Am 27. Juli 2024 versuchten rund drei Dutzend Neonazis den „Christopher Street Day“ (CSD) in Berlin anzugreifen. Hinter dem Übergriff steckte maßgeblich die Gruppierung „Deutsche Jugend Voran“ (DJV), die damit zum ersten Mal öffentlich in Erscheinung trat. Inzwischen kam es an vielen Orten zu Neonazi-Aufmärschen gegen CSD-Demonstrationen. In Bautzen, Leipzig und Magdeburg waren Neonazis von DJV aus Berlin nicht nur anwesend, sondern teilweise maßgeblich in Organisation und Strukturaufgaben tätig. DJV entwickelt sich somit zu einer zunehmend aktionsorientiert auftretenden Struktur. Zugleich zeigen die verstärkten Aktivitäten, wie die Gruppierung agiert und wer zum aktionsbereiten Kern zählt. Aufgrund der zunehmenden Vernetzung mit der Neonazi-Gruppierung von „Jung & Stark“ (JS) soll diese ebenfalls kurz beleuchtet werden.
Die Aktivitäten der Berliner DJV im August
Vor dem Übergriff auf den Berliner CSD war DJV hauptsächlich ein Internet-Phänomen. Seitdem tritt die Gruppe aber offensiv und auch zunehmend gewalttätig in der Öffentlichkeit auf. Mittlerweile versucht sie sich ebenfalls verstärkt mit anderen Gruppierungen zu vernetzen. Dies zeigte sich deutlich beim bundesweit beworbenen Neonaziaufmarsch gegen den CSD in Bautzen am 10. August 2024. Maßgeblich organisiert wurden die Neonazi-Proteste von „Elblandrevolte“ (ELR) ‑ einer Ortsgruppe der „Jungen Nationalisten“ (JN) aus Dresden. Bereits einige Tage vor dem 10. August kam es jedoch in der Sächsischen Landeshauptstadt zu einem Treffen von ELR mit einer Delegation von DJV. Wahrscheinlich wurden dort letzte Absprachen für die gemeinsame Aktion getroffen.
Dementsprechend war eine geschlossene Gruppe von DJV bereits am Vortreffpunkt der JN anwesend. Insgesamt reisten rund 16 Berliner Neonazis aus dem DJV-Spektrum nach Bautzen. Von ihnen war jedoch nur ein kleiner Teil erkennbar in die Aufmarschstruktur eingebunden. Stattdessen übernahm ELR bzw. die JN einen Großteil der Aufgaben, wie den Ordnungsdienst oder das Anheizen per Megaphon. Dennoch trugen mehrere Berliner Neonazis das Fronttransparent von ELR und JN.
Einige Tage später, am 14. August 2024, wurden rund zehn DJV-Mitgliedern am RAW-Gelände von der Polizei festgesetzt. Zuvor waren sie sichtlich angetrunken im Friedrichshainer Kiez unterwegs. In der gleichen Woche gab es zudem ein internes Vernetzungstreffen von DJV mit den Neonazis von JS aus Berlin. Dieses Treffen fand in der Kneipe „Zum Zapfhahn“ in Berlin-Marzahn statt.
Auch JS ist ein Zusammenschluss jüngerer Neonazis, der vor allem in sozialen Netzwerken aktiv ist. Erstmals auffällig außerhalb von Social Media wurden Mitglieder von JS Berlin bei Aktivitäten gegen den CSD in Rostock (u.a. Nummer 9, hier im Artikel Unbekannt 43, und Nummer 14, Carsten Grasse). In der Vergangenheit gab es zwischen DJV und JS nur sporadische Kontakte. Die Annäherung in der letzten Zeit rührt wahrscheinlich daher, dass ELR nach den Aktivitäten in Bautzen als Bündnispartner für kommende Aufmärsche ausfiel. In einer öffentlichen Stellungnahme hatte sich die Dresdner Gruppe von den Neonazi-Protesten gegen die CSDs in Leipzig und Magdeburg zurückgezogen.
Bei den Neonazi-Protesten gegen die CSD-Veranstaltungen in Leipzig (17. August 2024) und Magdeburg (24. August 2024) konnte eine stärkere Zusammenarbeit von DJV und JS bei der Organisation und Durchführung der rechten Versammlungen beobachtet werden.
In Leipzig reiste gut ein Dutzend Neonazis aus Berlin an. Mindestens sechs von ihnen traten später bei einer improvisierten Kundgebung auf dem Bahnsteig des Hauptbahnhofs als Ordner auf. Darunter waren bekannte JS-Aktivisten, wie Carsten Grasse, aber auch DJV-Mitglieder, wie Nick Thomas Christopher Wetzels. Die neue Verbundenheit der beiden Gruppierungen drückte sich ebenfalls auf einem gemeinsamen Transparent aus. Julian Milz, führendes Mitglied von DJV Berlin, betätigte sich als Einpeitscher am Mini-Megaphon.
Nach dem gescheiterten Aufmarschversuch in Leipzig kam es auf der Rückreise zu Einschüchterungsversuchen der Berliner Neonazis auf ehemalige Teilnehmende des CSD in der Bahn.
In Magdeburg zeigte sich ein ähnliches Bild. Aus Berlin (und Brandenburg) reisten gut 20 Neonazis an. Sie übernahmen wiederum Ordner-Aufgaben, stellten das Fronttransparent und eigene Megaphone.
Insgesamt ist die Entwicklung von DJV in Berlin im zurückliegenden Monat durchaus alarmierend. Vor allem das Aktionsniveau der Gruppierung hat sich merklich erhöht. Statt der Koordinierung von vereinzelten Saufabenden traut sich DJV inzwischen die Organisation und Durchführung überregional mobilisierter Neonazi-Aufmärsche zu. Die Gruppe ist auch außerhalb von Berlin in der Lage zumindest rudimentär eine Versammlung aufzustellen: mit Ordnungsstruktur, Transparenten und Megaphonen. Dazu reist die DJV geschlossen und mit genügend Personen an. Sicherlich ist sie noch weit von dem Organisationsniveau langjähriger Neonazi-Strukturen entfernt. Doch weitere geplante Kundgebungen und Aufmärsche könnten zu einem Lerneffekte beitragen.
Auch außerhalb von Versammlungen tritt DJV zunehmend in Erscheinung. In Berlin versuchen Gruppen aus deren Umfeld offensiv Sozialräume einzunehmen. Die verstärkte Vernetzung mit anderen Gruppen, wie JS, trägt dabei zu einem größeren Mobilisierungspool bei. In Berlin entwickeln sich somit gerade abseits vom „III. Weg“ und dessen Jugendorganisiation NRJ zunehmend aktionsorientierte und durchaus gewaltbereite Neonazistrukturen. Allerdings scheint es momentan über den gemeinsamen Aktionismus hinaus kaum einen organisatorischen Zusammenhalt zu geben. Bisher wird DJV von Events und einer eher losen Vernetzung auf Instagram und TikTok zusammengehalten. Ideologisch ist das einigende Moment vor allem eine enorme LGBTIQ*-Feindlichkeit, die mögliche inhaltliche Differenzen bislang überdeckt.
Wer sind die Akteure hinter DJV in Berlin?
Die bisherigen Beobachtungen lassen vermuten, dass DJV in Berlin aus einem Kern von 10-15 Personen besteht. Sie nehmen in wechselnden Konstellationen regelmäßig an Aktionen von DJV in der Stadt und überregional teil. Wie viele dieser Neonazis dabei aus dem Berliner Umland oder dem weiter entfernten Brandenburg kommen bzw. in welchen Berliner Bezirken DJV-Mitglieder aktiv sind, kann nicht abschließend geklärt werden. Das maximale Mobilisierungspotential der Gruppierung für einzelne Aktionen dürfte bei ungefähr 40 Personen liegen, wie der Störversuch gegen den CSD am Potsdamer Platz in Berlin gezeigt hat. Im Kontext von DJV treten einige Personen verstärkt als Tonangeber auf.
Eine zentrale Figur und mutmaßlicher Leiter von DJV Berlin ist der 23-jährige Julian Milz (geb. am 22. Februar 2001) aus Wandlitz. Bereits beim ersten öffentlichen DJV-Treffen auf dem Bunkerberg im Berliner Humboldthain trat er als Wortführer auf. Seitdem war er an allen öffentlichen Aktionen in hervorgehobener Position beteiligt. So schien er beim Übergriff auf den CSD am Potsdamer Platz die Neonazis zu koordinieren. In Bautzen lief er an der Spitze der Demonstration neben dem Fronttransparent. In Leipzig und Magdeburg heizte er die Neonazi-Proteste mit einem mitgebrachten Megaphon an. Zudem war er Teil der Gruppe, die am 14. August 2024 am RAW-Gelände festgesetzt wurde.
Vor seinem Engagement für DJV ist Julian Milz bisher politisch nicht erkennbar in Erscheinung getreten. Allerdings half er im zurückliegenden Europawahlkampf 2024 beim Aufhängen von Plakaten der HEIMAT (früher: NPD), was eine Verbindung zu der Neonazipartei nahelegt. Momentan besucht Milz noch das OSZ I Barnim in Bernau. In seiner Freizeit spielte er unregelmäßig Fußball für den FSV Basdorf. Nachdem Bekanntwerden seiner politischen Aktivität distanzierte sich der Verein von Milz und erteilte diesem laut eigenen Angaben ein Hausverbot für alle Liegenschaften. Auch der Basdorfer Trainer Marcel Teske trug diese Maßnahmen mit. In der Vergangenheit zeigte er weniger Distanz zu organisierten Neonazis, da er selbst selbst lange Zeit mit dem NPD’ler Jan Sturm in der Ü40-Mannschaft vom BFC Dynamo kickte.
Ein weiteres aktives Mitglied von DJV ist Nick Thomas Christopher Wetzels aus Berlin-Marzahn. Schon beim versuchten Übergriff auf Teilnehmende des CSD Berlin am Potsdamer Platz war er beteiligt. Zuerst erschien er als klassischer Mitläufer. Inzwischen ist er bei allen Aktivitäten von DJV anzutreffen. So trug er in Bautzen das Fronttransparent. In Leipzig und Magdeburg war er hingegen als Ordner eingesetzt. Auch er war Teil der Gruppe, die am 14. August 2024 durch den Friedrichshainer Kiez zog.
Neben Wetzels und Milz tauchen weitere Personen regelmäßig im Kontext von DJV Berlin auf. So war beispielweise „Vivi“ aus Marzahn bei allen Aufmärschen außerhalb Berlins anwesend. Zudem nutzte DJV den Platz hinter „Vivis“ Wohnhaus in der Allee der Kosmonauten 200/202 zur Vorbereitung der Transparente. Inzwischen gibt sie jedoch an, nicht mehr Teil von DJV zu sein.
Auch „Unbekannt 39“ war bisher bei allen überregionalen Aufmärschen in der Gruppe von DJV aus Berlin unterwegs, ohne jedoch erkennbar eine Aufgabe zu übernehmen.
Darüber hinaus gibt es ebenfalls aus dem Kontext von „Jung & Stark“ (JS) einige besonders aktive Neonazis. Als Wortführer der Gruppierung tritt hierbei Carsten Grasse aus Berlin-Hohenschönhausen auf. Der 26-Jährige Fan von Union Berlin fällt vor allem durch die tätowierte „Schwarze Sonne“ auf seinem Handrücken auf. Wie bereits erwähnt war er auch an einer Stör-Aktion von Neonazis gegen den CSD in Rostock beteiligt. Während er beim Neonaziaufmarsch in Bautzen noch ohne erkennbare Aufgaben am Neonazi-Aufmarsch teilnahm, wurde er in Leipzig und Magdeburg als Ordner eingesetzt. Das spricht für eine stärkere Einbindung von JS in die Planung und Durchführung der Neonazi-Versammlungen. Grasse trägt punktuell ein T-Shirt mit dem „III. Weg“-Logo. Es gibt allerdings keine Hinweise, dass er Mitglied der Neonazi-Partei ist. Generell ist Grasse umtriebig bei der Teilnahme an rechten Versammlungen. So war er ebenfalls Teilnehmer einer AfD-Kundgebung am 29.08.2024 in Berlin-Hohenschönhausen.
Auch „Unbekannt 40“ ist JS in Berlin zuzuordnen. Er nahm an allen drei überregionalen Aufmärschen teil und war jeweils am Fronttransparent eingesetzt – teilweise mit Ordnerbinde. Die Aufgabe an der Spitze der Demonstrationen spricht für eine hervorgehobene Position in der Organisationsstruktur. Während er in Bautzen noch sein Tattoo vom Hertha-Logo mit dem Gründungsjahr 1892 zeigte, vesuchte er es bei folgenden Aufmärschen zu verdecken.
Neben den genannten sind weitere Neonazis im Kontext von DJV und JS in Berlin aufgefallen. In der folgenden Übersicht finden sich vor allem diejenigen, die bei Aufmärschen hervorgehobene Positionen bekleideten und deshalb zum organisatorischen Kern der Gruppierungen gerechnet werden müssen.
Wer mehr Informationen zu ihnen oder weiteren Mitgliedern von DJV sowie JS hat, kann diese gerne an monitorberlin@riseup.net melden.
* In einer ersten Version des Artikels wurde behauptet, dass Mitglieder von DJV am 14. August 2024 vor dem Technoclub „about:blank“ provoziert hätten. Dabei handelte es sich jedoch um eine andere Gruppe Neonazis. Weiterhin wiesen Verantwortliche vom FSV Basdorf darauf hin, dass Milz inzwischen nicht mehr für den Verein aktiv wäre und auf sämtlichen Liegenschaften Hausverbot hätte. Eine letzte Änderung betraf „Vivi“, die laut eigenen Angaben inzwischen nicht mehr in der DJV aktiv sei. Ihre neonazistische Gesinnung scheint dennoch unverändert.
In der politischen Arbeit vom „III. Weg“ spielt Sport eine hervorgehobene Rolle. Zuletzt wurden in Berlin mehrere Kampfsporttrainings der Neonazi-Kleinpartei auf öffentlichen Sportanlagen bekannt. Das erregte große öffentliche Aufmerksamkeit. Doch die sportlichen Aktivitäten vom „III. Weg“ und seinen Mitgliedern gehen in Berlin über diese einzelnen Angebote hinaus. Neonazis trainieren in öffentlichen Fitnessstudios, nutzen Möglichkeiten des Breitensports oder sind in Vereinen aktiv. Die Ausmaße der neonazistischen Raumnahme im Sport sind bisher nur in Ansätzen bekannt. Zudem beschränken sich die meisten Erkenntnisse auf den Kampfsportbereich. Dieser Text benennt darüber hinaus weitere Orte und Veranstaltungen, die die Neonazis vom „III. Weg“ offen nutzen. In diesem Zusammenhang traten Teile einer Neonazi-Sportgruppe, die bereits vor drei Jahren in Berlin aktiv war, wieder in Erscheinung. Am Ende des Artikels befindet sich eine Übersicht aktuell bekannter Trainingsorte vom „III. Weg“.
Informationen zu Neonaziaktivitäten können jederzeit an dritterwegrecherche@riseup.net gemeldet werden. Inzwischen versuchen die Neonazis vom „III. Weg“ ihre Sportangebote abzusichern. Wie aktuelle Beobachtungen zeigen, traten sie im Rahmen von öffentlichen Trainings bewaffnet (z.B. mit Messern und Pfefferspray) in Erscheinung.
Sport als politisches Kampffeld vom „III. Weg“
Der „III. Weg“ steht offensiv für eine völkische und selbsternannte „nationalrevolutionäre“ Politik. Neben der politischen Organisierungsarbeit gehört für sie dazu eine harte Arbeit der AktivistInnen an sich selbst. Im nationalsozialistischen Weltbild ist der individuelle Körper immer schon mit dem kollektiven „Volkskörper“ verbunden. Um in diesem Sinne eingesetzt werden zu können, soll der Körper entsprechend „rein“ gehalten werden und leistungsbereit sein. Pathetisch spricht die Partei in diesem Zusammenhang vom „inneren Befehl der Leibeszucht“. Neben dem geforderten Verzicht auf Alkohol und Drogen beinhaltet das auch körperliche Leistungsfähigkeit. Sie wird ebenfalls als Voraussetzung geistiger Stärke betrachtet. In diesem Sinne gibt es innerhalb der Partei seit mindestens 2017 eine eigene Arbeitsgruppe mit dem Namen „Körper & Geist“. Sie tritt offensiv mit einem eigenen Logo in Erscheinung und ihre Mitglieder richten vor allem lokale Kampf- und Kraftsporttrainings für die Parteimitglieder bundesweit aus. [1] Zudem organisierte die Gruppe bereits eigene Kampfsportturniere, wie das Event „Jugend im Sturm“ 2018 im thüringischen Kirchheim. [2]. Mitglieder vom „III. Weg“ nahmen darüber hinaus als Kämpfende oder zur Unterstützung an Neonazi-Veranstaltungen in ganz Europa teil. [3]
Sportangebote vom „III. Weg“ in Berlin
In Berlin besitzt der „III. Weg“ keine geeigneten eigenen Räumlichkeiten für größere Kampfsporttrainings. Deshalb greift die Partei verstärkt auf öffentliche Sportanlagen in unterschiedlichen Bezirken zurück (eine Übersicht aller bekannten Orte befindet sich am Ende des Artikels). Ziel ist es, vor allem jugendliche SympathisantInnen auf den Straßenkampf, das heißt die Auseinandersetzung mit vermeintlichen „politischen Gegner*innen“ vorzubereiten. Die Auswirkungen dieser Trainings zeigten sich zuletzt am 6. Juli 2024 bei einem organisierten Angriff von Neonazis auf Anreisende einer antifaschistischen Demonstration [4]. In der Regel sind die Neonazitrainings klandestin organisiert und finden an wechselnden Orten und Tagen statt. Auf diese Weise können sie kaum im Vorhinein verhindert werden. Dennoch verstecken sich die Neonazis nicht und trainieren am helllichten Tag im öffentlichen Raum. Doch das Sportangebot der Partei beschränkt sich nicht nur auf Kampfsporttrainings. In Berlin (und Brandenburg) veranstaltet die Neonazipartei in der Regel einmal im Jahr sogenannte „Gemeinschaftstage“ als Angebote an die Mitglieder der Jugendorganisation NRJ („Nationalrevolutionäre Jugend“). Sport und insbesondere Kampfsport ist immer Teil dieser Aktivitäten. Gleiches gilt für die „Neujahrswanderungen“ im Januar. Anfang 2021 wanderten rund 25 Neonazis durch den Grunewald. Ein Jahr später fand ein „Neujahrserwachen“ im Spandauer Forst mit rund 15 Personen statt. Neben dem gemeinsamen Laufen standen bei den Veranstaltungen auch Schattenboxen, Krafttrainings, zum Beispiel mit Liegestützen, sowie Eisbaden auf dem Programm.
Zudem gibt über das Jahr verteilt immer wieder Fotos von gemeinsamen Wanderungen in unterschiedlichen Teilen der Bundesrepublik. Generell spielen Ausdauertrainings in Form von Leistungsmärschen eine Rolle in der neonazistischen Ideologie. Diese Verbindung zeigt sich besonders beim neonazistischen „Ausbruch“-Marsch in Budapest, an dem in der Vergangenheit regelmäßig Mitglieder vom „III. Weg“ aus Berlin teilnahmen [5]. In Mecklenburg-Vorpommern ist der sogenannte „Tollense-Marsch“ in Neubrandenburg ebenfalls ein regelmäßiges Ereignis der Neonaziszene mit Beteiligung vom „III. Weg“ [6].
Der „III. Weg“ aus Berlin im Breitensport
Neben der Teilnahme an explizit neonazistischen Events zieht es die Mitglieder vom „III. Weg“ allerdings auch in den Breitensport, um neue sportliche Herausforderungen zu bewältigen. Im Jahr 2023 konnten Gruppen der Neonazipartei bei mindestens zwei öffentlichen Laufveranstaltungen in Berlin und Brandenburg antreten. Beim „Berlin Marsch“ am 3. Oktober 2023 liefen die Neonazis Oliver Oeltze, Sebastian Glaser, Christian Schmidt, Leander Schultze sowie eine unbekannte Person 50km durch Berlin. Währenddessen nahmen sie Propaganda-Fotos mit der Fahne vom „III. Weg“ auf und versuchten den Lauf so mit extrem rechten Inhalten zu besetzen. Den Veranstaltenden des Laufes, dem Verein „Ausdauerfreunde e.V.“, schienen die neonazistischen Teilnehmenden nicht negativ aufgefallen zu sein. Stattdessen erschien sogar ein Bild des militanten Neonazis Sebastian Glaser nach dem Zieleinlauf auf der offiziellen Facebook-Seite des Marsches.
Wenn Neonazis sich privat für Sportveranstaltungen anmelden, ist es für Veranstaltende ohne das entsprechende Szenewissen sehr schwer, diese zu erkennen. Es braucht hier mehr Sensibilität für die Möglichkeit, dass bekannte Neonazis auch bei „normalen“ Sportveranstaltungen außerhalb der Kampfsportszene antreten. Zusammen mit diesem Bewusstsein müssen Veranstaltende eine Haltung zu diesem Problem entwickeln und sich einen konkreten Umgang mit extrem rechten Teilnehmenden überlegen. Das beinhaltet auch die Schaffung von Kriterien in Sportorganisationen und -vereinen, um eine Teilnahme mit allen Mitteln zu unterbinden.
Für den „Berlin Marsch“ ist nicht bekannt, wie sich die Gruppe des „III. Wegs“ angemeldet hat. Beim „Schlossinsellauf“ am 18. Juni 2023 in Lübben haben sie mit ihrer politischen Haltung allerdings nicht sonderlich hinter dem Berg gehalten. Dort traten die Neonazis Leander Schultze, Christian Schmidt und Oliver Oeltze mit dem Teamnamen „Körper und Geist“ beim Halbmarathon an. Im 10km-Lauf startete außerdem Lilith Evler vom „III. Weg“ unter der gleichen Bezeichnung. Sebastian Glaser nahm hingegen unter einem anderen Namen am Halbmarathon teil. Mit der Bezeichnung „Wardon“ stellte er seine Zugehörigkeit zu der gleichnamigen Neonazi-Kampfsportgruppierung „Wardon 21“ aus. [8] Dementsprechend hätte den Veranstaltenden schon bei der Anmeldung die Teilnahme der Neonazis auffallen können. Hier braucht es mehr Informationen und den Willen der Veranstaltenden, sich mit dem Problem rechter Raumnahme auseinanderzusetzen.
Altbekannte Trainingsgruppe
Während des Zieleinlaufs von Oliver Oeltze beim „Schlossinsellauf“ taucht jedoch noch ein weiterer bekannter Neonazi auf. Philipp Zech ist einer der ersten, die Oeltze gratulieren, nachdem dieser sich beim Halbmarathon ins Ziel schleppte. Zech selbst nahm am 10km-Lauf teil und verzichtete ganz auf einen Teamnamen. Das ganze ist sicherlich Kalkül. Zech ist Sportwissenschaftler und war bis mindestens 2022 an der Universität Potsdam im Bereich „Sozial- und Präventivmedizin“ angestellt. Zu seinem jetzigen Arbeitsverhältnis gibt es keine Informationen. Sicher möchte er jedoch nicht, dass seine wissenschaftliche Karriere durch einen allzu offensichtlichen Verhältnis zu Neonazis gefährdet wird. Dennoch war seine Nähe zu der Gruppe vom „III. Weg“ in Lübben unübersehbar – schließlich kennen sich alle Beteiligten schon seit einigen Jahren.
Von 2019 bis 2020 war Philipp Zech im Vorstand der AfD in Charlottenburg-Wilmersdorf. Ab 2021 nahm er nachweislich an klandestinen Neonazi-Kampfsporttrainings in Weißensee teil. Neben weiteren Mitgliedern der AfD, der „Jungen Alternative“ sowie Aktivisten der „Identitären Bewegung“ (z.B. Mario Müller) waren unter den Trainingspartnern von Zech auch Christian Schmidt (damals noch NPD/JN) und Leander Schultze (im damaligen Artikel „Unbekannt 12“) bei den Trainings in Weißensee anwesend.[9] Vieles spricht dafür, dass die Trainings ein Versuch zum Aufbau einer extrem rechten Kampfsportvernetzung in Berlin waren. So war Zech bis zur Auflösung 2023 im Vorstand vom „Verein für Leibesübungen und Bildung e.V.“. Gegründet wurde dieser 2019 laut Vereinsakten unter anderem von Mario Müller (Identitäre Bewegung, s.o.) und Peter Kurth. Letzterer ist ehemaliger Berliner Finanzsenator der CDU und inzwischen als Finanzier der neofaschistischen Szene bekannt.
Nachdem die geheimen Trainings öffentlich wurden, zog sich die neonazistische Sportgruppe zurück. Die Verbindungen zueinander sind aber noch geblieben. Unter Umständen wurde das gesamte Angebot über die Jahre einfach verlegt. So war der „Schlossinsellauf“ nicht das einzige Event, an dem Teile der Sportgruppe vom damaligen Training in Weißensee erneut zusammentrafen. Am 27. September 2023 fand ein Training vom „III. Weg“ im Calisthenics Park auf dem Kastanienboulevard in Hellersdorf statt. Neben Oliver Oeltze und Leander Schulze nahm auch Philipp Zech daran teil. Es deutet somit vieles auf ein Fortbestehen von einem Kern der alten Neonazi-Trainingsgruppe aus Weißensee unter dem Label vom „III. Weg“ hin. Hier profitiert die Neonazipartei von der Aufbauarbeit der neofaschistischen Bewegung um AfD und Identitäre Bewegung.
Fazit
In Berlin gibt es somit jahrelang gewachsene Strukturen der extremen Rechten, auf die der „III. Weg“ in seiner Parteiarbeit zurückgreifen kann. Auch wenn bestimmte Personen, wie Philipp Zech, aus der Öffentlichkeit verschwinden, bestehen persönliche Netzwerke weiter. Zudem zeigen die beiden Beispiele vom „Berlin Marsch“ und dem „Schlossinsellauf“ in Lübben, dass Neonazis vom „III. Weg“ gezielt öffentliche Sportangebote nutzen, um ihren extrem rechten Körperkult voranzutreiben und Räume zu besetzen. Dieses Phänomen war bisher vor allem aus dem Kampfsportbereich bekannt, betrifft aber auch viele andere Sportfelder, wie eben den Lauf- und Ausdauersport. Hier muss auf Seiten der Veranstaltenden ein Bewusstsein entstehen, dass Neonazis an ihren Events teilnehmen können und sich dort präsentieren. Daran anschließend braucht es eine Haltung, um gegen diese Vereinnahmung Position zu beziehen. Es ist schwer vorauszusagen, wann und wo Neonazis auf Sportveranstaltungen anzutreffen sein werden. Im Jahr 2024 war der „III. Weg“ in Lübben nicht anwesend. Aber sicherlich werden sie sich andere Veranstaltungen suchen. Insgesamt versucht der „III. Weg“ sein Sportangebot breit aufzustellen, verschiedene Bereiche zu besetzen und so über Sport Politik zu machen. Diese Strategie erinnert an das Vorgehen der neonazistischen „Active Clubs“, die sich aus den USA inzwischen auch in Europa ausbreiten.
[5] Oliver Oeltze nahm beispielsweise in den Jahren 2020, 2019 und 2017 am „Ausbruch Marsch“-Teil. Lilith Evler in den Jahren 2024 und 2020. Sebastian Glaser 2022, 2020 und 2019.
Das Restaurant „Mittelpunkt der Erde“ im brandenburgischen Hönow ist vor allem als regelmäßiger Treffpunkt der AfD bekannt. An zahlreichen AfD-Parteiveranstaltungen nahmen wiederholt bekannte Neonazis teil. Doch eine unmittelbare Unterstützung für Neonazigruppen aus der Region konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Nun zeigen Recherchen vom „Antifaschistischen Monitor Berlin“, dass die Gründung des Berliner Ablegers der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ im AfD-Restaurant in Hönow stattfand.
Der „III. Weg“ im „Mittelpunkt der Erde“
Laut eigenen Aussagen gründete sich der Berliner Stützpunkt vom „III. Weg“ am 29.03.2015. Die Bilder der Veranstaltung wirken sehr offensiv. Fahnen und Banner mit dem Parteilogo werden offen zur Schau gestellt. Probleme scheinen die Neonazis nicht zu befürchten. Nach Recherchen vom „Antifaschistischen Monitor Berlin“ fand die Gründung in den Räumen vom „Mittelpunkt der Erde“ statt.
Das Hönower Restaurant liegt nur wenige Dutzend Meter hinter der Berliner Stadtgrenze und war im Jahr 2015 noch nicht als Treffpunkt der extremen Rechten bekannt. Ab 2017 wurde es ein wichtiger Ort für die Berliner AfD und dessen völkischen Parteiflügel bundesweit. Anscheinend gibt es im „Mittelpunkt der Erde“ eine lange Tradition der Unterstützung für extrem rechte Organisationen, die auch offen neonazistische Kräfte einschließt.
Der „III. Weg“ in Berlin
Die Gründung des Stützpunkts vom „III. Weg“ in Berlin erfolgte rund zwei Jahre nach der Gründung der Neonazipartei. Die Wahl eines Restaurants in Hönow für diesen Anlass ist wenig verwunderlich. So traten bereits damals einige Neonaziaktivist:innen aus dem nah gelegenen Marzahn-Hellersdorf offen für den „III. Weg“ in Berlin auf. Es kann angenommen werden, dass sie auch bei der Parteigründung den Kern der neuen Struktur bildeten. [1] Neonazis, wie Franziska Grunhold und Kai Schuster, waren Jahre zuvor aktiver Teil der rassistischen Mobilisierungen gegen den Bau von Geflüchteten-Unterkünften im Ostberliner Randbezirk. Sie füllten mit der Gründung des „III. Weg“ in der Region das organisatorische Vakuum, das der Zusammenbruch des NPD-Kreisverbandes Marzahn-Hellersdorf nach der „Porno-Affäre“ [2] und das Verbot der Kameradschaft „Frontbann 24“ [3] hinterlassen hatten. Im Gegensatz zu den zuvor bestehenden informellen Neonazi-Strukturen, wie der „Bürgerbewegung Hellersdorf“, [4] bot der „III. Weg“ als Partei mehr politische Möglichkeiten für eine dauerhafte extrem rechte Mobilisierung im Osten Berlins. In diesem Rahmen entfaltete der „III. Weg“-Stützpunkt in Berlin im Gründungsjahr zahlreiche Aktivitäten. Darunter zählen einige Informationsveranstaltungen, Flyerverteilaktionen, Hilfsaktionen für „deutsche Obdachlose“ und ein eigenes Rechtsrockkonzert (u. a. mit Michael „Lunikoff“ Regener). [5] Allerdings ist nicht bekannt, ob von diesen Aktivitäten noch weitere im „Mittelpunkt der Erde“ stattgefunden haben. Zum damaligen Zeitpunkt blieb die Partei in ihrer Strahlkraft auf die Berliner Neonaziszene noch vergleichsweise „bedeutungslos“, [6] was sich erst in den vergangenen dreieinhalb Jahren massiv änderte.
Der „Mittelpunkt der Erde“ als Treffpunkt der extremen Rechten
Während die Gründung vom „III. Weg“ im „Mittelpunkt der Erde“ im März 2015 noch weitestgehend unbeachtet blieb, etablierte sich das Restaurant ab 2017 als dauerhafter Treffpunkt der extremen Rechten. Neben zahlreichen Informationsabenden und Parteiversammlungen der AfD fand am 09.09.2017 ein öffentlicher „Wahlkampftag“ der AfD Marzahn-Hellersdorf mit Björn Höcke in der Lokalität statt. [7] Neben Vertreter:innen des bezirklichen AfD-Parteiverbandes nahmen Akteur:innen unterschiedlicher Strömungen der extremen Rechten aus dem gesamten Bundesgebiet daran teil. Unter den Gästen waren der damalige AfD-Rechtsaußen Andreas Kalbitz, Siegfried Däbritz von PEGIDA, Manfred Rouhs von „Pro Deutschland“ sowie die Neonazis Lars Niendorf und René Uttke aus Marzahn-Hellersdorf und Tilo Paulenz auf Neukölln. Letzterer gilt neben Sebastian Thom als einer der Hauptverantwortlichen für die neonazistischen Anschläge vom „Neukölln Komplex“.
09.09.2017: Neonazi Lars Niendorf begrüßt Gunnar Lindemann (AfD) mit einem Handschlag. Quelle: https://www.flickr.com/photos/oskarschwartz/37001721671/in/album-72157686053227950/
Seitdem haben unzählige weitere rechte Veranstaltungen im „Mittelpunkt der Erde“ stattgefunden. Allein Björn Höcke war bisher mindestens zwei weitere Male in Hönow, am 11.09.2020 sowie am 10.10.2022 zur Gründung des „Idearium“-Netzwerks, der Nachfolgestruktur vom aufgelösten völkischen „Flügel“ der AfD. [8] Es gab Veranstaltungen mit Götz Kubitschek und Erik Lehnert vom neofaschistischen „Institut für Staatspolitik“ [9] und mehrere Abende, die vom rechten COMPACT-Magazin um Jürgen Elsässer ausgerichtet wurden. [10] Auch zwei Rechtsrockkonzerte haben unter dem Deckmantel der AfD bereits im „Mittelpunkt der Erde“ stattgefunden. [11] Zuletzt veranstaltete die „Junge Alternative Brandenburg“ am 29.12.2023 zusammen mit dem Neonazi-Label „Sub:version Productions“ aus Südbrandenburg eine Jahresabschlussparty. [12] An dem Rechtsrockkonzert mit „Sacha Korn“, „Andy Habermann“ und „Julia Juls“ nahmen auch mehrere Personen aus dem Umfeld vom „III. Weg“ teil, u.a. Kai Milde, René Uttke und „Unbekannt 12“. [13]
29.12.2023: Kai Milde (3.v.l.) und René Uttke (rechts) beim AfD-Rechtsrockkonzert. Quelle: https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/53431309140/in/album-72177720313714799/
29.12.2023: „Unbekannt 12″ beim AfD-Rechtsrockkonzert. Quelle: https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/53429707206/in/album-72177720313714799/
AfD und „III. Weg“ vereint im „Mittelpunkt der Erde“
Laut der offiziellen Verlautbarungen der Parteien distanzieren sich der „III. Weg“ und die AfD voneinander. Doch Orte wie der „Mittelpunkt der Erde“ in Hönow zeigen, dass es lokal durchaus vielfältige Schnittpunkte der beiden Parteien geben kann. Sie nutzen dieselben Lokalitäten und besuchen sich sogar teilweise bei Veranstaltungen. In Marzahn-Hellersdorf nahmen Vertreter:innen beider Parteien an den gleichen Demonstrationen teil, um für sich zu werben. So besuchten AfD und „III. Weg“ 2022 die verschwörungsideologischen Montagsspaziergänge im Bezirk. Aus diesen punktuellen Überschneidungen kann jedoch keine unmittelbare Zusammenarbeit abgeleitet werden. Vielmehr bespielen beide Parteien teilweise ähnliche Themenfelder, sodass es im engen lokalen Kontext zwangsläufig zu Kontakten kommt. Hier zeigt sich vor allem die fehlende Abgrenzung der Marzahn-Hellersdorfer AfD gegenüber militanten neonazistischen Kräften. So wird sich der AfD-Bezirksverband in Zukunft wohl auch weiter am Gründungsort vom „III. Weg“ in Berlin treffen. Zugleich belegen die Recherchen die lange Kontinuität extrem rechter Veranstaltungen im „Mittelpunkt der Erde“. Das Restaurant hat eben nicht nur rechtsoffene Betreiber:innen, sondern muss im Lichte der neuen Erkenntnisse als astreine Neonazi-Lokalität benannt werden.
Am 3. Februar 2024 hat die AfD Marzahn-Hellersdorf einen neuen Vorstand gewählt. Insgesamt konnten die extrem rechten Kräfte ihre Vormachtstellung im Bezirksverband weiter ausbauen. Neben den altbekannten Vertreter:innen völkischer Politik, wie Gunnar Lindemann oder Vadim Derksen, fällt jedoch ein neuer Name auf. Allerdings ist der frisch gewählte Beisitzer Otto-Martin Reblé bei Weitem kein politisch Unbekannter. Bis Ende 2005 war der heute 36-Jährige als organisierter Neonazi im Kameradschaftsbund „Märkischer Heimatschutz“ (MHS) aktiv. Zudem engagierte er sich noch vor wenigen Monaten als Organisator rechtsoffener „Montagsdemos“ in der Uckermark.
Martin Reblé und der MHS
Der „Märkische Heimatschutz“ wurde 2001 als Kameradschaftsnetzwerk im Nordosten Brandenburgs gegründet. Er entwickelte sich schnell zur größten und aktivsten Neonazistruktur im Bundesland.[1] Um einem Verbot zuvorzukommen löste sich der MHS im Jahr 2006 selbst auf. Während seines Bestehens unterhielt das Netzwerk angelehnt an den „Thüringer Heimatschutz“ mehrere „Sektionen“ in unterschiedlichen Städten der Region. Neben Schwedt, Prenzlau, Oranienburg oder Strausberg war Angermünde ein wichtiges organisatorisches Zentrum. Die MHS-Sektion in der Heimatstadt von Martin Reblé wurde geleitet vom bekannten Neonazi-Aktivisten Christian Banaskiewicz[2] und war zeitweise die stärkste Gruppierung des gesamten Netzwerks.
Reblé tauchte zum ersten Mal öffentlich am 6. September 2004 auf, als er hinter Gorden Reinholz, dem Chef des MHS,[3] durch Bernau marschierte. Im gleichen Jahr nahm er am 20. November beim Naziprotest gegen die „Silvio-Meier-Demo“ in Berlin-Lichtenberg teil und trug dort eine Brandenburg-Fahne. Am 27. April 2005 fand wiederum in Bernau ein Aufmarsch von 110 Neonazis mit dem Motto „Ausweisung krimineller Ausländer“statt – unter ihnen Martin Reblé.[4] Obwohl sich Reblé später vor allem als Mitläufer und Demogänger inszenieren wollte, war er auch an gewalttätigen Übergriffen beteiligt. So vermerkte der antirassistische Verein „Pfeffer & Salz“ für den 23. Oktober 2004 in seiner Chronik, wie Mitglieder des MHS auf einem Dorffest in Neuhof bei Angermünde massiv auftraten und dort nicht-rechte Jugendliche bedrohten. Unter den Angreifern wurde Otto-Martin Reblé erkannt, der in der Meldung gar als „Nachwuchskader des MHS“ bezeichnet wurde.[5] Die „Antifaschistische Initiative Reinickendorf“ spricht sogar von mehreren Bedrohungen Reblés gegenüber Jugendlichen.[6] Insgesamt war die Anti-Antifa-Arbeit sowie die Bedrohung von Andersdenkenden ein Schwerpunkt des MHS. Ein zentraler Angriffspunkt war dabei immer der Verein „Pfeffer & Salz“ aus Angermünde. Fast alle deren Veranstaltungen, egal ob Konzerte, Ausstellungen oder Infostände, wurden versucht zu stören und es kam auch zu gewaltsamen Übergriffe gegen das Büro und die Mitglieder des Vereins. Die bekannten Aktivitäten von Otto-Martin Reblé reihen sich in diese Politik der neonazistischen Raumnahme als „Kampf um die Straße“ ein.
Vom Stiefel-Nazi zum Anzug-Faschisten
Ab Ende 2005 taucht Reblé nicht mehr im Kontext des MHS auf. Er selbst gibt an, sich in der Zeit von der Neonazikameradschaft entfremdet zu haben. Ihre Politik war ihm nicht nachhaltig genug.[7] Stattdessen trat Reblé 2008 auf der Liste der „Bürger für Gerechtigkeit“ bei der Stadtverordnetenwahl in Angermünde an – ohne Erfolg.[8] Schon zu dieser Zeit versucht er sich als Aussteiger zu inszenieren, der offen mit seiner Vergangenheit umgeht. Allerdings hat nie eine umfassende Aufarbeitung seiner Zeit beim MHS oder eine tiefe Auseinandersetzung mit der neonazistischen Ideologie stattgefunden. Obwohl er mit führenden Köpfen der Brandenburger Neonaziszene bekannt war, hat er nie Informationen über seine Kameraden geteilt und so zur Verhinderung weiterer neonazistischer Gewalt beigetragen. Martin Reblé hat sich einfach irgendwann entschieden, nicht mehr mitspielen zu wollen. Ein glaubhafter Ausstieg ist das nicht. Zudem nahm Reblé noch am 28. Juli 2007 ‑ also zwei Jahre nach seiner vermeintlichen Abkehr von der Szene – an einem NPD-Aufmarsch in Cottbus teil.
So kann es auch nicht verwundern, dass Otto-Martin Reblé einige Jahre später in der AfD auftauchte. 2018 trat er in den Bezirksverband in Marzahn-Hellersdorf ein. Ein Jahr später leistete er mit weiteren AfD-Mitgliedern aus dem Bezirk Wahlkampfhilfe in unterschiedlichen Brandenburger Städten. Ansonsten ist er unregelmäßig bei Veranstaltungen der AfD Marzahn-Hellersdorf anzutreffen. So nahm er im Mai 2023 an einer Infoveranstaltung mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré im Neonazi-Restaurant „Mittelpunkt der Erde“ teil.
Daneben unterhält Martin Reblé weiterhin Verbindungen zur AfD in Angermünde und dem dortigen Kreisverband Uckermark. So besuchte er am 12. November 2022 eine interne Schulung des Verbands, die von Peter Feist geleitet wurde. Der Berliner COMPACT-Autor sprach für sein Ein-Mann-Projekt „Christian Wolff Bildungswerk“ über die „Konter-Rhetorik – Wie argumentiere ich streitbar für die Positionen der AfD“.
Die Nähe der AfD Uckermark zur extremen Rechten, wie dem COMPACT Magazin, ist nicht verwunderlich, da Hannes Gnauck im Verband eine führende Rolle einnimmt. Gnauck sitzt für die Brandenburger AfD im Bundestag, ist Bundesvorsitzender der Parteijugend „Junge Alternative“ und bekennender Vertreter des völkischen Parteiflügels.[9]
Neben seinem Engagement in der AfD war Reblé seit September 2022 war ein führender Kopf und regelmäßiger Redner der Neuauflage der rechtsoffenen „Montagsdemos“ in Angermünde.
Eingebettet in das Netzwerk „Uckermark steht auf“ drehten sich diese inhaltlich um die bekannten Themen zwischen Corona-Verschwörungserzählungen, einer autoritären Russland-Treue sowie rassistischer Stimmungsmache. Unter den zumeist 25 Demonstrierenden waren auch regelmäßig lokale AfD-Politiker:innen, wie Sigrid Splisteser. Sie engagiert sich in Angermünde maßgeblich beim AfD-Bürgerbegeheren gegen den Bau einer Unterkunft für Geflüchtete in Prenzlau. Somit haben sich für Reblé vielleicht die politischen Mitstreiter*innen verändert. Die Themen sind aber weitestgehend dieselben geblieben, auch wenn er sich inzwischen aus dem Organisationskreis der „Monatgsdemos“ zurückgezogen hat.
Neue „Heimat“ Marzahn-Hellersdorf
Nun ist Otto-Martin Reblé in den Vorstand der Marzahn-Hellersdorfer AfD gewählt worden. Dort hat er sicherlich ein wohlwollendes Umfeld für seine politische Haltung gefunden. Schließlich war in der Vergangenheit auch schon die inzwischen inhaftierte Neonazi-Terroristin Birgit Malsack-Winckemann im Bezirksverband gern gesehen.[10] Der amtierende Vorsitzende Gunnar Lindemann ist bekennender Unterstützer des völkischen Flügels der Partei sowie Mitinitiator von dessen Nachfolgestruktur „Idearium“. Zudem ist Lindemann Mitglied der russlandtreuen „Ostwind“-Vernetzung um Hans-Thomas Tillschneider und er referierte selber schon im „Castell Aurora“, dem Vorzeigeobjekt der „Identitären Bewegung“ im oberösterrichischen Steyeregg.[11] Einer seiner Stellvertreter ist Vadim Derksen. Der ehemalige Vorsitzende der „Jungen Alternative“ in Berlin ist momentan Leiter der Social-Media-Abteilung der „Jungen Freiheit“. Vor einigen Jahren nahm Derksen auch schon an Aufmärschen der „Identitären Bewegung“ teil.[12] Auch mit seiner Neonazi-Vergangenheit ist Martin Reblé in der AfD Marzahn-Hellersdorf nicht alleine. So bewegte sich das Parteimitglied Daniel Birkefeld Anfang der 1990er Jahre im Umfeld des Neonazi-Mörders Mike Lillge. Er war sogar mutmaßlich mit diesem unterwegs, als Lillge am 24. April 1992 Nguyễn Văn Tú aus rassistischen Motiven erstach.
Insgesamt zeigt die Personalie Otto-Martin Reblé erneut, wie gewalttätige Neonazis nach einigen Jahren Schonzeit eine zweite politische Karriere in der AfD anfangen können. Der Partei ist es einfach egal, was ihre Mitglieder und Funktionäre früher gemacht haben, solange sie heute treu zum extrem rechten Kurs stehen. Neonazi-Kader in Parteifunktionen sind keine Ausrutscher, sondern nur die logische Konsequenz der menschenverachtenden Politik der AfD.
Am 29.12.2023 organisierte die Junge Alternative Brandenburg eine sogenannte „Jahresabschlussparty“. Aufgrund der angekündigten Musik-Acts und Kooperationspartner war allerdings klar, dass es sich hierbei um ein reines Rechtsrockkonzert handelte. Der Ort der Veranstaltung wurde bis zum Schluss geheim gehalten. Die „Party“ stieg letztendlich im AfD-Treffpunkt „Mittelpunkt der Erde“ in Hönow bei Berlin. Gekommen ist eine bunte Mischung aus Jung-AfD’ler:innen, Neonazis vom III. Weg und der NPD sowie Identitäre und Rechtsrock-Fans. Ein Dreivierteljahr vor der Landtagswahl in Brandenburg präsentiert sich die Jugendorganisation der AfD als Sammelbecken für sämtliche Spektren der extremen Rechten.
Wer steckt hinter der „Jahresabschlussparty“?
Bereits knapp zwei Monate vor dem 29.12.2023 begann die Mobilisierung für die „Jahresabschlussparty“ der Jungen Alternative Brandenburg. Der Ort wurde im Stil von Neonazi-Konzerten geheim gehalten. Zu groß war wohl die Angst vor Gegenprotesten oder staatlichen Interventionen. Als Kooperationspartner trat „Sub:version Production“ auf. Das Label und Musikvertrieb ist tief in die Neonazi-Strukturen um Cottbus und Umgebung verstrickt. [1] Ursprünglich aus dem Umfeld von Nazirapper „Bloody32“ gegründet, bietet „Sub:version“ heutzutage alles an, was das rechte Herz begehrt: vom Hooligan-Rock von „Kategorie C“ bis Rap des „Neuen Deutschen Standard“ um „Chris Ares“. Auch die Acts für den 29.12. sind allesamt aus dem Portfolio des Südbrandenburger Vertriebs.
Die Acts der „Jahresabschlussparty“
Ganz oben auf dem Flyer stand die Neonaziband „Sacha Korn“.[2] Bereits am 6.11.2021 spielten sie für die AfD Brandenburg im „Mittelpunkt der Erde“.[3] Frontmann Sascha Korn aus Teltow ist seit über einem Jahrzehnt in der internationalen Rechtsrock-Szene aktiv und Bassist Jan-Michael Keller war jahrelang Politiker der NPD in Berlin-Lichtenberg. Trotzdem stellt sich die Band gerne als vermeintlich unpolitischer „Deutschrock“ dar. Doch ihre Verbindungen zu unterschiedlichen Szenen der extremen Rechten sind offensichtlich. Kooperationspartner von „Sacha Korn“ ist die völkische Kampagne „1 Prozent“. Das neurechte COMPACT-Magazin filmte eine kurze Dokumentation zum AfD-“Patrioten“-Konzert mit „Sacha Korn“.
Im Jahr 2022 sollten „Sacha Korn“ auf dem internationalen Neonazi-Festival „Frontnacht“ im belgischen Ieper auftreten; zusammen mit einschlägigen Bands wie die „Casa Pound“-Hausband „Bronson“ aus Italien oder dem Liedermacher Philipp „Flak“ Neumann aus Deutschland, der Mitglied der mittlerweile verbotenen Hammerskins war. [4] Das Festival wurde letztendlich verboten, wie auch viele Konzerte von „Sacha Korn“ in Deutschland in den letzten Jahren.
Der zweite Act war Andy Habermann. Der Sänger der Rechtsrock-Band „Wutbürger“ [5] saß für die AfD bis 2020 in der Stadtverordnetenversammlung Werneuchen. Er musste seinen Posten räumen, nachdem die Aktivitäten seiner Band bekannt wurden. Wie „Sacha Korn“ geben sich auch „Wutbürger“ als „Deutschrock“-Projekt, doch sind tief in die extreme Rechte verstrickt. Zu den ehemaligen Mitgliedern zählte unter anderem Nigel Brown. Der Neonazi aus dem „Combat 18“-Umfeld spielte zuvor bei „No Remorse“. [6] Gegenwärtig bedient ein ebenso bekannter Rechtsrocker bei „Wutbürger“ den Bass: Alexander Gast von der Neonazi-Band „Spreegeschwader“. Demzufolge ist es nicht verwunderlich, dass die Band über enge persönliche Kontakte zu Neonazis, wie dem Liedermacher Marcel Martens („F.i.e.L.“), verfügt oder 2022 beispielsweise mit Hannes Ostendorf von „Kategorie C“ kooperierte.
Auch mit Julia Götz alias „Julia Juls“ haben „Wutbürger“ bereits einen gemeinsamen Song aufgenommen. Die Liedermacherin ist bekannte Aktivistin der rassistischen Kampagne „Frauenbündnis Kandel“ aus Rheinland-Pfalz. Zu „Subver:sion“ kam Julia Götz über eine Kollaboration mit „Bloody32“. Letztendlich gehören alle drei Acts vom AfD-Konzert am 29.12. zum gleichen Netzwerk und kennen sich auch persönlich. So stand „Julia Juls“ mit Andy Habermann auf der Bühne und unterstützte auch „Sacha Korn“ am Mikrofon.
Bereits 2019 sollten alle drei Acts zusammen in Zehdenick für die Rocker-Bruderschaften „Sons of Future“ und „Burgunden“ auftreten. Das Konzert wurde damals verboten. Nun erfolgte also mit der Parteijugend der AfD im Rücken ein neuer Anlauf. [7] Die Veranstaltung fungierte damit wohl auch als eine Art „Testballon“, wie weit die AfD gehen kann ohne auf staatlichen Widerstand zu stoßen. Die offene Akzeptanz der Behörden zeigt: ziemlich weit.
Von der AfD…
Insgesamt kamen rund 80 Personen aus unterschiedlichen Teilen Ostdeutschlands zu der Veranstaltung. Aus der AfD waren jedoch fast ausschließlich Mitglieder der „Jungen Alternative“ (JA) aus Brandenburg anwesend. Darunter der gesamte Vorstand [8] mit den Vorsitzenden Anna Leisten und Franz Dusatko (zusammen mit seiner Verlobten Lisa S.), dem stellvertretenden Vorsitzenden Stefan Pfau sowie Lisa Wölfert und Matze Albrecht. Weiterhin waren einige Aktivist:innen der Thüringer JA in Hönow. Andere Parteimitglieder, vor allem aus Berlin und Brandenburg, blieben der Veranstaltung jedoch fern. Obwohl die lokalen Verbände aus Marzahn-Hellersdorf oder Märkisch-Oderland den „Mittelpunkt der Erde“ regelmäßig nutzen und selbst dem völkischen Parteiflügel zuzurechnen sind, war ihnen die Kooperation der „Jahresabschlussparty“ mit klaren Neonazi-Strukturen vielleicht zu offensichtlich.
Sicherlich hatten sich die Veranstaltenden mehr von dem Konzert versprochen, für das es bis zuletzt noch Karten zu kaufen gab. Im Vergleich dazu war die Begleitung der Veranstaltung durch „alternative Medien“ enorm. So war das COMPACT-Magazin offizieller Kooperationspartner der Veranstaltung und hatte dort einen eigenen Informationsstand. Allerdings kam nur die „zweite Garde“ um den Identitären Paul Klemm und Roy Grassmann nach Hönow. Aus dem gleichen Umfeld war auch der ehemalige COMPACT-TV-Verantwortliche Martin Müller-Mertens vor Ort, der momentan für den verschwörungsideologischen Sender „AUF1“ arbeitet. Auch Mario Nieswandt vom AfD-affinen Sender „Seelow TV“ durfte in der Reihe der Medienschaffenden mitmischen. Daneben filmten auch Aktivist:innen vom sogenannten „Filmkunstkollektiv“ um Simon Kaupert aus Dresden auf der Veranstaltung – wahrscheinlich in Vorbereitung für den anstehenden Wahlkampf.
… für Neonazis und rechte Rocker
Der Hauptteil der Besuchenden speiste sich vorwiegend aus den Fanszenen der angekündigten Musik-Acts, sodass Rechtsrockfreund:innen über 50 die Veranstaltung bestimmten. Dazu zählten auch die weiteren Bandmitglieder von „Wutbürger“, wie der Gitarrist Maik Langner und Drummer Andreas Rosenthal, und der Bandfreund Nick Lajow, vom Neonazi-Tattoostudio „Ordo Tatto“ in Teltow [9]. Nur Bassist Alexander Gast blieb zuhause in seinem neuen Wohnort nahe Bayreuth. Dennoch waren unter den Besuchenden auch einige bekannte Neonazi-Aktivist:innen. Vor allem ehemalige Mitglieder der NPD sind aus der politischen Versenkung aufgetaucht, um ihren „alten Kameraden“ Jan-Michael Keller zu sehen. Dazu zählten unter anderem Jan Sturm, Danny Matschke oder Dietmar Hömke. Doch auch vom III. Weg, der im angrenzenden Marzahn-Hellersdorf sehr aktiv ist, waren einige bekannte Gesichter vertreten, in einem Fall sogar in Bekleidung der Partei. Neben Parteiumfeld aus dem Bezirk, unter anderem René Uttke, war u.a. der III.Weg-Aktivist Kai Milde anwesend.
Extrem rechte Mischszenen
Bei der „Jahresabschlussparty“ der „Jungen Alternative Brandenburg“ konnten unter dem Deckmantel der Partei unterschiedliche Szenen der extremen Rechten zusammenkommen. Während privat organisierte Nazi-Konzerte, beispielsweise in Rocker-Clubs, häufiger das Ziel staatlicher Verbote sind, könnte sich hier ein neues Business-Modell entwickeln. Dabei werden die Kontakte der AfD zur militanten Neonazi-Szene offen zur Schau getragen. Die Zukunft wird zeigen, inwieweit sich dieses Konzept innerhalb der Partei durchsetzen kann.
Von „isoliert“ kann keine Rede sein – die am 07.12.2022 vom SEK festgenommene Birgit Malsack-Winkemann genießt in der Berliner AfD breite Unterstützung. Der „Flügel“ buchte sie regelmäßig für Veranstaltungen, ihre Beliebtheit führte sie in den Bundestag. Insbesondere der Marzahn-Hellersdorfer Verband unter Gunnar Lindemann stärkt ihr den Rücken. Eine Untersuchung ihres weitläufigen Netzwerks in der Partei.
Am Morgen des 7. Dezember 2022 ging die Generalbundesanwaltschaft mit der vermeintlich größten Polizeiaktion in der Geschichte der Bundesrepublik gegen eine rechtsterroristische Gruppierung vor. Das bundesweit operierende Netzwerk aus Reichsbürgern und „Querdenkern“ habe geplant, ein „Deutsches Reich“ auszurufen. Neben Ex-Soldaten ist auch eine – inzwischen ehemalige – Berliner Richterin dabei. Dabei handelt es sich um die vormalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Im geplanten „Reich“ sei für sie das Amt der Justizministerin vorgesehen gewesen. Malsack-Winkemann war als Sportschützin zum Besitz von Waffen berechtigt. Als ehemalige Bundestagsabgeordnete verfügte sie über einen Hausausweis für ehemalige Parlamentsmitglieder und entsprechende Ortskenntnisse. Sie könnte bei den verfolgten Umsturzplänen eine zentrale Rolle gespielt haben. Aufgrund ihrer Rolle in den Berliner AfD-Strukturen, insbesondere ihrer engen Verbindungen nach Marzahn-Hellersdorf, ist es kaum möglich, dass diese Entwicklung unbemerkt geblieben ist.
Landeswahlversammlung der Berliner AfD im März 2017, Ralf Conradi, Hans-Joachim Berg, Marius Radtke, Beatrix von Storch, Gottfried Curio, Birgit Malsack-Winkemann, Nicolaus Fest und Harald Laatsch
Gut vernetzt im völkischen „Flügel“ der AfD
Im Jahr 2022 trat Malsack-Winkemann politisch kaum noch in Erscheinung. Davor war sie jedoch in der Berliner AfD überaus aktiv. Noch im Juni 2021 wurde sie auf der Landeswahlversammlung der Partei mit mehr als der Hälfte der Stimmen auf den fünften Platz der Landeswahlliste für den Bundestag gewählt. Bei ihrer Wahlrede sprach sie offen vom Verschwörungsmythos des „Great Reset“ und forderte die Wiederherstellung der deutschen Souveränität. Die Berliner AfD-Mitglieder wussten also, wen sie wählten und taten dies im vollen Bewusstsein der politischen Ansichten von Malsack-Winkemann. Dennoch verlor Birgit Malsack-Winkemann nach der Wahl im September 2021 ihr politisches Mandat. Bei der anstehenden Wiederholung der Bundestagwahl in einigen Berliner Wahlbezirken wird sie jedoch auf dem gleichen Platz antreten.
Ihr Standing im Landesverband ergibt sich auch aus Malsack-Winkemanns Nähe zum völkischen „Flügel“ der Partei, der inzwischen auch in Berlin die Parteipolitik bestimmt. Obwohl Malsack-Winkemann keine direkte Führungsrolle in dem parteiinternen Netzwerk bekleidet, war sie stets eine beliebte Rednerin auf Veranstaltungen, die vom „Flügel“-Spektrum in Berlin um Jeannette Auricht und Thorsten Weiß organisiert wurden. Malsack-Winkemann war von 2015 bis 2017 stellvertretende Vorsitzende des AfD-Bezirksverbandes Steglitz-Zehlendorf, der schon damals vom völkischen Hardliner Andreas Wild dominiert wurde. Sie schwieg dazu und trat noch Ende 2020 als Gast bei der online-Veranstaltung von Wild auf, gegen den weiter ein Parteiausschlussverfahren läuft. Alle anderen Redner standen auf dem Emailverteiler des „Flügels“ in Berlin. Weiterhin organisierte sie als Bundestagsabgeordnete im April 2019 maßgeblich einen Dialog-Veranstaltung der Reinickendorfer AfD mit AfD-Vize-Chefin Alice Weidel. Auf dem Podium saßen u.a. noch Rolf Wiedenhaupt und der damalige Berliner „Flügel“-Obmann Thorsten Weiß. Noch deutlicher wird ihre Verbindung zum offen völkischen Rand der Partei in ihrer tiefen Beziehung zur AfD in Marzahn-Hellersdorf. Im Angesicht der schwerwiegenden Anschuldigungen stellt sich zwangsläufig die Frage, was die Marzahn-Hellersdorfer AfD von den „Umsturzplänen“ ihrer Weggefährtin wusste.
Ende 2020: Veranstaltung mit Vertretern aus dem „Flügel“-Spektrum und Birgit Malsack-Winkemann zum Thema „Kriminalisierte Maskenlosigkeit“
Birgit Malsack-Winkemann und Alice Weidel am 03.04.2019 in Berlin-Reinickendorf
Verbindungen zur AfD Marzahn-Hellersdorf
Trotz ihrer politischen Verbundenheit mit Steglitz-Zehlendorf unterhielt Birgit Malsack-Winkemann seit mindestens 2018 intensiven Kontakt mit dem AfD Bezirksverband Marzahn-Hellersdorf. Dieser gilt personell und ideologisch als besonders nah am „Flügel“ der AfD. So war Malsack-Winkemann unter anderem im Juni 2018 als Rednerin zu Gast auf einem sogenannten „Bürgerdialog“ des Bezirksverbandes im Neonazi-Lokal „Mittelpunkt der Erde“ in Hönow. Im März 2020 nahm sie am online-Frühjahrsempfang der AfD-Marzahn-Hellersdorf teil. Dieses Engagement erhöhte sich sich im Wahlkampfjahr 2021. Dort unterstützte Malsack-Winkemann den Bezirksverband bei mindestens elf der ungefähr 39 Wahlkampfstände. Solch eine starke Unterstützung von einer nicht im Bezirk verankerten Politikerin im lokalen Wahlkampf ist einmalig. Das verweist auf die enge Verbindung zwischen Malsack-Winkemann und dem AfD-Bezirksverband. Gleich zwei Mitglieder der AfD Marzahn-Hellersdorf waren als Mitarbeitende von Malsack-Winkemann im Bundestag beschäftigt: Edwin Arnovic Falkenstern, der bei der letzten BVV-Wahl in Marzahn-Hellersdorf auf Listenplatz 25 antrat, und Anneliese Dummer. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin von Malsack-Winkemann und Direktkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl in Marzahn-Mitte. Zudem besuchte Dummer 2019 mit vielen anderen Mitgliedern des Beziksverbandes das letzte bundesweite „Kyffhäuser“-Treffen vom „Flügel“ in Leinefelde.
Bürgerveranstaltung der AfD Marzahn-Hellersdorf mit Birgit Malsack-Winkemann im Juni 2018 im Neonazi-Lokal „Mittelpunkt der Erde“
Frühjahrsempfang der AfD Marzahn-Hellersdorf mit Birgit Malsack-Winkemann
Edwin Arnovic Falkenstern von der AfD Marzahn-Hellersdorf, ehemaliger Mitarbeiter von Malsack-Winkemann im Bundestag
Birgit Malsack-Winkemann, Monika Beul und Anneliese Dummer beim Wahlkampfstand im Juli 2021 in Marzahn
Die Unterstützung im Wahlkampf diente rückblickend betrachtet auch zur Vorbereitung auf einen möglichen Stadtratsposten für Malsack-Winkemann. Trotz ihres aussichtsreichen Listenplatzes musste sie befürchten, nicht erneut in den Bundestag einzuziehen. Mit der Unterstützung eines „Flügel“-nahen AfD Bezirksverband hätte sie sich so auf lokaler Ebene einen politischen Posten sichern können. Aufgrund der engen Verbindung zur Marzahn-Hellersdorfer AfD wurde Malsack-Winkemann als Stadträtin für das Ordnungsamt im Bezirk vorgeschlagen. Dem voraus ging eine interne Nominierungsrunde der AfD Marzahn-Hellersdorf, in der fünf der neun Fraktionsmitglieder für Malsack-Winkemann stimmten. Das unterstreicht ihre breite Unterstützung im Bezirksverband. Allerdings zog Malsack-Winkemann ihre Kandidatur noch vor dem ersten Wahlgang im November aus „persönlichen Gründen“ zurück.
Birgit Malsack-Winkemann zu Gast beim Stammtisch der AfD Marzahn-Hellersdorf im Mai 2018 im Neonazi-Lokal „Mittelpunkt der Erde“
Björn Höcke, Patrick Steven Fritsch und Gunnar Lindemann (beide AfD Marzahn-Hellersdorf) sowie Michael Adam (Stadtratskandidat dr AfD-Fraktion Marzahn-Hellersdorf) bei der ersten Veranstaltung des „Flügel“-Nachfolgers Idearium
Die Nominierung für den Stadtratsposten wäre ohne die Netzwerke aus dem ehemaligen „Flügel“ sowie die jahrelange Verbundenheit von Malsack-Winkemann zur AfD in Marzahn-Hellersdorf nicht möglich gewesen. Gunnar Lindemann, seit 2022 Vorsitzender des Verbandes und schon vorher lokal federführend, pflegte nachweislich seit mindestens 2018 enge Kontakte zu Malsack-Winkemann. Neben persönlichen Treffen und Wahlkampfauftritten versuchte Lindemann seine Reichweite zu nutzen, um Malsack-Winkemanns Mitarbeiterin Anneliese Dummer in der Lokalpolitik und für ein Direktmandat zu stärken. Mit Richard Gretzinger, einem weiteren von Malsack-Winkemanns Mitarbeitenden, unternahm Lindemann regelmäßig politisch brisante Reisen in autoritäre Regime oder Krisengebiete. Dazu zählten gemeinsame Aufenthalte in Belarus (2018), in der Ostukraine (2020) oder in Syrien (2021). Zudem nahmen Gretzinger und Lindemann gemeinsam am AfD-„Schweigemarsch“ 2018 in Chemnitz teil, der in rassistischen Ausschreitungen mündete. Aufgrund seiner fast schon freundschaftlich anmutenden Beziehung zu Malsack-Winkemann und ihrem Umfeld dürfte Lindemann auch bei ihrer Einbindung in den Bezirksverband eine wichtige Rolle gespielt haben.
Gunnar Lindemann und Birgit Malsack-Winkemann beim Wahlkampfstand im September 2021 in Marzahn
Gunnar Lindemann und Richard Gretzinger im April 2021 im syrischen Damaskus
Richard Gretzinger und Gunnar Lindemann bei den rassistischen Ausschreitungen am 01.09.2018 in Chemnitz
Letztendlich war es eine win-win-Situation. Durch das Engagement von Malsack-Winkemann im Bezirk zeigte Lindemann seine Fähigkeit, Bundesprominenz der Partei in den Wahlkampf einzubinden. Und Malsack-Winkemann brauchte die Unterstützung der völkischen Kräfte in der Partei für ihre politische Karriere. Lindemann spielt als wichtiger Netzwerker in der Partei und auch über seine „Flügel“-Verbindungen hinaus eine wichtige Rolle. Zusammen mit anderen Mitgliedern des Bezirksverbands nimmt er regelmäßig an Veranstaltungen rechtsdominierter Bewegungen, wie Querdenken, teil. Verschwörungsideologische und rechte Initiativen bezeichnete Lindemann während eines Landesparteitags in Schönwalde-Glien „im Prinzip als unsere Vorfeldorganisation(en)“. Genau diese Spektren, die Lindemann regelmäßig versucht zu vernetzen, haben jene Organisation hervor gebracht, die vermeintlich einen rechten Staatsstreich durchführen wollte. Selbst wenn er und sein Verband nicht an diesen Plänen beteiligt waren, sind Lindemann und die AfD Marzahn-Hellersdorf wichtige Akteure in der Mischszene aus völkischen Rechten, Querdenkern und Reichsbürgern. Diese schreckt nicht vor rechtsterroristischen Umsturzfantasien zurück.
Dementsprechend ist es auch nicht verwunderlich, dass AfD-Mitglieder aus Marzahn-Hellersdorf Malsack-Winkemann nach ihrer Verhaftung sofort zur Seite sprangen. Während der Bundesvorstand um Alice Weidel und Tino Chrupalla abwartende Worte wählte, versuchte unter anderem Daniel Birkefeld vom AfD-Bezirksverband Marzahn-Hellersdorf die Vorwürfe rechtsterroristischen Verhaltens gegenüber der Ex-Bundestagsabgeordneten zu verharmlosen. Die Unterstützung ist kaum verwunderlich. So stand der Sympathisant der „Identitären Bewegung“ noch 2021 regelmäßig mit ihr an Wahlständen in Marzahn-Hellersdorf. All dies zeigt, wie tief das persönliche und politische Netzwerk von Malsack-Winkemann immer noch in den AfD Bezirksverband Marzahn-Hellersdorf hineinreicht.
Daniel Birkefeld und Birgit Malsack-Winkemann beim Wahlkampfstand im September 2021 in Marzahn
Daniel Birkefeld (AfD Marzahn-Hellersdorf) zur Festnahme von Birgit Malsack-Winkemann
Die rechte Richterin
Im Angesicht der politischen Karriere von Birgit Malsack-Winkemann sowie ihres persönlichen und professionellen Umfelds können die jetzigen Vorwürfe des Generalbundesanwalts kaum verwundern. Spätestens seit ihres Wahl in den Bundestag 2017 zeigte die ehemalige Richterin für Mietrecht am Berliner Landgericht (1993-2017) regelmäßig ihre Sympathien für den völkischen Teil der AfD. Sie trat vielfach mit Angehörigen der Parteigruppierung in der Öffentlichkeit auf oder unterstützte diese bei Veranstaltungen und im Wahlkampf. Nach dem verpassten Wiedereinzug in den Bundestag wollte Malsack-Winkemann dieses Engagement vergessen machen und wieder in ihr Richteramt zurückkehren. Dagegen legte die Justizverwaltung des Berliner Senats Widerspruch ein. Anders als im Fall von Jens Maier, dem aufgrund seiner völkischen Politik als AfD-Bundestagsabgeordneter die Ausübung des Richteramtes untersagt wurde, entschied das Berliner Dienstgericht, dass Malsack-Winkemann im Amt verbleiben könne. Diese Entscheidung war schon vor dem Hintergrund der damaligen Argumente der Justizverwaltung zu den politischen Ansichten und Netzwerken Malsack-Winkemanns skandalös. Im Angesicht der jetzigen Entwicklungen wirkt es geradezu absurd, wie Warnungen vor den politischen Gefahren, die von Malsack-Winkemann ausgehen, ignoriert wurden. Es zeigt sich wieder einmal, dass rechte Hardliner kaum mit Gegenwind aus Justiz und Verwaltung zu rechnen haben. Aufgrund der Unterstützung von potentiell rechtsoffenen Kolleg*innen können so nachweislich völkische Personen im Staatsdienst verbleiben. Der Fall „Birgit Malsack-Winkemann“ dürfte somit nicht nur für die Marzahn-Hellersdorfer AfD als stiller Unterstützungsstruktur Konsequenzen haben. Auch die Repräsentant*innen der Berliner Justizsystems müssen sich Fragen zu ihren vergangenen Entscheidungen gefallen lassen.
Gunnar Lindemann (Mitglied der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus) äußert sich auf Twitter zur Razzia vom 07.12.2022
Harald Laatsch (Mitglied der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus) äußert sich auf Twitter zur Razzia vom 07.12.2022
Frank-Christian Hansel (Mitglied der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus) äußert sich auf Twitter zur Razzia vom 07.12.2022
Im Sportkomplex Rennbahn (Rennbahnstr. 62, 13086 Weißensee) trafen sich 2021 Aktivist_innen von AfD, Identitärer Bewegung und NPD regelmäßig zum gemeinsamen Kampfsporttraining.
Ohne behelligt zu werden dürfen Nazis öffentliche Sportanlagen nutzen und sich dort auch unbeschwert vernetzen.
Es nahmen diverse Nazis von der NPD am Training teil. Fabian Knop, früher Freie Nationalisten Buch, heute NPD und JN Pankow, gilt als politischer „Ziehsohn“ von Christian Paul Schmidt, Vorsitzender der Berliner JN. Schmidt ist eine zentrale Figur der Naziszene in Berlin Buch und tritt vor allem durch seine “Anti-Antifa”-Aktivitäten in Erscheinung. Er trainierte mehrfach offen im T-Shirt des Nazi-Kampfsportturniers “Kampf der Nibelungen”. Es ist damit mehr als ersichtlich gewesen, dass hier Neonazis trainieren, die das offen zur Schau stellen.
Zudem nahmen die NPD-Anhänger aus Marzahn-Hellersdorf Lars Niendorf und Kai Milde an den Trainings teil. Beide wurden am 3.10.2020 auf dem Naziaufmarsch vom 3. Weg in Hohenschönhausen gesehen.
Von der “Identitären Bewegung” nahmen mindestens vier Aktivisten regelmäßig am Kampfsporttraining teil: Mario Alexander Müller gehörte ehemals zur Parteijugend der NPD in Niedersachsen. Danach war er Kopf der Identitären-Gruppe “Kontrakultur” Halle. Nach deren Auflösung zog es ihn nach Berlin, wo er nun für das Compact Magazin arbeitet. Neben ihm nimmt “Linus” (Rufname) am Training teil, der schon 2016 und 2017 die IB-Demos in Berlin mitorganisierte und sich auch jetzt noch an IB-Aktionen beteiligt. Der Dritte ist Roy Grassmann aus Bernau. Früher auf NPD-Veranstaltungen anzutreffen, verteilt er inzwischen das Compact-Magazin auf Querdenken Demos (z.B. in Frankfurt Oder https://inforiot.de/kein-platz-fuer-neonazis/). Unter seinem “Greifvogel-Wear”-Shirt trägt er ein großes Kolovrat-Tattoo auf der Brust, eine Art abgewandeltes Hakenkreuz.
Von der AfD nehmen regelmäßig teil: Jörg Sobolewski, der ebenfalls IB-Aktivist ist und zur Burschenschaft Gothia gehört. Sobolewski ist früherer Leiter der Geschäftsstelle der AfD Berlin, danach war er Mitarbeiter im Bundestag und bei der AfD Fraktion in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg. Neben ihm nimmt Philipp Zech am Training teil. Er war 2019 und 2020 Vorstand der AfD Charlottenburg-Wilmersdorf, ist Exmitglied der Piratenpartei und Sportwissenschaftler an der Uni Potsdam, der auch Vorträge für die Aidshilfe hält. Beim Training trat auch er mit einem T-Shirt der Neonazimarke “Greifvogel Wear” auf. Ebenfalls dabei ist Alexander Göller von der Jungen Alternative Berlin und AfD Kreisverband Reinickendorf, der auf Facebook mit NS-Sprache auffällt.
An den Trainings nahmen in wechselnder Zusammensetzung regelmäßig zehn bis zwanzig Leute teil, von denen außer den namentlich genannten Nazis, viele auch Shirts von “Greifvogel Wear” oder “Kampf der Nibelungen” trugen.
Solche Trainings zu akzeptieren bedeutet Nazis in ihrem gewaltverherrlichendem Treiben zu unterstützen. Nazis üben mit diesen Trainings die körperliche Auseinandersetzung auf der Straße und machen sich fit für Fascho-Kampfsportveranstaltungen wie den Kampf der Nibelungen.
Wer dabei untätig zuschaut, wie organisierte Neonazis gemeinsam Kampfsport trainieren, nimmt in Kauf, dass sie ihre Kenntnisse auch gegen andere Menschen anwenden.
Zusammentreffen wie dieses Training zeigen auf, dass die Trennung in vermeintlich gemäßigte und extreme Rechte kaum mehr ist als eine Fassade. Trotz der sich wiederholenden Scheindistanzierungen kommen Rechte aller Schattierungen von AfD, über IB bis NPD immer wieder bei Diskussionsrunden, Trainings und Demos zusammen und verstehen sich offensichtlich bestens.
Am 6. November 2021 veranstaltete der AfD-Landesverband Brandenburg eine Abendveranstaltung in Hönow (Gemeinde Hoppegarten). Angekündigt war ein Infoabend mit Beiträgen der beiden stellvertretenden Landesvorsitzenden Birgit Bessin und Daniel Freiherr von Lützow. Den Abschluss bildete jedoch ein geheim organisiertes Konzert des extrem rechten Musikprojekts um Sacha Korn. Der offene Schulterschluss zwischen der Brandenburger AfD und einer außerparlamentarischen, subkulturellen Rechten ist neu. Er könnte als Richtungsweiser für den politischen Kurs nach den anstehenden Wahlen zum Landesvorsitz fungieren, bei denen auch Birgit Bessin antritt. Die zahlreich anwesenden Mitglieder des Brandenburger Landtages und einige Bundestagsabgeordnete aus dem Bundesland scheinen diese Entwicklung aktiv zu unterstützen.
Birgit Bessin vor dem Restaurant “MIttelpunkt der Erde”
Das „Braune Haus“ in Hönow
Veranstaltungsort des rechten Konzertabends war wieder einmal das Restaurant „Mittelpunkt der Erde“. Es gilt seit Jahren als etablierter Treffpunkt des völkischen Flügels der AfD. In der Vergangenheit fanden hier bereits Veranstaltungen mit Björn Höcke am 9.September 2017 und am 11.September 2020 statt (Wahlkampftag der AfD Marzahn-Hellersdorf am 9. September 2017 — 1) und Andreas Kalbitz (Treffen der „Adlerschwingen Brandenburg“ ) statt. Auch Götz Kubitschek und Erik Lehnert vom extrem rechten „Institut für Staatspolitik“ waren im Oktober 2020 für einen Diskussionsabend der Berliner „Jungen Alternative“ in Hönow zu Gast. Aufgrund der akuten Schwierigkeit der Berliner AfD, Veranstaltungsräume zu finden, dient der „Mittelpunkt der Erde“ ebenfalls als Treffpunkt für zahlreiche Bezirksverbände, um dort beispielsweise Parteitage abzuhalten. Doch am Samstagabend gab es auf der „Dankesfeier“ für „unsere Mitglieder“, wie Birgit Bessin wenige Stunden vor Veranstaltungsbeginn auf Facebook schrieb, mehr als nur ein paar diskriminierende Reden.
Sacha Korn – Musik für die extreme Rechte
Unter den ankommenden Personen des Abends waren auch Mitglieder des extrem rechten Musikprojekts um den Songwriter Sacha Korn. So zeigte sich Drummer Guido Schade direkt im Bandoutfit und der Bassist und ehemalige Kader der Lichtenberger AfD, Jan-Michael Keller, trug sein Instrument in den Veranstaltungsraum. Später veröffentlichte eine Aktivistin der „Jungen Alternative“ aus Brandenburg Fotos, die bestätigten, dass tatsächlich ein Konzert von Sacha Korn im „Mittelpunkt der Erde“ stattgefunden hatte.
Screenshot von Anna Leistens Instagram-Story
Der Sänger und seine Bandkollegen nennen sich selbst „unpolitisch“. Doch sie sind seit vielen Jahren in einer extrem rechten Musikszene aktiv und in Neonazinetzwerke eingebunden. 2011 wurden Songs von Sacha Korn auf der “Schulhof-CD” der NPD in Sachsen-Anhalt veröffentlicht. Zudem hat die Band Kontakte ins Rockermilieu, wie ein geplantes und dann verbotenes Konzert für die Hells Angels 2012 zeigt. Aus Angst vor weiteren Verboten werden ihre Konzerte in der Regel klandestin organisiert, wie 2015 im Berliner Club „Chesters“ [5]. Wenn sie bekannt werden, sind sie von antifaschistischen Protesten begleitet – so 2017 in Potsdam-Bornstedt. In den letzten Jahren suchen Sacha Korn neben der Neonazi-Szene jedoch verstärkt Kontakte in eine neofaschistische Rechte, vor allem zu Strukturen der “Identitären Bewegung”. Sein aktuelles Album „Heimat“ aus dem Jahr 2020 produzierte er zusammen mit der völkischen Vernetzungsplattform „Ein Prozent“. Sie finanzierte auch das Video zur Auskopplung „Unsere Kraft“ und bewarb Korn mehrfach auf ihrer Homepage als öffentlichkeitswirksamen Posterboy für eine „patriotische Musikszene“. Dadurch erlangte Sacha Korn Zugang zur rechten Medienblase. Er gab unter anderem Interviews in der FPÖ-nahen Zeitung „Wochenblick“ und dem österreichischen Magazin „Freilich“, das ebenfalls der FPÖ und der „Identitären Bewegung“ nahesteht. Zudem war er Ende 2020 Gast im online-Format „laut gedacht“ der beiden Identitären-Aktivisten Alexander Kleine aka Alex Malenki und Phillip Thaler. Die Kontakte zur neonazistischen und neofaschistischen Rechten führten auch zur zwischenzeitlichen Löschung von Korns Musik auf zahlreichen online-Downloadportalen. Der Sänger und seine Band stehen somit für die Bestrebungen zum Aufbau einer völkischen „Gegenkultur“, die jedoch versucht ihre extrem rechten Inhalte als vermeintlich harmlosen „Patriotismus“ zu tarnen. Das vereint ihn mit der AfD.
AfD im Netzwerk der „Mosaikrechten“
Das Konzert in Hönow zeigt, wie tragfähig die Netzwerke zwischen subkuturellen und parlamentarischen Kreisen der extremen Rechten inzwischen sind. Der Aufbau einer solchen „Mosaikrechten“ wird seit Jahren eingefordert und von Plattformen wie „Ein Prozent“ unter erheblichem finanziellen Aufwand forciert. Dabei geht es nicht nur darum, gegenseitige Unterstützung einzufordern, sondern eine aktive politische Zusammenarbeit unterschiedlicher Spektren, wie der AfD, der “Identitären Bewegung” oder Musik-Acts, zu fördern. Die Ausrichtung des Konzertes durch die AfD zu diesem Zeitpunkt ist taktisch motiviert. In zwei Wochen findet am 20. und 21. November der Landesparteitag statt. Auf ihm geht es darum, die Nachfolge von Andreas Kalbitz zu bestimmen, dem im Frühjahr 2020 die Parteimitgliedschaft entzogen wurde. Grund waren seine über Jahrzehnte bestehenden persönlichen Kontakte in die extreme Rechte. Doch für viele Teile der Brandenburger AfD war das kein Grund, ihm nachhaltig die Unterstützung zu entziehen. Nun machen sich die Kalbitz-Befürworter*innen im völkischen Parteiflügel bereit, um seine politische Arbeit mit neuen Gesichtern fortzuführen. Zu dieser Fraktion gehört auch Birgit Bessin, die für den Landesvorsitz kandidiert.
Breite Unterstützung für völkische Netzwerke
Dementsprechend ist die Konzert-Veranstaltung vom 6. November 2021 neben dem Dank an die Parteimitglieder für die Hilfe im zurückliegenden Bundestagswahlkampf auch eine Möglichkeit, um die Unterstützer*innen einzuschwören und den politischen Weg der Brandenburger AfD unter Bessin aufzuzeigen. Dieser Kurs scheint eine verstärkte Zusammenarbeit mit extrem rechten Strukturen außerhalb der Parlamente zu beinhalten, um in Brandenburg eine starke „Mosaikrechte“ zu etablieren. Eine solche Entwicklung scheint dabei von vielen führenden Politiker*innen der Partei getragen zu werden.
Hannes Gnauck im “Mittelpunkt der Erde”
Neben den stellvertretenden Landesvorsitzenden Bessin und von Lützow waren weitere Landtagsabgeordnete in Hönow; unter anderem Peter Drenske, Lars Günther, Kathi Muxel , Volker Nothing, die Schriftführerein Kerstin Schotte der ehemalige Abgeordnete Roman Kuffert. Zudem besuchten mit Hannes Gnauck, Steffen Kotré und René Springer gleich drei der fünf aktuellen Brandenburger Bundestagsabgeordneten der AfD das Konzert. Auch die generell eher ins völkische tendierende Parteijugend der AfD zeigt sich als Unterstützerin eines weiter nach rechts führenden Parteikurses. Neben der Vorsitzenden der „Jungen Alternative“ in Brandenburg, Anna Leisten, war ebenfalls ihr Stellvertreter Franz-Sebastian Dusatko sowie Manuel Schmidt anwesend. Von der Berliner JA kam Patrick Steven Fritsch vorbei. Die Ausrichtung eines klandestin organisierten Rechtsrockkonzerts stellt eine neue Qualität der politischen Arbeit der AfD in Brandenburg dar. Hier zeigt sich, wie offen völkische Strukturen in der Partei versuchen, ihre Handlungsspielräume gegenüber vermeintlich gemäßigteren Kräften, wie um Jörg Meuthen, zu erweitern. Es wird sich auf dem Landesparteitag zeigen, inwieweit eine solche Ausrichtung der Landes-AfD mehrheitsfähig ist. Leider spricht vieles dafür. Und selbst wenn die Akteur*innen des völkischen Flügels der Partei nicht unmittelbar auf die gewünschten Posten gewählt werden, werden sie ihren politischen Kurs auf lokaler Ebene fortführen.
Die „Hygienedemos“ am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin haben sich inzwischen zu einem breiten Feld von „Hygiene“-Protesten in der ganzen Stadt entwickelt. An ihnen beteiligen sich regelmäßig mehrere hundert Personen – darunter auch zahlreiche Anhänger*innen der (extremen) Rechten sowie rechtsoffene Verschwörungsideolog*innen. Der Text gibt einen Überblick über die Entwicklung und die zentralen Akteur*innen dieser neuen Proteste.
***Da es sich bei diesem Analyse-Output um einen sehr umfangreiche Veröffentlichung handelt, haben wir ihn in einzelne, weitestgehend unabhängige Abschnitte aufgeteilt. So könnt ihr den Text in mehreren Etappen lesen oder direkt zu dem Thema springen, das euch am meisten interessiert.***
Inhalt 1 Die ursprünglichen Organisator*innen der „Hygienedemo“ – „Lenz und Partner*innen“ 2 Ablauf der Demonstrationen in Berlin und ihre Teilnehmenden im Überblick 3 Konflikte mit den Organisator*innen der „Hygienedemos“ und neue Dynamiken 4 „Hygienedemos“ als Anlaufpunkt für die (extreme) Rechte 5 Tummelplatz für (Neonazi-)Hooligans und andere gewaltbereite Rechte 6 Auflistung der Akteur*innen an den „Hygiene“-Protesten 7 Fazit
Seit dem 28. März 2020 gibt es in Berlin wöchentliche „Hygienedemos“. Zu Beginn fanden sich nicht einmal 50 Teilnehmende auf dem Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte ein. Inzwischen nehmen jedoch mehrere hundert und teilweise sogar über tausend Personen an den Protesten teil.
Die unangemeldeten Versammlungen richten sich inhaltlich gegen die staatlichen Infektionsschutzmaßnahmen zur Eindämmung von COVID_19. Doch eine fundierte Kritik an einer zunehmend autoritären Regierungspolitik und wirtschaftsnahen Eindämmungsvorschriften ist kaum zu finden. Stattdessen dominieren verschwörungsideologische¹ Tendenzen, z.B. hinsichtlich einer vermeintlichen Abschaffung des bundesdeutschen Grundgesetzes oder drohenden Zwangsimpfungen. Dementsprechend nahmen an den Demonstrationen seit Beginn rechtsoffene Verschwörungsideolog*innen sowie Vertreter*innen der extremen Rechten teil. Die Veranstaltenden haben diese Entwicklungen weitestgehend ignoriert oder sogar befördert. Ähnlich verhält sich ein Großteil der Teilnehmenden, die auf diese Weise, obwohl sie sich selbst von „Nazis“ oder allgemein von „rechts“ distanzieren, Räume für Inhalte und Vertreter*innen der (extremen) Rechten schaffen. Aus diesem Grund ist eine antifaschistische Auseinandersetzung mit den Demonstrationen auf der Straße, wie auch in der Analyse unerlässlich.
Inzwischen hat sich die gesamte Szene der verschwörungsideologischen „Corona-Kritiker*innen“ ausdifferenziert. Mit „Widerstand2020“ scheint sich bundesweit eine neue Partei aus der Protestbewegung zu entwickeln. Auch in Berlin haben sich die Proteste vom Termin am Rosa-Luxemburg-Platz gelöst und finden nun verteilt an vielen Orten der Innenstadt statt. Deswegen ist es Zeit, die bisherige Entwicklung der Berliner „Hygiene“-Proteste nachzuzeichnen.
1 Die ursprünglichen Organisator*innen der „Hygienedemo“ – „Lenz und Partner*innen“
Unter dem Motto „nicht ohne uns“ organisierte eine Gruppe, die sich selbst „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“ (kurz: KDW) nennt, die ersten „Hygiene“-Aktionen am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz. Strukturell soll es sich bei der KDW um einen Verein in Gründung handeln. Als Sitz wurde lange Zeit die Berliner Volksbühne angegeben, die sich allerdings mehrmals von der Gruppe distanzierte. Bei den öffentlich bekannten Organisator*innen handelt es sich um einen Kreis, der in der Vergangenheit vor allem in der eher (links-)liberalen Kunst- und Kulturszene in Erscheinung trat. So war Mitbegründer Anselm Lenz neben seiner Tätigkeit als Theaterdramaturg ebenso freier Redakteur der taz. Auch Organisator Hendrik Sodenkamp arbeitete als Dramaturg an verschiedenen Theatern. Gemeinsam gründeten sie 2014 das viel beachtete Projekt „Haus Bartleby – Zentrum für Karriereverweigerung“. Ideologischer Kern war die öffentliche Kritik an der neoliberalen Verwertungslogik, unter dem Projektnamen entstanden u.a. ein Buch („Sag alles ab“) und ein Theaterstück („Kapitalismustribunal“). Mit der Grafikerin Batseba N‘diaye wird ein weiteres Mitglied aus dem „Haus Bartleby“ als Teil des „Demokratischen Widerstand“ geführt. Öffentlich treten weiterhin Anne Höhne (als Pressesprecherin), der Esoteriker Sven Sebastian Horner (u.a. als Demoanmelder) und Anwalt Florian Daniel für die „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“ auf.
v.l.n.r.: Anselm Lenz, Hendrik Sodenkamp, Florian Daniel, Sven Sebastian Horner und Anne Höhne von der „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“
Als zentrales Medium der Selbstdarstellung nutzt der „Demokratische Widerstand“ eine gleichnamige Zeitschrift, die jede Woche neu erscheint. Die Auflage steigerte sich dabei von 20.000 auf inzwischen – laut Eigenangaben – 500.000 Exemplare für die fünfte Ausgabe. Zu Anfang wurde die Zeitschrift laut Impressum allein in der Union Druckerei Berlin (Storkower Straße 127a, 10407 Berlin) hergestellt. Inzwischen sind aufgrund der hohen Auflage die Druckerei Monno (Ohlweg 2, 22885 Barsbüttel) als Produktionsstandort für Norddeutschland und das SM Druckhaus (Otto-Hahn-Straße 44a, 633303 Dreieich) für Süddeutschland hinzugekommen. In Berlin werden die Zeitungen zentral abgeholt und donnerstags und freitags in Großpaketen an Interessierte in der Stadt ausgegeben, die wiederum die individuellen Verteilungen (u.a. auf den Veranstaltungen) übernehmen. Das öffentliche Verteilen der Zeitungen war zu Beginn eine Taktik, mit der die geltenden Versammlungsverbote umgangen werden sollten.
In der Zeitung finden sich neben einigen eigenen Beiträgen auch Artikel anderer Autor*innen zur Unterstützung. Von ihnen hat sich u.a. der Berliner Journalist Peter Nowak öffentlich für seinen Beitrag in der ersten Zeitungsausgabe entschuldigt und sich glaubhaft von den Organisierenden distanziert. Gleiches gilt für Giorgio Agamben, der – laut Eigenaussage ohne sein Wissen – als Mitherausgeber geführt wurde. Neben der Zeitung betreibt die „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“ eine Homepage (nichtohneuns.de) mit offenem Chatserver für den bundesweiten Austausch. Sie versenden zusätzlich einen Email-Newsletter. Außerdem existiert ein bundesweiter Telegram-Kanal zur Koordination der Aktivitäten, bei dem unklar ist, ob ihn die KDW selbst administriert. Daneben existiert ein spezieller Kanal für Organisation und Vernetzung von Aktivitäten von „nicht ohne uns“ in Berlin, der zwar im offiziellen Chatserver beworben wird, aber unabhängig vom KDW zu sein scheint.
In ihren öffentlichen Auftritten inszenieren sich die Vertreter*innen der KDW als Retter*innen der Demokratie und Stimme der liberalen Opposition. Dabei berufen sie sich stets auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus sehen sie als autoritäre Eingriffe in die Grundrechte und Vorstufe zur Abschaffung der freiheitlich-demokratische Grundordnung. Trotz der wiederholten Abgrenzung gegenüber „Nazis“ bieten ihre Äußerungen zahlreiche Ansatzpunkte für (rechtsoffene) Verschwörungsideologien. So spricht der Mitbegründer des „Demokratischen Widerstand“ Anselm Lenz in einem Video beim youtube-Kanal „Hauptstadtstudio“ von März 2020 mit Blick auf das Corona-Virus von einer „massiven Betrugskampagne“ der herrschenden Klasse weltweit und zieht NS-relativierende Vergleiche zur gesellschaftspolitischen Situation 1933. Im gleichen Video mutmaßt Sodenkamp, dass die derzeitigen Maßnahmen lediglich das Klima bieten würden, um eine andere Wirtschafts- und Herrschaftsweise einzuführen. Aus ihren Thesen leiten Lenz und Sodenkamp die Forderung ab, die Regierung abzusetzen zugunsten einer „Verfassung der Ökonomie“. Eine in Ansätzen vorhandene anti-autoritäre Kritik neoliberaler Herrschaftsformen driftet somit in Verschwörungsdenken ab.
Ähnlich schwammig ist die Bündnispolitik der Gruppe. So stellte die Beteiligung von offensichtlichen Neonazis und andere Akteur*innen der (extremen) Rechten, welche die Veranstaltungen seit Beginn offensiv als Bühne für Selbstinszenierungen (z.B. als rechte Medienmacher) nutzen, kein Problem für die Organisierenden dar. Selbst am 25.04.2020 nachdem mehrfach auf die Beteiligung von (extremen) Rechten hingewiesen wurde, sprach Sodenkamp in einem Grußvideo noch von einem „Querschnitt der tollsten Menschen aus ganz Berlin“ auf der Versammlung. Zusätzlich werden auch direkte Bündnisse mit fragwürdigen Gruppen eingegangen. So sprachen auf der offiziellen Pressekonferenz am 07.05.2020 neben Anne Höhne (und Anselm Lenz) ebenfalls zwei Vertretern der „Ärzte für Aufklärung“ (Heiko Schöning und Walter Weber) sowie Lothar Hirneise von der Kampagne „Ich bin anderer Meinung“ (kurz: IBAM), der als gelernter Krankenpfleger esoterische Krebs-„Therapien“ anbietet. Weiterhin nutzt die KDW jede Chance, um wahrgenommen zu werden – ganz egal, mit wem sie dafür auftreten müssen.
2 Ablauf der Demonstrationen in Berlin und ihre Teilnehmenden im Überblick
Die Aktionen am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz zeichnen sich durch einen ähnlichen Ablauf in jeder Woche aus. Da in der Anfangszeit keine Demonstrationen angemeldet werden konnten und Lenz und Sodenkamp polizeiliche Betretungsverbote für den Platz ausgesprochen wurden, haben sich eher informelle Strukturen etabliert. Dementsprechend fehlt auch abseits der verteilten Zeitungen jeglicher Hinweis zur organisierenden Gruppe. Es gibt kein offizielles Programm oder Redner*innen, sodass Wortbeiträge spontan von einzelnen Teilnehmenden (und zumeist als Reaktion auf Polizeitätigkeiten) gehalten werden. Gleiches gilt für Schilder und Transparente, die nahezu ausschließlich selbst gemacht sind und ein breites inhaltliches Feld von sich teilweise widersprechenden Ansichten abbilden. Widerspruch zu den individuellen Aussagen findet kaum statt, sodass selbst grob menschenfeindliche Ansichten von den meisten Teilnehmenden toleriert werden. Teilweise werden die Veranstaltungen auch von politischen Gruppen genutzt, um für sich zu werben. Beispiele hierfür sind Personen mit IBAM-Schildern (s.o) oder selbstgemachte Plakaten von Widerstand 2020.
Widerstand2020-Plakat auf der Versammlung am 02.05.2020. (Foto: Kim Winkler)
Insgesamt kommen auf den Versammlungen sehr heterogene politische Spektren zusammen (eine detaillierte Auflistung relevanter Strukturen und Einzelpersonen erfolgt unter Punkt 6): selbsternannte Corona-Skeptiker*innen und -leugner*innen, Impfgegner*innen, Anhänger*innen diverser Verschwörungsideologien (z.B. QAnon oder Anti-Bill Gates), christliche Fundamentalist*innen, Holocaust-Leugner*innen, Reichsbürger*innen („Gelbe Westen Berlin“), Bärgida-Teilnehmende, bekannte Neonazis (u.a. der NPD oder vom III.Weg), AfD-Politiker*innen und Schaulustige. Auch vereinzelte Personen, die sich selbst als „links“ verstehen, nahmen an den Veranstaltungen teil. Außerdem sind zahlreiche Vertreter*innen rechter Medien(-formate) anwesend, die reine Selbstdarstellungsbeiträge erstellen, die Versammlungen dokumentieren oder Gegendemonstrant*innen abfilmen. Daneben finden sich seit dem 25.04.2020 jedes Mal meditierende Personen unter den Demonstrant*innen. Sie folgen u.a. dem Aufruf von Ken Jebsen und Kai Stuht zur „Ignorance Meditation“.
„Ignorance Meditation“ mit Ken Jebsen (vorn) und Kai stuht (hinten) am 25.04.2020. (Foto: Igor Netz)
Neben der Zeitungsverteilung und gemeinsamen Unterhaltungen sind die Versammlungen vor allem durch das polizeiliche Handeln geprägt. Während die Berliner Polizei in den ersten Wochen keine deutlich erkennbare Strategie zu verfolgen schien, setzte sich mit der Zeit eine Taktik der Absperrung, Trennung und Verfolgung durch. So werden bereits Stunden vor Veranstaltungsbeginn alle Zugänge zum Rosa-Luxemburg-Platz großräumig abgegittert, wodurch Personen erst nach längerem Warten in einem Schleusensystem auf den Platz gelassen werden. Dementsprechend stauen sich potentielle Teilnehmende an den Absperrgittern und in den anliegenden Straßen. Mit der Zeit geht die Polizei gegen diese unangemeldeten Zusammenkünfte vor, indem Anwesende individuell oder durch Lautsprecheransagen zum Verlassen der Umgebung aufgefordert werden. Wer dem nicht Folge leistet oder sich durch Schilder oder das Rufen von Parolen als Teil einer Versammlung ausweist, wird oftmals einer erkennungsdienstlichen Maßnahme unterzogen. Zur schnellen Bearbeitung der teilweise dreistelligen Anzahl an Maßnahmen wird seit dem 01.05.2020 eine spezielle polizeiliche Bearbeitungsstraße unter freiem Himmel errichtet. Insgesamt dürften in den vergangenen Wochen mehrere Hundert Anzeigen gefertigt worden sein. Auf diese Weise zerstreuen sich die wöchentlichen Ansammlungen nach einiger Zeit wieder. Alles in allem liefern die wachsenden „Hygienedemos“ der Polizei eine Möglichkeit zur Erprobung von vergleichsweise deeskalativen Konzepten der Raumkontrolle sowie Überwachung und Auflösung von Versammlungen. Besonders die eingespielten Abläufe der routinemäßigen Verfolgung und schnellen Abarbeitung einer großen Anzahl an Straftatvorwürfen dürften in der Zukunft bei vergleichbaren Großlagen erneut zum Einsatz kommen.
3 Konflikte mit den Organisator*innen der „Hygienedemos“ und neue Dynamiken
Lange Zeit hatte die KDW mit den „Hygienedemos“ aufgrund fehlender Alternativen eine Art Monopol auf Corona-kritische Proteste in Berlin. Dennoch entstanden unter den Teilnehmenden durchaus Zweifel an den Organisationsfähigkeiten der Gruppe. Einen Anlass hierfür boten erstmals die Vorkommnisse auf der Veranstaltung am 01.05.2020. Dort bewarf Anselm Lenz die anwesende Polizei aus einem Taxi heraus mit Zeitungen und wurde daraufhin in Gewahrsam genommen. In diesem Zusammenhang kursierten wilde Spekulationen über seinen Verbleib – bis hin zu einer vermeintlichen polizeilichen Entführung, die von der Gruppe selbst sowie deren Anwalt Florian Daniel verbreitet wurden. Durch dieses Vorgehen litt das nach außen vermittelte Bild der KDW als seriöse Gruppierung, die in der Lage ist, politische Forderungen zielorientiert umzusetzen.
02.05.2020: Ein Demonstrant fordert nach der Verschwörung um die Festnahme von Anselm Lenz dessen Freiheit. (Foto: Kim Winkler)
Zugleich wurde klar, dass der ursprüngliche Organisationskreis kaum in der Lage ist, auf Veränderungswünsche der Teilnehmenden zu reagieren. Das zeigt sich vor allem beim Festhalten an der Strategie stationärer Versammlungen am Rosa-Luxemburg-Platz. Dieser erfüllt für die Organisierenden eine wichtige symbolpolitische Funktion, die von einem Großteil der Teilnehmenden kaum geteilt wird. Dementsprechend häufte sich seit dem 25.04.2020 auf dem Chatserver sowie in den Telegram-Gruppen die Kritik an der Platzwahl, da dieser als zu klein und (aufgrund der Erfahrungen) für die Polizei als zu leicht zu kontrollieren angesehen wurde. So begannen einige Interessierte selbstständig und größtenteils unkoordiniert eigene Versammlungen (auf und um den Rosa-Luxemburg-Platz) anzumelden, nachdem dies im Zuge der Änderung der Berliner Eindämmungsverordnung zum 09.05.2020 vereinfacht wurde.
Ein zentraler Schwachpunkt der Versammlungen ist das fehlende politische Profil. So sorgte der staatsaffirmative Charakter von Anfang an dafür, dass sich kaum Teilnehmende aus einem anti-autoritären „linken“ Spektrum angesprochen fühlten. Die fehlende Durchsetzung des eigenen Anspruchs „gegen Nazis“ zu sein, tat ihr übriges. Zugleich kritisieren Vertreter*innen der extremen Rechten, wie der selbsternannte „Volkslehrer“ Nikolai Max Nerling, die Versammlungen aufgrund der vermeintlich linksliberalen Vergangenheit der Organisierenden sowie ihrer Treue zum Grundgesetz, welches vor allem das Reichsbürger-Spektrum als deutsche Verfassung ablehnt. So scheint es, als ob die Versammlungen von Vertreter*innen der politischen Rechten weniger als unmittelbare politische Präsentationsfläche (durch Flyer verteilen) und mehr als Resonanzraum zur Selbstdarstellung über social-media-Videos und (live-)Streams genutzt wird. Nerling beschreibt daneben, dass er die Versammlungen zur Ansprache bisher nicht angebundener Teilnehmender nutzen wolle.
Inzwischen wird die lange Zeit fehlende Abgrenzung nach rechts zum Problem für die Organisierenden. Als sich am 09.05.2020 im Anschluss der „Hygienedemo“ über 1000 Personen am Alexanderplatz sammelten, artikulierte Hendrik Sodenkamp lautstark seine Ablehnung der anwesenden Neonazis. Diese Aussage wurde von den umstehenden Demonstrant*innen mit dem Vorwurf der Spaltung beantwortet und es fielen ihm gegenüber Rufe, wie „dann verpiss dich“. Dennoch scheint der „Demokratische Widerstand“ (bisher) keine Lehre aus dem Vorfall gezogen zu haben. Unverändert rief er für den 16.05.2020 zur nächsten „Hygienedemo“ auf. Aufgrund der inzwischen zahlreichen parallelen Aufrufe anderer Einzelpersonen und Gruppen zu weiteren Demonstrationsorten sowie der angesprochenen Problemen konnte diese jedoch kaum Teilnehmende mobilisieren.
Dementsprechend ist es der KDW vor allem gelungen, einen Protesttermin (Samstag 15:30) in Berlin (und teilweise bundesweit) zu etablieren, zu dem Mobilisierungen inzwischen zum Selbstläufer verkommen sind. Dennoch gleiten ihnen die Proteste deutlich aus der Hand, indem sie sich vom ursprünglichen Ort entfernen und im Zuge zahlreicher paralleler Anmeldungen und Aurufe in der gesamten Berliner Innenstadt zerstreuen. In diesem Sinne gibt es in Berlin nicht mehr eine zentral organisierte „Hygiene“-Demo, sondern vielmehr ein Feld zahlreicher (Klein-)Proteste, die teilweise nebeneinander stattfinden und deren Teilnehmende sich zwischen Veranstaltungen im Stadtgebiet bewegen. Die Koordination der einzelnen Versammlungen erfolgt im Vorfeld überwiegend über Telegram-Kanäle sowie social-media-Plattformen, wo die unterschiedlichen Aufrufe geteilt oder gesammelt werden. Einerseits führt diese Entwicklung zu einer Zersplitterung der Großproteste in kleinere Formate, die in ihrer Vielzahl auch für Interessierte schwer zu überblicken ist, zumal teilweise auch Veranstaltungen angekündigt werden, die nicht stattfinden (wie die Demonstration am 16.05.2020 vom S-Bahnhof Friedrichstraße). Andererseits entsteht durch die Vielzahl an Versammlungen an unterschiedlichen Orten eine schwer abzuschätzende Dynamik eines sich stetig verändernden Protestgeschehens, sodass am 16.05.2020 hunderte Verschwörungsideolog*innen ungehindert und nahezu ohne Polizeibegleitung von der Siegessäule bis zur Spandauer Straße ziehen konnten. Momentan laufen in der Organisationsgruppen verstärkt Debatten zur zukünftigen Gestalt der Proteste, wobei die Konzepte zwischen einer großen Masse an Kleinveranstaltungen im ganzen Stadtgebiet und zentral organisierten Massen-Veranstaltungen schwanken, deren konkreter Ort kurzfristig bekannt gegeben werden soll.
4 „Hygienedemos“ als Anlaufpunkt für die (extreme) Rechte
Während die Organisierenden von Beginn an keine Probleme mit der offensichtlichen Teilnahme von Anhänger*innen der (extremen) Rechten hatten, findet sich diese Distanzlosigkeit ebenfalls unter den Teilnehmenden wieder. In Video-Interviews oder (Telegram-)Chats ist immer wieder zu vernehmen, dass sich viele weder als „rechts“ noch „links“ verorten würden. Dementsprechend spricht sich kaum eine teilnehmende Person gegen offensichtliche Neonazis oder menschenverachtende Aussagen im Rahmen der Veranstaltungen aus. Auch in den entsprechenden digitalen Kommunikationskanälen können offen rechte Inhalte (z.B. von der „Identitären Bewegung“) oder Verweise zu entsprechenden Medienformaten weitestgehend kommentarlos gepostet werden.
Eine erkennbare Abgrenzung gibt es vor allem nach links. Zwar werden durchaus „Ton Steine Scherben“-Songs geteilt oder Rätemodelle zur Organisation diskutiert, doch es sind ebenso starke anti-linke Tendenzen, vor allem in Bezug auf eine offene Ablehnung von antifaschistischen Protesten auszumachen. Das Feindbild „Antifa“ wird oftmals entlang bekannter rechten Verschwörungen konstruiert, wie einer vermeintlichen Steuerfinanzierung (des „Antifa e.V.“) durch die bundesdeutsche Regierung, die als verlängerter Arm staatlicher Politik auf der Straße vermeintlich gerechtfertigte Proteste mit der „Nazikeule“ spalten soll. Dementsprechend stellt das Selbstbild einer Bewegung abseits eines „Rechts-Links-Denken“ vor allem ein Einfallstor für die (extreme) Rechte und ihre Inhalte dar.
Deren Akteur*innen sehen wiederum die „Hygienedemos“ vor allem als Chance, ohne große Widersprüche eigene Schwerpunkte zu setzen, auch wenn sie die Ansichten von Lenz und Co nicht teilen. So wirbt der ehemalige Berliner NPD-Vorsitzende Sebastian Schmidtke auf Facebook mit dem Spruch „Wer Grundrechte einschränkt, der muss mit unserem entschiedenen Widerstand rechnen!“. Auf diese Weise nutzt die Partei angesichts der eigenen politischen Bedeutungslosigkeit die Dynamik der Proteste, um Inhalte strategisch zu positionieren und sich bei potentiell Interessierten anzubiedern. Dementsprechend waren Mitglieder der NPD Berlin und Vertreter*innen der partei-eigenen „Schutzzonen“-Kampagne in den letzten Wochen stets auf den Versammlungen vor Ort – ohne jedoch eine auffällige Aktivität über das Filmen der eigenen Teilnahme hinaus zu entwickeln. Eine ähnliche Strategie verfolgt die Neonazi-Kleinpartei „Der III. Weg“, die in den aktuellen Protesten eine „Bewegung“ zu erkennen glaubt, die einen Wandel will und die nun in Richtung eines „Deutschen Sozialismus“ geführt werden müsse. Dabei tauchten in Berlin schon früh Sticker der Partei in der Umgebung der „Hygienedemos“ auf (u.a. mit der Aufschrift „Corona beweist: Globalisierung tötet! – Deutscher Sozialismus jetzt!“). Außerdem nahmen Parteimitglieder und Kader aus Berlin und Brandenburg vereinzelt an Veranstaltungen teil und verteilten u.a. am 16.05.2020 Aufkleber und Papierschnipsel mit Parteiwerbung (z.B. „Widerstand gegen die da oben!“ oder „Das System ist gefährlicher als Corona!“). Die Möglichkeit einer ideologischen Öffnung der Proteste nach rechts beschreibt auch der selbsternannte „Volkslehrer“ Nikolai Nerling als einflussreicher Themengeber in der völkischen Rechten in seinen Videos von den Veranstaltungen. Obwohl er sich von den Organisierenden distanziert, sieht er in den „Hygienedemos“ einen potentiellen „Volksaufstand“, bei dem er vor Ort ein „rechtes Gegengewicht“ schaffen möchte. All das zeigt, wie die (extreme) Rechte versucht, sich die aktuellen Demonstrationen zu nutzen, um ihre Inhalte zu verbreiten oder neue Anhänger*innen zu erreichen. Ermöglicht wird dies sowohl durch das Fehlen einer konsequenten Haltung gegen Neonazis als auch den mangelnden Willen, deren Teilnahme als Problem anzuerkennen. Sollte diese Entwicklung einer Öffnung nach rechts anhalten, können die „Hygienedemos“ trotz ihrer oftmals angepriesenen Toleranz für jene Personen und Gruppen gefährlich werden, die von extrem rechter Ausgrenzung betroffen sind.
5 Tummelplatz für (Neonazi-)Hooligans und andere gewaltbereite Rechte
Lange Zeit spielten die entsprechenden Akteur*innen aus den unterschiedlichen Spektren der extremen Rechten auf den „Hygienedemos“ eine eher untergeordnete Rolle als „einfache“ Teilnehmende. Dies änderte sich spätestens mit dem 09.05.2020 als verstärkt (rechte) Hooligans und ähnlich gewaltaffine Gruppen auf den Veranstaltungen und in deren Umfeld anzutreffen waren. Mit ihnen kippte auch die Stimmung, die vor allem beim spontanen Protest auf dem Alexanderplatz zunehmend aggressiver wurde, sodass z.B. die anwesende Polizei nicht nur verbal beschimpft, sondern auch offensiv körperlich angegangen wurde. Eine offensichtliche Vereinszugehörigkeit war vor allem bei einzelnen Hertha-Anhänger*innen sowie einigen Grüppchen mit Bezug zum BFC Dynamo zu erkennen. So nahmen beispielsweise Vertreter der alten Hooligan-Garde um die rechtsoffene „Kameradschaft Weinrotes Ost-Berlin“ (kurz: KWO; zu erkennen an den Kleidungsstücken mit eigenem Logo) an den Protesten teil.
Aufnäher „Kameradschaft Weinrotes Ostberlin“ am 09.05.2020 auf dem Alexanderplatz.
Zu eben solchen gewaltaffinen Rechten aus dem BFC-Umfeld zählt auch die Clique um Steve Koek, der am 09.05.2020 und 16.05.2020 u.a. mit dem Neonazi Robert Lüdtke im Umfeld der Proteste anwesend war.
v.l.n.r.: „Kay Kernchen“, Robert Lüdtke und Steven Koek am 09.05.2020
Der selbstständige Security Koek ist ehemaliges Mitglied des „Bündnis Deutscher Hools“ (BDH). Er rief u.a. am 09.11.2014 zu einem geplatzten Hooligan-Aufmarsch am Alexanderplatz auf und organisierte eine rechte Demo mit 50 Teilnehmenden am 19.03.2016 in Hellersdorf. Zudem organisierte er am 20.08.2015 einen Angriff auf eine Unterkunft für Geflüchtete am Blumberger Damm in Marzahn. Mit selbstgebastelten Fackeln näherten sich Koek und weitere BDH-Anhänger*innen der Unterkunft. Glücklicherweise scheiterte der Angriff. Für die Tat wurde Koek 2018 zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten (ausgesetzt zu zwei Jahren Bewährung) verurteilt. In der Verhandlung gab eine Zeugin an, dass sie Morddrohungen erhalte, wenn sie „was gegen Steven sagt“. Klar ist jedoch, dass Koek Einladungen zu dem Angriff an sein Umfeld verschickte und auf Rückfragen antwortete, es solle „brennen und fliegen“. Dies stritt er vor Gericht vehement ab und beschuldigte andere, für die Organisation des Angriffs verantwortlich gewesen zu sein. Obwohl Koek während des Prozesses behauptete, mittlerweile „ausgestiegen“ zu sein, spricht sein Umfeld, mit dem er an den Protesten teilgenommen hat, eine andere Sprache. Zudem ist Koek mittlerweile offener Sympathisant des „Gremium MC“. Dass er weiterhin in hohem Maße gewaltaffin ist, belegen seine Videos und Kommentare zur „Hygienedemo“: „1989 wurde die Demokratie schon einmal gestürzt, weil es ihnen gereicht hat und sie den Mut und die Eier hatten.“
Mit dem Anwachsen der „Hygienedemos“ in Berlin und deren schwer zu überschauender Zerstreuung entwickeln sie sich daher zu einem attraktiven Angebot für gewaltaffine Gruppen (der extremen Rechten), die im Schutz der Menge und im Angesicht einer polizeilichen Überforderung versuchen zu agieren. Dabei werden sie von einem Großteil der Anwesenden verbal vor Ort oder in nachträglichen Internetpostings unterstützt, sodass sich gefährliche Aktionsräume für rechte Gewalt gegen Andersdenkende oder abgelehnte Gruppen öffnen. Dies zeigt auch die Beteiligung von Mirko Tambach und Oliver Werner, militante Neonazis, die im Umfeld der Proteste anzutreffen waren.
linkes Bild: Mirko Tambach (2.v.l.) und Oliver Werner (m.) am 16.05.2020. (Foto: Twitter) / rechtes Bild: v.r.n.l.: Andrew Stelter und Mirko Tambach am 09.05.2020 auf dem Alexanderplatz. (Foto: Igor Netz)
Oliver Werner war lange Zeit von der Bildfläche verschwunden. Anfang der 90er fand man in seiner Wohnung Anleitungen zum Bombenbau, ein ranghoher Aussteiger beschrieb ihn als „brutalen und vom Nazigeist zerfressenen Fanatiker“. Der Neonazi, der u.a. wegen seiner Aktivitäten im Rocker- und Rotlichtmilieu jahrelang inhaftiert war, gilt als politischer Ziehvater des Neonazis Sebastian Thom, der für zahlreiche Angriffe auf Antifaschisti*innen in Neukölln verantwortlich ist.
6 Auflistung der Teilnehmenden an den „Hygiene“-Protesten
Wie bereits erwähnt ziehen die Proteste gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen in Berlin seit ihrem Beginn ein heterogenes Spektrum an Teilnehmenden an. Im Folgenden sollen einige wichtige Gruppen bzw. Szenen und ihre Akteur*innen kurz vorgestellt werden.
a) AfD
Zu Beginn hatte die Partei massive Schwierigkeiten, eine politische Linie in Anbetracht der Corona-Krise zu finden. Inzwischen biedert sie sich bundesweit den rechtsoffenen Protesten an, da sie hier Anschlüsse für ihre autoritäre Elitenkritik sieht. In Berlin nutzen vor allem Repräsentant*innen der offen völkischen „Flügels“ der Partei die Versammlungen zur Selbstdarstellung. Hierbei fallen insbesondere Vertreter*innen der Bezirksverbände aus Marzahn-Hellersdorf sowie Steglitz-Zehlendorf auf. Um legitim an den unangemeldeten Protesten teilnehmen zu können, berufen sie sich auf ihre Funktion als vermeintliche parlamentarische Beobachter*innen, wobei auch einfache Parteimitglieder ohne dieses Privileg anwesend sind. Besonders absurd wird eine solche Begründung bei Hansjörg Müller, der für die AfD im Bundestag sitzt und am 09.05.2020 mit Plakat in vorderster Reihe der Proteste am Alexanderplatz stand. Am 16.05.2020 veranstaltete die AfD eine eigene angemeldete Kundgebung vor dem Brandenburger Tor. Schon zuvor am 07.05.2020 versammelten sich AfDler in Neukölln und in Lichterfelde zu kleineren Kundgebungen.
Alphabetische Aufzählung der AfD-Politiker*innen und Sympathsant*innen auf den „Hygiene“-Protesten in Berlin:
Wild, Andreas (MdA fraktionslos, BV Steglitz-Zehlendorf) – Bild
Alphabetische Aufzählung der AfD-Politiker*innen und Sympathsant*innen, die ausschließlich an der Kundgebung am 16.05.2020 vorm Brandenburger Tor teilgenommen haben:
Zu den organisierten Neonazis zählen diejenigen, die nachweislich in Strukturen und Organisationen der extremen Rechten aktiv sind, durch ihre Aktivitäten das Handeln der Szene beeinflussen oder über ein signifikantes Netzwerk in die Bewegung eingebunden sind. Bei den nachfolgend aufgeführten handelt es sich nur um diejenigen, die zweifelsfrei namentlich bekannt sind. Sie bilden nur einen kleinen Ausschnitt der tatsächlich Anwesenden aus dem Spektrum der organisierten Rechten ab, da sie beispielsweise vielfach mit unbekannten Begleiter*innen unterwegs waren. Daneben traten vor allem Neonazi-Aktivisten der NPD im Umfeld der „Hygienedemos“ auf.
Evler, Lilith („Gelbe Westen Berlin“, III.Weg Berlin) – Bild
Werner, Oliver (militanter Neonazi-Aktivist) – ohne Bild
c) Unorganisierte Anhänger*innen der extremen Rechten und rechtsoffene Verschwörungsideolog*innen
In den letzten Jahren hat sich in Berlin ein breites Spektrum aktiver Kleinstgruppierung aus unterschiedlichen Spektren der extremen Rechten sowie rechtsoffenen Verschwörungsideolog*innen etabliert, die vor allem über öffentliche Versammlungen Aufmerksamkeit erregen wollen. Insbesondere von Veranstaltungen aus dem Reichsbürgerspektrum (u.a. „Gelbe Westen Berlin“) oder Bärgida sind zahlreiche, aber leider oftmals unbekannte, Teilnehmende auf den „Hygiene“-Protesten anzutreffen. Gleiches gilt für rechte Hooligans, von denen einige bereits vor einigen Jahren in HoGeSa-Zusammenhängen oder dem Berliner „Bündnis Deutscher Hools“ aufgefallen sind. Auch rechtsoffene Verschwörungsideolog*innen, oftmals aus dem Umfeld der „Friedensmahnwachen“, nehmen an ihnen teil. Doch auch ungebunden, aber ideologisch gefestigte Holocaustleugner nutzen die Versammlungen um öffentlich in Erscheinung zu treten.
Einen Sonderfall bildet Attila Hildmann, der als cholerischer Vegan-Unternehmer bundesweit bekannt war. Seit dem Beginn der Eindämmungsmaßnahmen im Kontext von Corona verbreitet er jedoch massiv Verschwörungsdenken und betreibt neben diversen (inzwischen teilweise gesperrten) social-media-Kanälen auch einen eigenen verschwörungsideologischen Telegram-Kanal. Hildmann teilt in diesem Zusammenhang diskriminierende Inhalte, wie antisemitsiche Verschwörungen, oder Beiträge aus dem Spektrum der (extremen) Rechten. Zudem hat er begonnen, eigene Versammlungen (vor dem Reichstagsgebäude) abzuhalten, die ebenfalls Akteur*innen und Sympathisant*innen der (extremen) Rechten anziehen. Obwohl Hildmann nicht ideologisch gefestigt ist, sorgt er mit seinem Handeln für eine Ausweitung rechter und verschwörungsideologischer Handlungsräume.
d) Rechte, rechtsoffene und verschwörungsideologische Medienschaffende
Aufgrund der bundesweiten Aufmerksamkeit sind die Berliner „Hygiene“-Demos ein attraktiver Raum für rechte und rechtsoffene Medienschaffende aus unterschiedlichen Kontexten, die so ihre Reichweite vergrößern wollen. Obwohl nur wenige von ihnen über einen offiziellen Bundespresseausweis verfügen, werden sie auch mit (teilweise grotesk schlechten) Imitaten von der Polizei in die Pressebereiche vorgelassen und können sich entsprechend frei auf den Veranstaltungen bewegen. Mit einem vermeintlich professionellen Auftreten versuchen sie auch teilweise linke Gegendemonstrierende zu Statements zu bewegen.
Im Zuge der bundesweiten Proteste gegen die Corona-Eindämmungsmaßnahmen gründete sich die Bewegung „Widerstand 2020“, die laut Eigenauskunft einen Parteienstatus anstrebt. Die ursprünglichen Initiator*innen sind der Leipziger Rechtsanwalt Ralf Ludwig, der Arzt Bodo Schiffmann aus Sinsheim und die angehende Psychologin Victoria Hamm aus Lehrte, die sich inzwischen von den Parteiaktivitäten zurückgezogen hat. Die selbsternannte Partei befindet sich momentan in der Aufbauphase und versucht bundesweite Strukturen zu etablieren. Der Berliner Landesverband gründete sich am 13.05.2020 und verfügt momentan über eine vorläufige Leitung. Die Koordination der Aktivitäten von „Widerstand 2020“ läuft in Berlin vor allem über Telegram-Gruppen, wobei es für jeden Bezirk Untergruppen für eine möglichst basisnahe Organisation gibt. Teilweise haben in den einzelnen Bezirken bereits Gruppentreffen stattgefunden und es wurden Verbindungsleute zur berlinweiten Koordination bestimmt. Momentan tritt „Widerstand 2020“ in Berlin noch nicht als eigenständige Gruppierung in der Öffentlichkeit auf. Schilder mit entsprechenden Verweisen auf Demonstrationen gehen auf individuelle Aktivitäten zurück. Dennoch versuchen die Bezirksgruppen organisatorisch tätig zu werden und veranstalten beispielsweise Treffen zur gemeinsamen Anreise zu den Demonstrationen in der Innenstadt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Aktivitäten von „Widerstand 2020“ entwickeln und ob die bundesweiten „Hygienedemos“ die Funktion einer Art Vorfeldorganisation der neu entstehenden Partei erfüllen werden, ähnlich wie es PEGIDA und andere völkisch-autoritäre Proteste für die AfD waren.
7 Fazit
Ausgehend von den regelmäßigen unangemeldeten Kundgebungen gegen die staatlichen Corona-Eindämmungsmaßnahmen, die von der „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“ um Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp seit Mitte März organisiert wurden, hat sich inzwischen ein breites Feld von „Hygiene“-Protesten in Berlin entwickelt. Dies hängt auch damit zusammen, dass die ursprünglichen Kundgebungen keine erkennbare Struktur hatten, sodass die Teilnehmenden stets eigeninitiativ handeln mussten und dies aufgrund der fehlenden Anpassungsfähigkeit der Organisationsstrukturen auch taten. Die gegenwärtigen Proteste haben sich von der ursprünglichen Kundgebung auf dem Rosa-Luxemburg-Platz gelöst und finden mittlerweile als angemeldete Kleinversammlungen oder spontane Zusammenkünfte in der gesamten (östlichen) Innenstadt sowie dem Regierungsviertel statt. Die früheren Initiator*innen nehmen dabei nur noch eine untergeordnete Position ein. Sie können die von ihnen ausgelöste Dynamik nicht mehr beeinflussen und scheinen dies auch nicht zu wollen. Auch als intellektuelle Stichwortgeber*innen der Bewegung wurden sie von anderen Akteur*innen vorwiegend aus dem Spektrum verschwörungsideologischer Youtube-Kanäle abgelöst, obwohl die von ihnen herausgegebene Zeitung „Demokratischer Widerstand“ weiterhin verteilt und gelesen wird.
Seit Beginn ziehen die „Hygiene“-Proteste eine sehr heterogene Teilnehmer*innenschaft an, von der Viele kaum über Erfahrungen auf politischen Versammlungen verfügen. Während anti-autoritäre Strukturen jedoch aufgrund der weitestgehend staatsaffirmativen sowie in Teilen verschwörungsideologischen Inhalte den Veranstaltungen fernbleiben, nehmen Vertreter*innen der (extremen) Rechten sowie rechtsoffene Verschwörungsideolog*innen ungehindert teil, da keine konsequente Haltung gegen rechts existiert. Stattdessen hat sich unter den Teilnehmenden ein Selbstbild etabliert, das sich zwar im Einklang mit der bürgerlichen „Anti-Extremismus“-Doktrin äußerlich von „links“ und „rechts“ abgrenzt, aber unter dem Deckmantel der Toleranz alle willkommen heißt, die vorgeben das gleiche Ziel zu teilen. Auf diese Weise entstehen Entfaltungsräume für extrem rechte oder allgemein menschenverachtende Inhalte und ihre Träger*innen, die zugleich als vermeintlich gleichartige Teilnehmende normalisiert werden. Auf diese Weise können die Proteste sowie die mit ihnen verbundenen Kommunikationsräume in Telegram-Kanälen oder auf Youtube auch als Einstieg in weiterführendes Verschwörungs- und Ungleichwertigkeitsdenken dienen. Eine dezidierte Abgrenzung existiert hingegen nach links und vor allem gegenüber antifaschistischem Engagement, das in einer Abwehrreaktion gegen die vorgebrachte Kritik abgelehnt wird, wobei auch an dieser Stelle auf Versatzstücke rechten Verschwörungsdenkens zurückgegriffen wird. Lange Zeit nutzten die Vertreter*innen der (extremen) Rechten die Veranstaltungen vorwiegend als Raum zur Selbstdarstellung. Inzwischen sind jedoch Tendenzen einer weiterführenden Raumnahme zu beobachten, sodass unter dem Einfluss gewaltaffiner Strukturen, vor allem aus einem rechtsoffenen Hooliganmilieu, eine steigende Aggressivität innerhalb der Versammlungen festzustellen ist, die von den übrigen teilnehmenden gedeckt oder sogar begrüßt wird. Insgesamt bieten gerade die sich momentan über weite Teile der Innenstadt verstreuenden Proteste ideale Gelegenheiten, um unerkannt Gewalt auszuüben. Dabei scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sich diese nicht mehr nur gegen die anwesenden Polizeikräfte, sondern gegen politische Gegner*innen oder abgelehnte Gruppen richtet.
Sicherlich handelt es sich bei den Teilnehmenden der „Hygiene“-Proteste nicht komplett um Nazis, „Verschwörungsheinis“ oder „Covidioten“. Teilweise scheinen sie durchaus von im Grunde nachvollziehbaren Motiven angetrieben zu sein, indem sie die Auswirkungen autoritärer Herrschaftsstrukturen im neoliberalen Kapitalismus und die Passivierung der Bürger*innen kritisieren oder einen entfesselten Einfluss privater bzw. wirtschaftlicher Akteur*innen auf die politische Entscheidungsfindung ablehnen. Allerdings ist es nicht zu entschuldigen, wenn diese instinktiven Empörung in die einfachen Schwarz-Weiß-Erklärungen verschwörungsideologischer Lösungen und die Deckung menschenfeindlicher Ansichten mündet.
Wie eine wirksame Gegenstrategie von links aussehen kann, ist an dieser Stelle (und mit Blick auf die notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen auch im Protest) schwer zu beantworten. Die bisherigen Interventionen waren in vielen Teilen notwendig und konnten gerade in Bezug auf den Rosa-Luxemburg-Platz durchaus den „Hygiene“-Protesten den Platz streitig machen. Im Angesicht von verstreuten Protesten wird diese Strategie nicht dauerhaft aufgehen können. Allerdings werden die Argumente des Gegenprotests kaum wahrgenommen. Gleiches gilt für Strategie-Diskussionen oder seitenweise Debattenpapiere, die nur szeneintern kursieren. Eine konsequente antifaschistische Position kann jedoch nicht hinnehmen, dass die extreme Rechte und rechtsoffene Verschwörungsideolog*innen an Raum gewinnen. Dementsprechend gilt es auch denjenigen, die ihnen bereitwillig diesen Raum bieten, die Konsequenzen ihres Handelns vor Augen zu führen und eine konsequente Haltung gegen Menschenfeinde einzufordern. Die Strategie mit Faschist*innen für das Grundgesetz zu demonstrieren kann nicht aufgehen. Die Teilnehmenden der „Hygiene“-Demonstrationen sind nicht alle „Nazis“, aber sie unternehmen auch nichts gegen rechte Tendenzen auf ihren Veranstaltungen. Dementsprechend gilt der alte Slogan weiterhin: „Wer mit der NPD marschiert, ist ein Arschloch!“
Fußnote:
1 Wir benutzen das Wort „verschwörungsideologisch“. Der oft verwendete Begriff „verschwörungstheoretisch“ ist irreführend, da es sich bei den vertretenen Ansichten nicht um (wissenschaftlich) fundierte Theorien handelt.