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Deutsche Jugend Voran – Vernetzung junger Neonazis in Berlin

Am 27. Juli 2024 sammelte sich eine Gruppe von rund 30 Neonazis am Potsdamer Platz in Berlin. Mit schwarzen Jacken und größtenteils vermummt bewegten sie sich in Richtung der Strecke vom „Christopher Street Day“ bis sie von der Polizei festgesetzt wurden. Organisiert haben sie sich alle unter dem Namen „Deutsche Jugend Voran“ (DJV). Wie der Angriffsversuch zeigt, ist aus den gleichnamigen Kanälen auf Social Media inzwischen ein gefährliches Sammelbecken für gewaltbereite Neonazis geworden. Dennoch ist bisher wenig zu dieser neuen Struktur bekannt, die sich vorwiegend an jugendliche Rechte richtet.

Alles nur Internet-Nazis?

Der Slogan „Deutsche Jugend voran“ ist in der Neonaziszene insgesamt beliebt und weit verbreitet. Er findet sich auf zahlreichen Kleidungsstücken in einschlägigen Neonazi-Versänden oder auf Aufklebern, wie von „aktivde“. Mit ihm wirbt sowohl „Der III. Weg“ als auch die „HEIMAT“ (früher: NPD) um Nachwuchs. Seit einigen Monaten gibt es im Social Media ebenfalls zahlreiche Accounts, die unter dem Namen „Deutsche Jugend voran“ (kurz: DJV) rechte Propaganda verbreiten. Sie weisen alle ein ähnliches Layout auf und verwenden als gemeinsames Symbol in der Regel einen Reichsadler in einem schwarz-weiß-roten Kreis. 

Diese Accounts sind der Versuch zum niedrigschwelligen Aufbau eines bundesweiten rechten Netzwerk. Das Angebot richtet sich vor allem an junge Neonazis, um unkompliziert miteinander in Kontakt zu kommen und sich untereinander zu vernetzen. Inzwischen gibt es auch eine zentrale Homepage von DJV. Als Gründungsdatum wird der 21.05.2024 angegeben. Obwohl das gesamte Projekt somit relativ neu ist, wird das virtuelle Netz an Personen, die sich offen zu DJV bekennen und gegenseitig die Inhalte liken und weiterschicken, in der ganzen Bundesrepublik immer dichter. Auf fast allen Bildern vertreten ist das sogenannte „White Power“-Handzeichen als Bekenntnis zu rassistischen Vorstellungen einer vermeintlichen weißen Vorherrschaft. Neuerdings taucht als Geste ebenfalls eine mit mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger geformte „8“ auf. Sie ist eine Anspielung auf das in der Neonaziszene verbreitete Kürzel „88“ für „Heil Hitler“. Somit verweist bereits die Selbstinszenierung von DJV auf die explizit neonazistische Ideologie des Netzwerks.

DJV in Berlin und Brandenburg – Eine Tarngruppe der JN?

Auch für Berlin und Brandenburg gibt es auf den entsprechenden Social-Media-Plattformen Accounts, die sich als offizielle DJV-Vertretungen inszenieren. Anfangs wurde auch ein eigener Telegram-Kanal von DJV für die Region betrieben. Dieser wurde jedoch inzwischen eingestellt. Im Gegensatz zu vielen DJV-Accounts in der Bundesrepublik verwendet das Netzwerk in Berlin und Brandenburg auch alternative Logos. Dabei handelt es sich um einen Lorbeerkranz und wahlweise den Buchstaben „DJV“ oder dem Schriftzug „Deutsche Jugend Voran“ bzw. einem Bundesadler in der Mitte. Inzwischen gibt es von den Motiven bereits Aufkleber und T-Shirts.

Zuerst schien die neue Plattform in Berlin keinerlei Aktivität außerhalb von Social Media zu entfalten. Die erste Aktion von DJV in Berlin fand aber am 15. Juni 2024 statt. Über die Telegram-Gruppe wurde zu einem ersten offenen Treffen eingeladen. Letztendlich versammelten sich rund 30 Neonazis auf dem Flakturm im Humboldthain und posierten gemeinsam mit Bier und Deutschlandflagge. Fotos von DJV-Accounts legen nahe, dass es seitdem mehrere solcher Zusammenkünfte in der Stadt gegeben hat.

Bisher gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, wer hinter DJV in Berlin steht. Beobachtungen legen jedoch eine enge Anbindung an die „Jungen Nationalisten“ (JN), die Jugendstruktur von der „HEIMAT“ nahe. Fotos zeigen einzelne Neonazi-Angreifer vom 27. Juli beim Plakatieren für die Neonazipartei im Brandenburger Wahlkampf. Zudem wird interessierten Jugendlichen auf Social Media empfohlen, einen Aufnahmeantrag für die JN zu stellen und eine Gebühr von 5€ zu entrichten, um bei DJV mitmachen zu können.

Darüber hinaus gibt es wachsende Beziehungen zum Zusammenschluss “Elblandrevolte“ (ELR) aus Dresden. ELR ist eine Ortsgruppe der JN und erlangte öffentliche Aufmerksamkeit als Mitglieder im Europawahlkampf mehrere Plakatierteams demokratischer Parteien angriffen und dabei u.a. den SPD-Politiker Matthias Ecke schwer verletzten. [1] Einerseits finden sich zahlreiche Verweise zur ELR auf den Accounts der DJV-SympathisantInnen aus Berlin und Brandenburg. Andererseits waren mehrere Dresdner Neonazis aus dem Umkreis der ELR, wie u.a. „Paul“ (Nummer 21), beim Angriffsversuch auf den CSD in Berlin beteiligt. Zuletzt fuhr eine Dreiergruppe von DJV aus Berlin am 31. Juli nach Dresden, um sich dort mit dem Neonazi „Lucas Seifert“ zu treffen. Unter dem Namen „Chino“ tritt er auf Social Media als Aushängeschild der ELR auf. In diesem Zusammenhang erscheint es kaum als Zufall, dass der JN-Aktivist Finley Prügner zusammen mit einem weiteren Mitglied von ELR am 27. April in Berlin war, um in der Parteizentrale von der „HEIMAT“ ein Neonazi-Konzert zu besuchen. [2] Unter Umständen wurden bei diesem Treffen die Grundlagen für die DJV in Berlin und Brandenburg gelegt.

DJV Berlin-Brandenburg am 31.07.2024 in Dresden, rechts: Neonazi „Lucas Seifert“ alias „Chino“

Ein anderer Vernetzungsansatz eines kriselnden Jugendverbandes

Auch der Angriffsversuch vom 27. Juli orientiert sich an der ELR, die am 1. Juni 2024 mit mehreren Dutzend Neonazis den CSD in Dresden störte. Für den 10. August 2024 ruft Finley Prügner bereits zur Störung des CSD in Bautzen auf. Auch Berliner Neonazis aus dem Umfeld von DJV verbreiten die entsprechenden Share Pics auf ihren Accounts. Es spricht somit vieles dafür, dass es sich bei DJV um einen Versuch der JN handelt, wieder neue Mitglieder für den seit Jahren kriselnden Jugendverband zu gewinnen. Ob die erlebnisorientierten AnhängerInnen der DJV aber tatsächlich einer Parteijugend beitreten wollen, ist fraglich. Auch die bisherigen Aktivitäten unterscheiden sich deutlich von anderen Neonazi-Jugendorgansiationen, wie der beispielsweise der „Nationalrevolutionären Jugend“ (NRJ) vom „III. Weg“. So glichen die Treffen von DJV eher Saufgelagen, bei denen später noch Gruppenfotos mit Fahnen und Pyrotechnik gemacht wurden. Eine dauerhafte Organisierung der Beteiligten und eine Einbindung in politische Arbeit scheint vorerst nicht angestrebt zu werden. Zudem gibt es keine regelmäßigen Treffen, keine theoretischen Ansätze und kein erkennbares politisches Programm. Dabei sein können zunächst alle, die sich angesprochen fühlen. Auch das Fehlen einer klar erkennbaren politischen Führung ist in der extremen Rechten eher ungewöhnlich. Zusammengehalten wird DJV von einem diffusen Bekenntnis zu Deutschland, dem geteilten Rassismus und gemeinsamen Feindbildern, wie „der Antifa“ oder queeren Lebensweisen. Insgesamt handelt sich bei DJV vorrangig um eine virtuelle Plattform als Möglichkeit zur informellen und lockeren Vernetzung aktionsorientierter Jugendlicher. Auf dieser Basis können die Beteiligten anlassbezogen zusammenkommen. Doch der 27. Juli hat gezeigt, dass von einer solchen Vernetzung eine deutliche Gefahr ausgehen kann, da sie leicht zur Verabredung für gemeinsame Angriffe oder Einschüchterungsversuche genutzt werden kann.

Wer waren die AngreiferInnen vom 27. Juli 2024?

Mit der voll und ganz auf Social Media fokussierten Strategie richtet sich DJV gezielt an jugendliche Neonazis. Der Plan zur Mobilisierung scheint vorerst aufzugehen. Laut Polizeiangaben war mehr als die Hälfte der AngreiferInnen in der Umgebung des Berliner CSD unter 18 Jahre alt. Zwei waren sogar noch unter vierzehn und damit strafunmündig. Dementsprechend sind die meisten von ihnen bisher auch noch nicht in politischen Kontexten aufgefallen. Eine Ausnahme ist „Flo“ aus Berlin-Mahlsdorf (Nummer 10) sowie ein weiterer Neonazi (Nummer 5), die bereits am 6. Juli 2024 am Rand einer antifaschistischen Demonstration in Hellersdorf zusammen mit weiteren Personen die Teilnehmenden anpöbelten. [3]

Mittig: Nummer 5 und 2.v.r. „Flo“ (Nummer 10) beim Anpöbeln einer antifaschistischen Demonstration am 06. Juli 2024 in Berlin-Hellersdorf; Foto: Presseservice Rathenow

Doch wer sind die anderen unbekannten Neonazis? Zwei von ihnen sind Christopher Wetzels (Nummer 4) und Andrew-Justin Lischke (Nummer 16). Beide leben in Ost-Berlin und spielen Vereinsfußball. Christopher Wetzels (vollständiger Name: Nick Thomas Christopher Wetzels) spielte bis 2023 noch für die U16-Mannschaft beim FC Strausberg. Inzwischen ist er laut eigenen Angaben Jugend-Torwart beim FC Nordost Berlin in Marzahn, nicht unweit von seinem Wohnhaus. Am 19.06.2024 konnte Wetzels beim Verteilen von Flugblättern für den „III. Weg“ beobachtet werden. Lautstark prahlte er damit zur Partei zu gehören. Allerdings scheint er – wenn überhaupt – im erweiterten Unterstützungsumfeld des „III. Wegs“ aktiv zu sein und fand stattdessen über die Neonazis von „Jung & Stark“ (JS) zur DJV.

Während Christopher Wetzels Fan vom 1.FC Union ist, geht Andrew-Justin Lischke regelmäßig zum BFC. Dabei scheint er eine gewisse Nähe zur rechtsoffenen Jugendgruppe „Piefkes“ der sogenannten „Fraktion H“ zu haben. Er selbst ist hingegen Spieler in der Jugend beim BSV Oranke aus Hohenschönhausen, wo Lischke auch lebt. Insgesamt scheinen mehrere Spieler aus der Jugendmannschaft BSV Oranke am Potsdamer Platz dabei gewesen zu sein.

Sowohl Christopher Wetzels als auch Andrew-Justin Lischke stehen exemplarisch für eine bestimmte Jugendkultur, die sich in unter dem Dach von DJV trifft und vernetzt. Es sind größtenteils Freundeskreise von jungen Männer, die sich aus dem Umfeld unterschiedlicher Fußballfanszenen aus Berlin rekrutieren. Teilweise spielen sie selbst Fußball. Aber in der Regel besuchen sie vor allem gemeinsam Spiele, verkleben Sticker ihrer Vereine oder sprühen Graffiti. Teilweise inszenieren sich diese Zusammenschlüsse auch als eigenständige Gruppen, wie acht Jugendliche aus Biesdorf, die im Social Media als „Die richtige Generation“ (DRG) auftreten (unter anderem Nummer 30). Doch insgesamt scheinen die wenigsten bei DJV Erfahrung mit politischen Aktionen außerhalb von Social Media zu haben.

Was ist von DJV in Zukunft zu erwarten?

Momentan ist DJV vor allem ein Sammelbecken, um ein über Berlin verstreutes Potential an Personen und menschenverachtenden Einstellungen auch außerhalb von Social Media politisch nutzbar zu machen. Aus der Vernetzung heraus können die einzelnen Gruppen gemeinsame Aktionen planen und durchführen, für die sie sonst nicht genügend Kapazitäten hätten. Dabei agierten zumindest bei dem Angriffsversuch am Potsdamer Platz auch ansonsten verfeindete Fanszenen miteinander. Obwohl sich ein Großteil der Neonazis offensiv zu Hertha BSC oder dem BFC Dynamo bekennt, waren auch AnhängerInnen vom 1. FC Union unter den AngreiferInnen. Diese auffällige Häufung von Fußballbezügen zeigt, inwieweit es in Fußballfanszenen weiterhin zahlreiche rechtsoffene Lebenswelten gibt, in denen Jugendliche politisch sozialisiert werden. An toxische Männlichkeitskulte, Formen des Überlegenheitsdenken und eine gewisse Gang-Mentalität mit deutlicher Gewaltaffinität kann das Angebot von DJV politisch anschließen. Dementsprechend scheint sich die politische Logik der Gruppe auch eher an Mustern wie sogenannten Ackerkämpfen im Hooligan-Milieu zu orientieren. Auch dort kommen unterschiedliche Fanszene zusammen, um sich mit einem ausgemachten „Gegner“ zu prügeln. Bei DJV verabreden sich rechte Jugend-Gangs, um gemeinsam politische Gegner*innen zu überfallen und danach wieder auseinanderzugehen. Außerhalb von Straßengewalt zur Einschüchterung von Andersdenkenden scheint es bislang kein politisches Ziel zu geben. Das macht diesen Zusammenschluss sehr gefährlich.

Es ist abzuwarten, ob sich aus dieser losen Vernetzung, die vor allem von Fußball, Alkohol und Gewalt zusammengehalten wird, eine dauerhafte Gruppe entwickeln kann. In der Vergangenheit sind Zusammenschlüsse von rechten Fußball-Fans oft an Vereinsdifferenzen zerbrochen. Auch der unmittelbare Einfluss der JN auf DJV scheint gegenwärtig eher zu schwach, um dauerhaft ordnend eingreifen zu können. Der Zusammenschluss scheint eher als letzte Möglichkeit, um die Parteijugend der „HEIMAT“ mit allen Mitteln zu konsolidieren. Demgegenüber scheinen andere organisierte Neonazi-Strukturen, wie die NRJ, kein Interesse an einer Anwerbung oder Zusammenarbeit zeigen. Dementsprechend fungiert DJV gegenwärtig eher als Sammelbecken für rechte Jugendliche und Neonazis, die beispielsweise aufgrund ihres Konsumverhaltens keinen Platz in organisierten Parteijugenden finden können bzw. dies auch nicht wollen. Allerdings versammelt DJV eine große Menge an gewaltbereiten Jugendlichen aus Berlin und Brandenburg. Somit besteht durchaus die Möglichkeit, dass organisierte Neonazis die Gruppe als Pool für politische Gewalt entdecken und versuchen, einige Personen dauerhaft zu organisieren. Aus solchen Vernetzungseffekten kann sich eine bleibende Gefahr entwickeln. 

Wer mehr Informationen zu den AngreiferInnen vom 27. Juli 2024 hat, kann diese gerne an monitorberlin@riseup.net melden.


Vereint trainieren: Altbekannte Neonazi-Sportgruppe infiltriert Laufveranstaltungen und öffentliche Sportstätten

In der politischen Arbeit vom „III. Weg“ spielt Sport eine hervorgehobene Rolle. Zuletzt wurden in Berlin mehrere Kampfsporttrainings der Neonazi-Kleinpartei auf öffentlichen Sportanlagen bekannt. Das erregte große öffentliche Aufmerksamkeit. Doch die sportlichen Aktivitäten vom „III. Weg“ und seinen Mitgliedern gehen in Berlin über diese einzelnen Angebote hinaus. Neonazis trainieren in öffentlichen Fitnessstudios, nutzen Möglichkeiten des Breitensports oder sind in Vereinen aktiv. Die Ausmaße der neonazistischen Raumnahme im Sport sind bisher nur in Ansätzen bekannt. Zudem beschränken sich die meisten Erkenntnisse auf den Kampfsportbereich. Dieser Text benennt darüber hinaus weitere Orte und Veranstaltungen, die die Neonazis vom „III. Weg“ offen nutzen. In diesem Zusammenhang traten Teile einer Neonazi-Sportgruppe, die bereits vor drei Jahren in Berlin aktiv war, wieder in Erscheinung. Am Ende des Artikels befindet sich eine Übersicht aktuell bekannter Trainingsorte vom „III. Weg“.

Informationen zu Neonaziaktivitäten können jederzeit an dritterwegrecherche@riseup.net gemeldet werden. Inzwischen versuchen die Neonazis vom „III. Weg“ ihre Sportangebote abzusichern. Wie aktuelle Beobachtungen zeigen, traten sie im Rahmen von öffentlichen Trainings bewaffnet (z.B. mit Messern und Pfefferspray) in Erscheinung.

Sport als politisches Kampffeld vom „III. Weg

Der „III. Weg“ steht offensiv für eine völkische und selbsternannte „nationalrevolutionäre“ Politik. Neben der politischen Organisierungsarbeit gehört für sie dazu eine harte Arbeit der AktivistInnen an sich selbst. Im nationalsozialistischen Weltbild ist der individuelle Körper immer schon mit dem kollektiven „Volkskörper“ verbunden. Um in diesem Sinne eingesetzt werden zu können, soll der Körper entsprechend „rein“ gehalten werden und leistungsbereit sein. Pathetisch spricht die Partei in diesem Zusammenhang vom „inneren Befehl der Leibeszucht“. Neben dem geforderten Verzicht auf Alkohol und Drogen beinhaltet das auch körperliche Leistungsfähigkeit. Sie wird ebenfalls als Voraussetzung geistiger Stärke betrachtet. In diesem Sinne gibt es innerhalb der Partei seit mindestens 2017 eine eigene Arbeitsgruppe mit dem Namen „Körper & Geist“. Sie tritt offensiv mit einem eigenen Logo in Erscheinung und ihre Mitglieder richten vor allem lokale Kampf- und Kraftsporttrainings für die Parteimitglieder bundesweit aus. [1] Zudem organisierte die Gruppe bereits eigene Kampfsportturniere, wie das Event „Jugend im Sturm“ 2018 im thüringischen Kirchheim. [2]. Mitglieder vom „III. Weg“ nahmen darüber hinaus als Kämpfende oder zur Unterstützung an Neonazi-Veranstaltungen in ganz Europa teil. [3]

Sportangebote vom „III. Weg“ in Berlin

In Berlin besitzt der „III. Weg“ keine geeigneten eigenen Räumlichkeiten für größere Kampfsporttrainings. Deshalb greift die Partei verstärkt auf öffentliche Sportanlagen in unterschiedlichen Bezirken zurück (eine Übersicht aller bekannten Orte befindet sich am Ende des Artikels). Ziel ist es, vor allem jugendliche SympathisantInnen auf den Straßenkampf, das heißt die Auseinandersetzung mit vermeintlichen „politischen Gegner*innen“ vorzubereiten. Die Auswirkungen dieser Trainings zeigten sich zuletzt am 6. Juli 2024 bei einem organisierten Angriff von Neonazis auf Anreisende einer antifaschistischen Demonstration [4]. In der Regel sind die Neonazitrainings klandestin organisiert und finden an wechselnden Orten und Tagen statt. Auf diese Weise können sie kaum im Vorhinein verhindert werden. Dennoch verstecken sich die Neonazis nicht und trainieren am helllichten Tag im öffentlichen Raum. Doch das Sportangebot der Partei beschränkt sich nicht nur auf Kampfsporttrainings. In Berlin (und Brandenburg) veranstaltet die Neonazipartei in der Regel einmal im Jahr sogenannte „Gemeinschaftstage“ als Angebote an die Mitglieder der Jugendorganisation NRJ („Nationalrevolutionäre Jugend“). Sport und insbesondere Kampfsport ist immer Teil dieser Aktivitäten. Gleiches gilt für die „Neujahrswanderungen“ im Januar. Anfang 2021 wanderten rund 25 Neonazis durch den Grunewald. Ein Jahr später fand ein „Neujahrserwachen“ im Spandauer Forst mit rund 15 Personen statt. Neben dem gemeinsamen Laufen standen bei den Veranstaltungen auch Schattenboxen, Krafttrainings, zum Beispiel mit Liegestützen, sowie Eisbaden auf dem Programm.

10.06.2024: „Gemeinschaftstag“ der NRJ am Butzer See in Kaulsdorf. Links am Transparent: Erik Storch
30.07.2022: Oliver Oeltze beim Anleiten eines Trainings anlässlich des „Sport- und Gemeinschaftstages“ der NRJ am Butzer See in Kaulsdorf

Zudem gibt über das Jahr verteilt immer wieder Fotos von gemeinsamen Wanderungen in unterschiedlichen Teilen der Bundesrepublik. Generell spielen Ausdauertrainings in Form von Leistungsmärschen eine Rolle in der neonazistischen Ideologie. Diese Verbindung zeigt sich besonders beim neonazistischen „Ausbruch“-Marsch in Budapest, an dem in der Vergangenheit regelmäßig Mitglieder vom „III. Weg“ aus Berlin teilnahmen [5]. In Mecklenburg-Vorpommern ist der sogenannte „Tollense-Marsch“ in Neubrandenburg ebenfalls ein regelmäßiges Ereignis der Neonaziszene mit Beteiligung vom „III. Weg“ [6].

Oliver Oeltze (mittig) beim „Ausbruch“-Marsch 2019 in Budapest. Foto: Pixelarchiv

Der „III. Weg“ aus Berlin im Breitensport

Neben der Teilnahme an explizit neonazistischen Events zieht es die Mitglieder vom „III. Weg“ allerdings auch in den Breitensport, um neue sportliche Herausforderungen zu bewältigen. Im Jahr 2023 konnten Gruppen der Neonazipartei bei mindestens zwei öffentlichen Laufveranstaltungen in Berlin und Brandenburg antreten. Beim „Berlin Marsch“ am 3. Oktober 2023 liefen die Neonazis Oliver Oeltze, Sebastian Glaser, Christian Schmidt, Leander Schultze sowie eine unbekannte Person 50km durch Berlin. Währenddessen nahmen sie Propaganda-Fotos mit der Fahne vom „III. Weg“ auf und versuchten den Lauf so mit extrem rechten Inhalten zu besetzen. Den Veranstaltenden des Laufes, dem Verein „Ausdauerfreunde e.V.“, schienen die neonazistischen Teilnehmenden nicht negativ aufgefallen zu sein. Stattdessen erschien sogar ein Bild des militanten Neonazis Sebastian Glaser nach dem Zieleinlauf auf der offiziellen Facebook-Seite des Marsches.

03.10.2023: Sebastian Glaser vom „III. Weg“ beim „Berlin Marsch“

Wenn Neonazis sich privat für Sportveranstaltungen anmelden, ist es für Veranstaltende ohne das entsprechende Szenewissen sehr schwer, diese zu erkennen. Es braucht hier mehr Sensibilität für die Möglichkeit, dass bekannte Neonazis auch bei „normalen“ Sportveranstaltungen außerhalb der Kampfsportszene antreten. Zusammen mit diesem Bewusstsein müssen Veranstaltende eine Haltung zu diesem Problem entwickeln und sich einen konkreten Umgang mit extrem rechten Teilnehmenden überlegen. Das beinhaltet auch die Schaffung von Kriterien in Sportorganisationen und -vereinen, um eine Teilnahme mit allen Mitteln zu unterbinden.

Für den „Berlin Marsch“ ist nicht bekannt, wie sich die Gruppe des „III. Wegs“ angemeldet hat. Beim „Schlossinsellauf“ am 18. Juni 2023 in Lübben haben sie mit ihrer politischen Haltung allerdings nicht sonderlich hinter dem Berg gehalten. Dort traten die Neonazis Leander Schultze, Christian Schmidt und Oliver Oeltze mit dem Teamnamen „Körper und Geist“ beim Halbmarathon an. Im 10km-Lauf startete außerdem Lilith Evler vom „III. Weg“ unter der gleichen Bezeichnung. Sebastian Glaser nahm hingegen unter einem anderen Namen am Halbmarathon teil. Mit der Bezeichnung „Wardon“ stellte er seine Zugehörigkeit zu der gleichnamigen Neonazi-Kampfsportgruppierung „Wardon 21“ aus. [8] Dementsprechend hätte den Veranstaltenden schon bei der Anmeldung die Teilnahme der Neonazis auffallen können. Hier braucht es mehr Informationen und den Willen der Veranstaltenden, sich mit dem Problem rechter Raumnahme auseinanderzusetzen.

18.06.2023: Philipp Zech (links) und Sebastian Glaser (mittig) begrüßen den Neonazi Oliver Oeltze (rechts) an der Ziellinie des „Schlossinsellaufs“ in Lübben

Altbekannte Trainingsgruppe

Während des Zieleinlaufs von Oliver Oeltze beim „Schlossinsellauf“ taucht jedoch noch ein weiterer bekannter Neonazi auf. Philipp Zech ist einer der ersten, die Oeltze gratulieren, nachdem dieser sich beim Halbmarathon ins Ziel schleppte. Zech selbst nahm am 10km-Lauf teil und verzichtete ganz auf einen Teamnamen. Das ganze ist sicherlich Kalkül. Zech ist Sportwissenschaftler und war bis mindestens 2022 an der Universität Potsdam im Bereich „Sozial- und Präventivmedizin“ angestellt. Zu seinem jetzigen Arbeitsverhältnis gibt es keine Informationen. Sicher möchte er jedoch nicht, dass seine wissenschaftliche Karriere durch einen allzu offensichtlichen Verhältnis zu Neonazis gefährdet wird. Dennoch war seine Nähe zu der Gruppe vom „III. Weg“ in Lübben unübersehbar – schließlich kennen sich alle Beteiligten schon seit einigen Jahren.

Von 2019 bis 2020 war Philipp Zech im Vorstand der AfD in Charlottenburg-Wilmersdorf. Ab 2021 nahm er nachweislich an klandestinen Neonazi-Kampfsporttrainings in Weißensee teil. Neben weiteren Mitgliedern der AfD, der „Jungen Alternative“ sowie Aktivisten der „Identitären Bewegung“ (z.B. Mario Müller) waren unter den Trainingspartnern von Zech auch Christian Schmidt (damals noch NPD/JN) und Leander Schultze (im damaligen Artikel „Unbekannt 12“) bei den Trainings in Weißensee anwesend.[9] Vieles spricht dafür, dass die Trainings ein Versuch zum Aufbau einer extrem rechten Kampfsportvernetzung in Berlin waren. So war Zech bis zur Auflösung 2023 im Vorstand vom „Verein für Leibesübungen und Bildung e.V.“. Gegründet wurde dieser 2019 laut Vereinsakten unter anderem von Mario Müller (Identitäre Bewegung, s.o.) und Peter Kurth. Letzterer ist ehemaliger Berliner Finanzsenator der CDU und inzwischen als Finanzier der neofaschistischen Szene bekannt.

2021: Neonazikampfsport-Trainings mit Mitgliedern von NPD (einige damalige NPD-Mitglieder sind mittlerweile zum „III. Weg“ gewechselt), AfD und Identitärer Bewegung im „Sportkomplex Rennbahn“ in Weißensee
2021: Neonazikampfsport-Trainings mit Mitgliedern von NPD (einige damalige NPD-Mitglieder sind mittlerweile zum „III. Weg“ gewechselt), AfD und Identitärer Bewegung im „Sportkomplex Rennbahn“ in Weißensee

Nachdem die geheimen Trainings öffentlich wurden, zog sich die neonazistische Sportgruppe zurück. Die Verbindungen zueinander sind aber noch geblieben. Unter Umständen wurde das gesamte Angebot über die Jahre einfach verlegt. So war der „Schlossinsellauf“ nicht das einzige Event, an dem Teile der Sportgruppe vom damaligen Training in Weißensee erneut zusammentrafen. Am 27. September 2023 fand ein Training vom „III. Weg“ im Calisthenics Park auf dem Kastanienboulevard in Hellersdorf statt. Neben Oliver Oeltze und Leander Schulze nahm auch Philipp Zech daran teil. Es deutet somit vieles auf ein Fortbestehen von einem Kern der alten Neonazi-Trainingsgruppe aus Weißensee unter dem Label vom „III. Weg“ hin. Hier profitiert die Neonazipartei von der Aufbauarbeit der neofaschistischen Bewegung um AfD und Identitäre Bewegung.

27.09.2023: v.l.n.r.: Philipp Zech (ehemalig im Vorstand der AfD Charlottenburg-Wilmersdorf), Oliver Oeltze, Andreas Thomä, Leander Schultze, Erik Storch, Sebastian Glaser und Andi Körner (alle „III. Weg“) nach dem gemeinsamen Kampfsporttraining auf dem Hellersdorfer Kastanienboulevard
2020: Philipp Zech (links) bei der AfD Charlottenburg-Wilmersdorf

Fazit

In Berlin gibt es somit jahrelang gewachsene Strukturen der extremen Rechten, auf die der „III. Weg“ in seiner Parteiarbeit zurückgreifen kann. Auch wenn bestimmte Personen, wie Philipp Zech, aus der Öffentlichkeit verschwinden, bestehen persönliche Netzwerke weiter. Zudem zeigen die beiden Beispiele vom „Berlin Marsch“ und dem „Schlossinsellauf“ in Lübben, dass Neonazis vom „III. Weg“ gezielt öffentliche Sportangebote nutzen, um ihren extrem rechten Körperkult voranzutreiben und Räume zu besetzen. Dieses Phänomen war bisher vor allem aus dem Kampfsportbereich bekannt, betrifft aber auch viele andere Sportfelder, wie eben den Lauf- und Ausdauersport. Hier muss auf Seiten der Veranstaltenden ein Bewusstsein entstehen, dass Neonazis an ihren Events teilnehmen können und sich dort präsentieren. Daran anschließend braucht es eine Haltung, um gegen diese Vereinnahmung Position zu beziehen. Es ist schwer vorauszusagen, wann und wo Neonazis auf Sportveranstaltungen anzutreffen sein werden. Im Jahr 2024 war der „III. Weg“ in Lübben nicht anwesend. Aber sicherlich werden sie sich andere Veranstaltungen suchen. Insgesamt versucht der „III. Weg“ sein Sportangebot breit aufzustellen, verschiedene Bereiche zu besetzen und so über Sport Politik zu machen. Diese Strategie erinnert an das Vorgehen der neonazistischen „Active Clubs“, die sich aus den USA inzwischen auch in Europa ausbreiten.


Weiterführende Informationen


Übersicht der bekannten Trainingsorte vom „III. Weg“ in Berlin

1) Kissingen-Stadion (Pankow)

  • 17.05.2024: gemeinsames Training mit rund 25 zumeist jugendlichen Neonazis
  • 13.10.2023: Training von ungefähr sechs Neonazis
  • 08.09.2023: Kampfsporttraining mit rund 20 Neonazis, darunter Rechte aus Polen und Frankreich

2) Calisthenics Park auf dem Kastanienboulevard (Hellersdorf)

  • 27.09.2023: Kampfsporttraining mit acht Neonazis
  • 10.06.2023: „Gemeinschaftstag“ der NRJ mit rund neun Neonazis
  • 09.11.2022: Veröffentlichung Videodreh am Calisthenics Park mit rund 14 Neonazis für Musikprojekt „Kombaat“ von Manuel Eder

3) Butzer See (Kaulsdorf)

  • 10.06.2023: „Gemeinschaftstag“ der NRJ mit rund neun Neonazis
  • 30.07.2022: „Gemeinschaftstag“ der NRJ mit rund sieben Neonazis

4) Basketballplatz an der Landsberger Allee (gegenüber Hausnummer 214; Lichtenberg)

  • 07.05.2024: (Kampf-)Sporttraining und Graffiti von ca. 16 Neonazis
  • An dem Ort wurde in der Vergangenheit vor allem die öffentliche Graffiti-Hall vom „III. Weg“ genutzt.

5) Schlosspark Pankow

  • 07.07.2023: Kampfsporttraining von rund zehn Neonazis darunter Mitglieder der spanischen Neonazipartei „Devenir Europeo“

6) Bolzplatz Erich-Kästner-Straße (Hellersdorf)

  • 11.07.2022: ungefähr 13 Neonazis nehmen an einem „Combativen Training“ von einem französischen Neonazi teil

7) Parkaue (Lichtenberg)

  • 13.07.2024: Kampfsporttraining von ca. 20 Neonazis
  • Mitte Juni 2024: Kampfsporttraining von ca. 14 Neonazis

Neonazis und Identitäre beim AfD-Rechtsrockkonzert

Autor:innen: anonym

Erstveröffentlichung unter Indymedia

Am 29.12.2023 organisierte die Junge Alternative Brandenburg eine sogenannte „Jahresabschlussparty“. Aufgrund der angekündigten Musik-Acts und Kooperationspartner war allerdings klar, dass es sich hierbei um ein reines Rechtsrockkonzert handelte. Der Ort der Veranstaltung wurde bis zum Schluss geheim gehalten. Die „Party“ stieg letztendlich im AfD-Treffpunkt „Mittelpunkt der Erde“ in Hönow bei Berlin. Gekommen ist eine bunte Mischung aus Jung-AfD’ler:innen, Neonazis vom III. Weg und der NPD sowie Identitäre und Rechtsrock-Fans. Ein Dreivierteljahr vor der Landtagswahl in Brandenburg präsentiert sich die Jugendorganisation der AfD als Sammelbecken für sämtliche Spektren der extremen Rechten.

Wer steckt hinter der „Jahresabschlussparty“?

Bereits knapp zwei Monate vor dem 29.12.2023 begann die Mobilisierung für die „Jahresabschlussparty“ der Jungen Alternative Brandenburg. Der Ort wurde im Stil von Neonazi-Konzerten geheim gehalten. Zu groß war wohl die Angst vor Gegenprotesten oder staatlichen Interventionen. Als Kooperationspartner trat „Sub:version Production“ auf. Das Label und Musikvertrieb ist tief in die Neonazi-Strukturen um Cottbus und Umgebung verstrickt. [1] Ursprünglich aus dem Umfeld von Nazirapper „Bloody32“ gegründet, bietet „Sub:version“ heutzutage alles an, was das rechte Herz begehrt: vom Hooligan-Rock von „Kategorie C“ bis Rap des „Neuen Deutschen Standard“ um „Chris Ares“. Auch die Acts für den 29.12. sind allesamt aus dem Portfolio des Südbrandenburger Vertriebs.

Die Acts der „Jahresabschlussparty“

Ganz oben auf dem Flyer stand die Neonaziband „Sacha Korn“.[2] Bereits am 6.11.2021 spielten sie für die AfD Brandenburg im „Mittelpunkt der Erde“.[3] Frontmann Sascha Korn aus Teltow ist seit über einem Jahrzehnt in der internationalen Rechtsrock-Szene aktiv und Bassist Jan-Michael Keller war jahrelang Politiker der NPD in Berlin-Lichtenberg. Trotzdem stellt sich die Band gerne als vermeintlich unpolitischer „Deutschrock“ dar. Doch ihre Verbindungen zu unterschiedlichen Szenen der extremen Rechten sind offensichtlich. Kooperationspartner von „Sacha Korn“ ist die völkische Kampagne „1 Prozent“. Das neurechte COMPACT-Magazin filmte eine kurze Dokumentation zum AfD-“Patrioten“-Konzert mit „Sacha Korn“.

Im Jahr 2022 sollten „Sacha Korn“ auf dem internationalen Neonazi-Festival „Frontnacht“ im belgischen Ieper auftreten; zusammen mit einschlägigen Bands wie die „Casa Pound“-Hausband „Bronson“ aus Italien oder dem Liedermacher Philipp „Flak“ Neumann aus Deutschland, der Mitglied der mittlerweile verbotenen Hammerskins war. [4] Das Festival wurde letztendlich verboten, wie auch viele Konzerte von „Sacha Korn“ in Deutschland in den letzten Jahren.

Der zweite Act war Andy Habermann. Der Sänger der Rechtsrock-Band „Wutbürger“ [5] saß für die AfD bis 2020 in der Stadtverordnetenversammlung Werneuchen. Er musste seinen Posten räumen, nachdem die Aktivitäten seiner Band bekannt wurden. Wie „Sacha Korn“ geben sich auch „Wutbürger“ als „Deutschrock“-Projekt, doch sind tief in die extreme Rechte verstrickt. Zu den ehemaligen Mitgliedern zählte unter anderem Nigel Brown. Der Neonazi aus dem „Combat 18“-Umfeld spielte zuvor bei „No Remorse“. [6] Gegenwärtig bedient ein ebenso bekannter Rechtsrocker bei „Wutbürger“ den Bass: Alexander Gast von der Neonazi-Band „Spreegeschwader“. Demzufolge ist es nicht verwunderlich, dass die Band über enge persönliche Kontakte zu Neonazis, wie dem Liedermacher Marcel Martens („F.i.e.L.“), verfügt oder 2022 beispielsweise mit Hannes Ostendorf von „Kategorie C“ kooperierte.

Auch mit Julia Götz alias „Julia Juls“ haben „Wutbürger“ bereits einen gemeinsamen Song aufgenommen. Die Liedermacherin ist bekannte Aktivistin der rassistischen Kampagne „Frauenbündnis Kandel“ aus Rheinland-Pfalz. Zu „Subver:sion“ kam Julia Götz über eine Kollaboration mit „Bloody32“. Letztendlich gehören alle drei Acts vom AfD-Konzert am 29.12. zum gleichen Netzwerk und kennen sich auch persönlich. So stand „Julia Juls“ mit Andy Habermann auf der Bühne und unterstützte auch „Sacha Korn“ am Mikrofon.

Bereits 2019 sollten alle drei Acts zusammen in Zehdenick für die Rocker-Bruderschaften „Sons of Future“ und „Burgunden“ auftreten. Das Konzert wurde damals verboten. Nun erfolgte also mit der Parteijugend der AfD im Rücken ein neuer Anlauf. [7] Die Veranstaltung fungierte damit wohl auch als eine Art „Testballon“, wie weit die AfD gehen kann ohne auf staatlichen Widerstand zu stoßen. Die offene Akzeptanz der Behörden zeigt: ziemlich weit.

Von der AfD…

Insgesamt kamen rund 80 Personen aus unterschiedlichen Teilen Ostdeutschlands zu der Veranstaltung. Aus der AfD waren jedoch fast ausschließlich Mitglieder der „Jungen Alternative“ (JA) aus Brandenburg anwesend. Darunter der gesamte Vorstand [8] mit den Vorsitzenden Anna Leisten und Franz Dusatko (zusammen mit seiner Verlobten Lisa S.), dem stellvertretenden Vorsitzenden Stefan Pfau sowie Lisa Wölfert und Matze Albrecht. Weiterhin waren einige Aktivist:innen der Thüringer JA in Hönow. Andere Parteimitglieder, vor allem aus Berlin und Brandenburg, blieben der Veranstaltung jedoch fern. Obwohl die lokalen Verbände aus Marzahn-Hellersdorf oder Märkisch-Oderland den „Mittelpunkt der Erde“ regelmäßig nutzen und selbst dem völkischen Parteiflügel zuzurechnen sind, war ihnen die Kooperation der „Jahresabschlussparty“ mit klaren Neonazi-Strukturen vielleicht zu offensichtlich.

Sicherlich hatten sich die Veranstaltenden mehr von dem Konzert versprochen, für das es bis zuletzt noch Karten zu kaufen gab. Im Vergleich dazu war die Begleitung der Veranstaltung durch „alternative Medien“ enorm. So war das COMPACT-Magazin offizieller Kooperationspartner der Veranstaltung und hatte dort einen eigenen Informationsstand. Allerdings kam nur die „zweite Garde“ um den Identitären Paul Klemm und Roy Grassmann nach Hönow. Aus dem gleichen Umfeld war auch der ehemalige COMPACT-TV-Verantwortliche Martin Müller-Mertens vor Ort, der momentan für den verschwörungsideologischen Sender „AUF1“ arbeitet. Auch Mario Nieswandt vom AfD-affinen Sender „Seelow TV“ durfte in der Reihe der Medienschaffenden mitmischen. Daneben filmten auch Aktivist:innen vom sogenannten „Filmkunstkollektiv“ um Simon Kaupert aus Dresden auf der Veranstaltung – wahrscheinlich in Vorbereitung für den anstehenden Wahlkampf.

… für Neonazis und rechte Rocker

Der Hauptteil der Besuchenden speiste sich vorwiegend aus den Fanszenen der angekündigten Musik-Acts, sodass Rechtsrockfreund:innen über 50 die Veranstaltung bestimmten. Dazu zählten auch die weiteren Bandmitglieder von „Wutbürger“, wie der Gitarrist Maik Langner und Drummer Andreas Rosenthal, und der Bandfreund Nick Lajow, vom Neonazi-Tattoostudio „Ordo Tatto“ in Teltow [9]. Nur Bassist Alexander Gast blieb zuhause in seinem neuen Wohnort nahe Bayreuth. Dennoch waren unter den Besuchenden auch einige bekannte Neonazi-Aktivist:innen. Vor allem ehemalige Mitglieder der NPD sind aus der politischen Versenkung aufgetaucht, um ihren „alten Kameraden“ Jan-Michael Keller zu sehen. Dazu zählten unter anderem Jan Sturm, Danny Matschke oder Dietmar Hömke. Doch auch vom III. Weg, der im angrenzenden Marzahn-Hellersdorf sehr aktiv ist, waren einige bekannte Gesichter vertreten, in einem Fall sogar in Bekleidung der Partei. Neben Parteiumfeld aus dem Bezirk, unter anderem René Uttke, war u.a. der III.Weg-Aktivist Kai Milde anwesend.

Extrem rechte Mischszenen

Bei der „Jahresabschlussparty“ der „Jungen Alternative Brandenburg“ konnten unter dem Deckmantel der Partei unterschiedliche Szenen der extremen Rechten zusammenkommen. Während privat organisierte Nazi-Konzerte, beispielsweise in Rocker-Clubs, häufiger das Ziel staatlicher Verbote sind, könnte sich hier ein neues Business-Modell entwickeln. Dabei werden die Kontakte der AfD zur militanten Neonazi-Szene offen zur Schau getragen. Die Zukunft wird zeigen, inwieweit sich dieses Konzept innerhalb der Partei durchsetzen kann.


[1] Informationen und Hintergründe zu „Sub:version“: https://identitaereinbochum.noblogs.org/bloody32/

[2] Informationen zu „Sacha Korn“: https://rechtemedieninfo.blogspot.com/2019/12/sacha-korn.html

[3] AfD organisiert Rechtsrock-Konzert mit „Sacha Korn“ https://keinraumderafd.info/2021/11/08/brandenburger-afd-organisiert-ext…

[4] „Sacha Korn“ auf der „Frontnacht“: https://www.bellingcat.com/news/2022/07/28/our-songs-are-manifestos-why-…

[5] Mehr Informationen zu „Wutbürger“: https://rechtemedieninfo.blogspot.com/2020/06/wutburger-die-band.html

[6] Zu Nigel Brown: https://twitter.com/SHornchen/status/1324635949997973504

[7] Verbotenes Konzert von „Sacha Korn“, „Wutbürger“ und „Julia Juls“: https://inforiot.de/zehdenick-rocker-veranstalten-rechtsrock-event/

[8] Hintergründe zum Vorstand der Brandenburger JA: https://pressefuchsbrandenburg.wordpress.com/2023/11/17/rechtsextreme-ei…

[9] Zu Nick Lajow und seinen Kontakten in die Rechtsrockszene: https://inforiot.de/rechtsrock-konzert-in-potsdam-geplant/

Brandenburger AfD organisiert extrem rechtes Konzert

Landesverband der AfD „feiern“ mit Sacha Korn

Autor:innen: Inforiot

Erstveröffentlichung unter Inforiot

Am 6. November 2021 veranstaltete der AfD-Landesverband Brandenburg eine Abendveranstaltung in Hönow (Gemeinde Hoppegarten). Angekündigt war ein Infoabend mit Beiträgen der beiden stellvertretenden Landesvorsitzenden Birgit Bessin und Daniel Freiherr von Lützow. Den Abschluss bildete jedoch ein geheim organisiertes Konzert des extrem rechten Musikprojekts um Sacha Korn. Der offene Schulterschluss zwischen der Brandenburger AfD und einer außerparlamentarischen, subkulturellen Rechten ist neu. Er könnte als Richtungsweiser für den politischen Kurs nach den anstehenden Wahlen zum Landesvorsitz fungieren, bei denen auch Birgit Bessin antritt. Die zahlreich anwesenden Mitglieder des Brandenburger Landtages und einige Bundestagsabgeordnete aus dem Bundesland scheinen diese Entwicklung aktiv zu unterstützen. 

Das „Braune Haus“ in Hönow 

Veranstaltungsort des rechten Konzertabends war wieder einmal das Restaurant „Mittelpunkt der Erde“. Es gilt seit Jahren als etablierter Treffpunkt des völkischen Flügels der AfD. In der Vergangenheit fanden hier bereits Veranstaltungen mit Björn Höcke am 9.September 2017 und am 11.September 2020 statt (Wahlkampftag der AfD Marzahn-Hellersdorf am 9. September 2017 — 1) und Andreas Kalbitz (Treffen der „Adlerschwingen Brandenburg“ ) statt. Auch Götz Kubitschek und Erik Lehnert vom extrem rechten „Institut für Staatspolitik“ waren im Oktober 2020 für einen Diskussionsabend der Berliner „Jungen Alternative“ in Hönow zu Gast. Aufgrund der akuten Schwierigkeit der Berliner AfD, Veranstaltungsräume zu finden, dient der „Mittelpunkt der Erde“ ebenfalls als Treffpunkt für zahlreiche Bezirksverbände, um dort beispielsweise Parteitage abzuhalten. Doch am Samstagabend gab es auf der „Dankesfeier“ für „unsere Mitglieder“, wie Birgit Bessin wenige Stunden vor Veranstaltungsbeginn auf Facebook schrieb, mehr als nur ein paar diskriminierende Reden.

Sacha Korn – Musik für die extreme Rechte 

Unter den ankommenden Personen des Abends waren auch Mitglieder des extrem rechten Musikprojekts um den Songwriter Sacha Korn. So zeigte sich Drummer Guido Schade direkt im Bandoutfit und der Bassist und ehemalige Kader der Lichtenberger AfD, Jan-Michael Keller, trug sein Instrument in den Veranstaltungsraum. Später veröffentlichte eine Aktivistin der „Jungen Alternative“ aus Brandenburg Fotos, die bestätigten, dass tatsächlich ein Konzert von Sacha Korn im „Mittelpunkt der Erde“ stattgefunden hatte. 

Der Sänger und seine Bandkollegen nennen sich selbst „unpolitisch“. Doch sie sind seit vielen Jahren in einer extrem rechten Musikszene aktiv und in Neonazinetzwerke eingebunden. 2011 wurden Songs von Sacha Korn auf der “Schulhof-CD” der NPD in Sachsen-Anhalt veröffentlicht.  Zudem hat die Band Kontakte ins Rockermilieu, wie ein geplantes und dann verbotenes Konzert für die Hells Angels 2012 zeigt. Aus Angst vor weiteren Verboten werden ihre Konzerte in der Regel klandestin organisiert, wie 2015 im Berliner Club „Chesters“ [5]. Wenn sie bekannt werden, sind sie von antifaschistischen Protesten begleitet – so 2017 in Potsdam-Bornstedt. In den letzten Jahren suchen Sacha Korn neben der Neonazi-Szene jedoch verstärkt Kontakte in eine neofaschistische Rechte, vor allem zu Strukturen der “Identitären Bewegung”. Sein aktuelles Album „Heimat“ aus dem Jahr 2020 produzierte er zusammen mit der völkischen Vernetzungsplattform „Ein Prozent“. Sie finanzierte auch das Video zur Auskopplung „Unsere Kraft“ und bewarb Korn mehrfach auf ihrer Homepage als öffentlichkeitswirksamen Posterboy für eine „patriotische Musikszene“. Dadurch erlangte Sacha Korn Zugang zur rechten Medienblase. Er gab unter anderem Interviews in der FPÖ-nahen Zeitung „Wochenblick“ und dem österreichischen Magazin „Freilich“, das ebenfalls der FPÖ und der „Identitären Bewegung“ nahesteht. Zudem war er Ende 2020 Gast im online-Format „laut gedacht“ der beiden Identitären-Aktivisten Alexander Kleine aka Alex Malenki und Phillip Thaler. Die Kontakte zur neonazistischen und neofaschistischen Rechten führten auch zur zwischenzeitlichen Löschung von Korns Musik auf zahlreichen online-Downloadportalen. Der Sänger und seine Band stehen somit für die Bestrebungen  zum Aufbau einer völkischen „Gegenkultur“, die jedoch versucht ihre extrem rechten Inhalte als vermeintlich harmlosen „Patriotismus“ zu tarnen. Das vereint ihn mit der AfD.                                      

AfD im Netzwerk der „Mosaikrechten“

Das Konzert in Hönow zeigt, wie tragfähig die Netzwerke zwischen subkuturellen und parlamentarischen Kreisen der extremen Rechten inzwischen sind. Der Aufbau einer solchen „Mosaikrechten“ wird seit Jahren eingefordert und von Plattformen wie „Ein Prozent“ unter erheblichem finanziellen Aufwand forciert. Dabei geht es nicht nur darum, gegenseitige Unterstützung einzufordern, sondern eine aktive politische Zusammenarbeit unterschiedlicher Spektren, wie der AfD, der “Identitären Bewegung” oder Musik-Acts, zu fördern. Die Ausrichtung des Konzertes durch die AfD zu diesem Zeitpunkt ist taktisch motiviert. In zwei Wochen findet am 20. und 21. November der Landesparteitag statt. Auf ihm geht es darum, die Nachfolge von Andreas Kalbitz zu bestimmen, dem im Frühjahr 2020 die Parteimitgliedschaft entzogen wurde. Grund waren seine über Jahrzehnte bestehenden persönlichen Kontakte in die extreme Rechte. Doch für viele Teile der Brandenburger AfD war das kein Grund, ihm nachhaltig die Unterstützung zu entziehen. Nun machen sich die Kalbitz-Befürworter*innen im völkischen Parteiflügel bereit, um seine politische Arbeit mit neuen Gesichtern fortzuführen. Zu dieser Fraktion gehört auch Birgit Bessin, die für den Landesvorsitz kandidiert.

Breite Unterstützung für völkische Netzwerke

Dementsprechend ist die Konzert-Veranstaltung vom 6. November 2021 neben dem Dank an die Parteimitglieder für die Hilfe im zurückliegenden Bundestagswahlkampf auch eine Möglichkeit, um die Unterstützer*innen einzuschwören und den politischen Weg der Brandenburger AfD unter Bessin aufzuzeigen. Dieser Kurs scheint eine verstärkte Zusammenarbeit mit extrem rechten Strukturen außerhalb der Parlamente zu beinhalten, um in Brandenburg eine starke „Mosaikrechte“ zu etablieren. Eine solche Entwicklung scheint dabei von vielen führenden Politiker*innen der Partei getragen zu werden. 

Neben den stellvertretenden Landesvorsitzenden Bessin und von Lützow waren weitere Landtagsabgeordnete in Hönow; unter anderem Peter Drenske, Lars Günther, Kathi Muxel , Volker Nothing, die Schriftführerein Kerstin Schotte der ehemalige Abgeordnete Roman Kuffert. Zudem besuchten mit Hannes Gnauck, Steffen Kotré und René Springer gleich drei der fünf aktuellen Brandenburger Bundestagsabgeordneten der AfD das Konzert. Auch die generell eher ins völkische tendierende Parteijugend der AfD zeigt sich als Unterstützerin eines weiter nach rechts führenden Parteikurses. Neben der Vorsitzenden der „Jungen Alternative“ in Brandenburg, Anna Leisten, war ebenfalls ihr Stellvertreter Franz-Sebastian Dusatko sowie Manuel Schmidt anwesend. Von der Berliner JA kam Patrick Steven Fritsch vorbei. Die Ausrichtung eines klandestin organisierten Rechtsrockkonzerts stellt eine neue Qualität der politischen Arbeit der AfD in Brandenburg dar. Hier zeigt sich, wie offen völkische Strukturen in der Partei versuchen, ihre Handlungsspielräume gegenüber vermeintlich gemäßigteren Kräften, wie um Jörg Meuthen, zu erweitern. Es wird sich auf dem Landesparteitag zeigen, inwieweit eine solche Ausrichtung der Landes-AfD mehrheitsfähig ist. Leider spricht vieles dafür. Und selbst wenn die Akteur*innen des völkischen Flügels der Partei nicht unmittelbar auf die gewünschten Posten gewählt werden, werden sie ihren politischen Kurs auf lokaler Ebene fortführen. 

Die Köpfe der Berliner „Schutzzone“

Autor:innen: Recherche030

Erstveröffentlichung unter Recherche030

Ein Jahr ist seit den versuchten Naziangriffen im Neuköllner Schillerkiez vergangen.¹ Viel spricht für eine Beteiligung der Neuköllner Neonazis Robin-Oliver Band und Maurice Pollei. Beide sind Aktivisten der NPD-Kampagne „Schutzzone“. Was ist die „Schutzzonen“-Kampagne, wer sind zentrale Akteure und was sind ihre Aktivitäten?

Die „Schutzzone“ ist eine bundesweite NPD-Kampagne. Erklärtes Ziel sei es, Deutsche mittels einer „Bürgerwehr“ zu „schützen“, da der Staat diese Aufgabe nicht „richtig“ übernehme. Um auch andere Spektren anzusprechen, treten die Nazis bewusst nicht als Partei auf. In Berlin handelt es sich dabei um eine kleinere Gruppe – überwiegend männlicher – NPD-Aktivisten. Inwieweit es tatsächlich zu längeren Patrouillen durch die „Schutzzone“ kommt, ist zweifelhaft, da sie bisher hauptsächlich durch Fotos im Internet in Erscheinung getreten sind. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei der „Schutzzone” vor allem um eine Inszenierung von Straßenpräsenz handelt. Weitere Aktivitäten der „Schutzzone“ sind u.a. das Bereitstellen von Hilfs-Securitys auf Veranstaltungen,² wie beim monatlichen „Dienstagsgespräch“ in Berlin.³ Außerdem posieren sie hin und wieder beim Aufsammeln von Müll.

Oliver Niedrich

Leiter der Berliner Kampagnengruppe ist der NPD-Kader und Energie Cottbus-Fan Oliver Niedrich.

Er ist Anfang 30 und lebte lange Zeit in Sachsen. Vor einigen Jahren zog er nach Berlin und trat in die NPD ein. Niedrich ist u.a. verantwortlich für den NPD-Materialdienst, die Mediengestaltung und die Aufgabe der sogenannte „Medienüberwachung“. Das heißt er „überwacht“ die Landes-Website der Partei sowie zahlreiche Facebookseiten der Kreisverbände. 2014 wurde er Mitglied des Landesvorstands der NPD Berlin, aktuell ist er dort als Beisitzer vertreten. Ferner ist er seit vier Jahren Vorsitzender der NPD Charlottenburg-Wilmersdorf. Niedrich betreut Infostände, wie beim “Eichsfeldtag“ am 18.05.2019 in Leinefelde. Desweiteren fuhr er mit anderen Mitgliedern der Berliner „Schutzzone“ am 17.08.2019 nach Dresden.⁴ In der Berliner „Schutzzone“ besteht seine Aufgabe hauptsächlich darin, die vermeintlichen Patrouillen zu fotografieren und ins Internet zu stellen. Auf vielen Bildern ist er aber auch allein bei der „Schutzzonen“-Patrouille zu sehen, insbesondere im Bereich Berlin-Mitte.

Robin-Oliver Band und Maurice Pollei

Seit Mitte 2018 sind zwei Neonazis bei fast jeder NPD-Aktion dabei:

Robin-Oliver Band, geb. 19.04.1993, Lieselotte-Berger-Straße 59 (2. OG links), 12355 Berlin-Rudow

und

Maurice Pollei, geb. 15.02.1993, Britzer Damm 44 (UG links), 12347 Berlin-Britz

Robin-Oliver Band arbeitet im Familienbetrieb seines Vaters Uwe Band. Der Betrieb „Band Bauelemente“ (Hohenzollerndamm 77a, 14199 Berlin-Wilmersdorf) verkauft und montiert Rollläden, Jalousien und ähnliches. Auch Robin-Olivers Bruder Steven Band arbeitet in der Firma und nimmt an neonazistischen Veranstaltungen teil.

Am 03.11.2018 war neben Maurice Pollei und Robin-Oliver Band auch Steven Band auf einer AfD-Demo mit hohem Neonazi-Anteil in Eberswalde. Dabei trug er eine Jacke der Neonazimarke Thor Steinar. Im Januar 2019 beteiligte er sich am Schutz für das “Dienstagsgespräch“ im Löwenbräu (Leipziger Str. 65, 10117 Berlin).

Robin-Oliver Band ist nach der Arbeit oft mit den Firmenwägen von „Band Bauelemente“ unterwegs, auch um damit zu seinen Neonazi-Aktivitäten zu fahren. Erkennbar sind diese Autos durch die pinken „Band Bauelemente“-Aufkleber an der Rückseite der Fahrzeuge.

Als Team-Mitglied von „Band Bauelemente“ ist ebenfalls der Hund von Robin-Oliver Band aufgeführt. Dieser ist oftmals bei den Aktionen der „Schutzzone“ dabei. Die Freundin von Robin-Oliver bringt häufiger einen weißen Hund bei Aktivitäten der „Schutzzone“ mit. In seiner Nachbarschaft verklebt R. Band gerne Neonaziaufkleber, auch mal mit einer versteckten Klingen.

Erstmals fielen Robin-Oliver Band und Maurice Pollei durch ihre Teilnahme beim Gedenkmarsch für den Hitler-Stellverteter Rudolf Heß am 18.08.2018 auf. Seitdem waren sie – meist zu zweit – auf Demonstrationen sowie bei Infoständen und Partei-Abenden in der NPD-Zentrale zu sehen. Am 01.05.2019 fuhren sie mit anderen Neonazis der „Schutzzone“ zum Aufmarsch der JN in Dresden.

Das “Dienstagsgespräch“

R. Band und Pollei sind für den „Schutz“ beim „Dienstagsgespräch“ verantwortlich, dieses findet monatlich statt. Es handelt sich dabei um einen seit Jahrzehnten bestehenden, internen Stammtisch für Nazis mit Referenten wie dem NPDler Udo Voigt oder dem Holocaust-Leugner Bernhard Schaub. Weil der Organisator Hans-Ullrich Pieper regelmäßig durch antifaschistische Interventionen Probleme bekam, wurde die „Schutzzone“ zur Absicherung vor der Tür abgestellt. Dabei schleusen Robin-Oliver Band und Maurice Pollei an einem Vortreffpunkt die Teilnehmenden zum nahe gelegenen Veranstaltungsort, der regelmäßig wechseln muss.

Die Aufgabe des „Schutzes“ erfüllen R. Band und Pollei nicht gerade zuverlässig. Abgesehen davon, dass sie in der Regel noch vor Veranstaltungsende gehen, verlassen sie meist zwischenzeitlich ihren Posten, um ein sogenanntes „Koks-Taxi“ zu bestellen. Teilweise konsumieren sie bereits nach Abfahrt des „Taxis“ die jeweiligen Drogen direkt am Straßenrand. Die Heimfahrt im Firmenwagen erfolgt selten nüchtern.

Am Inhalt des “Dienstagsgesprächs“ zeigen sich R. Band und Pollei nicht interessiert.

Ruggiero Gleisinger

Ruggiero Gleisinger ist seit Jahren fester Bestandteil der NPD und kandidierte zur Abgeordnetenhauswahl 2016 in Lichtenberg. Bei Veranstaltungen und Demonstrationen übernimmt er Ordner-Dienste, so auch beim Heß-Marsch 2018 oder dem JN-Europakongress in Riesa 2018.

Ruggiero Gleisinger, geb. 07.10.1985, Seehausener Straße 16 (3. OG mitte), 13057 Berlin-Hohenschönhausen

Ein weiterer „Schutzzonen“-Aktivist ist Enrico. Sowohl Gleisinger als auch Enrico wohnen in Hohenschönhausen, sind aber stets mit den Neuköllner Neonazis unterwegs. Generell bilden Robin-Oliver Band, Maurice Pollei, Ruggiero Gleisinger und Enrico den Kern der Berliner „Schutzzone“. Andere beteiligen sich unregelmäßig an den Aktivitäten.

Ruggiero Gleisinger, Enrico und der Neonazi Patrick Bewer „schützten“ in den vergangenen Monaten ebenfalls das „Dienstagsgespräch“. Auch sie verließen ihren Posten vorzeitig, um Drogen zu nehmen, die Gleisinger in Pankow bei seinem Dealer kaufte.

Anschließend zogen sie weiter zum „Zapfhahn88“ (Konrad-Wolf-Straße 88, 13055 Berlin-Hohenschönhausen). Dabei handelt es sich um eine BFC-Fankneipe, in der sich in der Vergangenheit die NPD Lichtenberg getroffen hat.5 Die Kneipe ist nicht regelmäßig geöffnet, Gleisinger hat allerdings einen Schlüssel, um den Treffpunkt nutzen zu können.

Neonazi-Übergriffe in Neukölln

Robin-Oliver Band und Maurice Pollei stehen im Verdacht, im vergangenen Jahr bei zwei Neonazi-Angriffen nahe des U-Bahnhofs Boddinstraße in Neukölln beteiligt gewesen zu sein. Diese Angriffe fanden am 28.09.2018 und am 05.10.2018 statt. Beide Male traten die jeweils 15 bis 20 Neonazis aggressiv auf und verletzten Menschen. Die Angriffe fanden freitags statt.

An den zwei Freitagen vor dem ersten Angriff, dem 14.09.2018 sowie dem 21.09.2018, führten R. Band und Pollei „Schutzzonen“-Streifen in Berlin-Neukölln durch. Daher liegt es nahe, dass sie am 28.09.2018, beim ersten Angriff, ebenfalls versuchten, durch Neukölln zu patrouillieren. Augenzeug*innen berichteten, dass sich einer der Neonazis an der Nase verletzte. Entsprechende Verletzungen trug Pollei fünf Tage später, auf der Neonazidemonstration in Berlin-Mitte.

Beim zweiten Angriff am 05.10.2018 trugen die Neonazis MMA-Handschuhe. Das Mitführen dieser Kampfsport-Utensilien ist ein Zeichen dafür, dass sich die Gruppe auf den Angriff vorbereitet hat. Bei diesem Angriff wurden die Neonazis verjagt. Robin-Oliver Band war zwar im Bereich des sogenannten „Anti Terror Kampf“ (ATK) aktiv, diese sportlichen Vorerfahrungen halfen ihm aber lediglich beim Wegrennen.

Zeug*innen erkannten bei dem Angriff ebenfalls David Linke. Der Lichtenberger BFC-Fan konnte bisher nicht im Umfeld der NPD/“Schutzzone“ festgestellt werden.

 Fazit

 1) Die „Schutzzone“ versucht sich als neonazistische „Bürgerwehr“ zu inszenieren, allerdings ohne nachhaltig präsent zu sein oder Kontrolle im öffentlichen Raum ausüben zu können. Es handelt sich vor allem um ein virtuelles Phänomen, wobei es eine Dunkelziffer möglicher Übergriffe geben kann.

2) Dennoch besitzt die “Schutzzone“ das Potential, Menschen einzuschüchtern, die nicht in ihr menschenfeindliches Weltbild passen. Außerdem gab es mit den beiden Übergriffen in Neukölln bereits gewalttätige Angriffe, die jedoch erfolgreich zurückgeschlagen werden konnten.

 3) Aufgrund der in den “Sozialen Medien“ veröffentlichten Fotos, die sich stark an der Darstellung männlicher Stärke und (soldatischer) Wehrhaftigkeit orientieren, gelingt es der NPD “Schutzzone“ insbesondere bei jungen rechten Männern Anklang zu finden.

 4) Mit dem aktionistischen „Mitmachcharakter“ schafft die Kampagne eine scheinbare Offenheit und Ansprechbarkeit. Damit bietet die NPD auch Anknüpfungspunkte für solche Kräfte, die die aktuelle politische Arbeit der Partei als zu wenig radikal und unansprechend empfunden haben. So sind in der Berliner „Schutzzone“ im letzten Jahr neue AktivistInnen aufgefallen, die ihre Nazi-Tattoos, wie z.B. eine Schwarze Sonne, offen zur Schau stellten, sich vorher allerdings nicht im Umfeld der Berliner NPD bewegt haben. Dementsprechend ist die Partei mit der Kampagne in der Lage in kleinem Rahmen neue Leute zu rekrutieren.

5) Trotz des Fokus auf die mediale Inszenierung der “Streifzüge“ wird mit der „Schutzzone“ das Konzept des „Kampfes um die Straße“ wieder aufgegriffen und aktualisiert. Demonstrationen mit einem hohen Organisationsaufwand stellten sich als immer erfolgloser heraus. Neben der parlamentarischen Bedeutungslosigkeit der NPD wird deshalb eine stärkere (außerparlamentarische) Gewaltorientierung propagiert.

6) Über die öffentliche Zurschaustellung gewalttätiger neonazistischer Männlichkeit ergeben sich zahlreiche Schnittpunkte zum Bereich des terroristisch agierenden Neonazismus. Dies zeigt sich u.a. an Maurice Pollei, der am 03.10.2019 mit einem Shirt der „Combat 18“-Band “Terrormachine“ an einer Neonazidemonstration teilnahm.

7) Mit der „Schutzzonen“-Kampagne hat sich eine gewisse Parallelstruktur zum NPD-Jugendverband Junge Nationalisten (JN) herausgebildet. So beteiligen sich JN-AktivistInnen kaum an der „Schutzzonen“-Kampagne. Während die JN Kaderausbildungen und einen aktionsorientierten Ansatz zusammenbringen will, kann bei der „Schutzzone“ auch ohne ideologische Schulungen mitgemacht werden. Das zieht vor allem zuvor ungebundene, ideologisch wenig gefestigte Neonazis an. Dabei steht der Berliner “Schutzzonen“-Lifestyle aus chemischen Drogen, Alkohol und Gewalt teilweise in direkter Konkurrenz zur Selbstdarstellung der JN.

 In diesem Sinne ist die “Schutzzonen“-Kampagne ein Versuch, mit wenigen Neonazis – in Berlin ist nur eine Handvoll regelmäßig an den Aktionen beteiligt – einen “Kampf um die Straße“ zu führen, eine gewisse eigene Stärke zu simulieren und militante Neonazis einzubinden. Gleichzeitig ist der Aufwand für einige Fotos vergleichsweise gering, sodass ohne große Anstrengung zumindest eine digitale Aufmerksamkeit erzeugt werden kann. Diese reine Ausstellung neonazistischer Tatkraft könnte zu einer dauerhaften Festigung faschistischer Identität führen, während in Wirklichkeit ein Lifestyle aus Drogen gelebt wird.

Quellen