um Antifaschist:innen einzuschüchtern. Durch die Entschlossenheit der Kundgebungsteilnehmer:innen scheiterte ihr Vorhaben.
Eine Dreiergruppe vom „III. Weg“ postierte sich direkt vor dem Büro der Linkspartei am Cecilienplatz. Darunter war der bekannte Neonazi-Aktivist Erik Storch, der sich mit einem Pfefferspray neben der Kundgebung aufstellte. Ein weiterer Neonazi vom „III. Weg“ stand neben ihm mit angelegten Protektorenhandschuhen („Unbekannt 1“). Als Dritter versuchte sich Larsen Aslan erneut als „Anti-Antifa-Fotograf“. Bereits in den vergangenen Monaten wurde Aslan mehrfach dabei beobachtet, wie er in verschiedenen Bezirken Antifa-Demonstrationen abfotografierte. Die Bilder dienen der Einschüchterung und Erkenntnisgewinnung über politische Gegner:innen. Neben den dreien war noch mindestens eine weitere Gruppe aus dem Spektrum des „III. Wegs“ in der Umgebung unterwegs.
Zudem wurde die antirassistische Kundgebung unabhängig von mehreren lokalen Neonazis beobachtet. Während „Unbekannt 2“ und „Unbekannt 3“ zusammenstanden, war „Unbekannt 4“ alleine mit seinem Schäferhund vor Ort. Er ist bereits einschlägig durch rechte Übergriffe vor Ort bekannt.
Es ist offensichtlich, dass sich zumindest die Neonazis vom „III. Weg“ auf eine mögliche Auseinandersetzung mit Antifaschist:innen vorbereitet hatten und entsprechend mit Pfefferspray und Protektorenhandschuhen ausgerüstet waren. Ob sie vielleicht sogar einen Angriff auf die Kundgebung geplant hatten, ist unklar. Zudem deutet die weitere Neonazi-Gruppe aus dem Parteiumfeld darauf hin, dass an- und abreisende Antifaschist:innen ausgespäht wurden oder vielleicht sogar überfallen werden sollten. In dieser Situation ließen die anwesenden Cops die Neonazis gewähren. Es ist nicht das erste Mal, dass die Cops der örtlichen Abschnitte Neonazis hofieren. Aber etwas Anderes erwarten wir von den Handlangern des kapitalistischen Systems auch nicht. In Anbetracht der beschriebenen Entwicklungen ist es wichtiger denn je, den antifaschistischen Selbstschutz in Zukunft auch bei kleineren Kundgebungen konsequent zu organisieren! Schon bevor Nazis uns auflauern und bedrohen wollen, müssen wir sie zurückschlagen.