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Namen, Gesichter und Aktivitäten der Neonazigruppen DJV und JS in Berlin

Am 27. Juli 2024 versuchten rund drei Dutzend Neonazis den „Christopher Street Day“ (CSD) in Berlin anzugreifen. Hinter dem Übergriff steckte maßgeblich die Gruppierung „Deutsche Jugend Voran“ (DJV), die damit zum ersten Mal öffentlich in Erscheinung trat. Inzwischen kam es an vielen Orten zu Neonazi-Aufmärschen gegen CSD-Demonstrationen. In Bautzen, Leipzig und Magdeburg waren Neonazis von DJV aus Berlin nicht nur anwesend, sondern teilweise maßgeblich in Organisation und Strukturaufgaben tätig. DJV entwickelt sich somit zu einer zunehmend aktionsorientiert auftretenden Struktur. Zugleich zeigen die verstärkten Aktivitäten, wie die Gruppierung agiert und wer zum aktionsbereiten Kern zählt. Aufgrund der zunehmenden Vernetzung mit der Neonazi-Gruppierung von „Jung & Stark“ (JS) soll diese ebenfalls kurz beleuchtet werden.

Die Aktivitäten der Berliner DJV im August

Vor dem Übergriff auf den Berliner CSD war DJV hauptsächlich ein Internet-Phänomen. Seitdem tritt die Gruppe aber offensiv und auch zunehmend gewalttätig in der Öffentlichkeit auf. Mittlerweile versucht sie sich ebenfalls verstärkt mit anderen Gruppierungen zu vernetzen. Dies zeigte sich deutlich beim bundesweit beworbenen Neonaziaufmarsch gegen den CSD in Bautzen am 10. August 2024. Maßgeblich organisiert wurden die Neonazi-Proteste von „Elblandrevolte“ (ELR) ‑ einer Ortsgruppe der „Jungen Nationalisten“ (JN) aus Dresden. Bereits einige Tage vor dem 10. August kam es jedoch in der Sächsischen Landeshauptstadt zu einem Treffen von ELR mit einer Delegation von DJV. Wahrscheinlich wurden dort letzte Absprachen für die gemeinsame Aktion getroffen.

DJV Berlin-Brandenburg am 31.07.2024 in Dresden, rechts: Neonazi „Lucas Seifert“ alias „Chino“

Dementsprechend war eine geschlossene Gruppe von DJV bereits am Vortreffpunkt der JN anwesend. Insgesamt reisten rund 16 Berliner Neonazis aus dem DJV-Spektrum nach Bautzen. Von ihnen war jedoch nur ein kleiner Teil erkennbar in die Aufmarschstruktur eingebunden. Stattdessen übernahm ELR bzw. die JN einen Großteil der Aufgaben, wie den Ordnungsdienst oder das Anheizen per Megaphon. Dennoch trugen mehrere Berliner Neonazis das Fronttransparent von ELR und JN.

10.08.2024 Neonaziaufmarsch gegen den CSD in Bautzen. Mitglieder von DJV Berlin-Brandenburg in Bautzen mit Transparent der „Elblandrevolte“ (JN). Links am Transparent: Nick Thomas Christopher Wetzels. Rechts: „Unbekannt 40“. Foto von Thomas Witzgall

Einige Tage später, am 14. August 2024, wurden rund zehn DJV-Mitgliedern am RAW-Gelände von der Polizei festgesetzt. Zuvor waren sie sichtlich angetrunken im Friedrichshainer Kiez unterwegs. In der gleichen Woche gab es zudem ein internes Vernetzungstreffen von DJV mit den Neonazis von JS aus Berlin. Dieses Treffen fand in der Kneipe „Zum Zapfhahn“ in Berlin-Marzahn statt.

Auch JS ist ein Zusammenschluss jüngerer Neonazis, der vor allem in sozialen Netzwerken aktiv ist. Erstmals auffällig außerhalb von Social Media wurden Mitglieder von JS Berlin bei Aktivitäten gegen den CSD in Rostock (u.a. Nummer 9, hier im Artikel Unbekannt 43, und Nummer 14, Carsten Grasse). In der Vergangenheit gab es zwischen DJV und JS nur sporadische Kontakte. Die Annäherung in der letzten Zeit rührt wahrscheinlich daher, dass ELR nach den Aktivitäten in Bautzen als Bündnispartner für kommende Aufmärsche ausfiel. In einer öffentlichen Stellungnahme hatte sich die Dresdner Gruppe von den Neonazi-Protesten gegen die CSDs in Leipzig und Magdeburg zurückgezogen.

Bei den Neonazi-Protesten gegen die CSD-Veranstaltungen in Leipzig (17. August 2024) und Magdeburg (24. August 2024) konnte eine stärkere Zusammenarbeit von DJV und JS bei der Organisation und Durchführung der rechten Versammlungen beobachtet werden.

In Leipzig reiste gut ein Dutzend Neonazis aus Berlin an. Mindestens sechs von ihnen traten später bei einer improvisierten Kundgebung auf dem Bahnsteig des Hauptbahnhofs als Ordner auf. Darunter waren bekannte JS-Aktivisten, wie Carsten Grasse, aber auch DJV-Mitglieder, wie Nick Thomas Christopher Wetzels. Die neue Verbundenheit der beiden Gruppierungen drückte sich ebenfalls auf einem gemeinsamen Transparent aus. Julian Milz, führendes Mitglied von DJV Berlin, betätigte sich als Einpeitscher am Mini-Megaphon.

17.08.2024 Neonazi-Aktion gegen den CSD in Leipzig. Mitglieder von DJV Berlin-Brandenburg sind an der Organisation beteiligt. Rechts vorn mit Megaphon: Julian Milz. Foto von Pressefuchs

Nach dem gescheiterten Aufmarschversuch in Leipzig kam es auf der Rückreise zu Einschüchterungsversuchen der Berliner Neonazis auf ehemalige Teilnehmende des CSD in der Bahn.

In Magdeburg zeigte sich ein ähnliches Bild. Aus Berlin (und Brandenburg) reisten gut 20 Neonazis an. Sie übernahmen wiederum Ordner-Aufgaben, stellten das Fronttransparent und eigene Megaphone.

24.08.2024 Neonazi-Störaktion gegen den CSD in Magdeburg. Mitglieder von DJV und JS Berlin-Brandenburg am Transparent. Links unten mit Megaphon: Nick Thomas Christoper Wetzels. Rechts unten: „Tom“. Foto von Marco Kemp

Insgesamt ist die Entwicklung von DJV in Berlin im zurückliegenden Monat durchaus alarmierend. Vor allem das Aktionsniveau der Gruppierung hat sich merklich erhöht. Statt der Koordinierung von vereinzelten Saufabenden traut sich DJV inzwischen die Organisation und Durchführung überregional mobilisierter Neonazi-Aufmärsche zu. Die Gruppe ist auch außerhalb von Berlin in der Lage zumindest rudimentär eine Versammlung aufzustellen: mit Ordnungsstruktur, Transparenten und Megaphonen. Dazu reist die DJV geschlossen und mit genügend Personen an. Sicherlich ist sie noch weit von dem Organisationsniveau langjähriger Neonazi-Strukturen entfernt. Doch weitere geplante Kundgebungen und Aufmärsche könnten zu einem Lerneffekte beitragen.

Auch außerhalb von Versammlungen tritt DJV zunehmend in Erscheinung. In Berlin versuchen Gruppen aus deren Umfeld offensiv Sozialräume einzunehmen. Die verstärkte Vernetzung mit anderen Gruppen, wie JS, trägt dabei zu einem größeren Mobilisierungspool bei. In Berlin entwickeln sich somit gerade abseits vom „III. Weg“ und dessen Jugendorganisiation NRJ zunehmend aktionsorientierte und durchaus gewaltbereite Neonazistrukturen. Allerdings scheint es momentan über den gemeinsamen Aktionismus hinaus kaum einen organisatorischen Zusammenhalt zu geben. Bisher wird DJV von Events und einer eher losen Vernetzung auf Instagram und TikTok zusammengehalten. Ideologisch ist das einigende Moment vor allem eine enorme LGBTIQ*-Feindlichkeit, die mögliche inhaltliche Differenzen bislang überdeckt.

Wer sind die Akteure hinter DJV in Berlin?

Die bisherigen Beobachtungen lassen vermuten, dass DJV in Berlin aus einem Kern von 10-15 Personen besteht. Sie nehmen in wechselnden Konstellationen regelmäßig an Aktionen von DJV in der Stadt und überregional teil. Wie viele dieser Neonazis dabei aus dem Berliner Umland oder dem weiter entfernten Brandenburg kommen bzw. in welchen Berliner Bezirken DJV-Mitglieder aktiv sind, kann nicht abschließend geklärt werden. Das maximale Mobilisierungspotential der Gruppierung für einzelne Aktionen dürfte bei ungefähr 40 Personen liegen, wie der Störversuch gegen den CSD am Potsdamer Platz in Berlin gezeigt hat. Im Kontext von DJV treten einige Personen verstärkt als Tonangeber auf.

Eine zentrale Figur und mutmaßlicher Leiter von DJV Berlin ist der 23-jährige Julian Milz (geb. am 22. Februar 2001) aus Wandlitz. Bereits beim ersten öffentlichen DJV-Treffen auf dem Bunkerberg im Berliner Humboldthain trat er als Wortführer auf. Seitdem war er an allen öffentlichen Aktionen in hervorgehobener Position beteiligt. So schien er beim Übergriff auf den CSD am Potsdamer Platz die Neonazis zu koordinieren. In Bautzen lief er an der Spitze der Demonstration neben dem Fronttransparent. In Leipzig und Magdeburg heizte er die Neonazi-Proteste mit einem mitgebrachten Megaphon an. Zudem war er Teil der Gruppe, die am 14. August 2024 am RAW-Gelände festgesetzt wurde.

Vor seinem Engagement für DJV ist Julian Milz bisher politisch nicht erkennbar in Erscheinung getreten. Allerdings half er im zurückliegenden Europawahlkampf 2024 beim Aufhängen von Plakaten der HEIMAT (früher: NPD), was eine Verbindung zu der Neonazipartei nahelegt. Momentan besucht Milz noch das OSZ I Barnim in Bernau. In seiner Freizeit spielte er unregelmäßig Fußball für den FSV Basdorf. Nachdem Bekanntwerden seiner politischen Aktivität distanzierte sich der Verein von Milz und erteilte diesem laut eigenen Angaben ein Hausverbot für alle Liegenschaften. Auch der Basdorfer Trainer Marcel Teske trug diese Maßnahmen mit. In der Vergangenheit zeigte er weniger Distanz zu organisierten Neonazis, da er selbst selbst lange Zeit mit dem NPD’ler Jan Sturm in der Ü40-Mannschaft vom BFC Dynamo kickte.

Julian Milz beim Aufhängen von Plakaten von „Die Heimat“ (früher NPD)
Julian Milz (oben links) beim FSV Basdorf

Ein weiteres aktives Mitglied von DJV ist Nick Thomas Christopher Wetzels aus Berlin-Marzahn. Schon beim versuchten Übergriff auf Teilnehmende des CSD Berlin am Potsdamer Platz war er beteiligt. Zuerst erschien er als klassischer Mitläufer. Inzwischen ist er bei allen Aktivitäten von DJV anzutreffen. So trug er in Bautzen das Fronttransparent. In Leipzig und Magdeburg war er hingegen als Ordner eingesetzt. Auch er war Teil der Gruppe, die am 14. August 2024 durch den Friedrichshainer Kiez zog.

Neben Wetzels und Milz tauchen weitere Personen regelmäßig im Kontext von DJV Berlin auf. So war beispielweise „Vivi“ aus Marzahn bei allen Aufmärschen außerhalb Berlins anwesend. Zudem nutzte DJV den Platz hinter „Vivis“ Wohnhaus in der Allee der Kosmonauten 200/202 zur Vorbereitung der Transparente. Inzwischen gibt sie jedoch an, nicht mehr Teil von DJV zu sein.

Auch „Unbekannt 39“ war bisher bei allen überregionalen Aufmärschen in der Gruppe von DJV aus Berlin unterwegs, ohne jedoch erkennbar eine Aufgabe zu übernehmen.

Darüber hinaus gibt es ebenfalls aus dem Kontext von „Jung & Stark“ (JS) einige besonders aktive Neonazis. Als Wortführer der Gruppierung tritt hierbei Carsten Grasse aus Berlin-Hohenschönhausen auf. Der 26-Jährige Fan von Union Berlin fällt vor allem durch die tätowierte „Schwarze Sonne“ auf seinem Handrücken auf. Wie bereits erwähnt war er auch an einer Stör-Aktion von Neonazis gegen den CSD in Rostock beteiligt. Während er beim Neonaziaufmarsch in Bautzen noch ohne erkennbare Aufgaben am Neonazi-Aufmarsch teilnahm, wurde er in Leipzig und Magdeburg als Ordner eingesetzt. Das spricht für eine stärkere Einbindung von JS in die Planung und Durchführung der Neonazi-Versammlungen. Grasse trägt punktuell ein T-Shirt mit dem „III. Weg“-Logo. Es gibt allerdings keine Hinweise, dass er Mitglied der Neonazi-Partei ist. Generell ist Grasse umtriebig bei der Teilnahme an rechten Versammlungen. So war er ebenfalls Teilnehmer einer AfD-Kundgebung am 29.08.2024 in Berlin-Hohenschönhausen.

Auch „Unbekannt 40“ ist JS in Berlin zuzuordnen. Er nahm an allen drei überregionalen Aufmärschen teil und war jeweils am Fronttransparent eingesetzt – teilweise mit Ordnerbinde. Die Aufgabe an der Spitze der Demonstrationen spricht für eine hervorgehobene Position in der Organisationsstruktur. Während er in Bautzen noch sein Tattoo vom Hertha-Logo mit dem Gründungsjahr 1892 zeigte, vesuchte er es bei folgenden Aufmärschen zu verdecken.

Neben den genannten sind weitere Neonazis im Kontext von DJV und JS in Berlin aufgefallen. In der folgenden Übersicht finden sich vor allem diejenigen, die bei Aufmärschen hervorgehobene Positionen bekleideten und deshalb zum organisatorischen Kern der Gruppierungen gerechnet werden müssen.

Wer mehr Informationen zu ihnen oder weiteren Mitgliedern von DJV sowie JS hat, kann diese gerne an monitorberlin@riseup.net melden.


* In einer ersten Version des Artikels wurde behauptet, dass Mitglieder von DJV am 14. August 2024 vor dem Technoclub „about:blank“ provoziert hätten. Dabei handelte es sich jedoch um eine andere Gruppe Neonazis. Weiterhin wiesen Verantwortliche vom FSV Basdorf darauf hin, dass Milz inzwischen nicht mehr für den Verein aktiv wäre und auf sämtlichen Liegenschaften Hausverbot hätte. Eine letzte Änderung betraf „Vivi“, die laut eigenen Angaben inzwischen nicht mehr in der DJV aktiv sei. Ihre neonazistische Gesinnung scheint dennoch unverändert.

III. Weg und weitere Neonazis bei Antifa-Demonstration in Pankow

Autor:innen: anonym

Erstveröffentlichung unter Indymedia

Gestern fand eine Demonstration gegen Neonazis in Pankow statt. Am Rand der Demonstration tauchten ca. 21 Rechte auf, darunter mindestens 11 Personen aus dem Spektrum des III. Wegs.

Im folgenden veröffentlichen wir die Gesichter der anwesenden Neonazis vom III. Weg.
Für Hinweise zu den abgebildeten Personen könnt ihr uns eine Email schicken an:
dritterwegrecherche@riseup.net

Die Demonstration führte u.a. am Wohnhaus der Neonazis Ivonne, Robert und Erik Storch entlang. Ivonne und Robert Storch sind die Eltern des Neonazis Erik Storch und gehören ebenfalls der rechten Szene an. Am 4. Dezember 2021 flyerte Ivonne Storch bei einem Infostand des III. Wegs am Einkaufszentrum Eastgate in Marzahn. Am 9. September betreute sie einen Verpflegungsstand beim „Tag der Heimattreue“ des III. Wegs im Nordrhein-Westfälischen Hilchenbach. Neben ihr ist auch ihr Sohn Erik Storch aus Berlin angereist.

Der Neonazi Erik Storch von der Jugendorganisation des III. Wegs (NRJ) ist trotz seines jungen Alters ideologisch gefestigt. Er ist für eine Reihe körperlicher Übergriffe gegen politische Gegner:innen verantwortlich. Zuletzt fiel er durch einen versuchten Angriff auf Teilnehmende des CSD Berlin auf.

Mit Storch am versuchten Angriff beim CSD beteiligt war u.a. Luca Böttcher, der ebenfalls gestern durch die Bedrohung von Demonstrationsteilnehmer:innen auffiel. (Im Bericht zum CSD aufgeführt als Nummer 2, siehe https://kontrapolis.info/10917/)
Auch Böttcher stellt seine Gewaltbereitschaft offen zur Schau und ist fester Bestandteil des III. Wegs.

Erik Storch war darüber hinaus an zwei versuchten Angriffen auf das alternative Hausprojekt AJZ KiTa/La Casa in Hellersdorf beteiligt. Am 8. Juli 2022 tauchte er zusammen mit 12 weiteren vermummten Neonazis, u.a. mit den Neonazis Malwig Stelter und Franz Schrandt, aus dem Spektrum des III. Wegs vor dem Hausprojekt auf. Die vermummten Neonazis versuchten Menschen zu bedrohen und einzuschüchtern. Genau ein Jahr später, in der Nacht vom 8. auf den 9. Juli 2023, tauchten Storch und rund ein Dutzend weiterer Neonazis erneut vor dem Projekt auf und schmissen Feuerwerkskörper.

Ebenfalls bei der gestrigen Demonstration in Pankow war der Neonazi Larsen Aslan, der sich sowohl gestern als auch bei einer antifaschistischen Demonstration im Juli diesen Jahres in Hellersdorf als Anti-Antifa-Fotograf versuchte. Aslan, der wie Storch Fan des Berliner Fußballclubs (BFC) ist, hat bereits eine lange Vita in der Neonaziszene. Neben langjähriger Aktivität bei rassistischen Mobilisierungen in Marzahn-Hellersdorf fiel er ebenfalls durch überregionale Aktivitäten auf, wie dem Ordnungsdienst beim Heß-Aufmarsch 2018 in Berlin.

Daneben tauchte Dennis Caspar gestern in Pankow auf. In den 00er Jahren war er Teil der Lichtenberger Neonazi-Kameradschaft Tor, später gehörte er zum Umfeld der NPD Pankow. Nach dem Verbot der Kameradschaft Tor im Jahr 2005 blieben neue Versuche der Neonazis sich zu reorganisieren vorerst erfolglos. Mit dem III. Weg haben Teile der früheren Kameradschaft eine neue politische Heimat gefunden, in der sie sich wieder größer aufstellen und legal organisieren können.

Die Einschüchterungsversuche von Neonazis des III. Wegs nehmen weiter zu. Dabei ist festzustellen, dass stets die gleichen Personen beteiligt sind, die sich scheinbar unbehelligt fühlen.

Für uns bleibt klar: Nazis haben Namen und Adressen. Organisiert den antifaschistischen Selbstschutz!
Sendet uns Hinweise an dritterwegrecherche@riseup.net

Die sogenannten „Hygienedemos“ und ihre Aktuere in Berlin

Autor:innen: Recherche030

Erstveröffentlichung unter Recherche030

Die „Hygienedemos“ am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin haben sich inzwischen zu einem breiten Feld von „Hygiene“-Protesten in der ganzen Stadt entwickelt. An ihnen beteiligen sich regelmäßig mehrere hundert Personen – darunter auch zahlreiche Anhänger*innen der (extremen) Rechten sowie rechtsoffene Verschwörungsideolog*innen. Der Text gibt einen Überblick über die Entwicklung und die zentralen Akteur*innen dieser neuen Proteste.

***Da es sich bei diesem Analyse-Output um einen sehr umfangreiche Veröffentlichung handelt, haben wir ihn in einzelne, weitestgehend unabhängige Abschnitte aufgeteilt. So könnt ihr den Text in mehreren Etappen lesen oder direkt zu dem Thema springen, das euch am meisten interessiert.***

Inhalt
1 Die ursprünglichen Organisator*innen der „Hygienedemo“ – „Lenz und Partner*innen“
2 Ablauf der Demonstrationen in Berlin und ihre Teilnehmenden im Überblick
3 Konflikte mit den Organisator*innen der „Hygienedemos“ und neue Dynamiken
4 „Hygienedemos“ als Anlaufpunkt für die (extreme) Rechte
5 Tummelplatz für (Neonazi-)Hooligans und andere gewaltbereite Rechte
6 Auflistung der Akteur*innen an den „Hygiene“-Protesten
7 Fazit

Seit dem 28. März 2020 gibt es in Berlin wöchentliche „Hygienedemos“. Zu Beginn fanden sich nicht einmal 50 Teilnehmende auf dem Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte ein. Inzwischen nehmen jedoch mehrere hundert und teilweise sogar über tausend Personen an den Protesten teil.

Die unangemeldeten Versammlungen richten sich inhaltlich gegen die staatlichen Infektionsschutzmaßnahmen zur Eindämmung von COVID_19. Doch eine fundierte Kritik an einer zunehmend autoritären Regierungspolitik und wirtschaftsnahen Eindämmungsvorschriften ist kaum zu finden. Stattdessen dominieren verschwörungsideologische¹ Tendenzen, z.B. hinsichtlich einer vermeintlichen Abschaffung des bundesdeutschen Grundgesetzes oder drohenden Zwangsimpfungen. Dementsprechend nahmen an den Demonstrationen seit Beginn rechtsoffene Verschwörungsideolog*innen sowie Vertreter*innen der extremen Rechten teil. Die Veranstaltenden haben diese Entwicklungen weitestgehend ignoriert oder sogar befördert. Ähnlich verhält sich ein Großteil der Teilnehmenden, die auf diese Weise, obwohl sie sich selbst von „Nazis“ oder allgemein von „rechts“ distanzieren, Räume für Inhalte und Vertreter*innen der (extremen) Rechten schaffen. Aus diesem Grund ist eine antifaschistische Auseinandersetzung mit den Demonstrationen auf der Straße, wie auch in der Analyse unerlässlich.

Inzwischen hat sich die gesamte Szene der verschwörungsideologischen „Corona-Kritiker*innen“ ausdifferenziert. Mit „Widerstand2020“ scheint sich bundesweit eine neue Partei aus der Protestbewegung zu entwickeln. Auch in Berlin haben sich die Proteste vom Termin am Rosa-Luxemburg-Platz gelöst und finden nun verteilt an vielen Orten der Innenstadt statt. Deswegen ist es Zeit, die bisherige Entwicklung der Berliner „Hygiene“-Proteste nachzuzeichnen.


1 Die ursprünglichen Organisator*innen der „Hygienedemo“ – „Lenz und Partner*innen“

Unter dem Motto „nicht ohne uns“ organisierte eine Gruppe, die sich selbst „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“ (kurz: KDW) nennt, die ersten „Hygiene“-Aktionen am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz. Strukturell soll es sich bei der KDW um einen Verein in Gründung handeln. Als Sitz wurde lange Zeit die Berliner Volksbühne angegeben, die sich allerdings mehrmals von der Gruppe distanzierte. Bei den öffentlich bekannten Organisator*innen handelt es sich um einen Kreis, der in der Vergangenheit vor allem in der eher (links-)liberalen Kunst- und Kulturszene in Erscheinung trat. So war Mitbegründer Anselm Lenz neben seiner Tätigkeit als Theaterdramaturg ebenso freier Redakteur der taz. Auch Organisator Hendrik Sodenkamp arbeitete als Dramaturg an verschiedenen Theatern. Gemeinsam gründeten sie 2014 das viel beachtete Projekt „Haus Bartleby – Zentrum für Karriereverweigerung“. Ideologischer Kern war die öffentliche Kritik an der neoliberalen Verwertungslogik, unter dem Projektnamen entstanden u.a. ein Buch („Sag alles ab“) und ein Theaterstück („Kapitalismustribunal“). Mit der Grafikerin Batseba N‘diaye wird ein weiteres Mitglied aus dem „Haus Bartleby“ als Teil des „Demokratischen Widerstand“ geführt. Öffentlich treten weiterhin Anne Höhne (als Pressesprecherin), der Esoteriker Sven Sebastian Horner (u.a. als Demoanmelder) und Anwalt Florian Daniel für die „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“ auf.

Als zentrales Medium der Selbstdarstellung nutzt der „Demokratische Widerstand“ eine gleichnamige Zeitschrift, die jede Woche neu erscheint. Die Auflage steigerte sich dabei von 20.000 auf inzwischen – laut Eigenangaben – 500.000 Exemplare für die fünfte Ausgabe. Zu Anfang wurde die Zeitschrift laut Impressum allein in der Union Druckerei Berlin (Storkower Straße 127a, 10407 Berlin) hergestellt. Inzwischen sind aufgrund der hohen Auflage die Druckerei Monno (Ohlweg 2, 22885 Barsbüttel) als Produktionsstandort für Norddeutschland und das SM Druckhaus (Otto-Hahn-Straße 44a, 633303 Dreieich) für Süddeutschland hinzugekommen. In Berlin werden die Zeitungen zentral abgeholt und donnerstags und freitags in Großpaketen an Interessierte in der Stadt ausgegeben, die wiederum die individuellen Verteilungen (u.a. auf den Veranstaltungen) übernehmen. Das öffentliche Verteilen der Zeitungen war zu Beginn eine Taktik, mit der die geltenden Versammlungsverbote umgangen werden sollten.

In der Zeitung finden sich neben einigen eigenen Beiträgen auch Artikel anderer Autor*innen zur Unterstützung. Von ihnen hat sich u.a. der Berliner Journalist Peter Nowak öffentlich für seinen Beitrag in der ersten Zeitungsausgabe entschuldigt und sich glaubhaft von den Organisierenden distanziert. Gleiches gilt für Giorgio Agamben, der – laut Eigenaussage ohne sein Wissen – als Mitherausgeber geführt wurde. Neben der Zeitung betreibt die „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“ eine Homepage (nichtohneuns.de) mit offenem Chatserver für den bundesweiten Austausch. Sie versenden zusätzlich einen Email-Newsletter. Außerdem existiert ein bundesweiter Telegram-Kanal zur Koordination der Aktivitäten, bei dem unklar ist, ob ihn die KDW selbst administriert. Daneben existiert ein spezieller Kanal für Organisation und Vernetzung von Aktivitäten von „nicht ohne uns“ in Berlin, der zwar im offiziellen Chatserver beworben wird, aber unabhängig vom KDW zu sein scheint.

In ihren öffentlichen Auftritten inszenieren sich die Vertreter*innen der KDW als Retter*innen der Demokratie und Stimme der liberalen Opposition. Dabei berufen sie sich stets auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus sehen sie als autoritäre Eingriffe in die Grundrechte und Vorstufe zur Abschaffung der freiheitlich-demokratische Grundordnung. Trotz der wiederholten Abgrenzung gegenüber „Nazis“ bieten ihre Äußerungen zahlreiche Ansatzpunkte für (rechtsoffene) Verschwörungsideologien. So spricht der Mitbegründer des „Demokratischen Widerstand“ Anselm Lenz in einem Video beim youtube-Kanal „Hauptstadtstudio“ von März 2020 mit Blick auf das Corona-Virus von einer „massiven Betrugskampagne“ der herrschenden Klasse weltweit und zieht NS-relativierende Vergleiche zur gesellschaftspolitischen Situation 1933. Im gleichen Video mutmaßt Sodenkamp, dass die derzeitigen Maßnahmen lediglich das Klima bieten würden, um eine andere Wirtschafts- und Herrschaftsweise einzuführen. Aus ihren Thesen leiten Lenz und Sodenkamp die Forderung ab, die Regierung abzusetzen zugunsten einer „Verfassung der Ökonomie“. Eine in Ansätzen vorhandene anti-autoritäre Kritik neoliberaler Herrschaftsformen driftet somit in Verschwörungsdenken ab.

Ähnlich schwammig ist die Bündnispolitik der Gruppe. So stellte die Beteiligung von offensichtlichen Neonazis und andere Akteur*innen der (extremen) Rechten, welche die Veranstaltungen seit Beginn offensiv als Bühne für Selbstinszenierungen (z.B. als rechte Medienmacher) nutzen, kein Problem für die Organisierenden dar. Selbst am 25.04.2020 nachdem mehrfach auf die Beteiligung von (extremen) Rechten hingewiesen wurde, sprach Sodenkamp in einem Grußvideo noch von einem „Querschnitt der tollsten Menschen aus ganz Berlin“ auf der Versammlung. Zusätzlich werden auch direkte Bündnisse mit fragwürdigen Gruppen eingegangen. So sprachen auf der offiziellen Pressekonferenz am 07.05.2020 neben Anne Höhne (und Anselm Lenz) ebenfalls zwei Vertretern der „Ärzte für Aufklärung“ (Heiko Schöning und Walter Weber) sowie Lothar Hirneise von der Kampagne „Ich bin anderer Meinung“ (kurz: IBAM), der als gelernter Krankenpfleger esoterische Krebs-„Therapien“ anbietet. Weiterhin nutzt die KDW jede Chance, um wahrgenommen zu werden – ganz egal, mit wem sie dafür auftreten müssen.


2 Ablauf der Demonstrationen in Berlin und ihre Teilnehmenden im Überblick

Die Aktionen am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz zeichnen sich durch einen ähnlichen Ablauf in jeder Woche aus. Da in der Anfangszeit keine Demonstrationen angemeldet werden konnten und Lenz und Sodenkamp polizeiliche Betretungsverbote für den Platz ausgesprochen wurden, haben sich eher informelle Strukturen etabliert. Dementsprechend fehlt auch abseits der verteilten Zeitungen jeglicher Hinweis zur organisierenden Gruppe. Es gibt kein offizielles Programm oder Redner*innen, sodass Wortbeiträge spontan von einzelnen Teilnehmenden (und zumeist als Reaktion auf Polizeitätigkeiten) gehalten werden. Gleiches gilt für Schilder und Transparente, die nahezu ausschließlich selbst gemacht sind und ein breites inhaltliches Feld von sich teilweise widersprechenden Ansichten abbilden. Widerspruch zu den individuellen Aussagen findet kaum statt, sodass selbst grob menschenfeindliche Ansichten von den meisten Teilnehmenden toleriert werden. Teilweise werden die Veranstaltungen auch von politischen Gruppen genutzt, um für sich zu werben. Beispiele hierfür sind Personen mit IBAM-Schildern (s.o) oder selbstgemachte Plakaten von Widerstand 2020.

Insgesamt kommen auf den Versammlungen sehr heterogene politische Spektren zusammen (eine detaillierte Auflistung relevanter Strukturen und Einzelpersonen erfolgt unter Punkt 6): selbsternannte Corona-Skeptiker*innen und -leugner*innen, Impfgegner*innen, Anhänger*innen diverser Verschwörungsideologien (z.B. QAnon oder Anti-Bill Gates), christliche Fundamentalist*innen, Holocaust-Leugner*innen, Reichsbürger*innen („Gelbe Westen Berlin“), Bärgida-Teilnehmende, bekannte Neonazis (u.a. der NPD oder vom III.Weg), AfD-Politiker*innen und Schaulustige. Auch vereinzelte Personen, die sich selbst als „links“ verstehen, nahmen an den Veranstaltungen teil. Außerdem sind zahlreiche Vertreter*innen rechter Medien(-formate) anwesend, die reine Selbstdarstellungsbeiträge erstellen, die Versammlungen dokumentieren oder Gegendemonstrant*innen abfilmen. Daneben finden sich seit dem 25.04.2020 jedes Mal meditierende Personen unter den Demonstrant*innen. Sie folgen u.a. dem Aufruf von Ken Jebsen und Kai Stuht zur „Ignorance Meditation“.

Neben der Zeitungsverteilung und gemeinsamen Unterhaltungen sind die Versammlungen vor allem durch das polizeiliche Handeln geprägt. Während die Berliner Polizei in den ersten Wochen keine deutlich erkennbare Strategie zu verfolgen schien, setzte sich mit der Zeit eine Taktik der Absperrung, Trennung und Verfolgung durch. So werden bereits Stunden vor Veranstaltungsbeginn alle Zugänge zum Rosa-Luxemburg-Platz großräumig abgegittert, wodurch Personen erst nach längerem Warten in einem Schleusensystem auf den Platz gelassen werden. Dementsprechend stauen sich potentielle Teilnehmende an den Absperrgittern und in den anliegenden Straßen. Mit der Zeit geht die Polizei gegen diese unangemeldeten Zusammenkünfte vor, indem Anwesende individuell oder durch Lautsprecheransagen zum Verlassen der Umgebung aufgefordert werden. Wer dem nicht Folge leistet oder sich durch Schilder oder das Rufen von Parolen als Teil einer Versammlung ausweist, wird oftmals einer erkennungsdienstlichen Maßnahme unterzogen. Zur schnellen Bearbeitung der teilweise dreistelligen Anzahl an Maßnahmen wird seit dem 01.05.2020 eine spezielle polizeiliche Bearbeitungsstraße unter freiem Himmel errichtet. Insgesamt dürften in den vergangenen Wochen mehrere Hundert Anzeigen gefertigt worden sein. Auf diese Weise zerstreuen sich die wöchentlichen Ansammlungen nach einiger Zeit wieder. Alles in allem liefern die wachsenden „Hygienedemos“ der Polizei eine Möglichkeit zur Erprobung von vergleichsweise deeskalativen Konzepten der Raumkontrolle sowie Überwachung und Auflösung von Versammlungen. Besonders die eingespielten Abläufe der routinemäßigen Verfolgung und schnellen Abarbeitung einer großen Anzahl an Straftatvorwürfen dürften in der Zukunft bei vergleichbaren Großlagen erneut zum Einsatz kommen.


3 Konflikte mit den Organisator*innen der „Hygienedemos“ und neue Dynamiken

Lange Zeit hatte die KDW mit den „Hygienedemos“ aufgrund fehlender Alternativen eine Art Monopol auf Corona-kritische Proteste in Berlin. Dennoch entstanden unter den Teilnehmenden durchaus Zweifel an den Organisationsfähigkeiten der Gruppe. Einen Anlass hierfür boten erstmals die Vorkommnisse auf der Veranstaltung am 01.05.2020. Dort bewarf Anselm Lenz die anwesende Polizei aus einem Taxi heraus mit Zeitungen und wurde daraufhin in Gewahrsam genommen. In diesem Zusammenhang kursierten wilde Spekulationen über seinen Verbleib – bis hin zu einer vermeintlichen polizeilichen Entführung, die von der Gruppe selbst sowie deren Anwalt Florian Daniel verbreitet wurden. Durch dieses Vorgehen litt das nach außen vermittelte Bild der KDW als seriöse Gruppierung, die in der Lage ist, politische Forderungen zielorientiert umzusetzen.

Zugleich wurde klar, dass der ursprüngliche Organisationskreis kaum in der Lage ist, auf Veränderungswünsche der Teilnehmenden zu reagieren. Das zeigt sich vor allem beim Festhalten an der Strategie stationärer Versammlungen am Rosa-Luxemburg-Platz. Dieser erfüllt für die Organisierenden eine wichtige symbolpolitische Funktion, die von einem Großteil der Teilnehmenden kaum geteilt wird. Dementsprechend häufte sich seit dem 25.04.2020 auf dem Chatserver sowie in den Telegram-Gruppen die Kritik an der Platzwahl, da dieser als zu klein und (aufgrund der Erfahrungen) für die Polizei als zu leicht zu kontrollieren angesehen wurde. So begannen einige Interessierte selbstständig und größtenteils unkoordiniert eigene Versammlungen (auf und um den Rosa-Luxemburg-Platz) anzumelden, nachdem dies im Zuge der Änderung der Berliner Eindämmungsverordnung zum 09.05.2020 vereinfacht wurde.

Ein zentraler Schwachpunkt der Versammlungen ist das fehlende politische Profil. So sorgte der staatsaffirmative Charakter von Anfang an dafür, dass sich kaum Teilnehmende aus einem anti-autoritären „linken“ Spektrum angesprochen fühlten. Die fehlende Durchsetzung des eigenen Anspruchs „gegen Nazis“ zu sein, tat ihr übriges. Zugleich kritisieren Vertreter*innen der extremen Rechten, wie der selbsternannte „Volkslehrer“ Nikolai Max Nerling, die Versammlungen aufgrund der vermeintlich linksliberalen Vergangenheit der Organisierenden sowie ihrer Treue zum Grundgesetz, welches vor allem das Reichsbürger-Spektrum als deutsche Verfassung ablehnt. So scheint es, als ob die Versammlungen von Vertreter*innen der politischen Rechten weniger als unmittelbare politische Präsentationsfläche (durch Flyer verteilen) und mehr als Resonanzraum zur Selbstdarstellung über social-media-Videos und (live-)Streams genutzt wird. Nerling beschreibt daneben, dass er die Versammlungen zur Ansprache bisher nicht angebundener Teilnehmender nutzen wolle.

Inzwischen wird die lange Zeit fehlende Abgrenzung nach rechts zum Problem für die Organisierenden. Als sich am 09.05.2020 im Anschluss der „Hygienedemo“ über 1000 Personen am Alexanderplatz sammelten, artikulierte Hendrik Sodenkamp lautstark seine Ablehnung der anwesenden Neonazis. Diese Aussage wurde von den umstehenden Demonstrant*innen mit dem Vorwurf der Spaltung beantwortet und es fielen ihm gegenüber Rufe, wie „dann verpiss dich“. Dennoch scheint der „Demokratische Widerstand“ (bisher) keine Lehre aus dem Vorfall gezogen zu haben. Unverändert rief er für den 16.05.2020 zur nächsten „Hygienedemo“ auf. Aufgrund der inzwischen zahlreichen parallelen Aufrufe anderer Einzelpersonen und Gruppen zu weiteren Demonstrationsorten sowie der angesprochenen Problemen konnte diese jedoch kaum Teilnehmende mobilisieren.

Dementsprechend ist es der KDW vor allem gelungen, einen Protesttermin (Samstag 15:30) in Berlin (und teilweise bundesweit) zu etablieren, zu dem Mobilisierungen inzwischen zum Selbstläufer verkommen sind. Dennoch gleiten ihnen die Proteste deutlich aus der Hand, indem sie sich vom ursprünglichen Ort entfernen und im Zuge zahlreicher paralleler Anmeldungen und Aurufe in der gesamten Berliner Innenstadt zerstreuen. In diesem Sinne gibt es in Berlin nicht mehr eine zentral organisierte „Hygiene“-Demo, sondern vielmehr ein Feld zahlreicher (Klein-)Proteste, die teilweise nebeneinander stattfinden und deren Teilnehmende sich zwischen Veranstaltungen im Stadtgebiet bewegen. Die Koordination der einzelnen Versammlungen erfolgt im Vorfeld überwiegend über Telegram-Kanäle sowie social-media-Plattformen, wo die unterschiedlichen Aufrufe geteilt oder gesammelt werden. Einerseits führt diese Entwicklung zu einer Zersplitterung der Großproteste in kleinere Formate, die in ihrer Vielzahl auch für Interessierte schwer zu überblicken ist, zumal teilweise auch Veranstaltungen angekündigt werden, die nicht stattfinden (wie die Demonstration am 16.05.2020 vom S-Bahnhof Friedrichstraße). Andererseits entsteht durch die Vielzahl an Versammlungen an unterschiedlichen Orten eine schwer abzuschätzende Dynamik eines sich stetig verändernden Protestgeschehens, sodass am 16.05.2020 hunderte Verschwörungsideolog*innen ungehindert und nahezu ohne Polizeibegleitung von der Siegessäule bis zur Spandauer Straße ziehen konnten. Momentan laufen in der Organisationsgruppen verstärkt Debatten zur zukünftigen Gestalt der Proteste, wobei die Konzepte zwischen einer großen Masse an Kleinveranstaltungen im ganzen Stadtgebiet und zentral organisierten Massen-Veranstaltungen schwanken, deren konkreter Ort kurzfristig bekannt gegeben werden soll.


4 „Hygienedemos“ als Anlaufpunkt für die (extreme) Rechte

Während die Organisierenden von Beginn an keine Probleme mit der offensichtlichen Teilnahme von Anhänger*innen der (extremen) Rechten hatten, findet sich diese Distanzlosigkeit ebenfalls unter den Teilnehmenden wieder. In Video-Interviews oder (Telegram-)Chats ist immer wieder zu vernehmen, dass sich viele weder als „rechts“ noch „links“ verorten würden. Dementsprechend spricht sich kaum eine teilnehmende Person gegen offensichtliche Neonazis oder menschenverachtende Aussagen im Rahmen der Veranstaltungen aus. Auch in den entsprechenden digitalen Kommunikationskanälen können offen rechte Inhalte (z.B. von der „Identitären Bewegung“) oder Verweise zu entsprechenden Medienformaten weitestgehend kommentarlos gepostet werden.

Eine erkennbare Abgrenzung gibt es vor allem nach links. Zwar werden durchaus „Ton Steine Scherben“-Songs geteilt oder Rätemodelle zur Organisation diskutiert, doch es sind ebenso starke anti-linke Tendenzen, vor allem in Bezug auf eine offene Ablehnung von antifaschistischen Protesten auszumachen. Das Feindbild „Antifa“ wird oftmals entlang bekannter rechten Verschwörungen konstruiert, wie einer vermeintlichen Steuerfinanzierung (des „Antifa e.V.“) durch die bundesdeutsche Regierung, die als verlängerter Arm staatlicher Politik auf der Straße vermeintlich gerechtfertigte Proteste mit der „Nazikeule“ spalten soll. Dementsprechend stellt das Selbstbild einer Bewegung abseits eines „Rechts-Links-Denken“ vor allem ein Einfallstor für die (extreme) Rechte und ihre Inhalte dar.

Deren Akteur*innen sehen wiederum die „Hygienedemos“ vor allem als Chance, ohne große Widersprüche eigene Schwerpunkte zu setzen, auch wenn sie die Ansichten von Lenz und Co nicht teilen. So wirbt der ehemalige Berliner NPD-Vorsitzende Sebastian Schmidtke auf Facebook mit dem Spruch „Wer Grundrechte einschränkt, der muss mit unserem entschiedenen Widerstand rechnen!“. Auf diese Weise nutzt die Partei angesichts der eigenen politischen Bedeutungslosigkeit die Dynamik der Proteste, um Inhalte strategisch zu positionieren und sich bei potentiell Interessierten anzubiedern. Dementsprechend waren Mitglieder der NPD Berlin und Vertreter*innen der partei-eigenen „Schutzzonen“-Kampagne in den letzten Wochen stets auf den Versammlungen vor Ort – ohne jedoch eine auffällige Aktivität über das Filmen der eigenen Teilnahme hinaus zu entwickeln. Eine ähnliche Strategie verfolgt die Neonazi-Kleinpartei „Der III. Weg“, die in den aktuellen Protesten eine „Bewegung“ zu erkennen glaubt, die einen Wandel will und die nun in Richtung eines „Deutschen Sozialismus“ geführt werden müsse. Dabei tauchten in Berlin schon früh Sticker der Partei in der Umgebung der „Hygienedemos“ auf (u.a. mit der Aufschrift „Corona beweist: Globalisierung tötet! – Deutscher Sozialismus jetzt!“). Außerdem nahmen Parteimitglieder und Kader aus Berlin und Brandenburg vereinzelt an Veranstaltungen teil und verteilten u.a. am 16.05.2020 Aufkleber und Papierschnipsel mit Parteiwerbung (z.B. „Widerstand gegen die da oben!“ oder „Das System ist gefährlicher als Corona!“). Die Möglichkeit einer ideologischen Öffnung der Proteste nach rechts beschreibt auch der selbsternannte „Volkslehrer“ Nikolai Nerling als einflussreicher Themengeber in der völkischen Rechten in seinen Videos von den Veranstaltungen. Obwohl er sich von den Organisierenden distanziert, sieht er in den „Hygienedemos“ einen potentiellen „Volksaufstand“, bei dem er vor Ort ein „rechtes Gegengewicht“ schaffen möchte. All das zeigt, wie die (extreme) Rechte versucht, sich die aktuellen Demonstrationen zu nutzen, um ihre Inhalte zu verbreiten oder neue Anhänger*innen zu erreichen. Ermöglicht wird dies sowohl durch das Fehlen einer konsequenten Haltung gegen Neonazis als auch den mangelnden Willen, deren Teilnahme als Problem anzuerkennen. Sollte diese Entwicklung einer Öffnung nach rechts anhalten, können die „Hygienedemos“ trotz ihrer oftmals angepriesenen Toleranz für jene Personen und Gruppen gefährlich werden, die von extrem rechter Ausgrenzung betroffen sind.


5 Tummelplatz für (Neonazi-)Hooligans und andere gewaltbereite Rechte

Lange Zeit spielten die entsprechenden Akteur*innen aus den unterschiedlichen Spektren der extremen Rechten auf den „Hygienedemos“ eine eher untergeordnete Rolle als „einfache“ Teilnehmende. Dies änderte sich spätestens mit dem 09.05.2020 als verstärkt (rechte) Hooligans und ähnlich gewaltaffine Gruppen auf den Veranstaltungen und in deren Umfeld anzutreffen waren. Mit ihnen kippte auch die Stimmung, die vor allem beim spontanen Protest auf dem Alexanderplatz zunehmend aggressiver wurde, sodass z.B. die anwesende Polizei nicht nur verbal beschimpft, sondern auch offensiv körperlich angegangen wurde. Eine offensichtliche Vereinszugehörigkeit war vor allem bei einzelnen Hertha-Anhänger*innen sowie einigen Grüppchen mit Bezug zum BFC Dynamo zu erkennen. So nahmen beispielsweise Vertreter der alten Hooligan-Garde um die rechtsoffene „Kameradschaft Weinrotes Ost-Berlin“ (kurz: KWO; zu erkennen an den Kleidungsstücken mit eigenem Logo) an den Protesten teil.

Zu eben solchen gewaltaffinen Rechten aus dem BFC-Umfeld zählt auch die Clique um Steve Koek, der am 09.05.2020 und 16.05.2020 u.a. mit dem Neonazi Robert Lüdtke im Umfeld der Proteste anwesend war.

Der selbstständige Security Koek ist ehemaliges Mitglied des „Bündnis Deutscher Hools“ (BDH). Er rief u.a. am 09.11.2014 zu einem geplatzten Hooligan-Aufmarsch am Alexanderplatz auf und organisierte eine rechte Demo mit 50 Teilnehmenden am 19.03.2016 in Hellersdorf. Zudem organisierte er am 20.08.2015 einen Angriff auf eine Unterkunft für Geflüchtete am Blumberger Damm in Marzahn. Mit selbstgebastelten Fackeln näherten sich Koek und weitere BDH-Anhänger*innen der Unterkunft. Glücklicherweise scheiterte der Angriff. Für die Tat wurde Koek 2018 zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten (ausgesetzt zu zwei Jahren Bewährung) verurteilt. In der Verhandlung gab eine Zeugin an, dass sie Morddrohungen erhalte, wenn sie „was gegen Steven sagt“. Klar ist jedoch, dass Koek Einladungen zu dem Angriff an sein Umfeld verschickte und auf Rückfragen antwortete, es solle „brennen und fliegen“. Dies stritt er vor Gericht vehement ab und beschuldigte andere, für die Organisation des Angriffs verantwortlich gewesen zu sein. Obwohl Koek während des Prozesses behauptete, mittlerweile „ausgestiegen“ zu sein, spricht sein Umfeld, mit dem er an den Protesten teilgenommen hat, eine andere Sprache. Zudem ist Koek mittlerweile offener Sympathisant des „Gremium MC“. Dass er weiterhin in hohem Maße gewaltaffin ist, belegen seine Videos und Kommentare zur „Hygienedemo“: „1989 wurde die Demokratie schon einmal gestürzt, weil es ihnen gereicht hat und sie den Mut und die Eier hatten.“

Mit dem Anwachsen der „Hygienedemos“ in Berlin und deren schwer zu überschauender Zerstreuung entwickeln sie sich daher zu einem attraktiven Angebot für gewaltaffine Gruppen (der extremen Rechten), die im Schutz der Menge und im Angesicht einer polizeilichen Überforderung versuchen zu agieren. Dabei werden sie von einem Großteil der Anwesenden verbal vor Ort oder in nachträglichen Internetpostings unterstützt, sodass sich gefährliche Aktionsräume für rechte Gewalt gegen Andersdenkende oder abgelehnte Gruppen öffnen. Dies zeigt auch die Beteiligung von Mirko Tambach und Oliver Werner, militante Neonazis, die im Umfeld der Proteste anzutreffen waren.

Oliver Werner war lange Zeit von der Bildfläche verschwunden. Anfang der 90er fand man in seiner Wohnung Anleitungen zum Bombenbau, ein ranghoher Aussteiger beschrieb ihn als „brutalen und vom Nazigeist zerfressenen Fanatiker“. Der Neonazi, der u.a. wegen seiner Aktivitäten im Rocker- und Rotlichtmilieu jahrelang inhaftiert war, gilt als politischer Ziehvater des Neonazis Sebastian Thom, der für zahlreiche Angriffe auf Antifaschisti*innen in Neukölln verantwortlich ist.


6 Auflistung der Teilnehmenden an den „Hygiene“-Protesten

Wie bereits erwähnt ziehen die Proteste gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen in Berlin seit ihrem Beginn ein heterogenes Spektrum an Teilnehmenden an. Im Folgenden sollen einige wichtige Gruppen bzw. Szenen und ihre Akteur*innen kurz vorgestellt werden.

a) AfD

Zu Beginn hatte die Partei massive Schwierigkeiten, eine politische Linie in Anbetracht der Corona-Krise zu finden. Inzwischen biedert sie sich bundesweit den rechtsoffenen Protesten an, da sie hier Anschlüsse für ihre autoritäre Elitenkritik sieht. In Berlin nutzen vor allem Repräsentant*innen der offen völkischen „Flügels“ der Partei die Versammlungen zur Selbstdarstellung. Hierbei fallen insbesondere Vertreter*innen der Bezirksverbände aus Marzahn-Hellersdorf sowie Steglitz-Zehlendorf auf. Um legitim an den unangemeldeten Protesten teilnehmen zu können, berufen sie sich auf ihre Funktion als vermeintliche parlamentarische Beobachter*innen, wobei auch einfache Parteimitglieder ohne dieses Privileg anwesend sind. Besonders absurd wird eine solche Begründung bei Hansjörg Müller, der für die AfD im Bundestag sitzt und am 09.05.2020 mit Plakat in vorderster Reihe der Proteste am Alexanderplatz stand. Am 16.05.2020 veranstaltete die AfD eine eigene angemeldete Kundgebung vor dem Brandenburger Tor. Schon zuvor am 07.05.2020 versammelten sich AfDler in Neukölln und in Lichterfelde zu kleineren Kundgebungen.

Alphabetische Aufzählung der AfD-Politiker*innen und Sympathsant*innen auf den „Hygiene“-Protesten in Berlin:

  • Andreas, Joachim (BV Steglitz-Zehlendorf) – Bild
  • Auricht, Jeanette (MdA, BV Marzahn-Hellersdorf) – Bild
  • Barbe, Angelika (Kuratoriumsmitglied der parteinahen Desiderius-Erasmus-Stiftung) – Bild
  • Bauer, Stefan (AfD-Vorstand Rosenheim) – ohne Bild
  • Busch, Olaf (BV Pankow) – Bild
  • Günther, Lars (MdL Brandenburg) – Bild
  • Janke, Falk (KV Märkisch-Oderland) – Bild
  • Lausch, Marcus (Berlin) – Bild
  • Lindemann, Gunnar Norbert (MdA, BV Marzahn-Hellersdorf) – Bild
  • Marten, Thomas (KV Charlottenburg-Wilmersdorf) – ohne Bild
  • Matthie, Carolin (BV Treptow-Köpenick) – Bild
  • Möller, Wilko (MdL Brandenburg) – Bild
  • Müller, Hansjörg (MdB, Bayern) – Bild
  • Nedderhut, Joachim (BV Marzahn-Hellersdorf) – Bild
  • Nieswandt, Mario (KV Märkisch-Oderland) – Bild
  • Pachal, Bernd (BV Marzahn-Hellersdorf) – Bild
  • Pierenz, Irina (BV Lichtenberg) – Bild
  • Sondermann, Johannes (BV Neukölln) – Bild
  • Wild, Andreas (MdA fraktionslos, BV Steglitz-Zehlendorf) – Bild

Alphabetische Aufzählung der AfD-Politiker*innen und Sympathsant*innen, die ausschließlich an der Kundgebung am 16.05.2020 vorm Brandenburger Tor teilgenommen haben:

  • Adam, Michael (Vorsitzender AfD Pankow)
  • Arlt, Maria (BV Marzahn-Hellersdorf)
  • Bussmann, Joel (JA Berlin)
  • Fest, Nicolaus (Notvorstand AfD Berlin)
  • Hansel, Frank-Christian (Schatzmeister, AGH)
  • Piehl, Stephan (BV Neukölln)
  • Schmiedel, Rino (BV Reinickendorf)
  • Tetsch, Rainer (AfD Pankow)
  • Wendt, Yannick (BV Neukölln)
  • Wiedenhaupt, Rolf (Vorsitzender AfD Reinickendorf)

b) Organisierte Neonazis

Zu den organisierten Neonazis zählen diejenigen, die nachweislich in Strukturen und Organisationen der extremen Rechten aktiv sind, durch ihre Aktivitäten das Handeln der Szene beeinflussen oder über ein signifikantes Netzwerk in die Bewegung eingebunden sind. Bei den nachfolgend aufgeführten handelt es sich nur um diejenigen, die zweifelsfrei namentlich bekannt sind. Sie bilden nur einen kleinen Ausschnitt der tatsächlich Anwesenden aus dem Spektrum der organisierten Rechten ab, da sie beispielsweise vielfach mit unbekannten Begleiter*innen unterwegs waren. Daneben traten vor allem Neonazi-Aktivisten der NPD im Umfeld der „Hygienedemos“ auf.

  • Evler, Lilith („Gelbe Westen Berlin“, III.Weg Berlin) – Bild
  • Fischer, Matthias (III.Weg Stützpunktleiter Brandenburg) – Bild
  • Gleisinger, Ruggiero (NPD, Schutzzonen-Aktivist) – ohne Bild
  • Graziani, Eric („Patriotic Opposition“, völkischer Aktivist) – Bild
  • Gröper, Dietmar („Identitäre Bewegung“ Berlin, Sympathisant III.Weg) – Bild
  • Hömke, Dietmar (NPD Berlin) – Bild
  • Käfer, Andreas (NPD Landesvorsitzender Berlin) – Bild
  • Klemm, Paul („Identitäre Bewegung“ Berlin) – Bild
  • Oeltze, Oliver (Kameradschaftsaktivist, III.Weg Berlin) – Bild
  • Schreiber, Peter (Landesvorsitzender NPD Sachsen, Chefredakteur „Deutsche Stimme“) – Bild
  • Schwarzbach, Lennart (NPD Hamburg) – Bild
  • Stelter, Andrew (NPD Berlin) – Bild
  • Uttke, René (Neonazi-Aktivist Marzahn-Hellersdorf) – Bild
  • Voigt, Udo (NPD Berlin) – Bild
  • Werner, Oliver (militanter Neonazi-Aktivist) – ohne Bild

c) Unorganisierte Anhänger*innen der extremen Rechten und rechtsoffene Verschwörungsideolog*innen

In den letzten Jahren hat sich in Berlin ein breites Spektrum aktiver Kleinstgruppierung aus unterschiedlichen Spektren der extremen Rechten sowie rechtsoffenen Verschwörungsideolog*innen etabliert, die vor allem über öffentliche Versammlungen Aufmerksamkeit erregen wollen. Insbesondere von Veranstaltungen aus dem Reichsbürgerspektrum (u.a. „Gelbe Westen Berlin“) oder Bärgida sind zahlreiche, aber leider oftmals unbekannte, Teilnehmende auf den „Hygiene“-Protesten anzutreffen. Gleiches gilt für rechte Hooligans, von denen einige bereits vor einigen Jahren in HoGeSa-Zusammenhängen oder dem Berliner „Bündnis Deutscher Hools“ aufgefallen sind. Auch rechtsoffene Verschwörungsideolog*innen, oftmals aus dem Umfeld der „Friedensmahnwachen“, nehmen an ihnen teil. Doch auch ungebunden, aber ideologisch gefestigte Holocaustleugner nutzen die Versammlungen um öffentlich in Erscheinung zu treten.

Einen Sonderfall bildet Attila Hildmann, der als cholerischer Vegan-Unternehmer bundesweit bekannt war. Seit dem Beginn der Eindämmungsmaßnahmen im Kontext von Corona verbreitet er jedoch massiv Verschwörungsdenken und betreibt neben diversen (inzwischen teilweise gesperrten) social-media-Kanälen auch einen eigenen verschwörungsideologischen Telegram-Kanal. Hildmann teilt in diesem Zusammenhang diskriminierende Inhalte, wie antisemitsiche Verschwörungen, oder Beiträge aus dem Spektrum der (extremen) Rechten. Zudem hat er begonnen, eigene Versammlungen (vor dem Reichstagsgebäude) abzuhalten, die ebenfalls Akteur*innen und Sympathisant*innen der (extremen) Rechten anziehen. Obwohl Hildmann nicht ideologisch gefestigt ist, sorgt er mit seinem Handeln für eine Ausweitung rechter und verschwörungsideologischer Handlungsräume.

  • Begi, Reza (Holocaustleugner) – Bild
  • Boes, Ralph (Querfront, Bürgerinitiative bedingungsloses Grundeinkommen) – Bild
  • Khazaeli, Amin (versucht bei organisierten Neonazis Anklang zu finden, in dem er politische Gegner provoziert und outet) – Bild
  • Koek, Steven (vorbestrafter Neonazi, ehemals „Bündnis deutscher Hools“) – Bild
  • Lange, Lothar (Reichsbürger) – Bild
  • Lüdtke, Robert (Nazi-Booligan vom BFC) – Bild
  • Hildmann, Attila (rechtsoffener Verschwörungsideologie-Anhänger mit massiver öffentlicher Reichweite) – Bild
  • Muzyga, Olek (prorussische Querfront) – Bild
  • Süß, Martin (Reichsbürger) – Bild
  • Schütte, Hagen (Reichbürger) – Bild
  • Stuht, Kai (rechtsoffener Verschwörungsideologe, „Ignorance Meditation“) – Bild
  • Sturm, Jan (Neonazi, ex-NPD) – Bild
  • Walther, Gerd (Holocaustleugner) – Bild

d) Rechte, rechtsoffene und verschwörungsideologische Medienschaffende

Aufgrund der bundesweiten Aufmerksamkeit sind die Berliner „Hygiene“-Demos ein attraktiver Raum für rechte und rechtsoffene Medienschaffende aus unterschiedlichen Kontexten, die so ihre Reichweite vergrößern wollen. Obwohl nur wenige von ihnen über einen offiziellen Bundespresseausweis verfügen, werden sie auch mit (teilweise grotesk schlechten) Imitaten von der Polizei in die Pressebereiche vorgelassen und können sich entsprechend frei auf den Veranstaltungen bewegen. Mit einem vermeintlich professionellen Auftreten versuchen sie auch teilweise linke Gegendemonstrierende zu Statements zu bewegen.

  • „Aktivist Mann“ Matthäus Westfal (rechter Youtuber) – Bild
  • Bauer, Stefan (AfD-Videoaktivist, s.o.) – ohne Bild
  • Jebsen, Ken (Verschwörungsguru, Kanal KenFM) – Bild
  • Lejeune, Martin (rechter Video-Journalist und Erdogan-Fanboy) – Bild
  • Matthie, Carolin (AfD-Youtuberin, s.o.) – Bild
  • Mertens, Martin-Müller (Chef vom Dienst COMPACT) – Bild
  • Michael Mross (MMNews, RT deutsch) – ohne Bild
  • Nerling, Nikolai Max („Der Volkslehrer“, völkischer Youtuber) – Bild
  • Nieswandt, Mario (Seelow TV, AfD-Videoredakteur) – Bild
  • Sixx, Billy (freier Journalist, u.a. „Junge Freiheit“, Youtuber) – Bild
  • Sta, Christian (freier Videojournalist, rechtsoffener Youtuber) – Bild
  • Schenk, Thomas (Verwörungsideologie-Kanal eingeSCHENKt TV) – Bild
  • Schrang, Heiko (verschwörungsideologischer Autor und Youtuber) – Bild
  • Szarvasy, Julia (verschwörungsideologischer-Kanal Nuoviso TV) – ohne Bild
  • Tino („Last Man Standing“, Videoreporter für „Digitaler Chronist“) – Bild
  • Tretschog, Mathias (Youtuber, Friedensdemo-Querfrontler) – Bild
  • Vrecar, Sascha (Verwörungsideologie-Kanal eingeSCHENKt TV) – Bild

e) Widerstand 2020

Im Zuge der bundesweiten Proteste gegen die Corona-Eindämmungsmaßnahmen gründete sich die Bewegung „Widerstand 2020“, die laut Eigenauskunft einen Parteienstatus anstrebt. Die ursprünglichen Initiator*innen sind der Leipziger Rechtsanwalt Ralf Ludwig, der Arzt Bodo Schiffmann aus Sinsheim und die angehende Psychologin Victoria Hamm aus Lehrte, die sich inzwischen von den Parteiaktivitäten zurückgezogen hat. Die selbsternannte Partei befindet sich momentan in der Aufbauphase und versucht bundesweite Strukturen zu etablieren. Der Berliner Landesverband gründete sich am 13.05.2020 und verfügt momentan über eine vorläufige Leitung. Die Koordination der Aktivitäten von „Widerstand 2020“ läuft in Berlin vor allem über Telegram-Gruppen, wobei es für jeden Bezirk Untergruppen für eine möglichst basisnahe Organisation gibt. Teilweise haben in den einzelnen Bezirken bereits Gruppentreffen stattgefunden und es wurden Verbindungsleute zur berlinweiten Koordination bestimmt. Momentan tritt „Widerstand 2020“ in Berlin noch nicht als eigenständige Gruppierung in der Öffentlichkeit auf. Schilder mit entsprechenden Verweisen auf Demonstrationen gehen auf individuelle Aktivitäten zurück. Dennoch versuchen die Bezirksgruppen organisatorisch tätig zu werden und veranstalten beispielsweise Treffen zur gemeinsamen Anreise zu den Demonstrationen in der Innenstadt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Aktivitäten von „Widerstand 2020“ entwickeln und ob die bundesweiten „Hygienedemos“ die Funktion einer Art Vorfeldorganisation der neu entstehenden Partei erfüllen werden, ähnlich wie es PEGIDA und andere völkisch-autoritäre Proteste für die AfD waren.


7 Fazit

Ausgehend von den regelmäßigen unangemeldeten Kundgebungen gegen die staatlichen Corona-Eindämmungsmaßnahmen, die von der „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“ um Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp seit Mitte März organisiert wurden, hat sich inzwischen ein breites Feld von „Hygiene“-Protesten in Berlin entwickelt. Dies hängt auch damit zusammen, dass die ursprünglichen Kundgebungen keine erkennbare Struktur hatten, sodass die Teilnehmenden stets eigeninitiativ handeln mussten und dies aufgrund der fehlenden Anpassungsfähigkeit der Organisationsstrukturen auch taten. Die gegenwärtigen Proteste haben sich von der ursprünglichen Kundgebung auf dem Rosa-Luxemburg-Platz gelöst und finden mittlerweile als angemeldete Kleinversammlungen oder spontane Zusammenkünfte in der gesamten (östlichen) Innenstadt sowie dem Regierungsviertel statt. Die früheren Initiator*innen nehmen dabei nur noch eine untergeordnete Position ein. Sie können die von ihnen ausgelöste Dynamik nicht mehr beeinflussen und scheinen dies auch nicht zu wollen. Auch als intellektuelle Stichwortgeber*innen der Bewegung wurden sie von anderen Akteur*innen vorwiegend aus dem Spektrum verschwörungsideologischer Youtube-Kanäle abgelöst, obwohl die von ihnen herausgegebene Zeitung „Demokratischer Widerstand“ weiterhin verteilt und gelesen wird.

Seit Beginn ziehen die „Hygiene“-Proteste eine sehr heterogene Teilnehmer*innenschaft an, von der Viele kaum über Erfahrungen auf politischen Versammlungen verfügen. Während anti-autoritäre Strukturen jedoch aufgrund der weitestgehend staatsaffirmativen sowie in Teilen verschwörungsideologischen Inhalte den Veranstaltungen fernbleiben, nehmen Vertreter*innen der (extremen) Rechten sowie rechtsoffene Verschwörungsideolog*innen ungehindert teil, da keine konsequente Haltung gegen rechts existiert. Stattdessen hat sich unter den Teilnehmenden ein Selbstbild etabliert, das sich zwar im Einklang mit der bürgerlichen „Anti-Extremismus“-Doktrin äußerlich von „links“ und „rechts“ abgrenzt, aber unter dem Deckmantel der Toleranz alle willkommen heißt, die vorgeben das gleiche Ziel zu teilen. Auf diese Weise entstehen Entfaltungsräume für extrem rechte oder allgemein menschenverachtende Inhalte und ihre Träger*innen, die zugleich als vermeintlich gleichartige Teilnehmende normalisiert werden. Auf diese Weise können die Proteste sowie die mit ihnen verbundenen Kommunikationsräume in Telegram-Kanälen oder auf Youtube auch als Einstieg in weiterführendes Verschwörungs- und Ungleichwertigkeitsdenken dienen. Eine dezidierte Abgrenzung existiert hingegen nach links und vor allem gegenüber antifaschistischem Engagement, das in einer Abwehrreaktion gegen die vorgebrachte Kritik abgelehnt wird, wobei auch an dieser Stelle auf Versatzstücke rechten Verschwörungsdenkens zurückgegriffen wird. Lange Zeit nutzten die Vertreter*innen der (extremen) Rechten die Veranstaltungen vorwiegend als Raum zur Selbstdarstellung. Inzwischen sind jedoch Tendenzen einer weiterführenden Raumnahme zu beobachten, sodass unter dem Einfluss gewaltaffiner Strukturen, vor allem aus einem rechtsoffenen Hooliganmilieu, eine steigende Aggressivität innerhalb der Versammlungen festzustellen ist, die von den übrigen teilnehmenden gedeckt oder sogar begrüßt wird. Insgesamt bieten gerade die sich momentan über weite Teile der Innenstadt verstreuenden Proteste ideale Gelegenheiten, um unerkannt Gewalt auszuüben. Dabei scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sich diese nicht mehr nur gegen die anwesenden Polizeikräfte, sondern gegen politische Gegner*innen oder abgelehnte Gruppen richtet.

Sicherlich handelt es sich bei den Teilnehmenden der „Hygiene“-Proteste nicht komplett um Nazis, „Verschwörungsheinis“ oder „Covidioten“. Teilweise scheinen sie durchaus von im Grunde nachvollziehbaren Motiven angetrieben zu sein, indem sie die Auswirkungen autoritärer Herrschaftsstrukturen im neoliberalen Kapitalismus und die Passivierung der Bürger*innen kritisieren oder einen entfesselten Einfluss privater bzw. wirtschaftlicher Akteur*innen auf die politische Entscheidungsfindung ablehnen. Allerdings ist es nicht zu entschuldigen, wenn diese instinktiven Empörung in die einfachen Schwarz-Weiß-Erklärungen verschwörungsideologischer Lösungen und die Deckung menschenfeindlicher Ansichten mündet.

Wie eine wirksame Gegenstrategie von links aussehen kann, ist an dieser Stelle (und mit Blick auf die notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen auch im Protest) schwer zu beantworten. Die bisherigen Interventionen waren in vielen Teilen notwendig und konnten gerade in Bezug auf den Rosa-Luxemburg-Platz durchaus den „Hygiene“-Protesten den Platz streitig machen. Im Angesicht von verstreuten Protesten wird diese Strategie nicht dauerhaft aufgehen können. Allerdings werden die Argumente des Gegenprotests kaum wahrgenommen. Gleiches gilt für Strategie-Diskussionen oder seitenweise Debattenpapiere, die nur szeneintern kursieren. Eine konsequente antifaschistische Position kann jedoch nicht hinnehmen, dass die extreme Rechte und rechtsoffene Verschwörungsideolog*innen an Raum gewinnen. Dementsprechend gilt es auch denjenigen, die ihnen bereitwillig diesen Raum bieten, die Konsequenzen ihres Handelns vor Augen zu führen und eine konsequente Haltung gegen Menschenfeinde einzufordern. Die Strategie mit Faschist*innen für das Grundgesetz zu demonstrieren kann nicht aufgehen. Die Teilnehmenden der „Hygiene“-Demonstrationen sind nicht alle „Nazis“, aber sie unternehmen auch nichts gegen rechte Tendenzen auf ihren Veranstaltungen. Dementsprechend gilt der alte Slogan weiterhin: „Wer mit der NPD marschiert, ist ein Arschloch!“


Fußnote:

1 Wir benutzen das Wort „verschwörungsideologisch“. Der oft verwendete Begriff „verschwörungstheoretisch“ ist irreführend, da es sich bei den vertretenen Ansichten nicht um (wissenschaftlich) fundierte Theorien handelt.

Die Köpfe der Berliner „Schutzzone“

Autor:innen: Recherche030

Erstveröffentlichung unter Recherche030

Ein Jahr ist seit den versuchten Naziangriffen im Neuköllner Schillerkiez vergangen.¹ Viel spricht für eine Beteiligung der Neuköllner Neonazis Robin-Oliver Band und Maurice Pollei. Beide sind Aktivisten der NPD-Kampagne „Schutzzone“. Was ist die „Schutzzonen“-Kampagne, wer sind zentrale Akteure und was sind ihre Aktivitäten?

Die „Schutzzone“ ist eine bundesweite NPD-Kampagne. Erklärtes Ziel sei es, Deutsche mittels einer „Bürgerwehr“ zu „schützen“, da der Staat diese Aufgabe nicht „richtig“ übernehme. Um auch andere Spektren anzusprechen, treten die Nazis bewusst nicht als Partei auf. In Berlin handelt es sich dabei um eine kleinere Gruppe – überwiegend männlicher – NPD-Aktivisten. Inwieweit es tatsächlich zu längeren Patrouillen durch die „Schutzzone“ kommt, ist zweifelhaft, da sie bisher hauptsächlich durch Fotos im Internet in Erscheinung getreten sind. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei der „Schutzzone” vor allem um eine Inszenierung von Straßenpräsenz handelt. Weitere Aktivitäten der „Schutzzone“ sind u.a. das Bereitstellen von Hilfs-Securitys auf Veranstaltungen,² wie beim monatlichen „Dienstagsgespräch“ in Berlin.³ Außerdem posieren sie hin und wieder beim Aufsammeln von Müll.

Oliver Niedrich

Leiter der Berliner Kampagnengruppe ist der NPD-Kader und Energie Cottbus-Fan Oliver Niedrich.

Er ist Anfang 30 und lebte lange Zeit in Sachsen. Vor einigen Jahren zog er nach Berlin und trat in die NPD ein. Niedrich ist u.a. verantwortlich für den NPD-Materialdienst, die Mediengestaltung und die Aufgabe der sogenannte „Medienüberwachung“. Das heißt er „überwacht“ die Landes-Website der Partei sowie zahlreiche Facebookseiten der Kreisverbände. 2014 wurde er Mitglied des Landesvorstands der NPD Berlin, aktuell ist er dort als Beisitzer vertreten. Ferner ist er seit vier Jahren Vorsitzender der NPD Charlottenburg-Wilmersdorf. Niedrich betreut Infostände, wie beim “Eichsfeldtag“ am 18.05.2019 in Leinefelde. Desweiteren fuhr er mit anderen Mitgliedern der Berliner „Schutzzone“ am 17.08.2019 nach Dresden.⁴ In der Berliner „Schutzzone“ besteht seine Aufgabe hauptsächlich darin, die vermeintlichen Patrouillen zu fotografieren und ins Internet zu stellen. Auf vielen Bildern ist er aber auch allein bei der „Schutzzonen“-Patrouille zu sehen, insbesondere im Bereich Berlin-Mitte.

Robin-Oliver Band und Maurice Pollei

Seit Mitte 2018 sind zwei Neonazis bei fast jeder NPD-Aktion dabei:

Robin-Oliver Band, geb. 19.04.1993, Lieselotte-Berger-Straße 59 (2. OG links), 12355 Berlin-Rudow

und

Maurice Pollei, geb. 15.02.1993, Britzer Damm 44 (UG links), 12347 Berlin-Britz

Robin-Oliver Band arbeitet im Familienbetrieb seines Vaters Uwe Band. Der Betrieb „Band Bauelemente“ (Hohenzollerndamm 77a, 14199 Berlin-Wilmersdorf) verkauft und montiert Rollläden, Jalousien und ähnliches. Auch Robin-Olivers Bruder Steven Band arbeitet in der Firma und nimmt an neonazistischen Veranstaltungen teil.

Am 03.11.2018 war neben Maurice Pollei und Robin-Oliver Band auch Steven Band auf einer AfD-Demo mit hohem Neonazi-Anteil in Eberswalde. Dabei trug er eine Jacke der Neonazimarke Thor Steinar. Im Januar 2019 beteiligte er sich am Schutz für das “Dienstagsgespräch“ im Löwenbräu (Leipziger Str. 65, 10117 Berlin).

Robin-Oliver Band ist nach der Arbeit oft mit den Firmenwägen von „Band Bauelemente“ unterwegs, auch um damit zu seinen Neonazi-Aktivitäten zu fahren. Erkennbar sind diese Autos durch die pinken „Band Bauelemente“-Aufkleber an der Rückseite der Fahrzeuge.

Als Team-Mitglied von „Band Bauelemente“ ist ebenfalls der Hund von Robin-Oliver Band aufgeführt. Dieser ist oftmals bei den Aktionen der „Schutzzone“ dabei. Die Freundin von Robin-Oliver bringt häufiger einen weißen Hund bei Aktivitäten der „Schutzzone“ mit. In seiner Nachbarschaft verklebt R. Band gerne Neonaziaufkleber, auch mal mit einer versteckten Klingen.

Erstmals fielen Robin-Oliver Band und Maurice Pollei durch ihre Teilnahme beim Gedenkmarsch für den Hitler-Stellverteter Rudolf Heß am 18.08.2018 auf. Seitdem waren sie – meist zu zweit – auf Demonstrationen sowie bei Infoständen und Partei-Abenden in der NPD-Zentrale zu sehen. Am 01.05.2019 fuhren sie mit anderen Neonazis der „Schutzzone“ zum Aufmarsch der JN in Dresden.

Das “Dienstagsgespräch“

R. Band und Pollei sind für den „Schutz“ beim „Dienstagsgespräch“ verantwortlich, dieses findet monatlich statt. Es handelt sich dabei um einen seit Jahrzehnten bestehenden, internen Stammtisch für Nazis mit Referenten wie dem NPDler Udo Voigt oder dem Holocaust-Leugner Bernhard Schaub. Weil der Organisator Hans-Ullrich Pieper regelmäßig durch antifaschistische Interventionen Probleme bekam, wurde die „Schutzzone“ zur Absicherung vor der Tür abgestellt. Dabei schleusen Robin-Oliver Band und Maurice Pollei an einem Vortreffpunkt die Teilnehmenden zum nahe gelegenen Veranstaltungsort, der regelmäßig wechseln muss.

Die Aufgabe des „Schutzes“ erfüllen R. Band und Pollei nicht gerade zuverlässig. Abgesehen davon, dass sie in der Regel noch vor Veranstaltungsende gehen, verlassen sie meist zwischenzeitlich ihren Posten, um ein sogenanntes „Koks-Taxi“ zu bestellen. Teilweise konsumieren sie bereits nach Abfahrt des „Taxis“ die jeweiligen Drogen direkt am Straßenrand. Die Heimfahrt im Firmenwagen erfolgt selten nüchtern.

Am Inhalt des “Dienstagsgesprächs“ zeigen sich R. Band und Pollei nicht interessiert.

Ruggiero Gleisinger

Ruggiero Gleisinger ist seit Jahren fester Bestandteil der NPD und kandidierte zur Abgeordnetenhauswahl 2016 in Lichtenberg. Bei Veranstaltungen und Demonstrationen übernimmt er Ordner-Dienste, so auch beim Heß-Marsch 2018 oder dem JN-Europakongress in Riesa 2018.

Ruggiero Gleisinger, geb. 07.10.1985, Seehausener Straße 16 (3. OG mitte), 13057 Berlin-Hohenschönhausen

Ein weiterer „Schutzzonen“-Aktivist ist Enrico. Sowohl Gleisinger als auch Enrico wohnen in Hohenschönhausen, sind aber stets mit den Neuköllner Neonazis unterwegs. Generell bilden Robin-Oliver Band, Maurice Pollei, Ruggiero Gleisinger und Enrico den Kern der Berliner „Schutzzone“. Andere beteiligen sich unregelmäßig an den Aktivitäten.

Ruggiero Gleisinger, Enrico und der Neonazi Patrick Bewer „schützten“ in den vergangenen Monaten ebenfalls das „Dienstagsgespräch“. Auch sie verließen ihren Posten vorzeitig, um Drogen zu nehmen, die Gleisinger in Pankow bei seinem Dealer kaufte.

Anschließend zogen sie weiter zum „Zapfhahn88“ (Konrad-Wolf-Straße 88, 13055 Berlin-Hohenschönhausen). Dabei handelt es sich um eine BFC-Fankneipe, in der sich in der Vergangenheit die NPD Lichtenberg getroffen hat.5 Die Kneipe ist nicht regelmäßig geöffnet, Gleisinger hat allerdings einen Schlüssel, um den Treffpunkt nutzen zu können.

Neonazi-Übergriffe in Neukölln

Robin-Oliver Band und Maurice Pollei stehen im Verdacht, im vergangenen Jahr bei zwei Neonazi-Angriffen nahe des U-Bahnhofs Boddinstraße in Neukölln beteiligt gewesen zu sein. Diese Angriffe fanden am 28.09.2018 und am 05.10.2018 statt. Beide Male traten die jeweils 15 bis 20 Neonazis aggressiv auf und verletzten Menschen. Die Angriffe fanden freitags statt.

An den zwei Freitagen vor dem ersten Angriff, dem 14.09.2018 sowie dem 21.09.2018, führten R. Band und Pollei „Schutzzonen“-Streifen in Berlin-Neukölln durch. Daher liegt es nahe, dass sie am 28.09.2018, beim ersten Angriff, ebenfalls versuchten, durch Neukölln zu patrouillieren. Augenzeug*innen berichteten, dass sich einer der Neonazis an der Nase verletzte. Entsprechende Verletzungen trug Pollei fünf Tage später, auf der Neonazidemonstration in Berlin-Mitte.

Beim zweiten Angriff am 05.10.2018 trugen die Neonazis MMA-Handschuhe. Das Mitführen dieser Kampfsport-Utensilien ist ein Zeichen dafür, dass sich die Gruppe auf den Angriff vorbereitet hat. Bei diesem Angriff wurden die Neonazis verjagt. Robin-Oliver Band war zwar im Bereich des sogenannten „Anti Terror Kampf“ (ATK) aktiv, diese sportlichen Vorerfahrungen halfen ihm aber lediglich beim Wegrennen.

Zeug*innen erkannten bei dem Angriff ebenfalls David Linke. Der Lichtenberger BFC-Fan konnte bisher nicht im Umfeld der NPD/“Schutzzone“ festgestellt werden.

 Fazit

 1) Die „Schutzzone“ versucht sich als neonazistische „Bürgerwehr“ zu inszenieren, allerdings ohne nachhaltig präsent zu sein oder Kontrolle im öffentlichen Raum ausüben zu können. Es handelt sich vor allem um ein virtuelles Phänomen, wobei es eine Dunkelziffer möglicher Übergriffe geben kann.

2) Dennoch besitzt die “Schutzzone“ das Potential, Menschen einzuschüchtern, die nicht in ihr menschenfeindliches Weltbild passen. Außerdem gab es mit den beiden Übergriffen in Neukölln bereits gewalttätige Angriffe, die jedoch erfolgreich zurückgeschlagen werden konnten.

 3) Aufgrund der in den “Sozialen Medien“ veröffentlichten Fotos, die sich stark an der Darstellung männlicher Stärke und (soldatischer) Wehrhaftigkeit orientieren, gelingt es der NPD “Schutzzone“ insbesondere bei jungen rechten Männern Anklang zu finden.

 4) Mit dem aktionistischen „Mitmachcharakter“ schafft die Kampagne eine scheinbare Offenheit und Ansprechbarkeit. Damit bietet die NPD auch Anknüpfungspunkte für solche Kräfte, die die aktuelle politische Arbeit der Partei als zu wenig radikal und unansprechend empfunden haben. So sind in der Berliner „Schutzzone“ im letzten Jahr neue AktivistInnen aufgefallen, die ihre Nazi-Tattoos, wie z.B. eine Schwarze Sonne, offen zur Schau stellten, sich vorher allerdings nicht im Umfeld der Berliner NPD bewegt haben. Dementsprechend ist die Partei mit der Kampagne in der Lage in kleinem Rahmen neue Leute zu rekrutieren.

5) Trotz des Fokus auf die mediale Inszenierung der “Streifzüge“ wird mit der „Schutzzone“ das Konzept des „Kampfes um die Straße“ wieder aufgegriffen und aktualisiert. Demonstrationen mit einem hohen Organisationsaufwand stellten sich als immer erfolgloser heraus. Neben der parlamentarischen Bedeutungslosigkeit der NPD wird deshalb eine stärkere (außerparlamentarische) Gewaltorientierung propagiert.

6) Über die öffentliche Zurschaustellung gewalttätiger neonazistischer Männlichkeit ergeben sich zahlreiche Schnittpunkte zum Bereich des terroristisch agierenden Neonazismus. Dies zeigt sich u.a. an Maurice Pollei, der am 03.10.2019 mit einem Shirt der „Combat 18“-Band “Terrormachine“ an einer Neonazidemonstration teilnahm.

7) Mit der „Schutzzonen“-Kampagne hat sich eine gewisse Parallelstruktur zum NPD-Jugendverband Junge Nationalisten (JN) herausgebildet. So beteiligen sich JN-AktivistInnen kaum an der „Schutzzonen“-Kampagne. Während die JN Kaderausbildungen und einen aktionsorientierten Ansatz zusammenbringen will, kann bei der „Schutzzone“ auch ohne ideologische Schulungen mitgemacht werden. Das zieht vor allem zuvor ungebundene, ideologisch wenig gefestigte Neonazis an. Dabei steht der Berliner “Schutzzonen“-Lifestyle aus chemischen Drogen, Alkohol und Gewalt teilweise in direkter Konkurrenz zur Selbstdarstellung der JN.

 In diesem Sinne ist die “Schutzzonen“-Kampagne ein Versuch, mit wenigen Neonazis – in Berlin ist nur eine Handvoll regelmäßig an den Aktionen beteiligt – einen “Kampf um die Straße“ zu führen, eine gewisse eigene Stärke zu simulieren und militante Neonazis einzubinden. Gleichzeitig ist der Aufwand für einige Fotos vergleichsweise gering, sodass ohne große Anstrengung zumindest eine digitale Aufmerksamkeit erzeugt werden kann. Diese reine Ausstellung neonazistischer Tatkraft könnte zu einer dauerhaften Festigung faschistischer Identität führen, während in Wirklichkeit ein Lifestyle aus Drogen gelebt wird.

Quellen